Werklieferungsvertrag (§
651); Anwendung von Kaufrecht; Voraussetzungen einer ernsthaften und
endgültigen Erfüllungsverweigerung i.S.v. § 323 II Nr. 2, 281 II Alt. 1 BGB
BGH, Urt. v. 20. Januar
2009 - X ZR 45/07
Fundstelle:
NJW-RR 2009, 667
Amtl. Leitsatz:
Aus dem Gesichtspunkt
der ernsthaften und endgültigen Verweigerung der geschuldeten Beseitigung
von Mängeln kann eine Fristsetzung als Voraussetzung des
Schadensersatzanspruchs wegen Schlechterteilung grundsätzlich nur dann
entbehrlich werden, wenn der Schuldner die Mängelbeseitigung bereits
verweigert hat, bevor diese durch den Gläubiger erfolgt.
Wie der Schuldner sich nach der Mängelbeseitigung durch den Gläubiger
verhält, kann nur dann von Bedeutung sein, wenn dieses Verhalten den
sicheren Rückschluss erlaubt oder hierzu beiträgt, dass schon vor der
Mängelbeseitigung die Mängelbeseitigung ernsthaft und endgültig verweigert
war.
Zentrale Probleme:
Es geht um die Entbehrlichkeit der Fristsetzung zur
Nacherfüllung im Kaufrecht, das hier über § 651 BGB anwendbar war. Der Senat
legt zu Recht den Ausnahmecharakter der entsprechenden Regelungen in §§ §
323 II Nr. 2, 281 II Alt. 1 BGB dar. Lesen!
©sl 2009
Tatbestand:
1 Die Klägerin verlangt von dem Beklagten als vereinbarte Vergütung für die
Herstellung und die Lieferung von Betonfertigteilen Zahlung von 1.166,64 €.
Gegenüber diesem Anspruch und einem weiteren Zahlungsanspruch, der nicht
mehr Gegenstand des Berufungs- und des Revisionsverfahrens war bzw. ist, hat
der Beklagte mit einer Zahlungsforderung in Höhe von 1.200,-- € die
Aufrechnung erklärt. Die nach einem bestimmten Verlegeplan herzustellenden
Betonfertigteile hätten nicht dem Schnitt dieses Plans entsprochen.
Infolgedessen habe er Ausklinkungsarbeiten an den gelieferten
Betonfertigteilen vornehmen lassen müssen, wofür ihm Kosten in Höhe von
1.200,-- € entstanden seien.
2 Das Amtsgericht hat die Klage einschließlich des von der Klägerin
zusätzlich geltend gemachten Zahlungsanspruchs abgewiesen. Das Landgericht
hat die Berufung, die nur wegen der Vergütung in Höhe von 1.166,64 € nebst
Zinsen durchgeführt worden ist, zurückgewiesen.
3 Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin
ihren Zahlungsanspruch in Höhe von 1.166,64 € nebst Zinsen weiter.
4 Der Beklagte tritt der Revision entgegen.
- Entscheidungsgründe:
5 I. Die wegen Grundsätzlichkeit der Sache durch den Einzelrichter des
Landgerichts (Berufungsgerichts) ausgesprochene Zulassung der Revision ist
statthaft (BGH, Urt. v. 16.07.2003 - VIII ZR 286/02, NJW 2003, 2900 f.).
6 II. Die in rechter Form und Frist erhobene Revision hat in der Sache
Erfolg. Sie führt zur antragsgemäßen Verurteilung des Beklagten, soweit über
die Klage noch zu befinden ist.
7 1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt
begründet: Der Vergütungsanspruch der Klägerin sei durch die vom Beklagten
erklärte Aufrechnung erloschen. Die tatsächlichen Feststellungen des
Amtsgerichts zur Mangelhaftigkeit der streitgegenständlichen
Betonfertigteile seien von der Berufung nicht angegriffen worden. Dem
Beklagten stehe deshalb der zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzanspruch
zu. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung sei entbehrlich gewesen. Denn das
nachhaltige Bestreiten der gerügten Mängel im Prozess stelle eine ernsthafte
und endgültige Erfüllungsverweigerung im Sinne von § 281 Abs. 2 1. Altern.
BGB dar. Dem stehe nicht entgegen, dass der Beklagte den Mangel habe beheben
lassen, ohne ihn zuvor der Klägerin überhaupt anzuzeigen. Es seien keinerlei
Umstände ersichtlich, die darauf schließen ließen, dass die Klägerin auf
eine Fristsetzung hin die geltend gemachten Mängel - anders als später im
Prozess - anerkannt und beseitigt haben würde.
8 2. Das hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
9 a) Das Berufungsgericht hat auf den Vertrag, aus dessen
Schlechterfüllung der Beklagte die zur Aufrechnung gestellte Forderung
herleitet, allerdings zu Recht Kaufrecht angewendet (§ 651 Satz 1 BGB).
Die Anwendung dieses Rechts hat jedoch zur Folge, dass dem Beklagten als
Besteller kein aufrechenbarer Anspruch wegen der Ausklinkungsarbeiten und
dafür aufgewendeter Kosten zusteht, weil er der Klägerin als Unternehmer
eine angemessene Frist zur Nacherfüllung nicht gesetzt hat.
10 b) Das Recht des Käufers (Bestellers), wegen eines Sachmangels den
Kaufpreis (die Vergütung) zu mindern oder Schadensersatz zu verlangen, setzt
voraus, dass der Käufer (Besteller) dem Verkäufer (Unternehmer) unter
Setzung einer angemessenen Nachfrist erfolglos Gelegenheit zur Nacherfüllung
gegeben hat, bevor er den behaupteten Mangel selbst beseitigt oder
beseitigen lässt (§ 437 i.V.m. § 281 Abs. 1 bzw. § 323 Abs. 1 BGB;
BGHZ 162, 219; BGH,
Urt. v. 21.02.2005 - VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195). Auf die
Erfüllung der sich für den Käufer (Besteller) hiernach ergebenden
Obliegenheit kommt es freilich nicht an, wenn einer der (nunmehr auch)
gesetzlich festgeschriebenen Tatbestände gegeben ist, in denen die
Fristsetzung eine reine Förmelei darstellte oder sonstwie schlechterdings
unzumutbar wäre. Angesichts des grundsätzlich bestehenden Vorrangs der
Nacherfüllung durch den Verkäufer (Unternehmer) kann der insoweit vom
Landgericht herangezogene Tatbestand der ernsthaften und endgültigen
Leistungsverweigerung (§ 281 Abs. 2 1. Altern. bzw. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB)
jedoch seinerseits nur eingreifen, wenn feststeht, dass der Verkäufer
(Unternehmer) die Leistung bereits verweigert hat, bevor die
Mängelbeseitigung durch den Käufer (Besteller) erfolgt. Eine lediglich
nachträgliche Leistungsverweigerung kann nicht ausreichen, weil aus dem
grundsätzlichen Vorrang der Nacherfüllung durch den Verkäufer (Unternehmer)
ein Nacherfüllungsrecht dieser Vertragspartei folgt (BGHZ
162, 219, 227) und dieses zunichte gemacht würde, wenn der Käufer
(Besteller) vor der Leistungsverweigerung des Verkäufers (Unternehmers) auf
dessen Kosten zur Mängelbeseitigung schreiten dürfte (vgl.
BGH, Urt. v. 21.02.2005 - VIII ZR 49/05, NJW 2006,
1195, 1197). Wie der Verkäufer (Unternehmer) sich nach der
Mängelbeseitigung durch den Käufer (Besteller) verhält, kann deshalb nur
dann von Bedeutung sein, wenn dieses Verhalten den sicheren Rückschluss
erlaubt oder hierzu beiträgt, dass schon vor der Mängelbeseitigung die
Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert war.
11 c) Diesen Grundsätzen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das
Berufungsgericht hat lediglich festgestellt, dass die Klägerin im Prozess
und damit erst nach Beseitigung der behaupteten Mängel durch den Beklagten
die Mangelhaftigkeit ihrer Lieferung nachhaltig bestritten hat. Gleichwohl
hat es diese Feststellung nicht dahin gewürdigt, ob aus dem festgestellten
nachträglichen Verhalten zwingend auf eine Leistungsverweigerung schon vor
der Beseitigung der behaupteten Mängel zu schließen sei. Es hat dies
vielmehr als selbstverständlich behandelt, wie daran deutlich wird, dass es
für ausreichend angesehen hat, dass keinerlei Umstände ersichtlich seien,
die darauf schließen ließen, dass die Klägerin - anders als im Prozess -
vorprozessual auf eine Fristsetzung hin den geltend gemachten Mangel
anerkannt und beseitigt haben würde.
12 3. Die unterbliebene Würdigung kann der Senat selbst vornehmen, weil
nicht zu erwarten ist, dass eine Zurückverweisung der Sache insoweit zur
Feststellung weiterer entscheidungserheblicher Tatumstände führen könnte.
Die Würdigung ist dahin zu treffen, dass das Bestreiten des Beklagten im
Prozess im Streitfall keine verlässlichen Rückschlüsse darauf zulässt, dass
die Klägerin vor der Beseitigung der behaupteten Mängel die Erfüllung ihrer
vertraglichen Pflichten eindeutig und endgültig verweigert hat. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Sen.Urt. v. 12.01.1993 - X ZR
63/91, NJW-RR 1993, 882, 883; Urt. v. 21.02.2005 -
VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195) liegt in dem Bestreiten eines Mangels
nicht ohne Weiteres eine endgültige Verweigerung der Nacherfüllung; denn das
Bestreiten - auch das nachhaltige - ist das prozessuale Recht des
Schuldners. Dies gilt ganz besonders, wenn der Schuldner mit seinem
Bestreiten erstmals im Prozess hervorgetreten ist. In einem solchen Fall
müssen deshalb zu dem bloßen Bestreiten weitere Umstände hinzutreten, die
einer von Anfang an bestehenden Weigerungshaltung Ausdruck geben, so dass
ausgeschlossen erscheint, dass der Schuldner sich von einer Fristsetzung zur
Nacherfüllung hätte umstimmen lassen. Solche Umstände sind im Streitfall
jedoch nicht ersichtlich.
13 4. Eine Zurückverweisung der Sache ist auch nicht deshalb geboten, weil
tatrichterliche Feststellungen dazu fehlen, ob im Streitfall besondere
Umstände bestanden, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen das
sofortige Tätigwerden des Beklagten rechtfertigten (§ 281 Abs. 2 2. Altern.
bzw. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Die insoweit erhobene Gegenrüge des Beklagten
ist unberechtigt. Der Beklagte hat zwar mit Schriftsatz vom 15. Mai 2006
geltend gemacht, die nach § 281 Abs. 2 2. Altern. BGB erforderliche
Interessenabwägung müsse zu seinen Gunsten ausfallen, und diese Berufung auf
besondere Umstände, die eine Nachfristsetzung entbehrlich machen, auch mit
einigen Tatsachenbehauptungen begründet. Mangels Beweisantritts des
Beklagten hierfür bestand aber schon für das Amtsgericht keine Veranlassung,
diesem Vorbringen nachzugehen, weil die Klägerin innerhalb des Zeitraums, in
dem Schriftsätze noch eingereicht werden konnten, mit ihrem an diesem Tag
beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 12. Juni 2006 dieses
Vorbringen bestritten hatte. Letztlich kann das aber auch dahinstehen.
Jedenfalls dem Berufungsgericht kann nämlich nicht als Rechtsfehler
vorgeworfen werden, das Vorbringen des Beklagten unberücksichtigt gelassen
zu haben, nachdem die Klägerin ihr Bestreiten in der Berufungsschrift
wiederholt hatte. Denn die Revisionserwiderung macht nicht geltend, dass in
zweiter Instanz der erforderliche Beweisantritt erfolgt wäre. Für das
Berufungsgericht bestand schließlich entgegen der im Verhandlungstermin vom
Beklagten geäußerten Ansicht auch keine Veranlassung, nach § 139 ZPO zu
verfahren. In einem als Anwaltsprozess zu führenden Verfahren kann die
Notwendigkeit geeigneten Beweisantritts durch die beweisbelastete Partei als
auf der Hand liegend angesehen werden, wenn Behauptungen dieser Partei
wiederholt bestritten worden sind.
14 5. Da eine Anrechnung der vom Verkäufer (Unternehmer) ersparten
Aufwendungen für die Mängelbeseitigung auf den Kaufpreis (die Vergütung)
gemäß § 326 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 BGB (analog) ebenfalls nicht in Betracht
kommt, wenn der Käufer (Besteller) den Mangel ohne die erforderliche
vorherige Nachfristsetzung beseitigt hat (BGHZ 162, 219, 224 ff.), hat
mithin die Aufrechnung des Beklagten nicht zum vollständigen oder teilweisen
Erlöschen der Klageforderung geführt. Diese ist vielmehr in Höhe des in der
Revisionsinstanz noch streitigen Betrags von 1.166,64 € gemäß §§ 651 Satz 1,
433 Abs. 2 BGB begründet.
15 6. Die beanspruchten Zinsen schuldet der Beklagte, weil er in Verzug ist
(§§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB).
16 III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. |