Formnichtigkeit von Verpflichtung zur Übertragung
des gesamten Vermögens (§ 311b III BGB); keine Heilung durch
Schenkungsvollzug (§ 518 II BGB)
BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - X ZR
65/14 - OLG Düsseldorf
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Der Formmangel eines Schenkungsvertrags, in dem
sich der Schenker zur Übertragung seines gesamten gegenwärtigen Vermögens
verpflichtet, wird nicht durch Vollzug geheilt.
Zentrale Probleme:
Ein lehrreicher Fall zur Formvorschrift des § 311b III
BGB. Nach § 311b II sind Verträge, durch die sich jemand zur Übertragung
seines künftigen Vermögens oder eines Bruchteils davon zu übertragen,
nichtig. Die Verpflichtung zur Übertragung des gegenwärtigen Vermögens oder
eines Bruchteils hiervon bedarf nach § 311b III BGB der notariellen
Beurkundung. Die Regelung gilt nicht bei der Verpflichtung zur Veräußerung
einzelner Gegenstände, selbst wenn diese das wesentliche Vermögen ausmachen.
Anders als die Formnichtigkeit nach § 518 I BGB im Falle einer Schenkung,
die nach § 518 II BGB heilbar ist, sieht § 311b III BGB keine
Heilungsmöglichkeit vor. Es nützte dem Beklagten hier also nicht, dass die
von ihm dargelegte Schenkung geheilt in Bezug auf die Form nach § 518 II BGB
geheilt wäre. Damit konnte der nach Erbschleicherei klingende Fall elegant
gelöst werden ....
©sl 2016
Tatbestand:
1 Die Kläger verlangen als
Gesamtrechtsnachfolger der verstorbenen H. P. (Erblasserin) von dem
Beklagten die Rückzahlung einer ungerechtfertigten Bereicherung.
2 Die Erblasserin erteilte dem Beklagten unter dem 13. März 2007 eine
Vollmacht, mit der er über die ihrerseits bei der D. D. G. gehaltenen
Investmentanteile - auch zu eigenen Gunsten - verfügen können sollte. Am 23.
Januar 2008 verkaufte der Beklagte die beim D. -Investmentfonds gehaltenen
Fondanteile der Erblasserin und ließ sich den Erlös in Höhe von 79.596,10 €
auf sein eigenes Konto überweisen. Wenige Stunden danach verstarb die
Erblasserin. Der Beklagte hat behauptet, es sei der Wunsch der Erblasserin
gewesen, dass er noch vor ihrem Tode sämtliche Bankwerte abhebt und für sich
behält.
3 Das Landgericht hat der auf Erstattung des Verkaufserlöses nebst
Rechtshängigkeitszinsen gerichteten Klage stattgegeben. Auf die Berufung des
Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat
zugelassenen Revision begehren die Kläger die Wiederherstellung des
erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision hat Erfolg.
5 I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Beklagte habe den
Verkaufserlös für die Investmentanteile mit Rechtsgrund, nämlich aufgrund
eines Schenkungsversprechens, erlangt. Nach dem Ergebnis der vor dem
Landgericht und dem Berufungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme habe die
Erblasserin geäußert, der Beklagte bekomme alles, er könne sich alles
nehmen. Sie habe ihr gesamtes Vermögen dem Beklagten überlassen wollen.
Dabei seien sich die Erblasserin und der Beklagte offensichtlich einig
gewesen, dass der Beklagte von ihrer Großzügigkeit erst Gebrauch machen
solle, wenn ihr Tod unmittelbar bevorstehe. Mit diesen Aussagen sowie der
Erteilung der Vollmachten habe die Erblasserin dem Beklagten auch die in
Streit stehenden Fondsanteile geschenkt und darin eingewilligt, dass er
diese zu ihren Lebzeiten veräußere und sich den Erlös gutschreiben lasse.
6 II. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Kläger
können als Rechtsnachfolger der Erblasserin vom Beklagten die Rückzahlung
des Erlöses aus dem Verkauf der Investmentanteile gemäß § 812 Abs. 1 BGB
verlangen, denn diese Vermögensverschiebung zugunsten des Beklagten erfolgte
ohne Rechtsgrund.
7 1. Zu Unrecht sieht das Berufungsgericht einen Rechtsgrund für den
Erhalt des Verkaufserlöses in einem zwischen der Erblasserin und dem
Beklagten geschlossenen Schenkungsvertrag.
8 Nach den - vom Beklagten nicht angegriffenen - Feststellungen des
Berufungsgerichts vereinbarte die Erblasserin mit ihm, dass er alles
bekommen solle, was sie habe. Unabhängig von der Frage, zu welchem
Zeitpunkt er diese Vermögensgegenstände erhalten sollte, war ein solcher
Vertrag darauf gerichtet, dass die Erblasserin ihm ihr gesamtes
gegenwärtiges Vermögen übertrug. Ein solcher Vertrag
bedurfte gemäß § 311b Abs. 3 BGB der notariellen Form auch und insbesondere
dann, wenn die Vermögensübertragung erst kurz vor dem Ableben der
Erblasserin erfolgen sollte. Denn die Formvorschrift
bezweckt auch, eine Umgehung der für Verfügungen von Todes wegen
einzuhaltenden Formerfordernisse zu vermeiden (vgl. Motive II S.
188; Staudinger/Schumacher, BGB, Bearb. 2012, § 311b Abs. 3 Rn. 1;
MünchKomm.BGB/Krüger, 7. Aufl., § 311b Rn. 100).
9 Mangels Einhaltung dieser Form war die nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts zwischen der Erblasserin und dem Beklagten getroffene
Vereinbarung somit nichtig (§ 125 BGB).
10 2. Der Mangel der Form wurde nicht durch einen Vollzug der Schenkung
geheilt.
11 Das deutsche Zivilrecht kennt keinen allgemeinen Grundsatz der Heilung
eines formnichtigen Vertrages durch Erfüllung. Die Erfüllung hat nur in
denjenigen Fällen heilende Wirkung, in denen dies vom Gesetz bestimmt wird
(vgl. BGH, Urteile vom 2. Februar 1967 - III ZR 193/64, NJW 1967, 1128, 1131
unter II 1 b; vom 29. Juni 1970 - III ZR 21/68, DNotZ 1971, 37, 38).
12 Soweit § 518 Abs. 2 BGB für den Vollzug einer Schenkung die
Heilung eines Mangels der notariellen Form des Schenkungsvertrags anordnet,
ist diese Wirkung auf den Formmangel nach § 518 Abs. 1 BGB beschränkt.
Sie beruht auf dem Gedanken, dass der Schenker, der sich durch den Vollzug
des Schenkungsversprechens des verschenkten Gegenstands tatsächlich begeben
hat, ebenso wenig wie bei einer Handschenkung weiterhin des Schutzes der
Form bedarf und der Rechtsfriede nicht durch eine Rückforderung des
hingegebenen Schenkungsgegenstands belastet werden soll. § 311b BGB
verfolgt hingegen einen weiteren Schutzzweck und enthält demgemäß auch keine
§ 518 Abs. 2 BGB entsprechende Bestimmung. Da der Betroffene mit
dem Formzwang gemäß § 311b Abs. 3 BGB vor einer übereilten Übertragung des
gesamten Vermögens und nicht nur eines einzelnen, schenkweise zugewandten
Gegenstands geschützt werden und überdies, wie ausgeführt, auch eine
Umgehung der für Verfügungen von Todes wegen geltenden Vorschriften
verhindert werden soll, kann die formheilende Wirkung des Schenkungsvollzugs
gemäß § 518 Abs. 2 BGB nicht auf einen sich aus § 311b Abs. 3 BGB ergebenden
Formmangel übertragen werden (vgl. Staudinger/Löwisch, BGB, Bearb. 2012, §
311b Abs. 3 Rn. 21; MünchKomm.BGB/Krüger, 7. Aufl., § 311b Rn. 107; Pa-landt/Grüneberg,
BGB, 75. Aufl., § 311b Rn. 68).
13 III. Die angefochtene Entscheidung ist demnach aufzuheben. Da weitere
Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten sind, hat der Senat in
der Sache selbst zu entscheiden und das auch im Zinsausspruch
rechtsfehlerfreie landgerichtliche Urteil wiederhergestellt.
14 IV. Die Kostenfolge beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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