Abgrenzung
der Schenkung unter Lebenden zur Schenkung von Todes wegen (§ 2301 BGB),
Erfordernis des lebzeitigen Vollzugs ("Bonifatius-Fall")
Reichsgericht,
Urteil vom 28.10.1913
Fundstelle:
RGZ 83, 223
Amtl. Leitsatz:
Zur Frage der Wirksamkeit der
Schenkung beweglicher Sachen, die nach dem Tode des Schenkers durch einen
Boten des Verstorbenen dem Beschenkten überbracht werden.
Zentrale Probleme:
In diesem ebenso berühmten wie umstrittenen
Reichsgerichtsklassiker geht es um die Abgrenzung einer Schenkung von Todes
wegen nach § 2301 BGB von einer Schenkung unter Lebenden sowie um die damit
verbundene Frage des postmortalen Vollzugs. S. im übrigen die Anm. zu
BGH NJW 2004, 767 sowie zu BGH v. 18.1.2005 - X ZR 264/02.
S. auch BGHZ 46, 198 sowie
BGH NJW 1994, 931.
©sl 2005
Tatbestand:
Am 21. August 1910 starb der katholische Pfarrer W. K. in U., der Bruder
der Klägerin, dem diese längere Zeit hindurch den Haushalt geführt hatte. Am
Tage vorher hatte er vor einem Notar ein Testament errichtet, das neben
Vermächtnisanordnungen die Einsetzung der Klägerin zur Alleinerbin enthielt.
Er war Eigentümer von Wertpapieren im Nennbetrage von insgesamt 71020 M.
Diese Papiere hatte K. schon vor dem 20. August 1910 dem von der Klägerin in
erster Instanz Mitbeklagten Pfarrkurat D. in H. übergeben. Am 25. deselben
Monats hat D. die Papiere dem Weihbischof Dr. K. in Fr. als dem für die
Diözese Fr. bestellten Vertreter des verklagten B.-Vereins überbracht. Der
Weihbischof hat die Papiere für diesen Verein angenommen und läßt sie für
ihn aufbewahren. Klägerin nahm mit der Klage den Pfarrkurat D. und den
B.-Verein für die Diözese Fr. auf Herausgabe der Wertpapiere nebst
Zinsscheinen unter gewissen Abzügen in Anspruch. Das Landgericht wies die
Klage gegen D. ab, verurteilte dagegen den B.-Verein nach dem Klagebegehren.
Das Urteil wurde rechtskräftig, insoweit es die Klage abwies. Der verklagte
Verein erhob aber Berufung. Das Berufungsgericht wies die Klage auch gegen
den B.-Verein ab. Auf Revision der Klägerin wurde das Berufungsurteil
aufgehoben, und die Berufung des verklagten Vereins gegen das
landgerichtliche Urteil zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe:
"Zu dem vom Beklagten erhobenen Einwände, daß ihm die
Wertpapiere geschenkt worden seien, stellte das Berufungsurteil im
wesentlichen nachstehenden Sachhergang fest. Während seiner letzten
Krankheit erhielt der Pfarrer K. am 8. August 1910 den Besuch seines
früheren Vikars, des Pfarrkuranten D. aus H. K., der bettlägerig war,
erklärte dem D. sinngemäß: "Ich schenke meine Papiere dem Weihbischof Dr. K.
zur Verwendung für den B.-Verein. Es ist Geld von der Kirche und soll auch
wieder für die Kirche verwendet werden. Ich übergebe es Ihnen, damit Sie es
dem Weihbischof gelegentlich übergeben; es mögen aber für 2000 M heiliges
Messen gelesen werden. ... Es ist das eine Schenkung unter Lebenden, es
steht nichts im Wege, ich kann es Ihnen aber heute nicht geben. Wenn ich
wohl genug bin, werde ich sie zusammenlegen; kommen Sie sobald als möglich."
D. erwiderte, er würde es ihm gern besorgen, wenn er es wünsche, und würde
bald wiederkommen, fragt auch noch, ob K. für seine Schwester gesorgt habe,
worauf dieser antwortete, ja, er habe Hypotheken, und was im Hause sei,
gehöre ihr. Am 11. August 1910 besuchte D. den K. abermals, dieser verließ
sein Bett, ließ den D. eine Kiste, in der die Wertpapiere lagen, öffnen und
diese herausnehmen. Nachdem beide gemeinschaftlich die Papiere eingepackt
hatten, nahm sie D. an sich. Während dieser Vorgänge äußerte K., die Papiere
sollten dem B.-Verein gehören. D. erklärte, er würde es besorgen. Als
letzterer die Papiere in der Hand hatte, sagte K.: von diesem Augenblick an
habe er mit den Papieren nichts mehr zu tun, und sie gehörten nicht mehr
ihm; es sei ihm ein Stein vom Herzen, er würde jetzt gerne sterben, jetzt
sei es in Ordnung. Auf D's Frage, wie es mit den Papieren sein werde, wenn
K. wieder gesund würde, antwortete dieser, er werde nicht mehr gesund. D.
brachte die Papiere nach H. und hat sie nach dem Tode K's am 25. August 1910
dem Weihbischof Dr. K. überreicht. Dabei sagte er, daß er von K diese
Papiere bringe für den B.-Verein. Der Weihbischof erwiderte. "So, da hat der
Pfarrer K. doch noch an den B.-Verein gedacht, es ist recht", und nahm die
Papiere.
Aus diesen Hergängen entnimmt die Vorinstanz, daß der verklagte Verein das
Eigentum an den Wertpapieren, und zwar berechtigterweise, durch Schenkung
erworben habe. Hierfür gibt das Berufungsurteil im wesentlichen folgende
Gründe. Eine Schenkung habe die Natur eines Vertrags, die durch die
Willenserklärungen des Vertragsantrags und der Annahme des Antrags
geschlossen werde. Daß - wie der Beklagte in zweiter Instanz geltend gemacht
hatte - D. am 11. August 1910 als bevollmächtigter Vertreter des Beklagten
die Schenkung der Wertpapiere angenommen habe, sei widerlegt. Eine Erklärung
solchen Inhalts gehe aus seinem gesamten Verhalten in keiner Weise hervor.
Übrigens wäre er hierzu auch gar nicht bevollmächtigt gewesen. K. aber habe
den Schenkungsantrag und auch des Angebot, durch Übergabe das Eigentum zu
übertragen, durch Vermittelung des von ihm beauftragten Boten, des
Pfarrkuranten D., dem in Fr. wohnenden Weihbischof, dem Vertrete des
Beklagten, erklärt. Der dem D. erteilte Auftrag sei durch das Ableben K's
nicht erloschen, und die von D. zu überbringende Willenserklärung habe durch
das Ableben K's ihre Wirksamkeit nicht verloren, weil es sich um einen
Vertrag unter Abwesenden handelte und K. alles getan hätte, was seinerseits
erforderlich gewesen sei, um die Übermittelung der Willenserklärung an den
Weihbischof zu bewirken. Die den Schenkungs- und Eigentumsübertragsantrag
enthaltende Willenserklärung K's sei nach § 130 Abs. 1 BGB. in dem
Augenblicke wirksam geworden, als D. seinen Auftrag dem Weihbischof
ausrichtet. Letzterer habe den Antrag mündlich und durch Empfangnahme der
Wertpapiere angenommen. Damit sei der Schenkungsvertrag abgeschlossen worden
und auch das Eigentum an den Papieren auf den Beklagten übergegangen (§ 929
BGB.). Zwar habe der Klägerin, der Testamentserbin K's, der Widerruf nach §
130 Abs. 1 Satz 2 BGB. zugestanden, ein Widerruf sei aber weder vor noch bei
dem Zugehen der Willenserklärung K's dem Weihbischof zugegangen. Auf die
Annahmeerklärung des Weihbischofs habe K., wie sich aus den Umständen des
Falles ergeben, verzichtet. Einer Annahmeerklärung des Weihbischofs
gegenüber K. habe es daher zum Zustandekommen des Vertrages nicht bedurft (§
151 Satz 1 BGB.).
Die Revision hat eine Reihe von Prozeßbeschwerden erhoben , indes auch
materiellrechtliche Bedenken geltend gemacht. Die formalen Rügen können auf
sich beruhen, denn der erkennende Senat ist der Ansicht, daß die
Feststellungen des Berufungsrichters dessen Entscheidung nicht zu
rechtfertigen vermögen.
Den Anlaß des K'schen Unternehmens, seine Papiere schenkweise dem B.-Verein
zuzuwenden, bildete seine schwere Erkrankung, von der er voraussah, daß sie
zum Tode führen würde. Es liegt daher nahe, die erst nach dem Ableben K' zum
Vollzug gelangte Schenkung als eine Schenkung von Todes wegen zu behandeln,
die insofern erforderliche Bedingung, daß der Beschenkte den Schenker
überlebe, darf hier als selbstverständlich gemeint vorausgesetzt werden, da
K. nur dem bestehenden B.-Verein die Schenkung zuwenden wollte. Zugleich war
durch die sachlichen Verhältnisses des Falles die Erfüllung der Bedingung
zweifelsfrei gesichert. K. selbst hat die Empfindung gehabt, daß
möglicherweise Bedenken entstehen könnten, weil die für Verfügungen von
Todes wegen vorgeschriebenen Formenen nicht beobachtet waren (§ 2301 BGB.).
Darum betonte er, es sei eine Schenkung unter Lebenden, es stehe nichts im
Wege. Die Bemerkung hätte zugetroffen, wenn der dem D. erteilte Auftrag zur
Übergabe der Wertpapiere an den Weihbischof noch bei Lebzeiten K's zur
Ausführungen gekommen wäre. Die Übergabe ist aber erst nach dem Tode des K's
erfolgt. Dem Pfarrer K. kann nicht verborgen geblieben sein, daß die Sache
möglicherweise, ja wahrscheinlicherweise diesen Verlauf nehmen werde.
Erfühlte, daß seine Krankheit zum Tode führen werde, tat aber nichts, um
eine Vollziehung der Schenkung vor seinem Tode zu sichern. Er ließ im
Gegenteil mit der auf gelegentliche Übergabe gerichteten Weisung seinem
Boten weiten Spielraum, den Zeitpunkt der Übergabe zu wählen und zu
bestimmen.
Der Gesetzgeber hat Schenkungsversprechen auf den Todesfall, die nicht schon
bei Lebzeiten des Schenkers nach Übereignung der betreffenden Werte
vollzogen werden, und die sich sonach als Anordnung einer Vergabung aus dem
Nachlasse des Schenkers darstellen, den für Verfügungen von Todes wegen
geltenden Formen eines Testamentes oder Erbvertrages unterworfen. Die
Regelung ist innerlich begründet, weil durch solche Anordnungen die Zwecke
von Vermächtnissen erreichbar sind. Diese Erwägung trifft auch auf die von
K. eingeleitete, aber zur Zeit seines Todes noch nicht zum Vollzug
gebrachten Schenkung zu. Nach dem von vornherein als möglich voraussehbaren
Verlaufe, den hier die Schenkungsangelegenheit tatsächlich genommen hat,
würde ihre Einreihung in die Schenkungen unter Lebenden mit dem aus den
Vorschriften des § 2301 BGB. erkennbaren Willen des Gesetzgebers in
Widerspruch stehen. Eine Umgehung dieser Vorschriften kann nicht für
statthaft erachtet werden. Auf eine Umgehung des Gesetzes würde es aber
hinauslaufen, wenn ein dem Tode naher Erblasser eine Schenkung von
Wertpapieren, die tatsächlich bis zu seinem Tode nicht zum Vollzug gelangt,
durch formlose Erklärung an einen boten, unter Ausantwortung der Werte, mit
einer über seinen Tod hinausreichenden Rechtswirkung anordnen und in die
Wege leiten könnte. Mit dem Tode K's sind seine Wertpapiere Bestandteiles
eines Nachlasses geworden. Nunmehr konnte die in seinem Testament unerwähnt
gebliebenen Schenkung nur durch Anordnung seiner Testamentserbin, der
Klägerin, die allein zur Verfügung über den Nachlaß befugt war, zum Vollzug
kommen. Klägerin hat aber den Schenkungsvollzug weder angeordnet noch
gewollt. Danach muß die Frage, ob das Eigentum an den Wertpapieren auf den
beklagten Verein übergegangen ist, verneint werden.
Wollte man aber selbst von § 2301 absehen und die für den
rechtsgeschäftlichen Verkehr unter Lebenden maßgebenden Grundsätze anwenden,
so kann auch von diesem Standpunkt aus nicht anerkannt werden, daß der
verklagte Verein Eigentümer der Wertpapiere K's geworden sei. Der
Berufungsrichter hat seine abweichende Meinung wesentlich mit Hinweisen auf
§ 130 BGB. begründet, von nicht wenigen Rechtslehrern wird bestritten, daß §
130 auf mündliche, durch einen Boten übermittelte Willenserklärungen
überhaupt Anwendung finden könne (vgl. namentlich Falkmann, Rechtsstellung
des Boten S. 25 flg. und die dortigen Zitate). Für den vorliegenden Fall
erscheint es indes nicht geboten, diese Streitfrage zu entscheiden, auch
wenn unterstellt wird, daß mündlich durch Boten übermittelte
Willenserklärungen den Rechtssätzen des § 130 unterliegen, bleibt doch
wesentlich beachtlich, daß es sich vorliegendenfalls um die Übereignung
beweglicher Sachen aus dem Rechtsgrunde der Schenkung handelt. Durch die
allgemeinen Regeln des § 130 wird selbstverständlich die Geltung und
Anwendbarkeit besonderer, auf den Tatbestand des Einzelfalls zutreffender
Vorschriften nicht eingeschränkt und nicht berührt. Die Ausdrücke "wirksam"
und "-Wirksamkeit" in Abs. 1 und 2 des § 130 sind mit dem Vorbehalt
aufzufassen, daß nicht etwa andere Rechtsgründe der Wirksamkeit der
Willenserklärung entgegenstehen.
hier kommt vor allem § 929 BGB. in Betracht. Die Revision sucht mit Bezug
darauf vornehmlich auszuführen, D. habe die Schenkung für unwiderruflich und
sich sonach an irgendwelche Weisung der K'schen Erben nicht für gebunden
erachtet, er habe weder Besitzdiener noch Besitzmittler der Klägerin sein
wollen, wie sich schon daraus ergeben, daß er den Besitz der Wertpapiere
sorgfältig vor ihr verheimlicht habe. Folglich sei die Klägerin, entgegen
der Regel des § 857 BGB., nicht Besitzerin der Papiere geworden. Wohl aber
sei sie im Zeitpunkte der von D. bewirkten Übergabe an Weihbischof Dr. K.
die alleinige Eigentümerin der Wertpapiere gewesen. Da die Übergabe durch
den Eigentümer, deren es nach § 929 zur Eigentumsübertragung bedürfe,
naturgemäß nur von einem Besitzer ausgehen könne, sei hier das gesetzliche
Erfordernis der Übergabe durch den Eigentümer nicht erfüllt. Dieser
Ausführung ist nicht zu folgen, weil sie auf einer zu engen Auffassung von
der Tragweite des § 857 BGB. beruht. Der Vorschrift kommt die Bedeutung zu,
daß kraft Gesetzes der Erbe in die Besitzrechtsstellung seines Erblassers
eintritt. Daß ein solcher Eintritt für die Klägerin als Erbin des Pfarrers
K. ausnahmsweise nicht anzunehmen sei, dafür bietet der Tatbestand des
vorliegenden Rechtsfalls keinen Anhalt.
Hierbei sind freilich hinsichtlich des allein interessierenden Besitzes der
Klägerin an den Wertpapieren zwei von der Revisionsbeantwortung geltend
gemachte Bedenken einzuschalten und zu erörtern. Diese wollte unter
Verweisung auf den vorgetragenen Schriftsatz ... aus der erwiesenen Äußerung
K's, er habe mit den Papieren nichts mehr zu tun und sie gehörten nicht mehr
ihm, folgern, daß schon der Erblasser K. den Besitz und das Eigentum der
Papiere aufgegeben habe. Allein der Gesichtspunkt der Dereliktion (§ 959
BGB.), auf den dieses Bedenken hindeutet, versagt gegenüber der Feststellung
der Vorinstanz, daß K. das Eigentum an den Papieren auf den B.-Verein
übertragen wollte. Darin liegt nicht ein allgemein auf Preisgabe des
Besitzes und Eigentums gerichteter Wille, wie ihn § 959 voraussetzt., Sodann
versuchte die Revisionsbeantwortung den Standpunkt einzunehmen, daß D. am
11. August 1910 in der Eigenschaft eines Boten des B.-Vereins die Papiere
empfangen habe. Diese erst in der Revisionsinstanz neu vorgebrachte
Behauptung tatsächlichen Inhalts ist aber gemäß § 549 ZPO. abzulehnen. Ist
nun Klägerin in die Besitzstellung ihres Erblassers auch in Ansehung der
Wertpapiere getreten, so waren nach dem Tode K's, Klägerin mittelbare
Besitzerin, D. unmittelbarer Besitzer der Papiere. Da sonach zwischen dem
Boten, der die Papiere dem Vertreter des verklagten Vereins übergab, und der
Klägerin, die als Erbin K's Eigentümerin der
Papiere war, ein Besitzband vorlag, ist aus den Besitzverhältnissen ein
entscheidendes Hindernis gegen eine Zurückführung der Übergabe auf die
Eigentümerin nicht zu entnehmen.
Durchgreifende Bedenken, die auch in den mündlichen Ausführungen der
Revision zur Andeutung kamen, bestehen aber hier hinsichtlich des für die
Eigentumsübertragung erheblichen Willensmerkmals. Bei der Übergabehandlung,
die § 929 BGB. zur Übertragung des Eigentums beweglicher Sachen vorschreibt,
kann sich der Eigentümer vertreten lassen. In jedem Falle ist aber für eine
Übereignung nach § 929 erforderlich, daß der Eigentümer die stattfindende
Übergabe will und hierbei mit dem Erwerber darüber einig ist, daß das
Eigentum übergehen soll. Es ist denkbar, daß der hiernach zur Zeit der
Übergabe notwendige, auf Übertragung des Besitzes und Eigentums gerichtete
Wille des Eigentümers aus einer früheren Erklärung gefolgert wird, die von
diesem selbst oder auch von seinem Erblasser abgegeben war, und tatsächlich
kommen im Verkehr des täglichen Lebens zahllose Übereignungen beweglicher
Sachen vor, bei denen solche frühere Erklärungen den noch zur zeit der
Übergabe fortbestehenden Willen des Eigentümers, Besitz und Eigentum zu
übertragen, zureichend anzeigen. Ist jedoch im Einzelfall erkennbar und
festzustellen, daß der Eigentümer in dem Augenblicke, wo die Übergabe
erfolgt, den Besitz- und Eigentumsübergang nicht will, so kann eine früherer
abgegebene , auf künftigen Wechsel des Besitzes und Eigentums abzielende
Erklärung den bei der Übergabe fehlenden, indes gemäß § 929 erforderlichen
Willen nicht ersetzen. Diese gilt auch, wenn die frühere Erklärung vom
Erblasser der Person, die zur Zeit der Übergabe Eigentümer ist, herrührt und
an sich nach § 130 BGB. erst im Zeitpunkte der Übergabe wirksam wird. Der
Folgerung, daß jene Erklärung die Rechtswirkung der Übereignung nach sich
ziehe, steht die Tatsache im Wege, daß es zur zeit der Übergabe na dem nach
§ 929 BGB. erforderlichen Willen des Eigentümers mangelt.
So ist hier der Fall gestaltet. In dem Zeitpunkt, als der Bote des
Erblassers K. die Wertpapiere dem Vertrete des verklagten Vereins übergab,
hatte deren Eigentümer, die Klägerin, die von den Papieren nichts wußte,
nicht den Willen, Besitz und Eigentum auf den B.-Verein zu übertragen, und
daß dieser Wille mangelte, war damals auch nach außen erkennbar, da sich die
Verhandlungen über die Schenkung ausschließlich zwischen K. und D.
abgespielt hatten. Bei solcher Lage des Falles konnte die Übergabe der
Papiere die Rechtswirkung des Überganges des Eigentums auf den verklagten
Verein nicht haben. Dies würde der Klägerin nicht zum Siege verhelfen, wenn
der Beklagte eine schuldrechtliche Verpflichtung der Klägerin zur
Übereignung der Wertpapiere nachzuweisen vermöchte. Hierzu genügt aber nicht
der Hinweise auf § 130 oder auf die §§ 145 flg. oder auf § 672 BGB. Alledem
gegenüber ist hier entscheidend, daß es sich um Übermittelung einer
schenkweise zuzuwendenden Leistung handelt. Da ein Schenkungsversprechen in
der Form des § 518 Abs. 1 BGB. nicht vorliegt, konnte die Schenkung erst und
nur durch Vollziehung der Leistung Rechtswirksamkeit erlangen. Dem B.-Verein
sollten die Wertpapiere als Eigentum zugewendet werden. Darum lag eine
Vollziehung der Schenkung nur vor, wenn die Papiere dem Verein durch
Übergabe übereignet wurden. Aus vorstehendem ergibt sich aber, daß es zu
solcher Übereignung nicht gekommen ist. Deshalb kann sich der Beklagte
gegenüber dem begründeten Eigentumsanspruche der Klägerin auf die Schenkung
K's nicht berufen.
Die Sache bietet einige Ähnlichkeit mit dem Rechtsfalle, welcher durch das
in Jur. Wochenschr. 1904 S. 337 Nr. 3 veröffentlichte Urteil des
Reichsgerichts entschieden
worden ist. In jenem Falle hatte eine Witwe mehrere verwandte Ehepaare
ermächtigt, nach ihrem Tode hinterlegte Wertpapiere für sich abzuheben. Nach
dem Tode der Witwe war das Depot versilbert und ein Teil des Erlöses an
eines jener Ehepaare ausgezahlt worden. In dem jetzt entschiedenen Falle lag
in dem Auftrage K's an D. die Ermächtigung, vor oder nach dem Tode K's die
Wertpapiere dem B.-Verein zu übergeben. Näher interessieren aus dem
angezogenen Urteile die Sätze: -" Es ist daran festzuhalten, daß das der
Form des § 518 entbehrende Schenkungsversprechen gemäß § 125 BGB. in vollem
Umfange nicht ist, und aß diese Nichtigkeit auch nicht durch gewisse, auf
seine Erfüllung abzielende, sie bloß vorbereitende Rechtshandlungen, sondern
nur durch wirkliche Erfüllung geheilt wird. Daraus folgt, daß die Schenkung
unter Lebenden - und insoweit ist ihr durch § 2301 BGB. auch die Schenkung
von Todes wegen gleichgestellt - vom Schenker immer nur bei seinen Lebzeiten
durch Leistung des zugewendeten Gegenstandes vollzogen werden kann.." Damit
steht die diesseits entwickelte Auffassung, daß die Schenkung des Pfarrers
K. an den B.-Verein der Rechtswirksamkeit entbehrt, im Einklänge."...
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