Sachmängelhaftung und Rücktrittsausschluß
nach § 323 V BGB;
Nutzungsersatz bei Rücktritt
OLG Celle, Urt. v. 5.11.2003 - 7 U 50/03
Fundstelle:
ZGS 2004, 74
Amtl. Leitsätze:
1. Qualitative Minderleistungen fallen nicht unter § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB
(n. F.).
2. Für ein Rücktrittsrecht aus § 323 BGB (n. F.) ist unbeschadet der
Regelung des § 323 Abs. 6 BGB grundsätzlich eigene Vertragstreue
erforderlich.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin hat mit ihrer Berufung
nur teilweise Erfolg. Überwiegend ist ihr Rechtsmittel aber unbegründet.
Denn die Beklagte ist gemäß den §§ 323 Abs. 1, 346 f BGB berechtigt, von
ihr in Höhe von 14.716,20 EUR die Rückzahlung des Kaufpreises für den Pkw
Honda Civic G3 1,4 i LS Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu
verlangen. Die darüber hinausgehend zurückverlangten 4.201,81 EUR muss ihr
die Beklagte jedoch nicht zurückerstatten. 1. Zwischen den Parteien
ist ein Kaufvertrag über den fabrikneuen Pkw Honda Civic mit dem Inhalt
der verbindlichen Bestellung der Klägerin vom 11. März 2002 (Bl. 9 d. A.)
zu Stande gekommen. Danach sollte die Beklagte der Klägerin das Fahrzeug
zwar in serienmäßiger Ausstattung liefern, sie sollte es jedoch noch
tiefer legen und mit Breitreifen sowie mit besonderen AluminiumFelgen
versehen. Aufgrund der vereinbarten Montageleistungen haben die Parteien
keinen reinen Kaufvertrag abgeschlossen. Der Pkw wäre auch dadurch eine
vertretbare Sache geblieben, weshalb nach der Regelung des § 651 BGB
insgesamt Kaufrecht anzuwenden ist.
2. Die Klägerin ist durch das
Anwaltsschreiben vom 30. Juli 2002 gemäß § 323 Abs. 1 BGB wirksam vom
Kaufvertrag über den Neuwagen zurückgetreten. Als Folge davon hat sich das
Kaufvertragsverhältnis der Parteien in ein Rückabwicklungsverhältnis
umgewandelt. Die gegenseitig erbrachten Leistungen sind gemäß den §§ 346
ff BGB zurückzugewähren.
a) Das Fahrzeug hat bei der Übergabe an
die Klägerin nicht der vereinbarten Beschaffenheit entsprochen, da es
nicht tiefergelegt und nicht mit Breitreifen sowie Aluminiumfelgen
ausgestattet worden war. Aufgrund der Ansprache, dass die Beklagte die
noch ausstehenden Arbeiten - nach Erhalt der dafür benötigten Teile -
nachholen werde, hat sich die Klägerin ihre Rechte schlüssig vorbehalten
und ist mit diesen nicht nach § 442 BGB ausgeschlossen. Die Beklagte hat
den Honda Civic erst später in einem vertragsgemäßen Zustand versetzen
sollen. Weiter hat die Klägerin ihren Anspruch auf Nacherfüllung (§§ 437,
439 BGB) geltend gemacht. Beide Seiten tragen vor, die Tiefverlegung des
Fahrzeugs und das Anbringen der Breitreifen sowie der Aluminiumfelgen habe
im Rahmen der 1.000 km - Inspektion am 9. Juli 2002 durchgeführt
werden sollen. Bei der Gelegenheit sind die Nacharbeiten jedoch nicht
verrichtet worden, obwohl die Beklagte über die dafür benötigten Teile
inzwischen verfügt hat. Im Anwaltsschreiben vom 9. Juli 2002 ist sie zudem
unter Fristsetzung aufgefordert worden, die Nachbesserung vorzunehmen. Wie
in der mündlichen Verhandlung bereits erörtert ist die Aufforderung der
Klägerin dahin auszulegen, dass sie bis zum 16. Juli 2002 einen Termin zur
Durchführung der noch ausstehenden Arbeiten am Pkw und zum Anbringen der
Breitreifen sowie der Aluminiumfelgen haben wollte. Die gesetzte Frist war
zwar knapp bemessen, es wurde aber eine angemessene Frist in Lauf gesetzt,
die spätestens am 30. Juli 2002 verstrichen war. Danach haben die
Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Kaufvertrag über den Honda Civic
vorgelegen, den die Klägerin der Beklagten durch das Anwaltsschreiben vom 30. Juli 2002 erklärt hat.
b) Der Rücktritt war nicht nach §
323 Abs. 5 BGB ausgeschlossen. So hat die Beklagte durch die Übergabe des
Fahrzeugs in nur serienmäßiger Ausstattung keine Teilleistung erbracht.
Das Fahrzeug war voll funktionstüchtig und wurde von der Klägerin auch
beanstandungsfrei genutzt. Ohne die vereinbarte Sonderausstattung mit
Breitreifen und Aluminiumfelgen und das Tieferlegen hat lediglich eine
qualitativen Minderleistung vorgelegen, die nicht unter § 323 Abs. 5 Satz
1 BGB fällt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl. 2003, § 323 Rdnr. 24).
Als unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB stellt sich das
Ausbleiben der Nachbesserung nicht dar.
c) Dem Rücktritt steht
auch nicht § 323 Abs. 6 BGB entgegen. Es kann nämlich nicht angenommen
werden, dass die Klägerin das Ausbleiben der Nacharbeiten am Fahrzeug
allein oder überwiegend verursacht hat.
aa) Für einen wirksamen
Rücktritt ist nach dem hier anzuwendenden neuen Recht kein Verzug des
Schuldners nötig. Erforderlich ist hingegen weiterhin die eigene
Vertragstreue des Gläubigers. Vorliegend kann aber nicht gesagt werden,
dass diese bei der Klägerin gefehlt hätte. Dahinstehen mag in dem
Zusammenhang, ob sie zwei Werkstatttermine (15. April und 29. Mai 2002)
nicht wahrgenommen hat. Durch die unstreitige Abrede, dass die Breitreifen
und die Aluminiumfelgen sowie das Tieferlegen im Rahmen der 1.000 km -
Inspektion hätten vorgenommen werden sollen, und auch durch die
Aufforderung zur Vornahme dieser Arbeiten im Anwaltsschreiben vom 9. Juli
2002 hat die Klägerin ihr Interesse an der Nachbesserung und ihre
Bereitschaft zur Mitwirkung an derselben hinreichend zum Ausdruck
gebracht. Ein etwaiger Annahmeverzug von ihr wäre beizeiten beendet
worden.
bb) Offenbleiben mag weiter die Frage, ob die Klägerin
verpflichtet ist, die Rechnung der Beklagten vom 20. März 2003 in Höhe von
1.432,35 EUR über die Reparatur ihres in Zahlung gegebenen Altfahrzeugs
der Marke Honda zu zahlen. Sollte das nämlich der Fall sein, so ginge es
nicht um eine Verpflichtung der Klägerin aus dem Kaufvertragsverhältnis
über den fabrikneuen Honda Civic. Der Kaufvertrag mit der Beklagten über
den das Altfahrzeug wurde erst nach den Reparaturarbeiten und der
Rechnungsstellung vom 20. März 2002 am 27. März 2002 abgeschlossen. Zu
dieser Zeit war der Kaufvertrag gemäß der verbindlichen Bestellung vom 11.
März 2002 über das Neufahrzeug bereits zu Stande gekommen. Der Beklagten
hätte daher wegen ihrer offenen Reparaturrechnung nicht die Einrede des
nicht erfüllten Vertrages nach § 320 BGB, dessen bloßes Bestehen die
Klägerin am Rücktritt gehindert hätte, zur Seite gestanden. Ihre offene
Werklohnforderung aus der Fahrzeugreparatur hätte sie lediglich zu einem
Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB berechtigt, das sich auf das
Kaufvertragsverhältnis über den neuen Honda Civic aber nur ausgewirkt
hätte, wenn es vor der Rücktrittserklärung der Klägerin im
Anwaltsschreiben vom 30. Juli 2002 geltend gemacht worden wäre, was aber -
wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ferner erörtert - nicht
angenommen werden kann. Nach ihrem Vorbringen hat sich die Beklagte
erstmalig im Anwaltsschreiben vom 8. August 2002 gegenüber dem
Nachbesserungsbegehren der Klägerin auf ihre noch offene Rechnung vom 30.
März 2002 berufen und damit erst nach der Rücktrittserklärung vom 30.
Juli 2002.
d) Aufgrund des Anwaltsschreibens vom 26. August 2002
hat die Klägerin der Beklagten zwar noch einmal Gelegenheit gegeben, das
Fahrzeug in einen vertragsgemäßen Zustand zu versetzen. Zu einem
schlüssigen Vertrag über einen Verzicht der Klägerin auf die Rechte aus
dem durch ihren Rücktritt zu Stande gekommenen Abwicklungsverhältnisses
oder zu einer Aufhebung dieses Abwicklungsverhältnisses ist es zwischen
den Parteien dadurch nicht gekommen. Denn die Beklagte hat das
dahingehende Angebot der Klägerin im Anwaltsschreiben vom 26. August 2002
nicht vorbehaltlos angenommen. Vielmehr hat sie ihre Bereitschaft im
Anwaltsschreiben vom 10. September 2002 nur für den Fall erklärt, dass
vorher ihre Reparaturrechnung vom 20. März 2002 bezahlt würde, wodurch sie
auf das Angebot der Klägerin nur unter einer Erweiterung eingegangen ist,
was eine Ablehnung bedeutet hat (§ 150 Abs. 2 BGB).
3. Als Folge
des wirksamen Rücktritts kann die Klägerin von der Beklagten die
Rückzahlung des Kaufpreises von 18.918 EUR verlangen, den sie ihr für das
Fahrzeug durch Verrechnung ihres Kaufpreisanspruchs von 11.248 EUR für den
Verkauf ihres Altfahrzeugs und im Übrigen durch Zahlung (nach einer
Kreditaufnahme) entrichtet hat. Der streitige Werklohnanspruch von
1.432,35 EUR wegen der Reparatur des Altfahrzeugs, den die Beklagte im
Mahnverfahren 14 B 5571/02 L Amtsgericht Celle geltend macht, ist
nicht zur Aufrechnung gestellt worden und berührt den Rückzahlungsanspruch
der Klägerin nicht.
Jedoch muss sich die Klägerin nach § 346 Abs.
1 BGB die Nutzungsvorteile anrechnen lassen, die sie durch den Gebrauch
des Fahrzeugs gehabt hat. Sie ist mit dem Pkw bis zum 14. Oktober 2003
kurz vor der mündlichen Verhandlung 28.012 km gefahren. Der Senat
schätzt den Wert der Fahrzeugnutzung nach den Grundsätzen des § 287 ZPO
auf 0,15 EUR pro km, das sind bei zurückgelegten 28.012 km insgesamt
4.201,80 EUR. Im Rahmen der Schätzung sind mehrere Gesichtspunkte
berücksichtigt worden wie die Klasse, der Typ, die Marke, das Alters, der
Preis, die uneingeschränkte Möglichkeit der Nutzung und die Fahrleistung
des Wagens. Als ein Element hat der Senat ferner dem Wertverlust Rechnung
getragen, bei dem er sich an der sog. Schwacke-Liste orientiert hat. Im
Wertverlust, der bei einem Neuwagen in der ersten Zeit besonders hoch
ausfällt, kommt eine ersparte Abnutzung zum Ausdruck, die hier die
Klägerin gehabt hätte, wenn sie anderweitig einen gleichartigen und
gleichwertigen Pkw erworben und diesen im gleichen Zeitraum in gleicher
Weise genutzt hätte. Auch danach sind die Nutzungsvorteile der Klägerin
(entsprechend der Rechtssprechung des Senats so in den Urteilen vom 28.
März 1996 in 7 U 126/95 und vom 21. September 1995 in 7 U 31/95) zu
bemessen. Eine lineare Berechnungsmethode von nur 0,67 % des Kaufpreises
je gefahrener 1.000 km würde vorliegend dem Wertverlust des Neufahrzeugs
in der ersten Zeit nicht gerecht werden, zumal das Fahrzeug in der Zeit
der Nutzung keine technischen Mängel aufwies. Der BGH hat zwar im Urteil
vom 17. Mai 1995 (WM 1995, 1145, 1147) auf eine zeitanteilige lineare
Wertminderung bei der Bewertung gezogener Nutzungen im Wege der Schätzung
abgestellt. In seiner Entscheidung ist es aber nicht um ein fabrikneues
Fahrzeug gegangen, sondern um einen gebrauchten Omnibus, bei dem sich die
Problematik des anfänglich hohen Wertverlustes nicht gestellt hat. Die von
der Klägerin im nachgereichten Schriftsatz vom 30. Oktober 2003 zitierte
BGH-Entscheidung (NJW 1983, 2194) steht nicht entgegen, weil ihr ein Fall
zugrunde gelegen hat, bei dem sich die Parteien im Wege eines Vergleichs
darauf verständigt haben, den Wertverlust auf der Basis eines linearen
Abschreibungssatzes zu ermitteln.
Mithin ist die Beklagte nur
gehalten, den Kaufpreis in Höhe von (18.918 EUR - 4.201,80 EUR =)
14.716,20 EUR zurückzuzahlen.
4. Die zuerkannten Zinsen
rechtfertigen sich aus § 288 BGB.
5. Die Kostenentscheidung beruht
auf den §§ 92, 97 ZPO. Weitere Nebenentscheidungen ergehen nach den §§ 708
Ziffer 10, 713, 543 ZPO i. V. mit § 26 Nr. 8 EGZPO.
Die
Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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