Die Unterbrechung der Stromzufuhr durch Beschädigung eines Stromkabels auf einem nicht zum betroffenen Unternehmen gehörenden Grundstück ist im allgemeinen kein betriebsbezogener Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
Der Schutzbereich dieses Rechts erstreckt sich
nicht auf die Schäden, die aus einer solchen Stromunterbrechung und
einem dadurch herbeigeführten zeitweiligen Betriebsstillstand entstehen.
BGHZ 29, 65 ff
Vgl. Anmerkung zu BGH NJW 1999, 279 zu BGH NJW 2003, 1040 sowie zu BGH v. 15.3.2012 - VI ZR 117/11
Die Klägerin betreibt eine Fabrik. Im September
1955 hatte ein Baggerführer des Beklagten, der als Tiefbauunternehmer
tätig ist, auf dem Grundstück der Firma M., Graphische Betriebe,
ein unterirdisch verlegtes, dem Elektrizitätswerk in H. gehörendes
Starkstromkabel, das von dort zum Werk der Klägerin führt, beschädigt.
Am 18. Juni 1956 ließ der Beklagte auf dem gleichen Grundstück
der Graphischen Betriebe M. durch einen anderen Arbeiter mit einem Bagger
eine Grube für einen Öltank ausgraben. Gegen 9.40 Uhr wurde von
dem Bagger das Starkstromkabel erneut und zwar etwa 60m hinter der alten
Bruchstelle zerrissen; infolge der Stromunterbrechung lag der Betrieb der
Klägerin bis zum 19. Juni 1956, 6.30 Uhr, still.
Die Klägerin macht den Beklagten für
den ihr durch die erneute Betriebsruhe entstandenen Schaden verantwortlich.
Sie ist der Ansicht, daß das Starkstromkabel, durch das von der Schadensstelle
ab außer den Graphischen Betriebe nur noch sie mit Strom beliefen
werde, wirtschaftlich einen Teil ihres Betriebes darstelle. Der Beklagte
habe durch die Kabelunterbrechung widerrechtlich und schuldhaft in ihren
Gewerbebetrieb eingegriffen; er habe es auch pflichtwidrig unterlassen,
sich hinreichend über den Kabelverlauf zu unterrichten, diesen äußerlich
kenntlich zu machen, den für eine derartige Erdarbeit erforderlichen
zweiten Arbeiter zur Beobachtung abzustellen und den Baggerführer
hinreichend zu unterrichten und zu überwachen.
Der Beklagte hat den Anspruch bestritten. Er vertritt
die Auffassung, durch den Kabelbruch sei der Gewerbebetrieb der Klägerin
nur mittelbar betroffen worden; jedoch verpflichte nur ein unmittelbarer
Eingriff in einen Gewerbebetrieb zum Schadensersatz. Bei der Vorbereitung
der Arbeit habe er ebenso wie bei der Auswahl des Baggerführers und
bei dessen Einweisung die erforderliche Sorgfalt beobachtet; eine persönliche
Überwachung der Baggerarbeiten sei ihm bei der Größe seines
Geschäfts nicht zuzumuten gewesen.
Das Landgericht hat den Klageanspruch dem Grunde
nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung des Beklagten blieb
erfolgslos. Seine Revision führte zur Abweisung der Klage.
Aus den Gründen:
1. Landgericht und Oberlandesgericht haben übereinstimmend
die Schadensersatzpflicht des Beklagten bejaht und angenommen, daß
der Beklagte durch die Beschädigung des zum Werk der Klägerin
führenden Starkstromkabels und die dadurch herbeigeführte Unterbrechung
der Stromzufuhr in das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb widerrechtlich und schuldhaft eingegriffen habe. Das Oberlandesgericht
hat die Haftung des Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB in Verb. mit §
831 BGB, wobei es den Entlastungsbeweis als nicht hinreichend erboten angesehen
hat, sowie aus § 823 Abs. 1 BGB allein wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
hergeleitet.
Die Revision wendet sich dagegen, daß die
Kabelunterbrechung als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb der Klägerin gewertet worden ist.
Die Revision mußte im Ergebnis Erfolg haben.
a) Das Reichsgericht hat in ständiger Rechtsprechung
das Recht an einem bestehenden Gewerbebetrieb als ein »sonstiges
Recht« im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt.
Bereits in RGZ 58, 24, 29 ist das Recht am eingerichteten
und ausgeübten Gewerbebetrieb als ein subjektives Recht angesehen
worden, das unmittelbar verletzt werden könne; Störungen und
Beeinträchtigungen, welche sich unmittelbar gegen den Gewerbebetrieb
richteten, stellten danach eine unter § 823 Abs. 1 BGB fallende Rechtsverletzung
dar. In der Folgezeit hat das Reichsgericht dem eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb den Schutz des § 823 Abs. 1 BGB zunächst nur dann
gewährt, wenn ein Eingriff in den Bestand des Gewerbebetriebes vorlag,
also wenn der Betrieb tatsächlich behindert, seine Unzulässigkeit
behauptet oder seine Einschränkung oder Einstellung verlangt wurde;
gelegentlich hat es auch so formuliert, daß die Grundlagen des Gewerbebetriebes
unmittelbar angetastet sein müßten (RGZ 64, 52, 55; 64, 155,
156; 76, 35, 46; 95, 339, 340; 102, 223, 225; 109, ;72, 276; 119, 435,
438; 126, 93, 96; 135, 242, 247). Nach dieser an Fragen des Wettbewerbs
und Boykotts entwickelten Rechtsprechung wurden Handlungen, die den Gewerbebetrieb
nur mittelbar schädigten, nicht als Rechtsverletzungen im Sinne des
§ 823 Abs. 1 BGB erachtet, so wenn dem Gewerbetreibenden nur ein wirtschaftlicher
Gewinn entzogen wurde (RGZ 126, 93, 96), ferner bei schädigenden Einwirkungen
auf Lieferanten (RGZ 56, 271, 275), bei Beschränkung des Kundenkreises
(RGZ 79, 224, 226), schließlich, wenn nur die Aussicht auf Erwerb
beeinträchtigt oder gestört wurde (RGZ 102, 223, 225; 119, 435,
438; 135, 242, 247). Gewährt wurde der Schutz des § 823 Abs.
1 BGB vor allem in solchen Fällen, in denen die Einstellung der gewerblichen
Tätigkeit eines anderen mit der Behauptung verlangt wurde, die Tätigkeit
verstoße gegen ein dem Untersagenden zustehendes gewerbliches Schutzrecht
(Gebrauchsmuster, Patent) und sich dann herausstellte, daß ein solches
Schutzrecht nicht bestand und die dahingehende Behauptung mindestens fahrlässig
falsch war (RGZ 58, 24; 94, 248; 141, 336); ferner z. B. bei einem Boykott,
bei dem durch Postenstehen vor der Tür und durch tätliche Einwirkung
Besucher von dem Betreten einer Gastwirtschaft abgehalten worden waren
(RGZ 76, 35, 46).
Eine Lockerung der strengen Erfordernisse für
den Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb
wurde in der späteren Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Reichsgerichts
vollzogen. Ein Ansatz zeigte sich bereits in dem Urteil vom 7. Juni 1929
(MuW 1929, 378), durch welches die Bestimmung einer Ortskrankenkasse, daß
für gewisse wortgeschützte Arzneikörper keine Zahlung geleistet
würde, als bewußte Gefährdung des auf Herstellung der wortgeschützten
Arzneimittel gerichteten Gewerbebetriebes angesehen wurde, da die Bestimmung
der Ortskrankenkasse bei voller Auswirkung den Hersteller zu Betriebseinschränkungen
zwänge. In dem Urteil vom 9. Oktober 1934 (MuW 1935, 26, 30) ist der
II. Zivilsenat eindeutig vom bloßen Bestandsschutz abgerückt
und hat ausgesprochen, daß für die Anwendbarkeit des §
823 Abs. 1 BGB auf dem Gebiete des Warenzeichen und Wettbewerbsrechts eine
schuldhafte Beeinträchtigung der gewerblichen Betätigung eines
anderen zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs ausreiche, ohne
daß auch ein »unmittelbar gegen den Bestand des Geschäftsbetriebs
gerichteter Eingriff« erforderlich sei. Diese Auffassung hat der
gleiche Senat in seiner Entscheidung vom 19. Dezember 1938 (JW 1938, 484
= RGZ 158, 377 [in den für die vorliegende Rechtsfrage maßgeblichen
Teilen jedoch in der Amtlichen Sammlung nicht abgedruckt]) bestätigt;
es werde damit dem Gedanken Rechnung getragen, daß jeder Unternehmer
beanspruchen könne, vor widerrechtlichen Störungen bewahrt zu
bleiben, die sein Unternehmen nicht zur vollen, in der Gesamtheit seiner
Bestandteile und Betriebsmittel begründeten Entfaltung kommen ließen,
auch wenn dadurch der Bestand des Unternehmens selbst nicht in Frage gestellt
sein möge (vgl. RGZ 132, 311, 316; RG GRUR 1940, 375, 378; 1942, 364).
Der II. Zivilsenat hat in RGZ 163, 21, 32 weiter erwogen, ob das gleiche
nicht auch außerhalb des Wettbewerbsund Warenzeichenrechts zu gelten
habe. In seinem Urteil vom 3. Oktober 1941 (GRUR 1942, 54 = DR 1942, 175
[auszugsweise]) hat sich der I. Zivilsenat des Reichsgerichts der Ansicht
des II. Zivilsenats, daß ein unmittelbar gegen den Bestand des Betriebes
gerichteter Angriff für eine Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB bei
schuldhafter Beeinträchtigung der gewerblichen Betätigung eines
anderen nicht erforderlich sei, ausdrücklich angeschlossen (anders
noch der V. Zivilsenat des Reichsgerichts in DR 1940, 723).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
wird der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB gegen j e d e Beeinträchtigung
des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, wenn sie
einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis darstellt,
gewährt, und zwar auch außerhalb des Gebietes des Wettbewerbs
und der gewerblichen Schutzrechte (BGHZ 3, 270; 8, 142; 8, 387; 24, 200;
vgl. auch BGHZ 23, 157). In der vorgenannten Entscheidung BGHZ 3, 270,
279 ist ausgeführt, daß das Recht am bestehenden Gewerbebetrieb
- ebenso wie das Eigentum - durch § 823 Abs. 1 BGB nicht nur in seinem
eigentlichen Bestand, sondern auch in seinen einzelnen Erscheinungsformen,
wozu der gesamte gewerbliche Tätigkeitskreis zu rechnen sei, vor unmittelbaren
Störungen bewahrt bleiben müsse. Hieran ist festzuhalten.
b) Durch die von der Rechtsprechung vorgenommene
Einordnung des Rechts am bestehenden Gewerbebetrieb in den Kreis der »sonstigen
Rechte« des § 823 Abs. 1 BGB ist dieses Recht den dort ausdrücklich
aufgeführten Rechtsgütern und Rechten Leben, Körper, Gesundheit,
Freiheit und Eigentum hinsichtlich seines Schutzes gleichgestellt. Deshalb
ist auch bei einer Verletzung des Rechts am bestehenden Gewerbebetrieb
zu prüfen, ob die Tatfolgen, für die Ersatz begehrt wird, in
den Schutzbereich des Gesetzes fallen (Urteil des erkennenden Senats =
BGHZ 27, 137). Allerdings kann, soweit der Schutz des eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetriebes in Frage steht, nicht wie im vorgenannten
grundlegenden Urteil des Senats zum Problem der Haftungsbegrenzung gefragt
werden, ob der geltendgemachte Schaden aus der Verletzung eines Rechtsgutes
entstanden ist, zu dessen Schutz das Gesetz erlassen worden ist. Denn der
Gesetzgeber hatte bei der Fassung des § 823 Abs. 1 BGB den Schutz
des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes noch nicht ins
Auge gefaßt. Die Frage der Haftungsbegrenzung ist deshalb vorliegend
in der Richtung aufzuwerfen und zu entscheiden, was eigentlich der Gegenstand
des dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch die Rechtsprechung
zuerkannten Rechtsschutzes ist.
Unter dem Begriff des Gewerbebetriebes im Sinne
des § 823 Abs. 1 BGB ist alles das zu verstehen, was in seiner Gesamtheit
den Gewerbebetrieb zur Entfaltung und Betätigung in der Wirtschaft
befähigt, also nicht nur Betriebsräume und -grundstücke,
Maschinen und Gerätschaften, Einrichtungsgegenstände und Warenvorräte,
sondern auch Geschäftsverbindungen, Kundenkreis und Außenstände.
Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb von der Rechtsprechung
gewährten und nach und nach erweiterten Schutz soll das Unternehmen
in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, in seinem Funktionieren vor
widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben. Wenn auch in BGHZ 23, 157,
163 selbst die jeweilige Situation, in der ein Gewerbe betrieben wird,
als für den Umfang des gewerblichen Tätigkeitskreises bestimmend
angesehen worden ist, so handelt es sich in allen Fällen, in denen
der Bundesgerichtshof die Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb bejaht hat, um den Schutz solcher Erscheinungsformen des
Gewerbebetriebes, die ihm spezifisch und als solchem eigen sind. Geschützt
werden soll der Gewerbebetrieb in seinem Bestande und in seinen Ausstrahlungen,
soweit es sich um gerade dem Gewerbebetrieb in seiner wirtschaftlichen
und wirtschaftenden Tätigkeit wesensgemäße und eigentümliche
Erscheinungsformen und Beziehungen handelt.
c) Nach wie vor aber ist, wie das Berufungsgericht
zutreffend erkannt hat, ein u n m i t t e l b a r e r Eingriff in den Bereich
des Gewerbebetriebes als Voraussetzung für eine Anwendbarkeit des
§ 823 Abs. 1 BGB zu fordern (RGZ 163, 21, 32; BGHZ 8, 387, 394; 15,
338, 349; 23, 157; BGH LM BGB § 823 [D a] Nr. 4). Zu Unrecht beruft
sich demgegenüber die Klägerin auf die Entscheidungen des Reichsgerichts
in RGZ 132, 311, 316 und DR 1942, 175; in diesen ist lediglich der bloße
Bestandsschutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
als zu eng und jede schuldhafte Beeinträchtigung der gewerblichen
Betätigung eines anderen für die Anwendbarkeit des § 823
Abs. 1 BGB als ausreichend erachtet worden; das Erfordernis der Unmittelbarkeit
des Eingriffs aber wurde nicht angetastet. Es ist freilich richtig, daß,
wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, der Begriff des »unmittelbaren
Eingriffs« in der Rechtsprechung nicht definiert worden ist. Baumbach/Hefermehl
(Wettbewerbsund Warenzeichenrecht, 7. Aufl. 1955, Allg. Ziff. 53 [S. 33])
weisen zutreffend darauf hin, daß die Abgrenzungsschwierigkeiten
zwischen unmittelbaren und mittelbaren Eingriffen bei dem komplexen Rechtsbegriff
des Unternehmens besonders groß sind. Aus der rein sprachlichen Unterscheidung
zwischen »unmittelbar« und »mittelbar« können
entgegen der Ansicht der Revision die Merkmale für die erforderliche
Begriffsabgrenzung nicht gewonnen werden. Die Frage der Unmittelbarkeit
eines Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
kann auch nicht nur aus der Kausalitätslehre beantwortet werden, und
es kommt auch auf das Fehlen sogenannter Zwischenursachen nicht entscheidend
an, wie das Berufungsgericht in Übersteinstimmung mit der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs ausgeführt hat (BGHZ 3, 270; 8, 142; 23, 157;
abw. RGZ 163, 21, 32, wo auf die Unmittelbarkeit des Kausalzusammenhangs
abgestellt worden ist, desgl. OLG München vom 21. März 1956 NJW
1956, 1719). Auch der Vorschlag von Larenz (NJW 1956, 1719) in seiner Anmerkung
zum vorgenannten Urteil des Oberlandesgerichts München - auf das sich
beide Parteien für ihren Rechtsstandpunkt berufen -, die Unmittelbarkeit
des Eingriffs teleologisch, also im Sinne einer Zweckbezogenheit der Eingriffshandlung
auf eine Einschränkung der gewerblichen Tätigkeit aufzufassen,
so daß sich die Richtung auf eine Schädigung des Gewerbebetriebes
aus ihrer Zweckbestimmung ergäbe, vermag zu einer hinreichend bestimmten
Abgrenzung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Eingriffen nicht zu führen.
Wenn Larenz als »unmittelbar« jeden
Eingriff in den Gewerbebetrieb ansehen will, der dessen Einschränkung
oder Beeinträchtigung entweder zum Zwecke hatte oder mindestens, unter
den gegebenen Umständen, zum Zwecke haben konnte, so werden sogleich
die Schwierigkeiten im Falle fahrlässigen Handelns des Eingreifenden
offenbar. Dennoch kann Baumbach/ Hefermehr (aaO) nicht darin beigepflichtet
werden, daß wegen der bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten das
Erfordernis der Unmittelbarkeit des Eingriffs aufgegeben werden und statt
dessen die Wirkung des Eingriffs auf den Tätigkeitsbereich entscheiden
sollte (für die Beibehaltung des Unmittelbarkeitserfordernisses: Enneccerus/Lehmann,
Recht der Schuldverhältnisse, 15. Bearb. 1958, § 234 I 1b [S.
9401; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, II. Bd. 2. Aufl. 1957, §
66 I d [S. 339]; Kleine, JZ 1952, 229).
Das Berufungsgericht meint unter Berufung auf
das Urteil des erkennenden Senats vom 14. April 1954 (LM BGB § 823
[D a] Nr. 4), der Begriff der Unmittelbarkeit sei zielbezogen aufzufassen.
Daraus ergebe sich für vorsätzliche Handlungen eine brauchbare
Abgrenzung; bei fahrlässig begangenen Eingriffen in den Gewerbebetrieb
sei es ausreichend, wenn die Handlung die Beeinträchtigung des Gewerbebetriebes
unter den gegebenen Umständen zum Ziel gehabt haben könne und
der Handelnde diese Richtung seines Tuns in seine Vorstellung aufgenommen,
aber darauf vertraut habe, daß der Erfolg nicht eintrete. Diese Voraussetzungen
eines fahrlässigen, zum Schadensersatz verpflichtenden Eingriffs hält
das Berufungsgericht im vorliegenden Falle für gegeben. Der erkennende
Senat hat in der genannten Entscheidung ausgesprochen, daß ein Angriff,
der eine Verletzung des Rechts am Gewerbebetriebe darstelle, irgendwie
gegen den Betrieb als solchen gerichtet sein müsse. Deshalb hat der
Senat allein darin, daß ein unbegründeter Rückerstattungsantrag
auf Rückgabe eines mit einem Gewerbebetrieb verbundenen Grundstücks
die treuhänderische Verwaltung des Grundstücks gemäß
MilRegG 52 zur Folge hatte, noch keinen widerrechtlichen Eingriff des Rückerstattungsklägers
in den Gewerbebetrieb erblickt; denn der Angriff richtete sich gegen die
Person des Inhabers, nicht aber gegen den Gewerbebetrieb selbst, mögen
auch dadurch mittelbar Schäden in dem Gewerbebetrieb hervorgerufen
worden sein. Ebensowenig liegt ein unmittelbarer Eingriff in den gewerblichen
Tätigkeitskreis vor, wenn einem Betriebe durch Verletzung von Personen
das zu seiner Fortführung unentbehrliche Personal entzogen wird (BGHZ
7, 30, 36). Diese Entscheidungen, nach denen zu fordern ist, daß
ein unter § 823 Abs. 1 BGB fallender Angriff gegen den Gewerbebetrieb
selbst gerichtet sein muß, zeigen die Grundhaltung der herrschenden
Rechtsprechung auf, eine übermäßige Ausweitung des Schutzes
des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu vermeiden,
die dem deutschen Rechtssystem der in kasuistischer Art geregelten Deliktstatbestände
zuwider laufen würde. So fehlt es denn auch nicht an Stimmen in der
Rechtsprechung und Literatur, die zu der älteren Auffassung des Reichsgerichts
zurückkehren möchten, wonach nur diejenige Beeinträchtigung
eines Gewerbebetriebes, die dessen Bestand berührt, als Angriff auf
ein absolutes Recht gelten soll (OLG Freiburg JZ 1952, 231; erwägend
OLG Köln MDR 1953, 617; Gramm in Palandt, 17. Aufl. 1958, § 823
BGB Anm. 6 g, der ausführt, es würden sonst dem § 823 BGB
Aufgaben zugewiesen, für die er nicht geschaffen sei). Diese Stellungnahmen
werden ersichtlich von der Sorge getragen, daß, wie Lehmann (MDR
1952, 297) meint, die Anerkennung eines zu weit gehenden generellen Schutzes
des Gewerbebetriebes leicht zu einer Normenerschleichung führen könne.
Sicherlich ist dadurch, daß nach der späteren
Auffassung des Reichsgerichts und der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs jeder widerrechtliche unmittelbare Eingriff in den gewerblichen
Tätigkeitskreis eine Verletzung des durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten
Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt,
mag sich der Angriff auch nicht gegen den Bestand desselben, sondern gegen
eine seiner Erscheinungsformen richten, der Rechtsschutz gegenüber
dem zunächst nur gewährten Bestandsschutz des Gewerbebetriebes
erweitert worden. Damit ist aber nicht etwa auf dem Umwege über den
Schutz des Gewerbebetriebes ein Schutz von Forderungsrechten eingeführt
worden, die im Gegensatz zu den absoluten Rechten nur bestimmte Personen
binden und deshalb nicht unter den Begriff der »sonstigen Rechte«
im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB fallen (RGZ 82, 189; 95, 283; 111, 298,
302), oder ein Schutz des Vermögens, das als solches nur unter besonderen
Voraussetzungen Deliktsschutz genießt (z. B. über § 826
BGB); beides wäre unserem geltenden Rechtssystem fremd. Auch die bei
der Frage der Widerrechtlichkeit erforderliche sorgfältige Untersuchung,
ob unter Anwendung des Prinzips der Güterund Pflichtenabwägung
dem Eingreifenden etwa ein besonderer Rechtfertigungsgrund zur Seite steht
(BGHZ 3, 270; 8, 142; 24, 200), wirkt sich einschränkend aus. Im übrigen
sind der Umfang und die Grenzen innerhalb derer das Recht am eingerichteten
und ausgeübten Gewerbebetrieb zu schützen ist gerade durch eine
sachgemäße Ausfüllung des Begriffs der »Unmittelbarkeit«
des Eingriffs zu ermitteln.
Unmittelbare Eingriffe in das Recht am bestehenden
Gewerbebetrieb gegen welche § 823 Abs. 1 BGB Schutz gewährt sind
nur diejenigen die irgendwie gegen den Betrieb als solchen gerichtet also
betriebsbezogen sind und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare
Rechte oder Rechtsgüter betreffen. Alle Fälle in denen höchstrichterlich
eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
bejaht worden ist hatten auch solche betriebsbezogenen Eingriffe zum Gegenstand.
Ebensowenig wie etwa die Verletzung eines Angestellten oder die Beschädigung
oder Zerstörung eines Betriebskraftwagens steht aber die Unterbrechung
des zum Unternehmen der Klägerin führenden Stromkabels durch
den Beklagten bzw. seinen Baggerführer in Beziehung gerade zum Gewerbebetrieb
der Klägerin; denn der Baggerführer des Beklagten hat ein Stromkabel
beschädigt das zwar außer den Graphischen Betrieben M. gleichsam
zufälligerweise nur noch den Betrieb der Klägerin mit Strom versorgte
genau so gut aber für die Stromlieferung an andere Abnehmer hätte
bestimmt sein können. Die Lieferung elektrischen Stroms über
ein Kabel und der Anspruch darauf ist zudem keine dem eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb wesenseigentümliche Eigenheit sondern
eine auf der Energielieferungspflicht der Versorgungsunternehmen beruhende
Beziehung die derjenigen gleichartig ist, die auch die anderen Stromabnehmer,
wie z. B. die Haushaltungen und die Angehörigen freier Berufe, mit
dem Elektrizitätswerk verbindet. Die Beschädigung eines Kabels
mit der Folge der Unterbrechung der Stromzufuhr auf einem nicht zum betroffenen
Unternehmen gehörenden Grundstück kann ohne besondere, hier nicht
in Betracht kommende Umstände sonach nicht als betriebsbezogener Eingriff
in den Tätigkeitskreis dieses Gewerbebetriebes angesehen werden. Wenn
durch den Bagger des Beklagten das zum Werk der Klägerin führende
Starkstromkabel zerrissen wurde, brachte dies zwar eine Beeinträchtigung
der sachlichtechnischen Grundlagen mit sich, vermittels welcher der Klägerin
durch das Elektrizitätswerk elektrische Energie entsprechend dem zwischen
ihnen bestehenden schuldrechtlichen Vertrag zugeführt werden konnte
und zugeführt wurde. Aber darin ist kein Eingriff in das Recht der
Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu finden,
weil dies über den dem Gewerbebetrieb von der Rechtsprechung zuerkannten
Schutzbereich hinausginge; vielmehr handelt es sich um eine Verletzung
des Eigentums des Elektrizitätswerks am Kabel sowie des durch dessen
Geschäftsbedingungen eingeschränkten Stromlieferungsanspruchs
der Klägerin gegen das Elektrizitätswerk.
Kann demnach ein Schadensersatzanspruch der Klägerin
nicht aus Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
hergeleitet werden, so kommt ein solcher - entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts - auch nicht wegen Verletzung einer dem Beklagten obliegenden
Verkehrssicherungspflicht in Betracht. Denn die schuldhafte Unterlassung
der Verkehrssicherung löst nur dann einen Schadensersatzanspruch aus,
wenn ein anderer dadurch in seinen nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten
Rechtsgütern oder Rechten beeinträchtigt wird. Die Klägerin
hat aber, selbst wenn der Beklagte die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht
verletzt hätte, was dahingestellt bleiben kann, einen Schaden nicht
an den nach § 323 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgütern und
absoluten Rechten, sondern an ihrem Vermögen erlitten.