Haftung des Unterbevollmächtigten bei Mängeln der Vollmacht (mehrstufige Untervollmacht) 
BGH, Urt. v. 5.5.1960, III ZR 83/59 
Fundstelle:

BGHZ 32, 250
Vgl. BGHZ 68, 391; zur Gesamtproblematik Petersen JURA 1999, 401 ff. 


Zentrales Problem:

s. Anm. zu BGHZ 68, 391


Amtl. Leitsatz:

Ein Unterbevollmächtigter, der als Vertreter des Hauptbevollmächtigten (nicht des Hauptvollmachtgebers) auftritt, haftet gemäß § 179 BGB als vollmachtloser Vertreter nur dann, wenn es an seiner Untervollmacht, nicht aber, wenn es an der Vollmacht des Hauptbevollmächtigten mangelt.



Der ein Uhrmachergeschäft betreibende Beklagte erhielt im Frühjahr 1956 von seinem Kunden F., der ihm noch 168 DM schuldete, eine mit Edelsteinen besetzte Damenarmbanduhr zum Nachsehen und zur Abschätzung vorgelegt. Später erklärte F. dem Beklagten, der die Uhr mit dem Bemerken an sich genommen hatte, er gebe sie erst nach Begleichung der Schuld wieder heraus, er (F.) solle die Uhr für ihre Eigentümerin, eine Amerikanerin, die selbst am Kommen verhindert sei, verkaufen. Auch brachte er eine in englischer Sprache verfaßte Bescheinigung bei, in der die Amerikanerin die Uhr für ihr persönliches Eigentum erklärte und F. bzw. Fräulein L. - das war ihre mit F. befreundete Hausgehilfin - mit dem Verkauf der Uhr beauftragte. Der Beklagte bot daraufhin dem Geschäftsführer der Klägerin, seiner Lieferantin, die Uhr zum Kauf an. Er erzählte ihm, was ihm F. gesagt hatte, auch, daß dieser ihm Geld schulde und er auf diese Weise zu seinem Geld kommen wolle; außerdem zeigte er die Bescheinigung vor. Der Geschäftsführer kaufte schließlich die Uhr um 1600 DM. Der Beklagte nahm den Kaufpreis in Raten in Empfang und führte ihn an F. ab, wobei dieser ihm den offenen Schuldbetrag sowie weitere 100 DM »als Provision und Zinsen« gab. Bald danach stellte sich heraus, daß die Uhr von der Hausgehilfin L. der Amerikanerin entwendet und die Bescheinigung gefälscht war. Die Klägerin, die die Uhr zurückgegeben hat, verlangt von dem Beklagten Ersatz des Kaufpreises. Sie hat vor dem Landgericht, das den Beklagten als Vertreter ohne Vertretungsmacht nach § 179 BGB haften ließ, obgesiegt, ist aber vor dem Oberlandesgericht, das eine solche wie eine andere Haftung des Beklagten verneint, unterlegen. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos.

Aus den Gründen:
Das Berufungsgericht, dem gegenüber die Klägerin sich darauf berufen hat, der Beklagte sei ausdrücklich für F. aufgetreten, wertet die von dem Beklagten bei dem Verkauf der Uhr entwickelte Tätigkeit nicht als eine bloße Vermittlung. Es scheidet die Möglichkeit, daß der Beklagte als unmittelbar von der Eigentümerin selbst beauftragt aufgetreten sei, mit Rücksicht darauf aus, daß er gleich zu Beginn der Kaufverhandlungen der Klägerin erklärt habe, er komme »für Herrn F.«. Das Berufungsgericht läßt offen, ob - gesehen im »Empfängerhorizont des Beklagten« und mittels dessen Erzählung gegenüber der Klägerin - F. entsprechend einer von ihm vorgegebenen Ermächtigung seitens der Eigentümerin im eigenen Namen (aber für fremde Rechnung) gehandelt habe oder ob er auf Grund einer ihm angeblich von dieser erteilten Vollmacht im fremden Namen aufgetreten sei. Im ersteren Fall habe der Beklagte auf Grund der ihm von F. erteilten (Haupt-) Vollmacht gehandelt und hafte daher nicht aus § 179 BGB. Im zweiten Fall seien mehrere Unterfälle denkbar, von denen der folgende als von F. und dem Beklagten, der Klägerin erkennbar, gewollt angenommen werden müsse: Erteilung einer Untervollmacht an den Beklagten in dem Sinne, daß der von A bevollmächtigte B seinerseits C wieder bevollmächtige, statt seiner (des B) für A zu handeln. In einem solchen Fall erfordere der dem § 179 BGB zugrundeliegende Gedanke des Vertrauensschutzes die Haftung des Unterbevollmächtigten nur, wenn es an der Untervollmacht, nicht aber, wenn es an der Vollmacht fehle; der Unterbevollmächtigte sei letzten Endes nur Vertreter seines Vordermannes und könne in der Regel - auch dem Geschäftspartner erkennbar - die Erteilung einer Hauptvollmacht nicht überprüfen.
Die Revision stellt demgegenüber in den Vordergrund, daß auch der Unterbevollmächtigte unmittelbarer Vertreter des Vollmachtgebers sei, in dessen Person die Vertretungshandlungen zur Wirksamkeit gelangten; sie beruft sich auf den Wortlaut des § 179 BGB, nach dem als machtloser Vertreter haftet, »wer als Vertreter einen Vertrag geschlossen hat«, auf den Sinn des Gesetzes, wonach es für die Haftung eines Untervertreters, der den Eindruck des Bestehens sowohl der Haupt- wie der Untervollmacht erwecke und das Vertrauen seines Vertragsgegners besitze, gleich sein müsse, ob es an dieser oder jener Vollmacht fehle.
Dieser Vortrag vermag jedoch nicht zu einer Verurteilung des Beklagten zu führen.
Für die Beurteilung des Falles ist wesentlich, daß der Beklagte der Klägerin nicht nur erklärt hatte, er komme für F., sondern ihr auch alle näheren Umstände und die Bescheinigung zur Kenntnis gebracht hatte. Jedem der Streitteile war insofern dasselbe erkennbar. Demgemäß wußten beide aus dem Bekenntnis von F., daß er nicht Eigentümer der Uhr war, sondern diese für die Eigentümerin verkaufen sollte. Mit dem Berufungsgericht kann die Frage offen bleiben, ob F. bei dem Verkauf der Uhr als Bevollmächtigter im Namen der Eigentümerin oder im eigenen Namen, wenn auch - scheinbar - für Rechnung der Eigentümerin aufgetreten ist. Für eine Fallgestaltung der letzteren Art ließe sich freilich anführen, daß F. nach seiner Erklärung den Verkauf der Uhr unter Einschaltung des Beklagten dazu hat benützen wollen, um im Wege der Verrechnung mit dem Kaufpreis seine eigene Schuld, nicht eine Schuld der Eigentümerin, bei dem Beklagten zu tilgen. Das könnte dafür sprechen, daß er bei dem Verkaufsgeschäft in den Vordergrund treten und die Wirkungen des Verkaufs zunächst in der eigenen Person erzeugen wollte. Dem stünde nicht etwa zwingend entgegen, daß er selbst erklärt hat, die Uhr gehöre nicht ihm, sondern solle von ihm für eine Amerikanerin verkauft werden; denn es ist weder im bürgerlichen Recht im allgemeinen, noch im Gebiete des Handelsrechts im besonderen eine ungewöhnliche Erscheinung, daß jemand mit Einwilligung des Rechtsträgers über eine fremde Sache im eigenen Namen verfügt. Auch der englische Wortlaut der vorgelegten Bescheinigung: »I request Mr. F. (or Miß L.) to sell the watch . . . « läßt eine solche Annahme durchaus zu. Doch braucht dem wie gesagt nicht nachgegangen zu werden. Handelte nämlich F. im eigenen Namen, wenn auch - angeblich - für fremde Rechnung, so hätte der Beklagte, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, auf Grund und im Rahmen der ihm von F. erteilten (Haupt-) Vollmacht gehandelt und brauchte nicht als Vertreter ohne Vertretungsmacht gemäß § 179 BGB zu haften. Für den anderen Fall, daß F. namens der Eigentümerin handelnd aufgetreten ist, ist aus den nachstehenden Überlegungen dasselbe Ergebnis zu gewinnen.
Das Berufungsgericht nimmt ohne Rechtsirrtum an, daß F. als Bevollmächtigter sich des Beklagten als Unterbevollmächtigten bedient hat. Dem ist zuzustimmen.
Ein Vertreter kann in zweifacher Art Untervollmacht erteilen. Er kann den Unterbevollmächtigten zu seinem eigenen Vertreter bestellen, ihn zum Vertreter des Vertreters machen; oder er kann die Unterbevollmächtigung dahin vornehmen, daß der Unterbevollmächtigte unmittelbar im Namen des ursprünglichen Vollmachtgebers, des Machtgebers des Hauptbevollmächtigten, handeln soll. Die Revision steht zwar mit ihrer Annahme, die erstere Möglichkeit sei mit den Grundsätzen des Vertretungsrechts nicht zu vereinbaren, nicht allein 1). Doch ist die Annahme einer Vollmachterteilung der ersteren Art rein logisch gesehen denkbar; sie hat sich auch durchgesetzt 2). Sie ist, wie gerade die weitere Analyse des gegenwärtigen Falles zeigt, sachlich vertretbar und geboten. Wenn die Revision die Ausführung des Berufungsgerichts, letzten Endes sei hier der Unterbevollmächtigte nur Vertreter seines Vordermannes, mit der Erwägung beanstandet, auch der Unterbevollmächtigte sei unmittelbarer Vertreter des Vollmachtgebers, so überzeugt das nicht. Entspricht das Geschäft der Vollmacht und der auf den Untervertreter ausgestellten Untervollmacht, so wirkt es allerdings nur für den Machtgeber des (Haupt-) Vertreters. Diese Wirkungen gehen aber gleichsam gemäß den beiden Vollmachtverhältnissen durch den (Haupt-) Vertreter hindurch.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, hier sei der Beklagte in Untervollmacht von F. als dessen Vertreter tätig geworden, zeigt im übrigen keinen vom Revisionsgericht zu beanstandenden Fehler; sie findet eine sinnfällige Stütze darin, daß der Beklagte die Verhandlungen mit der Klägerin durch die Erklärung einleitete, er komme »für Herrn F.«; ihm, seinem Kunden, von dem er auf diese Weise Geld zu bekommen hoffte, nicht der ihm unbekannten Eigentümerin wollte er behilflich sein. Demgemäß liegt es nahe, den Beklagten nur haften zu lassen, wenn seine Untervollmacht auf F. nicht in Ordnung wäre, dagegen nicht, wenn es an der Vertretungsmacht des F. fehlt. Für dieses Ergebnis sprechen noch weitere Erwägungen:
Wenn § 179 BGB dem machtlosen Vertreter eine Schadensersatzpflicht auferlegt, so deswegen, weil er durch sein Auftreten den Anschein seiner Vertretungsmacht hervorgerufen hat und das Vertrauen des Geschäftspartners in diese Vertretungsmacht geschützt werden soll. Zwar mag auf den ersten Blick der Unterbevollmächtigte dem (Haupt-) Vollmachtgeber näher stehen und daher eher als der Geschäftspartner zur Überprüfung der Vollmachtverhältnisse in der Lage befindlich erscheinen. Dem Berufungsgericht ist aber darin beizupflichten, daß der Unterbevollmächtigte in den meisten Fällen, jedenfalls dann, wenn er in Vertretung des Bevollmächtigten tätig werden soll, die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten nicht oder nicht leichter als der Geschäftsgegner nachprüfen kann. Wenn also der Geschäftsgegner, wie hier, durch die Erklärung des Beklagten, er komme für F., weiß (oder erkennen kann), daß er es mit dem Vertreter eines Vertreters zu tun hat, so sollte ihm der Vertrauensschutz des § 179 BGB auf Kosten des Untervertreters nur insoweit zukommen, als es um das Vorhandensein einer ordnungsgemäßen Untervollmacht geht.
Gerade der vorliegende Fall zeigt, wie unbillig und sachlich nicht geboten es wäre, müßte der Vertreter eines Vertreters für einen Fehler in der Vollmacht seines Vordermannes oder in der Kette seiner Vordermänner einstehen. Nach seiner Beauftragung und Bevollmächtigung sollte der Beklagte nichts anderes als den Zustand herstellen, der eingetreten wäre, wenn selbst mit der Klägerin handelseinig geworden wäre. Das hatte an sich nichts damit zu tun, ob F. seinerseits bezüglich der Uhr verfügungsberechtigt war oder nicht. Der Beklagte, dem das Berufungsgericht Gutgläubigkeit bescheinigt, hat aber noch im Rahmen des ihm Möglichen nachgeprüft, ob es sich bei dem Verkauf um ein reelles Geschäft handele; er hat, was er wußte und erfahren hatte, an die Klägerin bei den Verhandlungen weitergegeben und keine weitere Tätigkeit entfaltet, als der ihm seitens F. gewordene Auftrag und die damit verbundene Untervollmacht mit sich brachte. Wenn die Klägerin zu Schaden kam, so aus dem Grund, weil sich die Annahme, F. sei verfügungsberechtigt, nicht bewahrheitete. Folglich kann sie sich bei richtiger Anwendung des § 179 BGB nur an F., nicht an den Beklagten halten. Eine solche Gesetzesanwendung ist mit dem Wortlaut der Norm nicht unverträglich und führt zudem zu dem wünschenswerten Ergebnis, daß die Haftung des Beklagten oder eines in gleicher Lage befindlichen Vertreters aus § 179 BGB nicht verschieden zu beantworten ist, je nachdem, ob sein Vollmachtgeber (hier F.) im fremden Namen oder im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung handelnd, aufgetreten ist. Diese beiden Fälle eines Handelns mit Fremdwirkung sind zwar begrifflich klar trennbar, aber im einzelnen Fall oft nur schwierig zu unterscheiden.
Zusammengefaßt ergibt sich: Eine Haftung des Beklagten aus § 179 BGB scheidet aus, gleichviel, ob F. nach außen im fremden Namen oder im eigenen Namen handelnd aufgetreten ist. Da nach dem Berufungsurteil ein anderer Haftungsgrund nicht in Betracht kommt, muß es bei dem klagabweisenden Urteil verbleiben. 


<- Zurück mit dem "Back"-Button Ihres Browsers!