Übertragung von
Anwartschaftsrechten; Übereignung durch bloße Einigung (§ 929 S. 2 BGB) im
Rahmen einer Handschenkung (§ 516 S. 1 BGB); Fahrzeugbrief als
Legitimationspapier analog § 952 Abs. 2 BGB
BGH, Urt. v. 19. Juni 2007
- X ZR 5/07
Fundstelle:
NJW 2007, 2844
JuS 2008, 87 (K. Schmidt)
Amtl. Leitsatz:
a) Zur Handschenkung
durch bloße Einigung nach § 929 Satz 2 BGB.
b) Der Eigentumsübergang durch Einigung bedarf über die Einigung hinaus
keiner weiteren Momente.
Zentrale Probleme:
Ein typischer Klausursachverhalt zum Sachenrecht mit einer
"Klassikerproblematik": Übertragung des Anwartschaftsrechts analog den
Regeln über das Vollrecht. Lesen!
P.S.: Besonders schön ist der euphemistische Satz: "...
die Kenntnis des Abstraktionsprinzips kann bei rechtlich
nicht geschulten Parteien nicht in jedem Fall vorausgesetzt werden"
[Anm.: Eigentlich geht es in diesem Zusammenhang nicht um das Abstraktionsprinzip,
sondern das diesem vorgelagerte Trennungsprinzip].
©sl 2007
Tatbestand:
1 Der Kläger ist der Sohn des im Lauf des vorliegenden Rechtsstreits
verstorbenen früheren Beklagten, dessen Alleinerbin die jetzige Beklagte
ist, die das Verfahren aufgenommen hat. Der frühere Beklagte erwarb im Jahr
2001 einen Personenwagen Fabrikat Nissan, wobei er den Kaufpreis über einen
Kredit finanzierte. Dieses Fahrzeug überließ er auf Grund einer
Nutzungsvereinbarung dem Kläger, der die laufenden Kosten zu tragen hatte,
dem aber die Veräußerung des Fahrzeugs nicht gestattet war. Der Kläger ließ
das Fahrzeug verabredungsgemäß auf seinen Namen zu. Nach Tilgung des Kredits
übersandte das finanzierende Kreditinstitut den Fahrzeugbrief an den
früheren Beklagten.
2 Der Kläger hat mit der Behauptung, der frühere Beklagte habe schon drei
Monate nach dem Erwerb des Fahrzeugs erklärt, dieses dem Kläger zu schenken,
die Herausgabe des Fahrzeugbriefs begehrt. Der frühere Beklagte hat die
Schenkung bestritten. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die
Formvorschriften für eine Schenkung nicht eingehalten und der Formmangel
nicht geheilt seien. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit
seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein
Begehren weiter. Die jetzige Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
3 Die zulässige Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht,
dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu
übertragen ist.
4 I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, unstreitig sei das Fahrzeug an das
finanzierende Kreditinstitut sicherungsübereignet gewesen. Dieses habe auf
seine Rechte aus der Sicherungsübereignung erst nach vollständiger
Ratenzahlung und Übersendung des Fahrzeugbriefs an den früheren Beklagten
verzichtet. Zum Zeitpunkt der streitigen Äußerung sei der frühere Beklagte
noch nicht Eigentümer des Fahrzeugs gewesen und habe dieses nicht auf den
Kläger übertragen können. Der frühere Beklagte habe auch sein
Eigentumsanwartschaftsrecht nicht übertragen, denn zu dessen Übertragung sei
ein dinglicher Übertragungsakt erforderlich, der beispielsweise in der
Übernahme der Kreditraten durch den Kläger oder in der Bestimmung des
Klägers als Adressat der Herausgabe des Fahrzeugbriefs habe liegen können;
derartiges sei aber auch nach dem Vortrag des Klägers nicht erfolgt. Das in
der behaupteten Äußerung des früheren Beklagten liegende formlose
Schenkungsversprechen sei wegen Verletzung von § 518 Abs. 1 BGB unwirksam.
Der Formmangel sei auch nicht durch Vollzug der Schenkung geheilt worden.
Ein solcher sei im Fall eines erst in der Zukunft liegenden
Vollrechtserwerbs des Beschenkten nur anzunehmen, wenn der Schenker bereits
alles getan habe, was für den späteren Vollrechtserwerb erforderlich sei;
daran habe es aber gefehlt, weil die weitere Tilgung der Kreditraten noch
vom Willen des früheren Beklagten abgehangen habe.
5 II. Der Kläger macht geltend, das Berufungsgericht habe es unterlassen zu
prüfen, ob der frühere Beklagte dem Kläger das Anwartschaftsrecht
schenkweise überlassen habe. Dies habe dadurch geschehen können, dass sich
der Kläger und der frühere Beklagte darüber einig gewesen seien, dass der
Kläger das Fahrzeug nicht mehr für den früheren Beklagten, sondern für das
finanzierende Kreditinstitut habe besitzen sollen. Die Übernahme der
Kreditraten durch den Kläger hätte einer Schenkung entgegengestanden, da die
Übereignung in diesem Fall nicht unentgeltlich erfolgt wäre, und der
Übertragung des Herausgabeanspruchs hinsichtlich des Fahrzeugbriefs habe es
wegen § 952 BGB nicht bedurft.
6 III. Den Angriffen der Revision kann der Erfolg nicht versagt bleiben.
7 1. Dem Kläger, der unstreitig im Besitz des Fahrzeugs ist, steht der
geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugbriefs zu, wenn er
Eigentümer des Fahrzeugs geworden ist (§ 952 Abs. 2 BGB in zumindest
entsprechender Anwendung; vgl. BGHZ 34, 122, 134; 88, 11, 13; MünchKomm/
Füller, BGB, 4. Aufl. 2004, Rdn. 9 zu § 952; AnwKomm/von Plehwe, BGB, 2004,
Rdn. 3 zu § 952). Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach
sachenrechtlichen Grundsätzen auch nach § 929 Satz 2 BGB. Unstreitig war
zum Zeitpunkt der behaupteten Erklärung des früheren Beklagten das
finanzierende Kreditinstitut noch Vorbehaltseigentümer des Fahrzeugs; dem
früheren Beklagten stand lediglich ein Eigentumsanwartschaftsrecht
zu. Dieses konnte der frühere Beklagte jedoch nach den Regeln der §§ 929
ff. BGB auf den Kläger übertragen, und somit auch durch bloße Einigung nach
§ 929 Satz 2 BGB, nachdem sich das Fahrzeug bereits im Alleinbesitz des
Klägers befand (vgl. Münch-Komm/Quack, BGB, 4. Aufl. 2004, Rdn. 156 zu §
929; AnwKomm/Schilken, BGB, 2004, Rdn. 64 zu § 929). Die Einigung hatte
sich lediglich auf den Eigentumsübergang des Fahrzeugs an den Kläger zu
beziehen und bedurfte infolge des sachenrechtlichen Typenzwangs auch keiner
weiteren Momente, wie dies das Berufungsgericht irrtümlich angenommen hat
(vgl. MünchKomm/Quack, aaO, Rdn. 71, 73). Im Fall einer Einigung nach
§ 929 Satz 2 BGB war die Schenkung zugleich (als "Handschenkung") im Sinn
des § 516 Abs. 1 bewirkt (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1960 - V ZR 200/58, MDR
1960, 1004).
8 2. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig
-nicht geklärt, ob der Beklagte, wie vom Kläger behauptet, rund drei Monate
nach dem Erwerb des Fahrzeugs erklärt hat, dieses dem Kläger zu schenken. Es
wird dieser unter Zeugenbeweis gestellten Behauptung nunmehr nachzugehen
haben, wenn es nicht aus anderen Gründen zu dem Ergebnis gelangen sollte,
dass eine dingliche Einigung gleichwohl nicht erfolgt ist. Hierfür spricht
allerdings nach dem festgestellten Sachverhalt und dem im Berufungsurteil
wiedergegebenen Parteivortrag derzeit nichts. Dabei
ist auch zu berücksichtigen, dass aus der Erklärung, etwas zu "schenken",
nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden kann, dass die Beteiligten nur
die schuldrechtliche Seite des Geschäfts im Auge hatten; denn die Kenntnis
des Abstraktionsprinzips kann bei rechtlich nicht geschulten Parteien nicht
in jedem Fall vorausgesetzt werden. Die von der Revision angeführten
Gesichtspunkte sind zudem tendenziell eher geeignet, die Auffassung des
Klägers zu stützen. |