Bereicherungsausgleich in Mehrpersonenverhältnissen: (Keine) Zurechenbarkeit der scheinbaren Anweisung bei gefälschtem Überweisungsauftrag


BGH, Urteil v. 20.06.1990 - XII ZR 93/89 
Fundstelle:

NJW-RR 1990, 1200
LM § 812 Nr. 213
s. auch
BGH NJW 2001, 1855 sowie BGH v. 24. April 2001, VI ZR 36/00 und BGH v. 16.5.2015 - XI ZR 243/13.


Zum Sachverhalt:

Der Bekl., der als Makler den Kauf in Spanien belegener Grundstücke vermittelte, verhandelte im November 1986 mit einem Interessenten, der sich als K ausgab; dieser wird zwischenzeitlich wegen Betruges u. a. strafrechtlich verfolgt. Am 10. 11. 1986 kam ein privatschriftlicher Vertrag über den Ankauf eines Grundstücks von einer spanischen Firma für 455000 DM zustande, wobei folgende "Zusatzvereinbarung" getroffen wurde: "K kauft für die C-GmbH (jetzige Kl.) im eigenen Namen. K hat Abwicklungs- und Inkassovollmacht. Der Kaufpreis wird in Teilbeträgen auf das Konto der Repräsentation des P überwiesen. Der Käufer kann von diesem Vertrag bis zum 30. 1. 1987 zurücktreten. Sollte vom Vertrag zurückgetreten werden, so sind DM 65000 DM als Reuebetrag sofort fällig." Bei den Verhandlungen hatte sich K gefälschter Urkunden bedient, die ihn als Beauftragten der Kl. auswiesen. In der Folgezeit gingen auf einem Bankkonto der Ehefrau des Bekl., über das dieser verfügen konnte, in Teilbeträgen insgesamt 571867,98 DM ein, wobei in allen Fällen gefälschte Überweisungsaufträge der Kl. oder wirtschaftlich mit ihr verbundener Firmen zugrunde lagen. K erschien am 10. 1. 1987 beim Bekl. und übte das in der Zusatzvereinbarung vorgesehene Rücktrittsrecht aus. Als er die Rückzahlung von 390000 DM in bar verlangte, schöpfte der Bekl. Verdacht und lehnte dies ab. Er veranlaßte die Rücküberweisung sämtlicher Zahlungseingänge, behielt aber 65000 DM aufgrund der Reuegeldvereinbarung des Kaufvertrages zurück. Mit der Klage hat die Kl. den Bekl. auf Zahlung der einbehaltenen 65000 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen.

Das LG hat der Klage unter teilweiser Abweisung des Zinsanspruchs stattgegeben, weil der Kl. ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 I 1 BGB) zustehe. Auf die Berufung des Bekl. hat das OLG die Klage abgewiesen. Die Revision der Kl. hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

1. Einen Bereicherungsanspruch der Kl. hat das BerGer. aus zwei Gründen verneint:

Zum einen komme ein Bereicherungsausgleich nur zwischen den Partnern des Kaufvertrages vom 10. 11. 1986 in Betracht, zu denen die Kl. nicht gehöre, da K den Vertrag in eigenem Namen abgeschlossen habe. Zum anderen fehle es an einer Entreicherung der Kl., weil die Zahlungen auf den Kaufpreis durch gefälschte Überweisungsaufträge bewirkt worden seien. Das Fälschungsrisiko treffe im Überweisungsverkehr die Banken und nicht ihre Kunden. Eine Abwälzung dieses Risikos auf die Kunden durch Allgemeine Geschäftsbedingungen sei nicht zulässig. Nach Feststellung der Fälschung hätten daher im vorliegenden Fall die überweisenden Banken ohne weiteres die darauf beruhenden Kontenbelastungen rückgängig machen müssen.

Der letztgenannte rechtliche Gesichtspunkt trägt die Beurteilung des BerGer.

a) Die Überweisung aufgrund eines gefälschten Überweisungsauftrags ist ein Unterfall der von vornherein fehlenden Anweisung. Dem Bankkunden wird die Zahlung der Bank an den Empfänger nicht als seine Leistung zugerechnet, weil er die Zahlung nicht veranlaßt hat (vgl. BGHZ 66, 362 (365) = NJW 1976, 1448 = LM § 812 BGB Nr. 121; BGHZ 66, 372 (375) = NJW 1976, 1449 = LM § 812 BGB Nr. 120; BGHZ 69, 186 (190) = NJW 1977, 2210). Nach fast einhelliger Auffassung steht in solchen Fällen der Bereicherungsanspruch gegen den Zahlungsempfänger gem. § 812 I 1 BGB der überweisenden Bank zu, nicht aber ihrem Kunden (vgl. insb. Lieb, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 812 Rdnrn. 45, 74; Soergel-Mühl, BGB, 11. Aufl., § 812 Rdnr. 73; Heimann-Trosien, in: RGRK, 12. Aufl., § 812 Rdnr. 27; Staudinger-Lorenz, BGB, 12. Aufl., § 812 Rdnr. 51; Erman-Westermann, BGB, 8. Aufl., § 812 Rdnr. 22a; Canaris, BankvertragsR, 2. Bearb., Rdnr. 436; Schlegelberger-Hefermehl, HGB, 5. Aufl., Anh. § 365 Rdnr. 85; Larenz, SchuldR II, 12. Aufl., § 68 IIId; Möschel, JuS 1972, 297 (302 f.); v. Caemmerer, JZ 1962, 385 (387); s. auch OLG München, NJW-RR 1988, 1391 (1392) für den Fall der Doppelüberweisung). Da im Überweisungsverkehr der Banken, wie das BerGer. zutreffend ausgeführt hat, das Fälschungsrisiko grundsätzlich die Bank trägt (vgl. etwa BGH, NJW 1968, 37 = LM § 276 (Hb) BGB Nr. 11 = WM 1967, 1142; Liesecke, WM 1975, 238 (244)), wird der Kunde durch die ihm nicht zurechenbare Überweisung regelmäßig nicht beschwert (Larenz, § 68 IIId). Auch wenn die Bank den Kunden wegen fahrlässiger Ermöglichung der Fälschung schadensersatzpflichtig macht und es deswegen zu einer Wiedergutschrift nicht kommt (einen solchen Fall betrifft die angeführte Entscheidung des BGH, NJW 1968, 37 = LM § 276 (Hb) BGB Nr. 11 = WM 1967, 1142), verbleibt der Bereicherungsanspruch bei ihr. In einem solchen Fall wird der Kunde lediglich die Abtretung des Bereicherungsanspruchs der Bank an sich nach den Regeln der Vorteilsausgleichung (§ 255 BGB) verlangen können (vgl. Möschel, JuS 1972, 297 (303)). Nur in Ausnahmefällen, in denen nach der rechtlichen Ausgestaltung des Innenverhältnisses zwischen der Bank und ihrem Kunden eine echte Risikoabwälzung vorliegt, der Bank also nicht nur ein Schadensersatzanspruch zusteht, sondern sie aus § 670 BGB stets das Recht zur endgültigen Belastung des Kontos besitzt, erscheint ein Bereicherungsanspruch des Kunden selbst als möglich (vgl. Canaris, Rdnr. 436).

b) Aus dem Vorangegangenen folgt, daß die Kl. ihren auf § 812 BGB gestützten Bereicherungsanspruch schon nicht schlüssig dargelegt hat.

Sie hat lediglich vorgetragen, daß u. a. ihr Konto bei der B-Bank am 1. 1. 1987 aufgrund eines der gefälschten Überweisungsaufträge mit 79897 DM belastet worden ist, wobei der Bekl. die Rücküberweisung nur abzüglich der eingeklagten 65000 DM vorgenommen hat. Ihr Vortrag enthält aber keinerlei Ausführungen zu der Frage, daß und aus welchen Gründen ihr daraus ausnahmsweise ein endgültiger wirtschaftlicher Nachteil erwachsen ist oder daß sie etwa einen Bereicherungsanspruch der B-Bank geltend machen will und dazu berechtigt ist. In der Berufungsverhandlung vom 20. 6. 1989 ist sie u. a. unter Anführung einer Entscheidung des BGH zum bereicherungsrechtlichen Dreiecksverhältnis auf die Frage der Entreicherung hingewiesen worden, ohne daß sie insoweit sachdienlichen Vortrag nachgeholt hätte. Berechtigte Prozeßführung in gewillkürter Prozeßstandschaft scheidet aus, weil sie sich weder auf eine entsprechende Ermächtigung der B-Bank berufen noch zum Ausdruck gebracht hat, daß sie deren Recht in eigenem Namen geltend machen will (vgl. zu dieser Voraussetzung BGHZ 94, 117 (122) = NJW 1985, 1826 = LM § 209 BGB Nr. 54 m. w. Nachw.).

2. In Betracht käme weiter ein Anspruch aus § 816 II BGB, wenn die Kl. die Zahlung der B-Bank an den nichtberechtigten Bekl. genehmigt hätte (vgl. BGH, NJW 1986, 2430 = LM § 816 BGB Nr. 38). Einen solchen hat die Kl. nicht ausdrücklich geltend gemacht, sondern sich nur auf § 812 BGB bezogen. Zwar kann häufig schon in einer Klageerhebung die Genehmigung der Leistung an den Nichtberechtigten gesehen werden, auch wenn dies nicht ausdrücklich erklärt ist. Eine solche Annahme ist aber keineswegs immer gerechtfertigt (vgl. BGH, WM 1960, 611 (612)). Sie scheidet auch im vorliegenden Fall aus; denn die Annahme einer Genehmigung würde dazu führen, daß sich die Kl. nur an den Bekl. halten könnte und einen Anspruch gegen die B-Bank auf Wiedergutschrift endgültig verlöre. Daß dies ihrem Willen entspricht, kann nicht angenommen werden. Dagegen spricht schon, daß sie selbst in der Berufungsinstanz auf die mangelnde Solvenz des Bekl. hingewiesen und geltend gemacht hat, daß dieser im Jahre 1987 die eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO geleistet habe. Die B-Bank dürfte hingegen ein solventer Schuldner sein, ohne daß aufscheint, die Kl. habe bisher einen Anspruch gegen diese auf Wiedergutschrift geltend gemacht oder überhaupt in Erwägung gezogen. Der Senat hat unter diesen Umständen durchgreifende Bedenken, von der erforderlichen Genehmigung der Kl. auszugehen, so daß § 816 II BGB als Anspruchsgrundlage ausscheidet.

3. Die Revision rügt, daß das BerGer. einen Schadensersatzanspruch der Kl. aus unerlaubter Handlung verneint hat, ohne Beweis über ihre Behauptung zu erheben, der Bekl. habe bereits am 12. 1. 1987 von der Empfängerbank erfahren, daß die fraglichen Zahlungen aufgrund eines Betruges erfolgt seien. Die Einbehaltung der 65000 DM bzw. die von ihm behauptete Weitergabe von 60000 DM an einen Dritten am folgenden Tage in Kenntnis des Betruges stelle eine Hehlereihandlung sowie eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i. S. von § 826 BGB dar. Diese Rüge dringt nicht durch.

Da Forderungen und andere Rechte nicht Gegenstand der Hehlerei sein können, scheidet die durch Betrug erlangte Bankgutschrift aus dem Kreis hehlbarer Gegenstände aus (vgl. Ruß, in: LK, 10. Aufl., § 259 StGB Rdnr. 2). Was § 826 BGB betrifft, hat die Kl. aus den oben zu 1 dargelegten Gründen schon nicht dargetan, daß sie und nicht die B-Bank geschädigt und damit anspruchsberechtigt ist. Außerdem ist im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, daß die Kl. in ihrem Schriftsatz vom 22. 12. 1988 zum behaupteten Kenntnisstand des Bekl. kein hinreichend substantiiertes Vorbringen unter Zeugenbeweis gestellt hat; die angebotene Parteivernehmung des eigenen Geschäftsführers war nicht zulässig, §§ 447, 448 ZPO.

4. Die Revision rügt weiterhin die vollständige Übergehung ihres Sachvortrags, der Bekl. habe mit dem Geschäftsführer der Kl. mündlich vereinbart, die strittigen 65000 DM zurückzuzahlen, sofern nicht noch ein Kaufvertrag über ein anderes Grundstück zustande komme und der Betrag als Vermittlungsprovision einbehalten werden könne, wobei es zu einem anderen Kaufvertrag unstreitig nicht gekommen sei (§ 551 Nr. 7 ZPO).

Auch damit vermag sie nicht durchzudringen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist § 551 Nr. 7 ZPO aus prozeßwirtschaftlichen Gründen nicht heranzuziehen, wenn das in den Entscheidungsgründen eines Berufungsurteils nicht gewürdigte Angriffs- oder Verteidigungsmittel zur Begründung oder Abwehr der Klage ungeeignet ist (vgl. BGHZ 49, 333 (339) = NJW 1963, 2272 = LM § 41p PatG Nr. 1; Senat, NJW 1983, 2318 (2320) = LM § 284 BGB Nr. 27; BGH, NJW-RR 1989, 856 = LM § 8 BinnSchG Nr. 9 = BGHRZPOO § 551 Nr. 7 - Verteidigungsmittel 1). Ein solcher Fall liegt hier vor. Das von der Revision angeführte Klagevorbringen ist vom Bekl. bestritten worden, ohne daß die Kl. hierfür geeigneten Beweis angetreten hätte. In zweiter Instanz hatte sie sich insoweit lediglich auf die Parteivernehmung ihres Geschäftsführers bezogen; der Bekl. hat sich hiermit nicht einverstanden erklärt, § 447 ZPO. Soweit in erster Instanz zusätzlich Notar W als Zeuge angeboten worden ist, ist die Kl. im Berufungsverfahren nicht mehr darauf zurückgekommen. Außerdem kann nicht davon ausgegangen werden, in erster Instanz sei das Vorbringen, der Bekl. habe sich für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen über ein neues Grundstücksgeschäft zur Rückzahlung der 65000 DM verpflichtet, in hinreichend bestimmter und substantiierter Weise in das Wissen der Zeugen W gestellt worden.