Haftung des Unterbevollmächtigten bei Mängeln der Vollmacht (mehrstufige Untervollmacht) 
BGH, Urt. v. 25.5.1977; VIII ZR 18/76 
Fundstelle:

BGHZ 68, 391;
vgl. auch BGHZ 32,250; zur Gesamtproblematik Petersen JURA 1999, 401 ff. 


Zentrales Problem (vgl. Lorenz/Riehm, JuS Lern CD Zivilrecht I Rn. 68):

Bei der Untervertretung – d.h. der von einem Stellvertreter abgeleiteten Vertretungsmacht – sind nach der Rspr. zwei Varianten zu unterscheiden (vgl. Palandt/Heinrichs § 167 Rn. 12):

I. "Unmittelbare" Untervertretung

Bei der unmittelbaren Untervertretung erteilt der Hauptvertreter im Namen des Geschäftsherrn dem Untervertreter eine Vollmacht (Untervollmacht), die unmittelbar gegen den Geschäftsherrn wirkt (Larenz/Wolf, AT § 47 Rn. 38 ff.). Der Geschäftsherr wird dann durch die Willenserklärungen des Untervertreters, die dieser in seinem Namen abgibt, unmittelbar berechtigt und verpflichtet, wenn

II. "Mittelbare" Untervertretung

Nach der Rspr. besteht noch eine weitere Möglichkeit (vgl. BGHZ 68, 391 = NJW 1977, 1535): Der Hauptvertreter läßt sich durch den Untervertreter seinerseits vertreten, d.h. der Untervertreter vertritt nicht unmittelbar den Geschäftsherrn, sondern den Hauptvertreter. Danach wird für eine logische Sekunde der Hauptvertreter verpflichtet, bevor die Verpflichtung auf den Geschäftsherrn übergeht und diesen "mittelbar" trifft.
Grund für diese Konstruktion ist, daß bei Mängeln der Hauptvollmacht keine Haftung des Unterbevollmächtigten nach ä§ 179 eintreten soll. Da sich dieses Ergebnis aber auch durch eine entsprechende Interpretation des § 179 lösen läßt (s.o.), wird sie von der h.L. als unnötig abgelehnt (vgl. Palandt/Heinrichs § 167 Rn. 12; MK/Schramm § 167 Rn. 73; Larenz/Wolf, AT § 47 Rn. 45).



Amtl. Leitsatz:

Zur Frage der Haftung für vollmachtloses Handeln bei mehrstufiger Vertretung.



Die Klägerin, die gewerblich Kraftfahrzeuge vermietet, nimmt den Beklagten als vollmachtlosen Vertreter auf Zahlung von 2 994,93 DM Mietzins in Anspruch. Sie stützt ihr Begehren auf die Behauptung, er habe am 7. April und am 4. Mai 1972 schriftliche Mietverträge über einen Pkw Opel Rekord und einen Ford Taunus namens des H. B. Verlages unterzeichnet.
Unstreitig ist, daß Manfred W. damals für den H. B. Verlag als Zeitschriftenwerber tätig war und für seine Arbeit ein Fahrzeug des Verlags benutzte. Der Beklagte arbeitete für ihn gelegentlich als Kraftfahrer. Wegen eines Unfalls des verlagseigenen Fahrzeugs beschaffte der Beklagte bereits im Februar 1972 einen Mietwagen von der Klägerin. Die Rechnung vom 24. Februar 1972 beglich der H. B. Verlag. Nach Darstellung des Beklagten ist das auf Veranlassung des Manfred W. geschehen. Mit Schreiben vom 5. und 7. Juni 1972 verweigerte der Verlag die Bezahlung der »Rechnung für Kraftfahrzeugmiete gemäß Mietvertrag vom 7. April 1972« über 907,66 DM vom 21. April 1972, deren Richtigkeit von Manfred W. unterschriftlich anerkannt worden war, und der Rechnung vom 23. Mai 1972 über 2 087,07 DM, die unter der Erklärung, sie werde als richtig anerkannt, die Unterschrift des Beklagten trägt. Die Weigerung geschah mit der Begründung, für die Anmietung der Fahrzeuge sei keine Genehmigung erteilt worden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Die zugelassene Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen:

I. Das Berufungsgericht hat gemeint, der Beklagte hafte nicht gemäß § 179 BGB. Es hat die bestrittene Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe die Kraftfahrzeug-Mietverträge namens des H. B. Verlages geschlossen, als richtig unterstellt und ausgeführt, der H. B. Verlag sei dadurch nicht verpflichtet worden, weil der Beklagte als Unterbevollmächtigter des Manfred W. gehandelt habe, der seinerseits nicht bevollmächtigt gewesen sei, den Verlag rechtsgeschäftlich zu vertreten. Das Risiko mangelnder Bevollmächtigung des Manfred W. habe der unterbevollmächtigte Beklagte nicht zu tragen, gleichgültig, ob er in dessen Namen oder namens des Hauptvollmachtgebers gehandelt habe. Es sei nämlich nicht gerechtfertigt, die Klägerin zu Lasten des Beklagten besser zu stellen, als sie stehen würde, wenn Manfred W. die Mietverträge abgeschlossen hätte. Wäre dies der Fall gewesen, so hätte W. gemäß § 179 BGB gehaftet.
II. Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer Nachprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht ist von einer mehrstufigen Vertretung des H. B. Verlags durch Manfred W. als Hauptbevollmächtigten und den Beklagten als Unterbevollmächtigten ausgegangen. Wer bei mehrstufiger Vertretung als vollmachtloser Vertreter gemäß § 179 BGB haftet, wenn wie im vorliegenden Falle von der Vorinstanz angenommen, die Vollmacht des Hauptbevollmächtigten, nicht aber die Untervollmacht fehlt, ist umstritten.
a) In der Literatur wird die Auffassung vertreten, der Unterbevollmächtigte hafte gemäß § 179 BGB immer auch für die Mängel oder das Fehlen der Hauptvollmacht, weil die Wirksamkeit der Untervollmacht vom Bestand der Hauptvollmacht abhänge und der Untervertreter für das Vertrauen des Geschäftspartners in die Wirksamkeit des Vertretergeschäfts für und gegen den Geschäftsherrn einstehen müsse (vgl. Soergel/Siebert/Schultze v. Lasaulx, BGB, 10. Aufl. § 167 Rdn. 59 und § 179 Rdn. 3; Steffen in BGB-RGRK, 12. Aufl. § 167 Rdn. 21 und § 179 Rdn. 2; Siebenhaar, AcP 162,383; insbesondere Gerlach, Die Untervollmacht, 1966 S. 78 ff). Diesen Standpunkt nimmt der Bundesgerichtshof jedenfalls für den Bereich des Wechselrechts ein (BGH Urteil vom 13. Juli 1972 = BGHZ 59,179,186,187).
b) Flume hält es demgegenüber bei der Anwendung des § 179 BGB für sachgerecht, daß der Untervertreter »entsprechend seiner Behauptung stets nur für die Untervollmacht als solche, nicht aber für das Bestehen der Vertretungsmacht des Hauptvertreters und deshalb nicht dafür einzustehen habe, daß die Untervollmacht wegen Nichtbestehens der Vertretungsmacht des Hauptvertreters nicht besteht« (Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1965 II § 49,5).
c) Eine weitere in der Literatur insbesondere von Enneccerus/Nipperdey vertretene Ansicht differenziert bei der Haftung des Unterbevollmächtigten nach § 179 BGB je nachdem, ob er »unmittelbar im Namen des Geschäftsherrn« oder »in Vertretung des Hauptbevollmächtigten im Namen des Geschäftsherrn, also als Vertreter des Vertreters« gehandelt hat. In dem zuerst genannten Falle hafte allein der Unterbevollmächtigte, wenn »er die Vollmacht oder Untervollmacht nicht beweisen« könne; im zweiten Falle hafte der Unterbevollmächtigte nur, wenn er die Untervollmacht nicht beweisen könne, dagegen der Hauptbevollmächtigte, wenn es an der Vollmacht mangele (Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. Aufl. 1960 § 185 II 2a und b; vgl. dazu auch Schnorr v. Carolsfeld in der Anmerkung zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10. August 1964 in AP § 179 BGB Nr. 1). Dogmatischer Ausgangspunkt dieser differenzierenden Betrachtung ist der Gedanke, die Wirkungen der rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Unterbevollmächtigten gingen, sofern er als Vertreter des Vertreters auftrete, gemäß den beiden Vollmachtsverhältnissen gleichsam durch den Hauptbevollmächtigten hindurch und trafen sodann den Geschäftsherrn. Dieser im Ergebnis weit weniger als in ihrem Ansatz umstrittenen Ansicht (vgl. dazu Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 3. Aufl. 1975 § 311b m. w. Nachw.; Mertens, JuS 1961,315 ff) hat der Bundesgerichtshof sich angeschlossen (Urteile vom 5. Mai 1960 - III ZR 83/59 = BGHZ 32,250,254und vom 27. Juni 1963 - VII ZR 7/62 = BB 1963,1193). Beiden Entscheidungen liegen Fälle zugrunde, in denen die Unterbevollmächtigten als »Vertreter des Vertreters« tätig wurden, wobei ihre Untervollmacht in Ordnung war, die Vollmacht des (Haupt) Vertreters aber fehlte. Ihre Haftung aus § 179 BGB hat der Bundesgerichtshof mit der Erwägung verneint, daß bei solcher Fallgestaltung der Unterbevollmächtigte die Vertretungsmacht des Hauptbevollmächtigten nicht oder jedenfalls nicht leichter als der Geschäftspartner prüfen könne (BGHZ 32,254).
2. Im vorliegenden Falle geht es nach dem vom Berufungsgericht als richtig unterstellten Sachvortrag der Klägerin darum, daß der unterbevollmächtigte Beklagte beim Abschluß der Kraftfahrzeug-Mietverträge als Vertreter des H. B. Verlags aufgetreten sein soll, ohne die mehrstufige Vertretung aufzudecken. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts können die Erwägungen, die die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 5. Mai 1960 (BGHZ 32,250) und vom 27. Juni 1963 (BB 1963,1193) tragen, für diesen Fall keine Geltung beanspruchen. Die Vorinstanz hat ihren Standpunkt, weshalb gleiches gelten müsse, falls der Unterbevollmächtigte namens dessen auftritt, der Hauptvollmachtgeber (Geschäftsherr) sein soll, nicht begründet. Eine mit dem Gesetz in Einklang zu bringende Rechtfertigung gibt es bei dieser Fallgestaltung auch nicht. § 179 BGB knüpft die verschuldensunabhängige Haftung des vollmachtlos handelnden Vertreters an das von ihm bei dem Geschäftspartner erweckte Vertrauen in die Wirksamkeit der Vertretungsverhältnisse. Das Gesetz lastet das Risiko unklarer Vollmachtsverhältnisse nicht dem Geschäftspartner, sondern im Verhältnis zu diesem dem Stellvertreter an (vgl. z. B. Soergel/Siebert/Schultze v. Lasaulx, aaO § 179 Rdn. 59). Tritt der Unterbevollmächtigte dem Geschäftspartner als Vertreter des Geschäftsherrn wie ein von diesem selbst Bevollmächtigter gegenüber, so erweckt er Vertrauen in die Befugnis, den Geschäftsherrn nicht nur als »Vertreter eines Vertreters«, sondern unmittelbar rechtsgeschäftlich verpflichten zu können. Vertrauen in eine mehrstufige Vertretung kann bei solcher Fallgestaltung nicht aufkommen. Damit entfällt die Rechtfertigung für eine eingeschränkte Haftung des Unterbevollmächtigten. Auch nach der von Enneccerus/Nipperdey vertretenen Ansicht (aaO S. 1140) wäre im vorliegenden Falle die Inanspruchnahme des Beklagten gemäß § 179 BGB gerechtfertigt. Um nicht offengelegte mehrstufige Vertretung handelte es sich auch in einem vom Bundesarbeitsgericht im vorstehend dargelegten Sinne entschiedenen Fall (Urteil vom 10. August 1964 - I AZR 84/64 = AP BGB § 179 Nr. 1).
3. Das Berufungsurteil konnte danach mit der vorliegenden Begründung nicht aufrechterhalten werden. Für eine andere Begründung, die eine Zurückweisung der Revision hätte rechtfertigen können, fehlt es ebenso wie für eine abweichende Entscheidung in der Sache selbst an tatsächlichen Feststellungen.
Deshalb war der Rechtsstreit gemäß § 565 Abs. 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
III. Bei der anderweiten Verhandlung wird die Vorinstanz das Klagebegehren unter folgenden Gesichtspunkten zu prüfen haben:
1. Die Klägerin ist darlegungs- und beweispflichtig dafür, daß der Beklagte überhaupt für den H. B. Verlag aufgetreten ist. Er hat dies bestritten und behauptet, als Vertreter oder nur als Bote des Manfred W. gehandelt zu haben. (Wird ausgeführt)
2. Ergibt die anderweite Verhandlung, daß der Beklagte für den H. B. Verlag aufgetreten ist, so haftet er nicht, wenn Manfred W. Vollmacht hatte, im Bedarfsfalle Fahrzeuge zu mieten und seinerseits den Beklagten bevollmächtigt hatte.
b) Der Beklagte würde ferner nicht nach § 179 BGB haften, wenn weder der Beklagte noch Manfred W. Vollmacht besaßen, der H. B. Verlag sich das Verhalten des W. aber unter dem Gesichtspunkt der Anscheins- oder Duldungsvollmacht anrechnen lassen müßte. In diesem Zusammenhang gewinnt die unstreitige Tatsache Bedeutung, daß der H. B. Verlag jedenfalls im Februar 1972 die Mietwagenkosten für einen von Manfred W. benutzten Wagen ohne Weiteres an die Klägerin bezahlt hat.
c) Die Klägerin würde selbst bei fehlender Vertretungsmacht des W. den Beklagten schließlich auch dann nicht erfolgreich nach § 179 BGB in Anspruch nehmen können, wenn Manfred W. ihm Untervollmacht erteilt und der Beklagte der Klägerin gegenüber die Stufenvertretung offengelegt hätte. Denn bei dieser Fallgestaltung nimmt der Untervertreter im Grunde nur das Vertrauen in die ihm selbst erteilte Vollmacht für sich in Anspruch. Es ist daher bei sachgerechter Auslegung des § 179 BGB gerechtfertigt, die gesetzliche Gewährschaftshaftung für das Fehlschlagen des Rechtsgeschäftes nicht ihm, sondern demjenigen aufzuerlegen, dessen Vertretungsmacht entgegen den Erwartungen des Geschäftspartners nicht bestand (so im Ergebnis schon BGHZ 32,250,255und BGH BB 1963,1193; vgl. auch Larenz aaO S. 491).
d) Dagegen wäre die Haftung des Beklagten gemäß § 179 BGB auch bei Offenlegung der mehrstufigen Vertretung zu bejahen, wenn die anderweite Verhandlung ergeben sollte, daß Manfred W. ihm keine Vertretungsmacht eingeräumt hatte.
Die Haftung des Beklagten wäre schließlich, wie bereits dargelegt worden ist (II. 2.), unter den Umständen gegeben, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung - im Wege der Unterstellung - zugrundegelegt hat.
3. Bei der anderweiten Verhandlung wird die Vorinstanz auch zu erwägen haben, ob der Klägerin Ansprüche aus § 179 BGB deshalb nicht zustehen, weil sie, wie in der Berufungserwiderung geltend gemacht worden ist, die Vertretungsverhältnisse bei der Beschaffung von Mietwagen als Ersatzfahrzeuge für den Zeitschriftenvertrieb beim H. B. Verlag kannte oder doch kennen mußte (§ 179 Abs. 3 BGB).