Erlöschen der gesicherten Forderung und Beweislast bei Geltendmachung einer Sicherungsgrundschuld

BGH, Urt. v. 7. 12. 1999 - XI ZR 6 7/99 (Düsseldorf)


Fundstelle:

NJW 2000, 1108


Amtl. Leitsatz:

Bei der Sicherungsgrundschuld trifft die Darlegungs- und Beweislast für das Erlöschen der gesicherten Forderung auch dann in vollem Umfang den Sicherungsgeber, wenn er nicht zugleich Schuldner der Forderung ist. Solange er zum Erlöschen der Forderung nicht schlüssig vorgetragen hat, obliegen dem Sicherungsnehmer keine eigenen Darlegungen zum Fortbestand der Forderung.


Zentrale Probleme:

Die Sicherungsgrundschuld ist eine nichtakzessorische Sicherheit. Das bedeutet, daß sie auch dann wirksam besteht, wenn die zu sichernde Forderung nicht entstanden oder wieder erloschen ist. Die rechtliche Verbindung zwischen der Forderung und der Grundschuld erfolgt auf schuldrechtlichem Wege über den Sicherungsvertrag. Aus ihm ergibt sich, wann die Grundschuld geltend gemacht werden darf. Ist die gesicherte Forderung nicht existent, hat der Sicherungsgeber, d.h. der Eigentümer des belasteten Grundstücks, eine (schuldrechtliche) Einrede aus dem Sicherungsvertrag s. dazu auch die Anm. zu BGH NJW 2003, 2673). In der vorliegenden Entscheidung geht es um die Frage der Beweislast: Da der Wegfall der gesicherten Forderung eine Einrede aus dem Sicherunsgvertrag begründet, hat der Sicherungsgeber die Tatsachen zu beweisen, die seine Einrede begründen. Ein Sonderfall, in welchem aus prozessualen Gründen eine Darlegungspflicht des herleitbar wäre, liegt nicht vor. Eine solche ist als Pflicht zum substantiierten Bestreietn denkbar, setzt aber konkrete Darlegungen des Bekl. voraus, weshalb die gesicherte Schuld erloschen sein soll (vgl. hierzu die Anm. zu BGH NJW 1999,1404).
Im übrigen wiederholt der BGH hier die st. Rspr., daß sich ein Darlehnsnehmer bei einem nichtigen Darlehnsvertrag hinsichtlich der Rückzahlungsverpflichtung des Darlehnskapitals nie auf § 818 III BGB berufen kann: Diesbezüglich ist er zwangsläufig immer bösgläubig i.S.v. § 819 I BGB, weil er ja weiß, daß er das Kapital zurückzahlen muß, selbst wenn er von der Wirksamkeit des Darlehnsvertrags ausgeht (gleiches gilt im Fall eines Widerrufs für den Rückzahlungsanspruch nach § 3 HWiG, vgl. BGH NJW 1999, 1636 m.w.N.).



Zum Sachverhalt:

Die Parteien streiten nur noch um die Valutierung einer Grundschuld der bekl. Sparkasse auf einem Grundstück der Kl. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Bekl. gewährte im Oktober 1991 dem im Juni 1992 verstorbenen R, Inhaber eines Sanitär- und Heizungsbetriebs und Sohn der Kl. (im Folgenden: Darlehensnehmer), mit dem sie in laufender Geschäftsbeziehung stand, ein Darlehen von 500 000 DM. Als Kreditsicherheiten dienten fünf Gesamtgrundschulden von je 100 000 DM an zwei Grundstücken des Darlehensnehmers und einem Grundstück der Kl. sowie die Abtretung einer Risikolebensversicherung und aller Kundenforderungen des Darlehensnehmers. Nach dem Tod des Darlehensnehmers, zu dessen Erben die Kl. nicht gehört, wurde Nachlassverwaltung angeordnet. Der Nachlassverwalter führte das Unternehmen zunächst fort und nahm bei der Bekl. einen Betriebsmittelkredit in Höhe von 200 000 DM in Anspruch. Auf seinen Antrag wurde schließlich der Nachlasskonkurs eröffnet. Die Bekl. verwertete die beiden Grundstücke des Verstorbenen, zog die Lebensversicherung ein und machte. von der Forderungsabtretung Gebrauch. Die Erlöse verrechnete sie teils mit dem Darlehen vom Oktober 1991, teils mit anderen Forderungen gegen den Verstorbenen bzw. dessen Nachlass. Die Kl. hat zunächst auf Feststellung geklagt, dass der Bekl. kein fälliger Zahlungsanspruch aus den Grundschulden zustehe, hilfsweise auf Auskunft über die Entwicklung des Darlehens und auf Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus den Grundschulden.

Das LG hat die Klage abgewiesen. In der Berufüngsinstanz hat die Kl. ihre Anträge umgestellt. Sie hat im Wege der Stufenklage Feststellung der Verpflichtung der Bekl. zur Anrechnung aller Erlöse aus der Verwertung der Sicherheiten auf die Valutierung der Grundschulden, Verurteilung der Bekl. zur Auskunftserteilung über alle anderweitig verwendeten Verwertungserlöse und nach Maßgabe der Auskunftserteilung die Verurteilung der Bekl. zur Bewilligung der Löschung der Grundschulden beantragt. Nachdem die Bekl. den Anspruch auf Löschungsbewilligung hinsichtlich der beiden letztrangigen Grundschulden anerkannt hatte, hat das BerGer. sie durch Teilurteil vom 21. 6. 1996 dementsprechend verurteilt sowie auch dem Feststellungsantrag und dem Auskunftsbegehren der Kl. stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat die Bekl. hinsichtlich des Feststellungsausspruchs und. der Verurteilung zur Auskunftserteilung Revision eingelegt. In diesem Umfang hat der erkennende Senat mit Urteil vom 29.4.1997 (NJW 1997, 2514 = LM H. 10/1997 § 242 [AJ BGB Nr. 82 = WM 1997, 1247) das Teilurteil aufgehoben und die Berufung der Kl. gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen. Danach nahm das Berufungsverfahren hinsichtlich des noch nicht erledigten Teils der Stufenklage seinen Fortgang. Die Kl. machte nunmehr geltend, alle Forderungen der Bekl. gegen den Nachlass des Darlehensnehmers ,seien bereits getilgt, und beantragte die Verurteilung der Bekl. zur Bewilligung der Löschung der verbliebenen drei Grundschulden. Dem entsprach das BerGer. mit seinem Urteil vom 15. 1. 1999. Die dagegen eingelegte Revision der Bekl. hat der erkennende Senat nur insoweit angenommen, als die Bekl. zur Löschung der unter der laufenden Nr.4 eingetragenen Grundschuld verurteilt wurde.

Die Revision hatte im Umfang der Annahme Erfolg und führte insoweit zur Abweisung des Löschungsbegehrens der Kl.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat einen Anspruch der Kl. auf Löschungsbewilligung im Wesentlichen aus folgenden Gründen bejaht:

Durch die Grundschulden gesicherte Forderungen bestünden nicht mehr. Die insoweit darlegungsbelastete Bekl. (wenn das BerGer. in diesem Zusammenhang auf Seite 12 seiner Urteilsbegründung von ,,Klägerin" spricht, handelt es sich offensichtlich uni ein Versehen) habe es nicht vermocht, schlüssig darzulegen, dass ihr noch eine durch die Grundschulden gesicherte Forderung zustehe. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung sei vielmehr davon auszugehen, dass sämtliche zu sichernden berechtigten Forderungen erloschen seien. Grundsätzlich müsse zwar die Kl. als Anspruchstellerin darlegen und beweisen, dass eine durch die Grundschulden gesicherte Forderung nicht mehr bestehe. Weil es sich dabei jedoch um eine negative Tatsache handle, kämen der Kl. die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Beweis so genannter Negativa zugute. Da die Kl. mit der Vorlage einer Forderungsabrechnung schlüssig dargelegt habe, dass eine gesicherte Forderung der Bekl. nicht mehr bestehe, sei es nach den genannten Grundsätzen Sache der Bekl. gewesen, dem eine eigene Forderungsberechnung entgegenzusetzen. Diesem Erfordernis sei die Bekl. nicht gerecht geworden, weil sie die von ihr behauptete Forderung nicht schlüssig und nachvollziehbar dargelegt habe.

Daher sei von der Forderungsberechnung der Kl. auszugehen. Darin habe die Kl. mit Recht das Darlehen der Bekl. von 200 000 DM an den Nachlassverwalter außer Ansatz gelassen. Es sei bereits fraglich, oh eine Inanspruchnahme der Grundschulden für dieses Darlehen nicht schon deshalb ausscheide‘ weil die Bekl. wiederholt rechtsverbindlich erklärt habe, eine solche Inanspruchnahme werde nicht erfolgen. Das Darlehen könne jedenfalls keine Berücksichtigung finden, weil der Darlehensvertrag wegen Fehlens der nachlassgerichtlichen Genehmigung unwirksam sei und ein Bereicherungsanspruch auf Herausgabe der Darlehensvaluta wegen der Überschuldung des Nachlasses nach § 818 III BGB ausgeschlossen sei.

II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Da das grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen vom Oktober 1991 unstreitig ursprünglich voll valutiert war, trägt die Kl., wie das BerGer. im Ansatz richtig erkannt hat, die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die gesicherte Darlehensforderung inzwischen untergegangen ist. Dabei kommen ihr jedoch entgegen der Ansicht des BerGer. die Erleichterungen, die die Rechtsprechung zugunsten einer für so genannte negative Tatsachen darlegungs- und beweisbelasteten Partei entwickelt hat (vgl. z.B. BGH, NJW-RR 1996, 1211 m.w. Nachw.) nicht zugute. Diese Erleichterungen werden nur einer Prozesspartei gewährt, die ein echtes Negativum wie etwa das Nichtvorhandensein eines wie auch immer gearteten rechtlichen Grundes i. S. des § 812 I 1 BGB darzulegen und zu beweisen hat und die diesen Beweis nicht auf direktem Wege, sondern immer nur indirekt durch Widerlegung. des von der Gegenseite jeweils geltend gemachten rechtlichen Grundes führen kann. Darum geht es hier nicht. Die Behauptung der Kl., die gesicherte Darlehensforderung sei inzwischen erloschen, muss auf bestimmte tatsächliche Ereignisse gestützt werden, die einem unmittelbaren Nachweis durchaus zugänglich sind.

Auch der Umstand, dass die Darlegung der den Fortbestand oder das Erlöschen der gesicherten Darlehensforderung betreffenden Vorgänge der Kl. als Drittsicherungsgeberin schwerer fallen mag als einem persönlichen Schuldner oder auch als der Bekl., rechtfertigt es entgegen der Ansicht des BerGer. nicht, die Anforderungen an die Darlegungslast der Kl. zu vermindern und der Bekl. besondere Mitwirkungspflichten aufzuerlegen. Grundsätzlich ist keine Prozesspartei - sofern ihr nicht aus besonderen Gründen materiellrechtliche Auskunftspflichten obliegen - verpflichtet, dem Gegner das Material für einen Prozesssieg zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt (BGH, NJW 1997, 128 = LM H. 2/1997 § 362 BGB Nr. 24 = WM 1996, 2253 [2254] m.w. Nachw.). Der BGH hat es daher abgelehnt, einem Pfandrechtsgläubiger gegenüber einem Prozessgegner, der sein Pfandrecht mit der Behauptung des Erlöschens der gesicherten Forderung bestritt, nähere Darlegungen zur Frage des Fortbestands seiner Forderung aufzuerlegen (BGH, NJW 1997, 128 = LM H. 2/1997 § 362 BGB Nr. 24). Dasselbe muss für den Inhaber einer Sicherungsgrundschuld gelten. Auch er braucht in einem Rechtsstreit über seine Grundschuld dem Prozessgegner, der sich auf das Erlöschen der gesicherten Forderung beruft, nicht mit näheren Darlegungen über das Schicksal der Forderung behilflich zu sein.

2. Im vorliegenden Fall war es daher allein Sache der Kl., das angebliche Erlöschen der durch die Grundschulden gesicherten Darlehensforderung im Einzelnen darzulegen. Die Bekl., die sich auf das Vorhandensein einer Restforderung aus dem Darlehen in Höhe von 73362,31 DM berufen hat, brauchte nicht darzulegen, durch welche einzelnen Vorgänge aus der ursprünglichen Darlehensforderung von 500 000 DM der jetzt noch in Anspruch genommene Forderungsbetrag geworden war. Es kommt daher entgegen der Ansicht des BerGer. nicht darauf an, ob die näheren Angaben zur Begründung der Höhe der Restforderung, die die Bekl. auf gerichtliche Aufforderung und unter Verwahrung gegen die Darlegungs- und Beweislast gemacht hat, in sich schlüssig sind und mit dem übrigen Vorbringen der Bekl. übereinstimmen.

3. Der Kl. ist es entgegen der Ansicht des BerGer. nicht gelungen, das von ihr behauptete Erlöschen der gesicherten Darlehensforderung vom Oktober 1991 schlüssig darzulegen.

a) Speziell zur Entwicklung der genannten Darlehensforderung hat die Kl. keine Einzelheiten vorgetragen. Start dessen hat sie der Gesamtheit der von ihr für ursprünglich begründet erachteten Forderungen gegen den Nachlass des Darlehensnehmers alle von der Bekl. zugestandenen Zahlungseingänge gegenübergestellt und ist zu dem Ergebnis gelangt, alle Forderungen der Bekl. seien bereits getilgt. Diese Methode ist zwar nicht grundsätzlich untauglich. Sie enthält jedoch nur dann eine schlüssige Darlegung des Untergangs auch der hier interessierenden Darlehensforderung vom Oktober 1991, wenn in die umfassende Gegenüberstellung von Forderungen und Verwertungserlösen tatsächlich alle begründeten Forderungen der Bekl. gegen den Nachlass des Darlehensnehmers Eingang gefunden haben.

b) Das ist indessen nicht der Fall. Entgegen der Ansicht des BerGer. stellt es einen entscheidenden Mangel der Forderungsberechnung der Kl. dar, dass in ihr das Darlehen von 200 000 DM, das die Bekl. dem Nachlassverwalter gewährt hatte, keine Berücksichtigung gefunden hat. Das genannte Darlehen konnte zwar keine vertraglichen Ansprüche auf Zinsen und Rückzahlung des Darlehenskapitals auslösen, weil die Darlehensvereinbarung nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des BerGer. ohne die nach §§ 1822 Nr. 8, 1829 BGB i. V. mit §§ 1915 1, 1975 BGB erforderliche Zustimmung des Nachlassgerichts abgeschlossen worden und daher unwirksam war. Aus der unstreitigen Auszahlung des Darlehens ergibt sich jedoch ein Bereicherungsanspruch nach § 812 I 1 BGB gegen den Nachlass, der entgegen der Ansicht des BerGer. nicht nach § 818 III BGB entfallen ist. Die Anwendung dieser Vorschrift scheidet hier schon deshalb aus, weil jeder Darlehensnehmer unabhängig von seinen subjektiven Vorstellungen über die Wirksamkeit der Darlehensvereinbarung stets weiß, dass er das Darlehenskapital nicht auf Dauer behalten kann, und daher auch bei Unkenntnis der Nichtigkeit der Vereinbarung als bösgläubig i. S. des § 819 I BGB zu behandeln ist (Senat, NJW 1995, 1152 = LM H. 7/1995 § 607 BGB Nr. 152 = WM 1995, 566 [567] m.w. Nachw.). Es kann daher dahinstehen, ob das BerGer. überhaupt vom Vorliegen einer Entreicherung ausgehen durfte, ohne sich mit der unter Beweis gestellten Behauptung der Bekl. über die Verwendung der Darlehensvaluta zur Schuldentilgung auseinanderzusetzen.

Die Zweifel des BerGer., ob nicht bereits die wiederholten Erklärungen der Bekl., die Grundschulden nicht für ihr Darlehen an den Nachlassverwalter in Anspruch nehmen zu wollen, eine Berücksichtigung dieses Darlehens ausschlössen, sind unbegründet. Die Bekl. nimmt die Grundschulden aus schließlich als Sicherheit für ihr Darlehen an den verstorbenen Sohn der Kl. vom Oktober 1991 in Anspruch. Darin, dass in dem von der Kl. versuchten indirekten Nachweis der Tilgung dieses Darlehens im Wege einer umfassenden Gegenüberstellung aller Forderungen der Bekl. gegen den Nachlass und aller Zahlungseingänge aus der Verwertung von Sicherheiten selbstverständlich auch der aus dem Darlehen an den Nachlassverwalter resultierende Bereicherungsanspruch Berücksichtigung finden muss, liegt entgegen der Ansicht des BerGer. keine Inanspruchnahme der Grundschulden für das dem Nachlassverwalter gewährte Darlehen.

III. Das Berufungsurteil musste daher in dem Umfang aufgehoben werden, in dem der erkennende Senat die Revision der Bekl. angenommen hat. Da es der Kl. einerseits nicht gelungen ist, schlüssig darzulegen, dass die Zahlungseingänge aus der Verwertung von Sicherheiten zur Tilgung aller Forderungen der Bekl. gegen den Nachlass des R ausgereicht hätten, und da andererseits aufgrund des im vorliegenden Rechtsstreit ergangenen Senatsurteils vom 29. 4. 1997 (NJW 1997, 2514 = LM H. 10/1997 § 242 fAJ BGB Nr. 82) feststeht, dass die Bekl. berechtigt war, die Verwertungserlöse zunächst auf andere Forderungen gegen den Nachlass und nicht auf die hier interessierende Darlehensforderung vom Oktober 1991 zu verrechnen, war die Sache zur Endentscheidung reif (§ 565 III Nr. 1 ZPO). Hinsichtlich der unter der laufenden Nr. 4 eingetragenen Grundschuld musste deshalb das Löschungsbegehren der Kl. unter Zurückweisung ihrer Berufung gegen das landgerichtliche Urteil abgewiesen werden.