Rechtsnatur der Briefmarke: "Kleines Inhaberpapier" i.S.v. § 807 BGB; ergänzende Vertragsauslegung bei Gültigkeitsverlust durch Hoheitsakt; Voraussetzungen und Maßstab der ergänzenden Auslegung (hypothetischer Parteiwille); Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium)


BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 395/04


Fundstelle:

noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen


Amtl. Leitsätze:

a) Eine von der Deutschen Post AG herausgegebene Briefmarke erfüllt alle Voraussetzungen, die § 807 BGB an ein so genanntes "kleines Inhaberpapier" stellt.
b) Der Fall, dass die Briefmarke ihre Gültigkeit durch einen staatlichen Hoheitsakt verliert, so dass der in ihr verkörperte Anspruch auf eine Beförderungsleistung gemäß § 807 BGB nicht mehr durchgesetzt werden kann, ist im Gesetz nicht geregelt. Im Wege ergänzender Vertragsauslegung ergibt sich, dass verständige und redliche Vertragsparteien bei Kenntnis der Regelungslücke ein Umtauschrecht mit einer Gültigkeitsdauer von einem Jahr vereinbart hätten.


Zentrale Probleme:

Am Ausgangspunkt der methodisch sehr lehrreichen Entscheidung steht der Begriff des "kleinen Inhaberpapiers" i.S.v § 807 BGB. Nachdem der Senat die Briefmarke als eine solche qualifiziert, hat er sich damit auseinanderzusetzen, wie sich die gesetzliche Kraftloserklärung alter "Pfennig"-Marken im Zuge der Euro-Währungsumstellung auswirkt. Er arbeitet hier mit ergänzender Vertragsauslegung, deren Voraussetzungen und Verhältnis zu §§ 313, 242 BGB eingehend dargelegt wird: Der in den Pfennig- und DM-Marken verkörperte Beförderungsanspruch ist wegen der durch die Ungültigerklärung entfallenen Legitimationswirkung nicht mehr durchsetzbar. Damit ist eine für die Parteien nicht vorhersehbare Äquivalenzstörung eingetreten, die weder gesetzlich noch vertraglich geregelt ist. Diese Regelungslücke ist primär im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Dabei ist darauf abzustellen, was redliche und verständige Parteien bei Kenntnis der Lücke nach dem Vertragszweck und bei sachgemäßer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten. Er kommt damit zu einem befristeten Umtauschrecht, nicht aber zu einem Rückkaufsanspruch. Es sei auch kein widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium), wenn die Post AG trotz der Tatsache, daß sie auch nach der angekündigten Frist noch Marken umgetauscht habe, sich nunmehr auf den Ablauf dieser Frist berufe.

©sl 2005


Tatbestand:

Der Kläger, ein Briefmarkenhändler, und die beklagte Deutsche Post AG streiten über deren Verpflichtung zum Umtausch ungültig gewordener Briefmarken. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Anlässlich der Währungsumstellung von Deutsche Mark auf Euro Anfang 2002 erklärte das Bundesministerium für Finanzen gemäß § 43 Abs. 1 PostG Postwertzeichen, deren Nennwert ausschließlich in Deutsche Mark oder in Pfennig angegeben ist, mit Wirkung vom 1. Juli 2002 für ungültig. Die Beklagte bot daraufhin durch öffentliche Erklärungen den Inhabern so genannter "Pfennig-Briefmarken" an, diese bis zum 30. Juni 2003 gegen neue Euro-Briefmarken zu tauschen.

Der Kläger reichte bis zu diesem Zeitpunkt ungültige Briefmarken im Gesamtnennwert von über 300.000 DM bei der Beklagten ein, die diese in Briefmarken mit entsprechendem Euro-Nennwert umtauschte. Auch die erst nach Ablauf der Umtauschfrist im Juli 2003 vorgelegten Briefmarken des Klägers und anderer Kunden tauschte die Beklagte ohne weiteres um. In der Folgezeit erwarb der Kläger von Dritten in großen Stückzahlen weitere "Pfennig-Briefmarken" weit unter ihrem Nennwert. Diese im August und November 2003 zum Tausch übersandten Postwertzeichen nahm die Beklagte aber nicht mehr an, sondern berief sich nunmehr auf den Ablauf der von ihr festgelegten Umtauschfrist.

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Herausgabe von Euro-Briefmarken im Gesamtwert von 48.572,73 € Zug um Zug gegen Einlieferung von "Pfennig-Briefmarken" im Wert von 95.000 DM. Er hält die Beklagte mangels wirksamer zeitlicher Beschränkung der Umtauschmöglichkeit und aus Vertrauensschutzgesichtspunkten für verpflichtet, auch die streitgegenständlichen Marken umzutauschen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht - zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet.

I. Das Berufungsgericht (OLGR Köln 2005, 48 und JMBl. NRW 2005, 117) hat ein Umtauschrecht des Klägers verneint und zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Nach der Privatisierung des Postwesens stehe die privatrechtliche Bewertung des Erwerbs von Postwertzeichen außer Zweifel. Seitdem würden Briefmarken durch Kaufvertrag und Übereignung erworben. Aus den Regeln des Kaufrechts könne der Kläger keine Rechte herleiten. Die Parteien stritten weder über einen Sach- noch über einen Rechtsmangel, sondern über die Frage, welche Rechte dem Inhaber ungültig gewordener Postwertzeichen zustünden.

Briefmarken seien keine Zahlungsmittel, sondern so genannte "kleine Inhaberpapiere" im Sinne des § 807 BGB. Der Fall, dass eine Briefmarke ihre Gültigkeit durch einen staatlichen Hoheitsakt verliere, werde in den §§ 793 ff. BGB nicht geregelt. Die Regelungslücke sei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Dabei sei davon auszugehen, dass die Prozessparteien bei Kenntnis der späteren Entwicklung eine Möglichkeit zum Umtausch der ungültigen Briefmarken vorgesehen hätten.

Die Befristung der Umtauschmöglichkeit auf ein Jahr sei wirksam. Die Frist berücksichtige das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung hinreichend und sei auch sonst angemessen. Die betroffenen Postkunden liefen bei dieser Regelung nur Gefahr, den Gegenwert für den Kaufpreis, nämlich die Beförderungsleistung der Beklagten, zu verlieren, während ein unbefristetes oder längeres Umtauschrecht die Beklagte wesentlich mehr belaste. Denn die alten "Pfennig-Briefmarken" seien nicht fälschungssicher und mit dem Briefmarkentausch sei ein erheblicher Verwaltungsaufwand verbunden.

Ein weitergehendes Umtauschrecht des Klägers ergebe sich auch nicht daraus, dass sich die Beklagte selbst nicht strikt an die nach ihren Angaben am 30. Juni 2003 endende Jahresfrist gehalten, sondern die von ihm und von anderen Kunden erst im Juli 2003 vorgelegten "Pfennig-Briefmarken" anstandslos umgetauscht habe. Ein Vertrauenstatbestand zu Lasten der Beklagten sei dadurch nicht geschaffen worden, weil sie erkennbar nur aus Kulanz gehandelt und auf etwaige längere Postlaufzeiten Rücksicht genommen habe.

II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.

1. Das Berufungsgericht hat Briefmarken - jedenfalls nach der Privatisierung der Beklagten - zu Recht als so genannte "kleine Inhaberpapiere" im Sinne des § 807 BGB angesehen.

a) Mit der Frage zum zivilrechtlichen Rechtscharakter einer Briefmarke war der Bundesgerichtshof noch nicht befasst. Die Aussagen in der Literatur sind gegensätzlich.

Nach der im Vordringen befindlichen Ansicht (siehe Münch-KommBGB/Hüffer, 4. Aufl. § 807 Rdn. 12 f.; Staudinger/Marburger, BGB (2002) § 807 Rdn. 5; Allgaier DÖD 2001, 211, 214; Gerold Schmidt ZStW 111 (1999), 388, 420 f.; ders. NJW 1998, 200, 202 f.; ebenso schon vor der Privatisierung der Bundespost: Andrae, Die privatrechtliche Natur der Briefmarke, Diss. Jena 1933, S. 21; Enneccerus, Recht der Schuldverhältnisse 10. Bearb. S. 620; Eidenmüller, Grundlagen des Post- und Postbankrechts § 3 PostG Anm. 1) gehören Briefmarken zu den Inhaberpapieren im Sinne des § 807 BGB, die einen Anspruch auf Beförderung einer Postsendung im Wert des auf der Marke angegebenen Geldbetrages verkörpern.

Die Gegenansicht zählt die Briefmarke dagegen nach wie vor zu den Geldsurrogaten (Gehrlein, in: Bamberger/Roth, BGB § 807 Rdn. 2; Hk-BGB/Schulze, 4. Aufl. § 807 Rdn. 2; Jauernig/Stadler, BGB 11. Aufl. § 807 Rdn. 1; Weipert, Die Rechtsnatur der Briefmarke, Diss. Kiel 1996, S. 37, 40; Häde ZUM 1991, 536; vor der Privatisierung der Bundespost: grundlegend Kohler ArchBürgR 6 (1892), 316, 324; Altmannsperger, Gesetz über das Postwesen § 3 PostG Rdn. 10; Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse 13. Bearb. S. 814; RGRK/Steffen, BGB 12. Aufl. § 807 Rdn. 7; Soergel/Welter, BGB 11. Aufl. § 807 Rdn. 2; Karsten Schmidt JuS 1990, 62, 63).

Für eine vermittelnde Meinung ist die Briefmarke einerseits Wertträger oder Zahlungsmittel, andererseits aber ihrer Funktion nach den "kleinen Inhaberpapieren" des § 807 BGB weitgehend angenähert (Stern, in: Beck'scher PostG-Kommentar 2. Aufl. § 43 Rdn. 10; ähnlich Laband, Festschrift G. Cohn S. 323, 324 ff.; vgl. ferner Monz ArchPF 1990, 28, 29; Florian/Weigert, Kommentar zur PostO § 6 Anm. 2 b).

Andere Autoren halten die Briefmarke für eine bloße Quittung (Stober/Moelle/Müller-Dehn, in: Stern, Postrecht der Bundesrepublik Deutschland, Teil H § 3 PostG Rdn. 4).

b) Der erkennende Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an. Ein Inhaberpapier im Sinne des § 807 BGB liegt vor, wenn der Aussteller des Papiers sich durch Leistung an den Inhaber befreien kann, der Inhaber die versprochene Leistung zu fordern berechtigt ist und der Besitz der Urkunde zur Geltendmachung des Rechts oder der Forderung erforderlich ist (Erman/Heckelmann, BGB 11. Aufl. § 807 Rdn. 4; Staudinger/Marburger aaO § 807 Rdn. 2, 4). Dies ist bei einer gültigen Briefmarke der Fall.

Aus den Umständen der Herausgabe einer Briefmarke durch die Beklagte und nach der allgemeinen Verkehrssitte, die für die Ermittlung des Verpflichtungswillens des Ausstellers eines Inhaberzeichens von Bedeutung sind (BGHZ 28, 259, 264), ergibt sich, dass die Briefmarke einen Anspruch auf Beförderung einer Postsendung in dem Umfang verkörpert, der dem aufgedruckten Wert entspricht. Dass der Frachtvertrag erst mit Aufgabe der jeweiligen Sendung zustande kommt, steht dem nicht entgegen, weil die von der Beklagten versprochene Leistung durch die Wertangabe hinreichend bestimmbar ist. Die Beklagte will die Beförderungsleistung gegenüber jedem mit schuldbefreiender Wirkung erbringen, der gültige Briefmarken in Höhe des vorgesehenen Leistungsentgelts auf die jeweilige Postsendung klebt (Gerold Schmidt NJW 1998, 200, 202). Die Briefmarke dient in diesem Zeitpunkt daher nur noch der Kontrolle, ob das für die konkrete Sendung vereinbarte Leistungsentgelt im Voraus geleistet worden ist (Gerold Schmidt ZStW 111 (1999), 388, 420 f.).

Der Wille der Beklagten ist angesichts des Massengeschäfts zudem darauf gerichtet, nicht nachprüfen zu wollen oder zu müssen, ob der jeweilige Inhaber auch tatsächlich Eigentümer und rechtmäßiger Besitzer des Postwertzeichens ist. Die Briefmarke legitimiert daher jeden Inhaber förmlich zur Forderung der Beförderungsleistung, gleichgültig, ob er die Marke von der Beklagten oder von einem Dritten, sei es auch unter ihrem Nennwert oder unentgeltlich (vgl. Altmannsperger aaO § 3 PostG Rdn. 4; Ohnheiser, Postrecht 4. Aufl. § 3 PostG Rdn. 4; Allgaier ArchPF 1989, 222, 224), erworben hat.

Schließlich ist der Besitz der Briefmarke zur Geltendmachung des in ihr verkörperten Beförderungsanspruchs erforderlich. Der Inhaber einer Briefmarke kann nach deren Untergang nämlich keine Leistung mehr verlangen, selbst wenn er die Zahlung eines entsprechenden Geldbetrages für die Marke sicher nachweisen könnte (Weipert aaO S. 19). Die Schutzfunktion des § 797 BGB wird durch die Stempelung erreicht, mit der die Briefmarke entwertet wird (Allgaier ArchPF 1989, 222, 223). Die Briefmarke erfüllt demnach sämtliche Voraussetzungen, die die Regelungen des § 807 BGB an ein "kleines Inhaberpapier" stellen. Das gilt auch für Briefmarken, die vor der ersten Postreform vom 1. Juli 1989 ausgegeben worden sind. Denn durch § 65 Abs. 1 und 3 PostVerfG wurden auch bereits bestehende öffentlich-rechtliche Beziehungen in privatrechtliche umgewandelt.

2. Entgegen der Ansicht der Revision steht dem Kläger kein Umtauschrecht gegen die Beklagte zu. Der Fall, dass Briefmarken durch einen staatlichen Hoheitsakt ihre Gültigkeit und damit ihre Legitimationswirkung verlieren, ist weder gesetzlich noch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten geregelt. Die Lücke ist mit Hilfe ergänzender Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) zu schließen. Daraus ergibt sich indes kein Anspruch der betroffenen Postkunden auf Übereignung wertgleicher neuer Euro-Briefmarken, der über das von der Beklagten unterbreitete befristete Umtauschangebot hinausgeht.

a) Die Regeln der ergänzenden Vertragsauslegung im Sinne des §§ 133, 157 BGB finden, wovon auch die Revision ausgeht, Anwendung. Sie haben Vorrang gegenüber der Bestimmung der Leistungspflicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB (BGHZ 9, 273, 277 f.) und gegenüber der Lehre von der fehlerhaften Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB n.F. (BGHZ 81, 135, 143; 90, 69, 74). Das in einem "kleinen Inhaberpapier" des § 807 BGB verkörperte Leistungsversprechen des Schuldners ist wie eine Inhaberschuldverschreibung im Sinne des § 793 BGB (vgl. dazu BGHZ 28, 259, 263; Staudinger/Marburger aaO § 793 Rdn. 9) der ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich; diese gilt für Rechtsgeschäfte aller Art.

b) Die ergänzende Vertragsauslegung des Berufungsgerichts unterliegt der selbständigen und uneingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Briefmarken sind für den allgemeinen Verkehr bestimmt und im ganzen Bundesgebiet verbreitet. Im Interesse der Rechtssicherheit und der Verkehrsfähigkeit ist deshalb eine allgemein verbindliche Auslegung des Leistungsversprechens der Beklagten im Sinne des § 807 BGB unabhängig von den Besonderheiten und Eigenarten des konkreten Einzelfalles sachlich geboten (vgl. BGHZ 28, 259, 263 für börsengängige Inhaberschuldverschreibungen; BGH, Urteil vom 24. November 1958 - II ZR 248/56, WM 1958, 1541). Dies gilt auch bei der hier erforderlichen ergänzenden Vertragsauslegung.

c) Diese richtet sich danach, was redliche und verständige Parteien bei Kenntnis der planwidrigen Regelungslücke nach dem Vertragszweck und sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) vereinbart hätten (st.Rspr., siehe etwa BGHZ 9, 273, 278 f.; 127, 138, 142; 158, 201, 207). Danach hätte man sich zwar auf eine Umtauschmöglichkeit für ungültig gewordene Briefmarken geeinigt, diese aber auf ein Jahr befristet.

aa) Wie auch die Revision nicht in Frage stellt, hätten seriöse und verständige Inhaber von "Pfennig-Briefmarken" mit der Beklagten vereinbart, dass sie ihnen ein Umtauschangebot unterbreitet. Diese Regelung drängt sich geradezu auf, weil durch einen Tausch der ungültigen Marken gegen neue Euro-Marken gleichen Nennwerts die Störung des Äquivalenzverhältnisses auf einfache Weise und ohne eine unzumutbare Belastung beider Vertragsteile beseitigt wird. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass Briefmarken nicht bar eingelöst werden und die Beklagte den Kaufpreis bereits als Einnahme verbucht hat. Für eine Umtauschmöglichkeit spricht überdies, dass sie in § 49 Abs. 4 Satz 1 PostO vom 22. Dezember 1921 ausdrücklich vorgesehen war und die Post nach Aufhebung dieser Vorschrift Briefmarken, deren Gültigkeitsdauer begrenzt war, in Anlehnung an die frühere Gesetzeslage umgetauscht hat (vgl. dazu Florian/Weigert, Kommentar zur PostO § 6 Anm. 2 a).

Entgegen der von der Revision in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht ist daher aus dem Umstand, dass nach dem Gesetz vom 16. Dezember 1999 über die Änderung währungsrechtlicher Vorschriften infolge der Einführung des Euro-Bargeldes (Drittes EuroEG) auf Deutsche Mark lautende Banknoten und auf Deutsche Mark oder Deutsche Pfennig lautende Bundesmünzen zeitlich unbegrenzt umgetauscht werden können, nichts herzuleiten. Dass der Gesetzgeber für die "Pfennig-Briefmarken" keine derartige oder vergleichbare Regelung getroffen hat, zeigt vielmehr, dass es der Deutschen Post AG überlassen bleiben sollte, wie in der Vergangenheit zu verfahren.

bb) Die Befristung der Umtauschmöglichkeit auf ein Jahr nach Ablauf der Gültigkeit ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat - worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat - ein sachliches Interesse an einer solchen Regelung. Dieses ergibt sich zum einen daraus, dass die "Pfennig-Briefmarken", von denen mehr als 1.000 verschiedene Motive im Umlauf waren, weniger fälschungssicher sind als die neuen Euro-Briefmarken. Die Beklagte ist daher unabhängig von der Beweislast für die Echtheit einer Briefmarke daran interessiert, nicht unnötig lange der Gefahr ausgesetzt zu sein, dass gefälschte Briefmarken zum Umtausch vorgelegt werden. Zum anderen ist der erhebliche Verwaltungsaufwand für den Umtausch der Marken zu berücksichtigen, zumal er nicht aufgrund einer freien Entscheidung der Beklagten, sondern der europäischen Währungsumstellung und der Anordnung des Bundesministeriums für Finanzen notwendig geworden ist. Die Erhebung einer Gebühr wäre, was die Revision verkennt, angesichts des häufig nur geringen Werts des Tauschobjekts unverhältnismäßig und außerdem nicht praktikabel.

cc) Dagegen ist ein berechtigtes Interesse der betroffenen Postkunden an einem zeitlich unbegrenzten oder längerfristigen Umtauschrecht nicht zu erkennen. Die Einführung des Euro als neue Währung zum 1. Januar 2002 war seit längerem allgemein bekannt. Seit Januar 2001 wurden deshalb ausschließlich Briefmarken mit Wertangaben in Deutsche Mark und in Euro neu herausgegeben, die mit Ablauf des 30. Juni 2002 nicht ungültig wurden. Damit standen den Postkunden insgesamt zweieinhalb Jahre für die Umstellung von Pfennig- auf Euro-Briefmarken zur Verfügung. Eine über den 30. Juni 2003 hinausreichende Umtauschfrist war angesichts dessen nicht geboten, zumal für niemanden angesichts der seit langem angekündigten Umstellung der Währung auf Euro Veranlassung bestand, einen Vorrat an "Pfennig-Briefmarken" anzulegen, der weder bis zum 30. Juni 2002 verbraucht noch bis zum 30. Juni 2003 umgetauscht werden konnte. Nimmt man hinzu, dass die früheren Umtauschfristen in aller Regel nur drei Monate betrugen (siehe Florian/Weigert, Kommentar zur PostO § 6 Anm. 2a), obwohl die Post aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Organisation unmittelbar an Art. 14 GG gebunden war (vgl. Herdegen, in: Beck'scher Post-Kommentar 2. Aufl. VerfGrdl. Rdn. 71 ff.), kann von einer die schützenswerten Interessen der Inhaber von "Pfennig-Briefmarken" vernachlässigenden Beschränkung der Umtauschmöglichkeit selbst bei Anlegung strenger Maßstäbe keine Rede sein. Dass der Kläger oder die Personen, von denen er die Marken nach Ablauf der Jahresfrist weit unter ihrem Nennwert erworben hat, an einem rechtzeitigen Umtausch aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen gehindert waren und es sich hierbei nicht um einen zu vernachlässigenden Ausnahmefall handelt, hat er in den Vorinstanzen auch nicht geltend gemacht.

dd) Aus der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung des erkennenden Senats vom 12. Juni 2001 (BGHZ 148, 74 ff.) ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision nichts anderes. Zwar darf danach ein Telekommunikationsunternehmen in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Gültigkeit von Telefonkarten nicht zeitlich beschränken, weil darin ein vertragswidriger und den einzelnen Kunden unzumutbar belastender Eingriff in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung liegt. Damit ist aber der vorliegende Streitfall nicht zu vergleichen. Vielmehr hat die Beklagte anders als das vorgenannte Telekommunikationsunternehmen das Notwendige getan, um die von keinem Vertragsteil zu vertretende Vertragsstörung in einer auf die beiderseitigen Interessen hinreichend Rücksicht nehmenden Weise zu beseitigen und die vor der Ungültigkeit der "Pfennig-Briefmarken" bestehende Rechtslage weitgehend wiederherzustellen.

Ein Anspruch des Klägers auf Umtausch der streitgegenständlichen "Pfennig-Briefmarken" ergibt sich schließlich auch nicht aus anderen Umständen.

a) Gegen die Wirksamkeit der Befristung der Umtauschmöglichkeit bestehen auch sonst keine Bedenken. Der Einwand der Revision, dass die Beklagte keineswegs in allen Publikationen oder Veröffentlichungen exakt den Fristablauf zum 30. Juni 2003 kundgetan, sondern im Internet das Fristende nur als "voraussichtlich" bezeichnet habe, greift nicht. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die Beklagte jemals ein anderes Datum angegeben und damit nicht für die notwendige Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gesorgt hat. Davon abgesehen ist nicht dargetan, dass der Kläger durch eine mehrdeutige Bekanntmachung des Endtermins in die Irre geleitet worden ist.

b) Die Beklagte ist auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) daran gehindert, sich gegenüber dem Kläger auf den Ablauf der Jahresfrist zu berufen. Ein Berechtigter handelt nur rechtsmissbräuchlich, wenn er durch seine Erklärung oder durch sein Verhalten bewusst oder unbewusst eine Sach- bzw. Rechtslage geschaffen hat, auf die sich der andere Teil verlassen durfte und auch verlassen hat, und sich der Berechtigte jetzt mit seinen früheren Erklärungen bzw. seinem früheren Verhalten in Widerspruch setzt (BGHZ 32, 273, 279; BGH, Urteil vom 6. März 1985 - IVb ZR 7/84, NJW 1985, 2589, 2590). Diese engen Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

aa) Auch wenn die Beklagte angekündigt hat, die für ungültig erklärten "Pfennig-Briefmarken" würden "voraussichtlich" bis zum 30. Juni 2003 umgetauscht, hat sie keinen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass sie ihr Angebot auch noch nach diesem Termin aufrecht erhalten werde. Falls der Kläger allein aufgrund des Wortes "voraussichtlich" ein solches Verhalten der Beklagten für möglich und vielleicht sogar für wahrscheinlich hielt, hätte er sich bei ihr erkundigen müssen, bevor er die Briefmarken nach Ablauf der Jahresfrist von Dritten weit unter Nennwert erwarb. Dies kann gerade von einem Briefmarkenhändler erwartet werden.

bb) Der Umstand, dass sich die Beklagte selbst nicht strikt an die von ihr vorgesehene Jahresfrist gehalten, sondern die ihr vom Kläger und von anderen Kunden erst im Juli 2003 vorgelegten "Pfennig-Briefmarken" noch ohne weiteres umgetauscht hat, rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Zwar konnte hierdurch der Eindruck entstehen, dass die Beklagte sich zumindest auch in naher Zukunft nicht anders verhalten werde. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist es aber keine Seltenheit, dass ein Vertragsteil das erste Fristversäumnis des anderen entweder aus Kulanz oder aus vergleichbaren Gründen hinnimmt. Ein sorgfältiger Erklärungsempfänger darf daher normalerweise nicht darauf vertrauen, dass seinem an sich unbegründeten Anspruchsbegehren auch künftig entsprochen wird. Der Kläger handelte infolgedessen auf eigenes Risiko, als er die Briefmarken nach Ablauf der Umtauschfrist von Dritten erwarb und wegen des durch den Wegfall der Umtauschmöglichkeit hervorgerufenen Wertverlustes nur einen weit unter dem Nennwert der Marken liegenden Kaufpreis zahlen musste. Davon abgesehen kann der in seinem berechtigten Vertrauen enttäuschte Vertragspartner grundsätzlich nur einen ihm zugefügten, hier nicht dargelegten Vertrauensschaden (vgl. auch § 122 Abs. 1 BGB) ersetzt verlangen.

III. Die Revision des Klägers konnte demnach keinen Erfolg haben und war deshalb zurückzuweisen.