Restitution und Kompensation: Naturalrestitution
durch Ersatzbeschaffung bei Beschädigung von KfZ
BGH, Urt. vom 15. Oktober
1991, VI ZR 314/90
Fundstellen:
BGHZ 115, 364
NJW 1992, 302
MDR 1992, 131
JZ 1992, 477
BB 1992, 20
DB 1992, 209
VersR1992, 61
s. auch BGH NJW 2001, 2250
sowie insbes.
BGH NJW 2009, 910.Amtl. Leitsätze:
a) Bei der Beschädigung eines Kraftfahrzeugs
bildet auch die Beschaffung eines (gleichwertigen) Ersatzfahrzeugs eine
Form der Naturalrestitution.
b) Der Geschädigte muß bei der Frage,
ob er sein beschädigtes Kraftfahrzeug reparieren lassen oder sich
ein Ersatzfahrzeug anschaffen soll, einen Vergleich der Reparaturkosten
(einschließlich eines etwaigen Minderwerts) mit den Wiederbeschaffungskosten
anstellen. Dabei erscheint es aus Gründen der einfachen und praktikablen
Handhabung vertretbar, auf der Seite der Ersatzbeschaffung den Restwert
des Fahrzeugs außer Betracht zu lassen und allein auf den Wiederbeschaffungswert
abzustellen.
c) Der hohe Stellenwert des Integritätsinteresses
rechtfertigt es, daß der Geschädigte für die Reparatur
des ihm vertrauten Fahrzeugs Kosten aufwendet, die einschließlich
des etwaigen Minderwerts den Wiederbeschaffungswert bis zu einer regelmäßig
auf 130% zu bemessenden »Opfergrenze« übersteigen.
d) Der Vergleich von Reparaturaufwand und Wiederbeschaffungswert
kann seine Aussagekraft für die Berechtigung der Reparatur verlieren,
wenn die Mietwagenkosten bei der Reparatur in krassem Mißverhältnis
zu denjenigen bei einer Ersatzbeschaffung stehen.
e) Wählt der Geschädigte den Weg
der Schadensbehebung mit dem vermeintlich geringeren Aufwand, so geht ein
von ihm nicht verschuldetes Werkstatt- oder Prognoserisiko zu Lasten des
Schädigers.
Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagten nach einem
Verkehrsunfall auf Schadensersatz in Anspruch. Er stieß am 2. August
1988 mit seinem Porsche 911 Turbo Coupé mit dem bei der Zweitbeklagten
haftpflichtversicherten Opel Manta des Erstbeklagten zusammen, als dieser
aus einer untergeordneten Straße in die vom Kläger befahrene
Straße einbog. Bei dem Unfall wurde sein Pkw erheblich beschädigt.
Der Kläger ließ das Fahrzeug in seinem
Betrieb (Autolackiererei, Karosseriebau, Unfallreparaturen) wieder instandsetzen.
Die Reparaturkosten belaufen sich nach dem Gutachten des Sachverständigen
W. auf 93396,30 DM; als Wertminderung macht der Kläger 5000 DM geltend.
Während des Ausfalls seines Fahrzeugs mietete er für die Zeit
vom 4. August bis 22. September 1988 einen Mercedes 300E; der Vermieter
stellte ihm dafür 20495,70 DM in Rechnung. Als Nutzungsausfall für
weitere 12 Tage beansprucht der Kläger 1680 DM.
Das Landgericht hat der Klage auf der Grundlage
einer Haftungsquote der Beklagten von 80% teilweise stattgegeben. Das Oberlandesgericht
hat dem Kläger auf der Basis einer vollen Haftung der Beklagten u.
a. für Ersatz des Fahrzeugschadens sowie der Mietwagenkosten 82679,27
DM nebst Zinsen zugesprochen. Die auf Zahlung von 122080 DM nebst Zinsen
gerichtete Revision des Klägers hatte Erfolg.
Aus den Gründen:
I.
Das Berufungsgericht führt zu den jetzt allein
noch im Streit befindlichen Schadenspositionen aus: Der von den Beklagten
zu ersetzende Fahrzeugschaden des Klägers belaufe sich auf 75000 DM.
Zu seiner Berechnung seien die Kosten der Reparatur denjenigen der Ersatzbeschaffung
eines gleichwertigen Fahrzeugs gegenüberzustellen. Denn der Geschädigte
habe von beiden Möglichkeiten der Schadensbeseitigung die wirtschaftlich
vernünftigere zu wählen. Eine Reparatur sei nicht zulässig,
wenn die dafür voraussichtlich aufzuwendenden Kosten den um den Restwert
gekürzten Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs um mehr als 30% überstiegen.
So sei es hier. Die Summe von Reparaturkosten und Minderwert liege mit
98396 DM mehr als 30% über den Kosten einer Ersatzbeschaffung, die
sich als Differenz von Wiederbeschaffungswert (105000 DM) und Restwert
(30000 DM) auf lediglich 75000 DM beliefen. Der Kostenvergleich falle noch
stärker zu Ungunsten der Reparatur aus, wenn man zusätzlich die
in der Ausfallzeit des Fahrzeugs entstehenden Kosten berücksichtige.
Denn für die Ersatzbeschaffung sei nur eine erheblich kürzere
Zeit zuzubilligen, als sie hier vom Kläger für die Reparatur
aufgewandt worden sei.
Mietwagenkosten stünden dem Kläger lediglich
für 25 Tage zu. In dieser Zeit habe er ein gleichwertiges Gebrauchtfahrzeug
erwerben können; deshalb hätten die Beklagten auch nicht zusätzlich
noch eine Nutzungsausfallentschädigung zu leisten. Grundsätzlich
berechtigt seien hiernach Kosten von 10247,85 DM, von denen allerdings
282,94 DM als ersparte Eigenkosten und 2285,64 DM als ersparter Verschleiß
abzusetzten seien, so daß die Beklagten noch 7679,27 DM zu zahlen
hätten.
II.
Diese Schadensberechnung hält den Angriffen
der Revision nicht stand.
1. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den Fahrzeugschaden
des Klägers gemäß § 287 Abs. 1 ZPO nach dem für
eine Ersatzbeschaffung nötigen Aufwand auf nur 75000 DM bemessen.
Der Kläger kann zum Ausgleich dieses Schadens die Reparaturkosten
von 93396 DM zuzüglich der Wertminderung von 5000 DM beanspruchen,
da dieser Aufwand, gemessen an den Kosten für die Beschaffung eines
Ersatzfahrzeugs, einer Wirtschaftlichkeitsprüfung standhält.
a) Der Geschädigte, der es nach einem Sachschaden
selbst in die Hand nimmt, den früheren Zustand herzustellen, ist gemäß
§ 249 Satz 2 BGB berechtigt, vom Schädiger den dazu erforderlichen
Geldbetrag zu verlangen. Der Schädiger kann ihn nur dann auf eine
Entschädigung in Geld für den erlittenen Wertverlust verweisen,
wenn und soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung
nicht genügend ist (§ 251 Abs. 1 BGB) oder unverhältnismäßige
Aufwendungen erfordert (§ 251 Abs. 2 Satz 1 BGB). Erst die Unverhältnismäßigkeit
bildet also bei möglicher Naturalrestitution die Grenze, ab welcher
der Ersatzanspruch des Geschädigten sich nicht mehr auf Herstellung
(Naturalrestitution), sondern allein noch auf Wertausgleich des Verlustes
in der Vermögensbilanz (Kompensation) richtet. Insoweit hat Naturalrestitution
Vorrang vor Kompensation. b) Aus diesem System des Schadensrechts kann
allerdings nicht hergeleitet werden, daß bei der Beschädigung
eines Kraftfahrzeugs der Geschädigte sein Fahrzeug stets mit einem
Aufwand bis zur Grenze der Unverhältnismäßigkeit auf Kosten
des Schädigers reparieren lassen dürfe. Der Vergleich zwischen
den Restitutionskosten und dem bloßen Wert der beschädigten
Sache als Posten in der Vermögensbilanz des Geschädigten ist
nach § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB zwar von Bedeutung für die obere
Grenze, bis zu welcher der Schädiger dem Geschädigten die Kosten
für eine Herstellung abzunehmen hat (vgl. BGHZ 102,322,330; Senatsurteil
vom 20. Juni 1972 - VI ZR 61/71 - VersR 1972,1024,1025; Weber DAR 1991,11
f.; s. jetzt auch die gesetzliche Neuregelung für verletzte Tiere
in § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB). Bei der Beantwortung der hier entscheidungserheblichen
Frage, ob und gegebenenfalls mit welchem höheren Aufwand der Geschädigte
sein Fahrzeug zu Lasten des Schädigers reparieren lassen darf, wenn
er sich mit geringeren Kosten ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug beschaffen
kann, geht es jedoch, wie sogleich näher auszuführen sein wird,
nicht um die Schnittlinie zwischen Restitution und Kompensation. Deshalb
bildet hier auch nicht erst die Unverhältnismäßigkeit in
dem von § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB verlangten Vergleich die Schranke
für den Reparaturaufwand; dessen Grenze wird bereits durch das Ziel
der Herstellung in § 249 Satz 1 BGB und die Erforderlichkeit in §
249 Satz 2 BGB gezogen.
aa) Dem Geschädigten, der die Behebung des
Schadens an seinem Kraftfahrzeug in eigene Regie nimmt, stehen dafür
regelmäßig zwei Wege zur Verfügung: er kann sein Fahrzeug
reparieren lassen oder er kann sich ein (gleichwertiges) Ersatzfahrzeug
anschaffen. Auch die letztere Art der Schadensbeseitigung ist, wie der
Senat wiederholt ausgesprochen hat und woran er weiter festhält, eine
Form der Naturalrestitution (BGHZ 66,239,247; Senatsurteil vom 20. Juni
1972 aaO; ständ. Rspr.; s. auch BGHZ 92,85,87 f.). Denn das Ziel der
Restitution beschränkt sich nicht auf eine (Wieder-)Herstellung der
beschädigten Sache; es besteht in umfassenderer Weise gemäß
§ 249 Satz 1 BGB darin, den Zustand herzustellen, der, wirtschaftlich
gesehen, der ohne das Schadensereignis bestehenden Lage entspricht (BGHZ
30,29,31; 40,345,347; Senatsurteil vom 6. November 1973 - VI ZR 27/73 -
VersR 1974,90, insoweit nicht in BGHZ 61,346 ff.).
bb) Unter mehreren zum Schadensausgleich führenden
Möglichkeiten der Naturalrestitution hat der Geschädigte grundsätzlich
diejenige zu wählen, die den geringsten Aufwand erfordert. Auch dieses
Wirtschaftlichkeitspostulat hat der Senat mehrfach betont (BGHZ 54,82,84
ff.; 61,346,349 ff.; 63,182,186 f.; 66,239,248 f.; Senatsurteil vom 5.
März 1985 - VI ZR 204/83 - VersR 1985,593,594). Es findet seinen gesetzlichen
Niederschlag in dem Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit des §
249 Satz 2 BGB, ergibt sich aber letztlich schon aus dem Begriff des Schadens
selbst. Denn die Einbuße des Geschädigten ist, auch unter Berücksichtigung
des für § 249 BGB in Frage stehenden Interesses an dem Erhalt
seines Vermögens in dessen gegenständlicher Zusammensetzung,
nicht größer als das, was aufgewendet werden muß, um das
Vermögen auch mit Blick auf den beschädigten Bestandteil in zumutbarer
Weise in einen dem früher wirtschaftlich gleichwertigen Zustand zu
versetzen.
Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger
Schadensbehebung verlangt vom Geschädigten zwar nicht, zugunsten des
Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als
ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (BGHZ 63,295,300; Senatsurteile
vom 30. März 1961 - VI ZR 139/60 - VersR 1961,707,708 und vom 4. März
1976 - VI ZR 14/75 - VersR 1976,732,734). Immerhin kann dem letzteren Gesichtspunkt
Bedeutung für die Frage zukommen, ob der Geschädigte den Aufwand
in vernünftigen Grenzen gehalten hat (Senatsurteile vom 20. Juni 1972
aaO und vom 2. März 1982 - VI ZR 35/80 - VersR 1982,548,549). Denn
nur diejenigen Aufwendungen sind ihm nach § 249 Satz 2 BGB vom Schädiger
abzunehmen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich
denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens
zweckmäßig und angemessen erscheinen (vgl. Senatsurteile vom
2. März 1982 aaO und vom 20. Juni 1989 - VI ZR 334/88 - VersR 1989,1056
f. m. w.Nachw.). Bei der Prüfung, ob der Geschädigte sich in
diesem Rahmen gehalten hat, ist allerdings Rücksicht auf seine spezielle
Situation, also insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflußmöglichkeiten
sowie die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten
zu nehmen; denn § 249 Satz 2 BGB stellt auf eine Restitution in Eigenregie
des Geschädigten ab. Diese subjektbezogene Schadensbetrachtung bedeutet
aber nicht, daß eine unangemessene Veranlassung von Kosten erst unter
dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Schadensminderungspflicht nach §
254 Abs. 2 BGB zu prüfen wäre; die Schadensersatzpflicht besteht
von vornherein nur insoweit, als sich die Aufwendungen im Rahmen wirtschaftlicher
Vernunft halten (BGHZ 111,168,178; Senatsurteil vom 5. März 1985 aaO).
cc) Mit Blick auf den wirtschaftlich vernünftigen
Weg für die vom Geschädigten in eigene Regie genommene Schadensbehebung
ist auch die Frage zu sehen, ob und gegebenenfalls in welchem Maße
die Reparaturkosten die Kosten für die Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs
übersteigen dürfen, ohne deshalb aus der Finanzierungspflicht
des Schädigers nach § 249 Satz 2 BGB herauszufallen. Dem kann
nicht entgegengehalten werden, daß es bei tatsächlich durchgeführter
Reparatur auf die Wirtschaftlichkeit nicht ankomme, weil in solchem Fall
der Herstellungsanspruch ein derartiges Gewicht habe, daß er das
Merkmal der Erforderlichkeit in § 249 Satz 2 BGB völlig verdränge
(so aber Gebhardt DAR 1991,373,377). Diese Argumentation beachtet nicht
genügend, daß neben der Instandsetzung auch die Ersatzbeschaffung
eine Form der Naturalrestitution ist. Richtig ist zwar, daß der Anspruch
des Geschädigten auf Herstellung in eigener Regie (§ 249 Satz
2 BGB) nicht früher enden kann als das nach § 249 Satz 1 BGB
an den Schädiger gerichtete Herstellungsverlangen (Gebhardt aaO).
Dies ist jedoch schon dadurch sichergestellt, daß auch bei einer
Inanspruchnahme nach § 249 Satz 1 BGB der Schädiger nicht in
jedem Fall das beschädigte Fahrzeug reparieren lassen muß. Da,
wie gesagt, auch die Ersatzbeschaffung eine Herstellung im Sinne dieser
Vorschrift ist, kann der Schädiger dann, wenn die Reparatur nach Maßgabe
der nachstehenden Erörterungen unwirtschaftlich ist, dem Geschädigten
stattdessen auch seinerseits ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug anbieten.
dd) Bei dem Vergleich der Reparatur- mit den Wiederbeschaffungskosten
ist allerdings zu beachten, daß dann, wenn der Geschädigte nach
entsprechender Information den Weg der Schadensbehebung mit dem vermeintlich
geringeren Aufwand wählt, das Werkstatt- und das Prognoserisiko zu
Lasten des Schädigers gehen, falls nicht ausnahmsweise dem Geschädigten
insoweit ein (Auswahl-)Verschulden zur Last fällt (BGHZ 63,182,185
f.; Senatsurteile vom 20. Juni 1972 aaO; vom 2. Dezember 1975 - VI ZR 249/73
- VersR 1976,389,390 und vom 10. Januar 1978 - VI ZR 164/75 - VersR 1978,374,
insoweit nicht in BGHZ 70, 199 ff.; vgl. auch Senatsurteil vom 20. Juni
1989 aaO; Dannert VersR 1988,980,982 f.).
ee) Vor allem auch ist zu berücksichtigen,
daß die Reparatur des dem Geschädigten vertrauten Fahrzeugs
sein Integritätsinteresse regelmäßig in stärkerem
Maße zu befriedigen vermag als eine Ersatzbeschaffung (vgl. OLG Hamm
NZV 1991,351,352 = DAR 1991,333,334; Medicus JuS 1973,211,212; Weber aaO
S. 14). Deshalb steht es mit den Grundsätzen des Schadensrechts im
Einklang, daß dem Geschädigten, der sich zu einer Reparatur
entschließt und diese auch nachweislich durchführt, solche Kosten
der Instandsetzung zuerkannt werden, die den Aufwand für eine Ersatzbeschaffung
in Grenzen übersteigen. Das erscheint auch deshalb gerechtfertige,
weil selbst bei voller Berücksichtigung des Vorteilsausgleichs »neu
für alt« insbesondere bei älteren Fahrzeugen die Reparatur
einem Vergleich allein nach ihren Kosten mit denen einer Ersatzbeschaffung
in aller Regel nicht standhalten würde.
Was das Ausmaß dieses Toleranzbereichs betrifft,
so hat es der erkennende Senat wiederholt gebilligt, daß Tatrichter
in Ausübung ihres Ermessens nach § 287 Abs. 1 ZPO einen Zuschlag
von 30% zugebilligt haben (vgl. Senatsurteile vom 20. Juni 1972 und vom
5. März 1985 jeweils aaO; s. auch Senatsurteil vom 18. Juni 1985 -
VI ZR 168/84 - VersR 1985,865,866). In der Rechtsprechung der Instanzgerichte
und in der Literatur ist jedoch umstritten, wie diese Toleranzgrenze zu
berechnen ist: nach der einen Meinung sind bei der Vergleichsbetrachtung
die (voraussichtlichen) Kosten der Reparatur und ein etwa verbleibender
Minderwert des Fahrzeugs dessen Wiederbeschaffungswert, d. h. den vollen
Kosten einer Ersatzbeschaffung, gegenüberzustellen (OLG Hamm NZV 1991,351
= DAR 1991,333 m. w.Nachw.); nach anderer Ansicht ist der Vergleich lediglich
mit dem Wiederbeschaffungsaufwand, d. h. dem Wiederbeschaffungswert abzüglich
Restwert des beschädigten Fahrzeugs, vorzunehmen (OLG Hamm NZV 1991),229;
OLG Stuttgart NZV 1991,309,310 m. w.Nachw.; zum Meinungsstand s. auch Weber
aaO S. 13; Gebhardt aaO S. 374).
Der erkennende Senat brauchte die Streitfrage
bislang nicht zu beantworten; sie ist nunmehr zu entscheiden. Dabei schließt
sich der Senat der Auffassung an, daß in den Fällen, in denen
- wie hier - der Geschädigte wirklich reparieren läßt,
bei der Vergleichsbetrachtung auf der Seite der Ersatzbeschaffung eine
Kürzung des Wiederbeschaffungswertes um den Restwert im allgemeinen
unterbleiben kann. Zwar ist nicht zu verkennen, daß das Gebot der
wirtschaftlichen Vernunft den Geschädigten, der vor der Alternative
Reparatur oder Ersatzbeschaffung steht, regelmäßig dazu veranlassen
wird, bei seiner Entscheidung auch den Restwert des Unfallfahrzeugs in
seine Erwägungen einzubeziehen. Ausschlaggebend ist die jeweilige
finanzielle Belastung und diese konkretisiert sich vornehmlich einerseits
in den Kosten der Reparatur einschließlich des danach etwa verbleibenden
Minderwerts und andererseits in dem Aufwand für eine Ersatzbeschaffung,
der sich als Differenz von Wiederbeschaffungswert und Restwert des beschädigten
Fahrzeugs darstellt. Die dabei dem Restwert zukommende Bedeutung für
eine Verringerung des Wiederbeschaffungsaufwands zwingt nach Auffassung
des Senats jedoch nicht dazu, diesen Wert als selbständigen Rechnungsposten
in die Vergleichsbetrachtung einzustellen. Denn der Restwert, jedenfalls
soweit er als der vom Geschädigten bei Inzahlunggabe seines Unfallfahrzeugs
beim Ersatzwagenkauf bei einem seriösen Gebrauchtwagenhändler
erzielbare Preis für diesen Kostenvergleich herangezogen werden kann,
ist abhängig von den Reparaturkosten und wird deshalb durch diese
bereits mitrepräsentiert: je höher bei festem (weil vom Ausmaß
der Beschädigung unabhängigen) Wiederbeschaffungswert die Reparaturkosten
sind, desto niedriger ist im Regelfall der Restwert des beschädigten
Fahrzeugs und umgekehrt. Solange dieser Restwert nicht zum bloßen
Schrottwert absinkt, führen höhere Reparaturkosten wegen eines
geringen Restwerts daher in aller Regel auch zu höheren Wiederbeschaffungskosten,
soweit dieser Vergleich nicht durch unterschiedliche Nebenkosten verzerrt
wird. Deshalb kann für die Ermittlung der Wirtschaftlichkeitsgrenze
einer Reparatur, weil diese Grenze, wie hier, in zulässiger Weise
jeweils durch einen nur gegriffenen prozentualen Zuschlag zu den Wiederbeschaffungskosten
ohnehin nicht rechnerisch exakt festgestellt wird, auch schon in einer
entsprechenden Bemessung dieses prozentualen Zuschlags dem Kostenfaktor
Restwert mit Rechnung getragen werden. Das läßt es vertretbar
erscheinen, bei dem Massenphänomen der Kraftfahrzeugunfälle im
Interesse einer einfachen und praktikablen Handhabung der Schadensregulierung
auf eine Einstellung des häufig nur schwer zu ermittelnden und mit
vielen Unsicherheiten behafteten Restwerts in die Vergleichsrechnung als
besonders ausgewiesenen Rechnungsposten zu verzichten und für den
prozentualen Zuschlag zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeitsgrenze einer
Reparatur allein auf den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs abzustellen.
Dies gilt freilich nur bei tatsächlich durchgeführten Reparaturen;
denn nur in diesem Fall wird der prozentuale Zuschlag zugunsten der Reparatur,
der den Kostenfaktor Restwert mitabdeckt, durch das besondere Integritätsinteresse
des Geschädigten gerechtfertigt. Bei bloß fiktiver Reparatur
muß es bei der postengenaueren Vergleichsrechnung verbleiben, die
der Senat in seiner Urteil vom 5. März 1985 (aaO) aufgestellt hat;
hiernach ist auf der Seite der Ersatzbeschaffung der Restwert vom Wiederbeschaffungswert
abzuziehen.
c) Der Senat ist sich bewußt, daß
die Ausklammerung des Restwertes aus dem Kostenvergleich bei unveränderter
Beibehaltung eines (vom Kläger hier nicht ausgeschöpften) »Integritätszuschlags«
zu einer Anhebung der Opfergrenze führt, bis zu welcher der Geschädigte
sein beschädigtes Fahrzeug auf Kosten des Schädigers reparieren
lassen darf. Dieses Ergebnis erscheint aber, abgesehen von der Vereinfachung
der Schadensabwicklung, zum besseren Schutz des Integritätsinteresses
gerechtfertigt. Denn bei Fahrzeugen mit leichtem Unfallschaden und hohem
Restwert, die gerade deshalb besonders reparaturwürdig sind, führt
ein Abzug des Restwertes vom häufig nicht wesentlich höheren
Wiederbeschaffungswert trotz eines auf die Differenz gewährten Zuschlags
von 30% nicht selten dazu, daß die Reparaturkosten die 130%-Grenze
überschreiten und der Geschädigte deshalb sein Fahrzeug nicht
mehr auf Kosten des Schädigers instandsetzen lassen dürfte. Darin
läge eine vom Schadensrecht nicht gebotene Interessenverkürzung.
Kommt andererseits dem Fahrzeug des Geschädigten nach einem Unfall
kein ins Gewicht fallender Restwert mehr zu, so überschreiten nach
Ansicht des Senats auch Reparaturkosten bis zu 130% des ungekürzten
Wiederbeschaffungswertes in aller Regel noch nicht die Grenze dessen, was
dem Schädiger zum Ausgleich des Integritätsinteresses des Geschädigten
abverlangt werden kann. Bei der »Integritätsspitze« von
30% ist im übrigen stets zu beachten, daß es sich um keine starre
Grenze, sondern um einen Richtwert handelt, der bei den Massenfällen
der Kraftfahrzeugschäden in der Regel zu einem gerechten Ergebnis
führt, der aber je nach den Besonderheiten des Einzelfalles auch einmal
über- oder unterschritten werden kann (Weber = aaO S. 12). Des weiteren
ist immer zu bedenken, daß der Vergleich der Reparaturkosten mit
dem Wiederbeschaffungswert seine Aussagekraft für die Berechtigung
der Reparatur verlieren kann, wenn die Ausfallzeiten der Reparatur und
bei Wiederbeschaffung in einem krassen Mißverhältnis zueinander
stehen mit der Folge, daß die Kosten für einen vom Geschädigten
in Anspruch genommenen Miewagen bei Durchführung der Reparatur bedeutend
höher liegen als bei einer Ersatzbeschaffung und im Vergleich der
Gesamtkosten beider Wege der Restitution die 130%-Grenze aus diesem Grund
nennenswert überschritten wird. Bei solcher Fallgestaltung kann es
aus Gründen der Wirtschaftlichkeit geboten sein, den Geschädigten
vor allem, wenn die prozentuale Opfergrenze nach der hier zugrundegelegten
Bemessung auch ohne den Vergleich dieser Überbrückungskosten
schon erreicht ist, wegen der Diskrepanz bei den Mietwagenkosten auf den
billigeren Weg der Ersatzbeschaffung zu verweisen. So liegen die Dinge
hier aber nicht. Denn die vom Kläger für die Reparatur angesetzte
Zeit von 42 Arbeitstagen stellt sich nach Art des beschädigten Fahrzeuges
und Ausmaß der Schäden, deren Beseitigungsaufwand den »Integritätszuschlag«
bei weitem nicht ausschöpft, gegenüber einer Wiederbeschaffungsfrist
von 25 Tagen noch nicht als völlig unverhältnismäßig
dar.
2. Nicht rechtsfehlerfrei sind auch die Ausführungen
des Berufungsgerichts zur Höhe der dem Kläger zu erstattenden
Mietwagenkosten (wird ausgeführt).