Entbehrlichkeit der
Fristsetzung für den Rücktritt des Käufers bei "Fehlschlagen der
Nacherfüllung" (§ 440 Alt. 2 BGB); Bedeutung einer Benachrichtigungspflicht
durch AGB bei vertraglich eingeräumter Nacherfüllung durch Dritte
BGH, Urteil vom 15. November 2006 - VIII
ZR 166/06
Fundstelle:
NJW 2007, 504
ZGS 2007, 112
Amtl. Leitsatz:
Die Klausel
"Ansprüche auf Mängelbeseitigung kann der Käufer beim Verkäufer oder bei
anderen vom Hersteller/Importeur für die Betreuung des Kaufgegenstandes
anerkannten Betrieben geltend machen; im letzteren Fall hat der Käufer den
Verkäufer hiervon zu unterrichten"
(Ziffer VII 2 a der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf von
fabrikneuen Kraftfahrzeugen und Anhängern - NWVB) ist wegen Mehrdeutigkeit
nicht dahin auszulegen, dass die Unterrichtung des Verkäufers über die
Geltendmachung von Ansprüchen des Käufers auf Mängelbeseitigung bei anderen
vom Hersteller/Importeur für die Betreuung des Kaufgegenstandes anerkannten
Betrieben zu erfolgen hat, bevor die Nachbesserung durch wiederholte
erfolglose Mängelbeseitigungsversuche derartiger Betriebe fehlgeschlagen
ist.
Zentrale Probleme:
Eine sehr interessante Entscheidung zum Kaufrecht: Wenn
der Verkäufer dem Käufer die Möglichkeit einräumt, die Nacherfüllung auch
durch andere autorisierte Fachhändler vornehmen zu lassen (was im
Kfz-Neuwagenhandel der Praxis entspricht), werden dadurch die Rechte des
Verbrauchers/Käufers erweitert, so daß kein Verstoß gegen § 475 BGB
vorliegt. Nach § 437 Nr. 2, 323 BGB ist für den Rücktritt des Käufers wegen
eines Sachmangels bei einem behebbaren Mangel die Setzung einer
Nacherfüllungsfrist erforderlich. Gem. § 440 BGB ist dies wiederum nicht der
Fall, wenn „die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen“
ist. Für § 440 S. 1 ist also ausreichend, daß
eine vom Käufer im konkreten Fall zulässigerweise gewählte Art der
Nacherfüllung scheitert (BT-Drs. 14/6040). Er muß in diesem Fall nicht auf
eine (mögliche) Nacherfüllung durch Neulieferung zurückgreifen. Nach § 440
S. 2 gilt eine Nachbesserung nach zwei erfolglosen Versuchen als
fehlgeschlagen, sofern sich nicht insbesondere aus der Art der der Sache,
des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt.
Das hat zu der in der Praxis verbreiteten
Fehlvorstellung geführt, der Verkäufer habe stets zwei
Nachbesserungsversuche. Dies ist freilich nicht der Fall: Hat der Käufer
dem Verkäufer eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt und ist die
Nacherfüllung in dieser Frist nicht erfolgreich durchgeführt worden, so
ist das Rücktrittsrecht nach § 323 BGB mit Fristablauf entstanden, ohne
daß der Verkäufer weitere Nachbesserungsversuche hätte. § 440 BGB kommt
nur dann zum Zug, wenn Nachbesserungsversuche erfolglos waren, bevor
eine Nacherfüllungsfrist gesetzt bzw. abgelaufen war.
Dies war hier der Fall: Der Käufer hatte zwar
Nacherfüllung gegenüber anderen Vertragshändlern verlangt, seinem Verkäufer
gegenüber aber keine Frist gesetzt. Deshalb stellt der Senat hier auf das
"Scheitern" der Nacherfüllung ab und bejaht unter der Voraussetzung, daß ein
solches wirklich vorliegt, also der Mangel nicht behoben wurde, ein
Rücktrittsrecht aus §§ 437 Nr. 2, 323, 440 BGB. Der AGB-Klausel, daß der
Verkäufer von Nachbesserungsversuchen benachrichtigt werden muß, räumt er
insoweit keine Bedeutung ein.
Zu beachten ist freilich noch folgendes: Nach ganz h.A. ist besteht im Wege
richtlinienkonformer Auslegung des Kaufrechts im Verhältnis
Unternehmer/Verbraucher kein Erfordernis einer Fristsetzung durch den
Verbraucher. Im Verhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern verstößt
dieses Erfordernis nämlich gegen Art. 3 V der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie,
der lediglich ein Nacherfüllungsverlangen des Verbrauchers und den Ablauf
einer Frist, nicht aber eine Fristsetzung durch den Verbraucher voraussetzt.
Im Wege richtlinienkonformer Auslegung muss daher (nur) im Verhältnis
Unternehmer/Verbraucher von der Entbehrlichkeit einer Fristsetzung
ausgegangen
werden. Spielraum hierfür bietet § 323 II Nr. 3: Hat ein Verbraucher
Nacherfüllung verlangt und ist diese nicht innerhalb angemessener Frist
erfolgt, kann darin ein „besonderer Umstand“ gesehen werden, der dann eine
Fristsetzung entbehrlich macht. Im vorliegenden Fall hätte es also ohnehin
ausgereicht, wenn die vom Käufer verlangte Nacherfüllung innerhalb
angemessener Frist erfolglos geblieben wäre. Auf ein "Scheitern" iSv § 440
BGB wäre es dann gar nicht angekommen. Allerdings hätte auch dies erfordert,
daß die Nacherfüllung gegenüber dem Verkäufer geltend gemacht wird. Da aber
nach den AGB die Geltendmachung gegenüber einem anderen anerkannten
Vertragshändler genügt hätte, könnte man - bei entsprechend enger Auslegung
des Benachrichtigungserfordernisses - ein Rücktrittsrecht ohne Rückgriff auf
§ 440 BGB bejahen.
S. zu diesem Problemkreis auch Köhler/Lorenz, PdW
SchuldR II, Fälle 35, 37, 56. Zur Beweislast s. die Anm. zu
BGH v. 11.2.2009 - VIII ZR 274/07.
©sl 2007
Tatbestand:
1 Die Klägerin erwarb am 23. August 2003 von der in M. geschäftsansässigen
Beklagten einen Neuwagen C. zum Preis von 15.800 Euro. Die dem Vertrag zu
Grunde liegenden "Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf von
fabrikneuen Kraftfahrzeugen und Anhängern, Stand April 2003" (NWVB)
bestimmen u.a.:
"VII. Sachmangel
...
2. Für die Abwicklung einer Mängelbeseitigung gilt folgendes:
Ansprüche auf Mängelbeseitigung kann der Käufer beim Verkäufer oder bei
anderen, vom Hersteller/Importeur für die Betreuung des Kaufgegenstandes
anerkannten Betrieben geltend machen; im letzteren Fall hat der Käufer
den Verkäufer hiervon zu unterrichten."
2 Bis Ende August 2004 führte die
Klägerin das Fahrzeug insgesamt fünf Mal bei zwei verschiedenen C.
-Fachbetrieben in S. vor und bemängelte u.a., dass Wasser in das
Fahrzeuginnere und in den Kofferraum eindringe. Im Februar 2005
unterrichtete die Klägerin die Beklagte über die nach ihrer Darstellung
erfolglosen Versuche, die Undichtigkeiten des Fahrzeugs zu beseitigen. Die
Beklagte bot der Klägerin daraufhin an, das Fahrzeug zwecks Überprüfung und
Behebung des Mangels in ihrer Werkstatt bei der Klägerin abzuholen und ihr
ein Leihfahrzeug zur Verfügung zu stellen. Die Klägerin ging darauf nicht
ein und erklärte mit Schreiben vom 7. März 2005 den Rücktritt vom
Kaufvertrag. Die Beklagte lehnte die Rückabwicklung des Kaufvertrages ab.
3 Mit der Klage begehrt die Klägerin Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs
die Zahlung von 15.209,80 € (zusammengesetzt aus dem Kaufpreis von 15.800
Euro, 75 € An- und Abmeldekosten und 30 € Unkostenpauschale abzüglich einer
Nutzungsentschädigung von 695,20 €) nebst Verzugszinsen und Feststellung des
Annahmeverzuges. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das
Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr
Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an
das Berufungsgericht.
I.
5 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
6 Die Klägerin sei zum Rücktritt (noch) nicht berechtigt, weil sie der
Beklagten keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt habe. Sie könne sich nicht
darauf berufen, dass die Fristsetzung nach § 440 BGB entbehrlich gewesen
sei. Zwar sei sie nicht schon deshalb an der Geltendmachung von
Sekundäransprüchen gehindert, weil sie nicht der Beklagten selbst
Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben habe, sondern zwei in S. ansässige
Vertragshändler erfolglos eine Nachbesserung versucht hätten. Denn die
Beklagte müsse sich die Nachbesserungsversuche der S. Werkstätten gemäß §
278 BGB entgegenhalten lassen, weil sie die Klägerin in Ziffer VII 2 a ihrer
Vertragsbedingungen von vornherein ermächtigt habe, die Nachbesserung in
einer anderen C. -Vertragswerkstatt vornehmen zu lassen.
7 Trotz mehrfacher vergeblicher Reparaturversuche sei die Nachbesserung
nicht im Sinne des § 440 Satz 2 BGB fehlgeschlagen, weil sich aus den
Umständen etwas anderes ergebe. Die Klägerin habe die ihr nach Ziffer VII 2
a der Geschäftsbedingungen obliegende Informationspflicht verletzt und könne
sich deshalb auf die fehlgeschlagenen Reparaturversuche der Drittwerkstätten
nicht berufen.
8 Auch wenn die Klausel VII 2 a keine ausdrückliche Vorgabe enthalte, wie
und vor allem wann der Käufer den Verkäufer zu informieren habe, müsse der
Käufer die Information in zeitlichem Zusammenhang mit der Nachbesserung und
insbesondere vor der Vornahme des zweiten und letzten Nachbesserungsversuchs
erteilen. Jedem verständigen Verbraucher müsse bewusst sein, dass er sich im
Normalfall mit Mängelrügen und Nachbesserungsverlangen an seinen
Vertragspartner wenden müsse und die in den NWVB enthaltene Regelung eine
Ausnahme darstelle, die ihm eine Erweiterung seines Rechtskreises und eine
flächendeckende Serviceleistung der Vertragshändler biete. Die
Gewährleistungsansprüche und die damit verbundenen Kosten und Risiken
beträfen ausschließlich den Verkäufer und nicht die Drittwerkstatt. Nur
durch eine rechtzeitige Information werde der Zweck der Informationspflicht
gewahrt, es dem Verkäufer doch noch zu ermöglichen, die Nachbesserung selbst
durchzuführen oder den Drittbetrieb dabei zu unterstützen.
9 Die Klägerin habe die so verstandene Informationspflicht verletzt, indem
sie die Beklagte erst kurz vor der Erklärung des Rücktritts über die
erfolgten Nachbesserungsversuche in Kenntnis gesetzt und sie vor vollendete
Tatsachen gestellt habe.
II.
10 Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten
stand.
11 1. Der Klägerin kann ein Anspruch aus § 346 Abs. 1 BGB in Verbindung
mit § 437 Nr. 2 1. Alt., §§ 440, 323 BGB auf Rückabwicklung des
Kaufvertrages vom 23. August 2003 nicht mit der vom Berufungsgericht
gegebenen Begründung versagt werden. Nach dem revisionsrechtlich zu Grunde
zu legenden Sachverhalt ist das von der Beklagten verkaufte Fahrzeug mit
einem nicht unerheblichen (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) Sachmangel behaftet,
dessen Beseitigung trotz mehrerer Nachbesserungsversuche misslungen ist.
Anders als das Berufungsgericht meint, bedurfte es einer Fristsetzung zur
Nacherfüllung nicht, weil die der Klägerin zustehende Art der Nacherfüllung
fehlgeschlagen war (§ 440 BGB).
12 a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht festgestellt,
dass sich die Beklagte die Nachbesserungsversuche der von der Klägerin
aufgesuchten C. -Vertragswerkstätten zurechnen lassen muss und dass die
Klägerin daher nicht schon deshalb an der Geltendmachung von
Sekundäransprüchen gehindert ist, weil sie der Beklagten zu keinem Zeitpunkt
Gelegenheit zur Nachbesserung in deren eigener Werkstatt gegeben hat.
13 Die von der Beklagten verwendeten Geschäftsbedingungen räumen dem Käufer
in Ziffer VII 2 a ausdrücklich das Recht ein, sich für die Abwicklung einer
Mängelbeseitigung statt an den Verkäufer an einen vom Hersteller/Importeur
für die Betreuung des Kaufgegenstandes anerkannten Betrieb zu wenden. Wie
das Berufungsgericht zutreffend ausführt, setzt die dem Käufer eingeräumte
Befugnis nicht voraus, dass er den Verkäufer zuvor informiert oder gar
dessen Einverständnis einholt; eine derartige Einschränkung lässt sich den
Geschäftsbedingungen nicht entnehmen. Infolge der vom Verkäufer erteilten
Ermächtigung wird der vom Käufer zur Nachbesserung eingeschaltete Betrieb
als Erfüllungsgehilfe des Verkäufers tätig; der Verkäufer muss sich deshalb
die von dieser Werkstatt ausgeführten Mängelbeseitigungsarbeiten und die im
Zusammenhang damit abgegebenen Erklärungen zurechnen lassen (Senat, Urteil
vom 15. Mai 1985 – VIII ZR 105/84, WM 1985, 917 = NJW 1985, 2819 unter I 5
sowie Urteil vom 10. April 1991 – VIII 131/90, WM 1991, 1221 = NJW 1991,
1882 unter II 3 b).
14 b) Die der Klägerin zustehende Art der Nacherfüllung ist
fehlgeschlagen, weil der – behebbare – Mangel nach dem revisionsrechtlich
zugrunde zu legenden Sachverhalt durch die der Beklagten zuzurechnenden
Reparaturversuche nicht beseitigt wurde. Mit der dem Käufer zustehenden Art
der Nacherfüllung ist die vom Käufer gewählte (§ 439 Abs. 1 BGB) und vom
Verkäufer nicht zu Recht verweigerte (§ 439 Abs. 3 BGB) Art der
Nacherfüllung gemeint (vgl. Begründung zum Entwurf des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, BT-Drucks. 14/6040, S. 233).
15 Die Nacherfüllung in der Variante Nachbesserung, für die sich die
Klägerin entschieden hat, gilt gemäß § 440 Satz 2 BGB nach dem zweiten
erfolglosen Versuch als fehlgeschlagen, wenn sich nicht aus der Art der
Sache oder des Mangels oder aus sonstigen Umständen etwas anderes ergibt.
Mehr als zwei Nachbesserungsversuche kommen deshalb etwa bei besonderer
(technischer) Komplexität der Sache, schwer zu behebenden Mängeln oder
ungewöhnlich widrigen Umständen bei vorangegangenen Nachbesserungsversuchen
in Betracht (Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, 2004, § 440 Rdnr. 18;
Schmidt in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 2006, § 440 Rdnr. 10; Münch-Komm/Westermann,
BGB, 4. Aufl., § 440 Rdnr. 11; Faust in Beck’scher OnlineKomm. BGB, Stand
1.8.2006, § 440 Rdnr. 32).
16 Derartige besondere Umstände hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Die Beklagte beruft sich auch nicht auf besondere objektive Schwierigkeiten
bei der Mangelbeseitigung, sondern darauf, dass sie bisher keine Gelegenheit
hatte, persönlich auf die Behebung des Mangels Einfluss zu nehmen, um nicht
Sekundäransprüchen der Klägerin ausgesetzt zu sein. Entgegen der Ansicht des
Berufungsgerichts ist dies kein Umstand, dem im Rahmen des § 440 Satz 2 BGB
Bedeutung zukommen könnte. Ein Recht des Verkäufers, zumindest einen eigenen
Nachbesserungsversuch vorzunehmen, sieht die Klausel Ziffer VII 2 a NWVB
nicht vor. Vielmehr muss die Beklagte sich, wie bereits ausgeführt wurde,
die wiederholten erfolglosen Mängelbeseitigungsversuche der von der Klägerin
befugtermaßen eingeschalteten S. C. - Betriebe wie eigene gescheiterte
Nachbesserungsversuche zurechnen lassen.
17 c) Dem Berufungsgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass
sich die Klägerin deshalb nicht auf die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung
zur Nacherfüllung gemäß § 440 BGB berufen könne, weil sie die Beklagte nicht
rechtzeitig über die Inanspruchnahme der S. Vertragswerkstätten informiert
habe. Zwar kann die Ausübung eines Rechts nach Treu und Glauben (§ 242
BGB) im Einzelfall unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine mit seinem
Anspruch in engem Zusammenhang stehende schwerwiegende Verletzung eigener
Pflichten zur Last fällt (BGH, Urteil vom 26. November 2004 – V ZR 90/04,
NJW-RR 2005, 743, unter II 2 b bb (1); Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., §
242, Rdnrn. 46, 47; Staudinger/Looschelders/Olzen, BGB, 2005, § 242, Rdnrn.
251 und 255, jew.m.w.Nachw.). Es fehlt aber bereits an einer Verletzung
vertraglicher Pflichten durch die Klägerin, denn aus Ziffer VII 2 a NWVB
ergibt sich keine Verpflichtung des Käufers, den Verkäufer spätestens vor
dem zweiten Nachbesserungsversuch einer anderen Vertragswerkstatt über deren
Einschaltung zu informieren.
18 Die Vertragsbedingungen der Beklagten regeln nicht ausdrücklich, zu
welchem Zeitpunkt der Käufer seinen Vertragspartner informieren muss, so
dass dies im Wege der Auslegung zu ermitteln ist.
19 Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn
einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen
Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten
Kreise verstanden werden (BGHZ 77, 116, 118; 102, 384, 389 f; Senat,
Urteil vom 9. Mai 2001 – VIII ZR 208/00, WM 2001, 2008 = NJW 2001, 2165
unter II 2 a).
20 Nach einer vor allem in der Literatur vertretenen Auffassung, der auch
das Berufungsgericht folgt, soll die in Ziffer VII 2 a NWVB geregelte
Informationspflicht den Verkäufer in die Lage versetzen, die mit der
Mängelabwicklung befasste Drittwerkstatt im Interesse einer erfolgreichen
Mängelbeseitigung zu unterstützen bzw. zu kontrollieren oder die
erforderliche Reparatur notfalls selbst durchzuführen (Seel, DAR 2004,
563, 564; Creutzig, Recht des Autokaufs, 4. Aufl., Rdnr. 7.2.6; ebenso LG
Schwerin, DAR 2004, 590, 592; vgl. auch Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9.
Aufl., Rdnr. 410). Um einer solchen Funktion gerecht zu werden, müsste
die Information möglichst frühzeitig, spätestens vor dem zweiten
Nachbesserungsversuch erfolgen.
21 Aus der Sicht eines verständigen Verbrauchers ist ein so verstandener
Zweck der ihm auferlegten Informationspflicht jedoch keineswegs eindeutig.
Offensichtlich bietet die in Ziffer VII 2 NWVB geregelte Abwicklung einer
Mängelbeseitigung beiden Vertragspartnern Vorteile. Dem Käufer steht das
gesamte Vertragshändler- und -werkstättennetz zur Verfügung, so dass er sich
jeweils an eine nahe gelegene Werkstatt wenden kann; dies kommt auch dem
Verkäufer zu gute, weil er dadurch unter Umständen erhebliche
Transportkosten erspart, die dem Verkäufer bei berechtigten Mängelrügen zur
Last fallen (§ 439 Abs. 2 BGB). Ferner sind mit der Schaffung eines
kundenfreundlichen Servicenetzes im Interesse des Verkäufers liegende
absatzfördernde Wirkungen verbunden (vgl. Himmelreich/Andreae/Teigelack,
AutoKaufRecht, 3. Aufl., Rdnr. 748).
22 Dem Neuwagenkäufer stellt sich das Servicenetz des Herstellers/Importeurs
als einheitliche Organisation dar. Er wird daher erwarten, dass jede vom
Hersteller/Importeur autorisierte Werkstatt einen Fahrzeugmangel ebenso
zuverlässig beheben wird wie der Betrieb, bei dem er das Fahrzeug gekauft
hat. Das aus Sicht des Verkäufers möglicherweise erstrebte Ziel,
zumindest einen Nachbesserungsversuch in der eigenen Werkstatt vornehmen zu
können, ist mit Hilfe der Informationspflicht ohnehin nicht zu erreichen,
weil dem Käufer mit der Regelung in Ziffer VII 2 a ein umfassendes Wahlrecht
unter den autorisierten Werkstätten eingeräumt ist. Wie auch das
Berufungsgericht zutreffend ausführt, wird dem Verkäufer durch eine
unverzügliche Information des Käufers daher nur die Möglichkeit eröffnet,
sich in Absprache mit der eingeschalteten Werkstatt an den Reparaturarbeiten
zu beteiligen oder diese auf sonstige Weise zu unterstützen. Dass diese sehr
eingeschränkte Möglichkeit der Einflussnahme für den Verkäufer von
erheblicher Bedeutung und dem Käufer vornehmlich aus diesem Grund eine
Unterrichtungspflicht auferlegt ist, wird aus der Sicht des Kunden nicht
hinreichend deutlich, zumal die Unterstützung einer vom Betrieb des
Verkäufers möglicherweise weit entfernt liegenden Vertragswerkstatt
praktischen Schwierigkeiten begegnen (vgl. Schattenkirchner, DAR 2004,
592, 593) und Kosten verursachen dürfte, die durch die Schaffung eines
Servicenetzes gerade vermieden werden sollen.
23 Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die dem Verkäufer durch
Ziffer VII 2 a NWVB auferlegte Information des Verkäufers nicht sinnlos,
wenn sie erst nach dem Fehlschlagen der Nacherfüllung durch mehrere
erfolglose Mängelbeseitigungsversuche anderer Betriebe erteilt wird. Aus der
maßgeblichen Sicht des verständigen Neuwagenkäufers kann der Zweck der
Informationspflicht auch darin bestehen, dem Verkäufer, der sich mit einem
Rücktritt oder mit Schadensersatzansprüchen des Käufers konfrontiert sieht,
die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die Voraussetzungen sekundärer
Mängelrechte des Käufers erfüllt sind. Die von der Beklagten verwendete
Formularklausel ist deshalb hinsichtlich des zeitlichen Rahmens, der dem
Kunden für die Erfüllung der ihm auferlegten Informationspflicht zur
Verfügung steht, objektiv mehrdeutig. Verbleiben nach Ausschöpfung aller in
Betracht kommender Auslegungsmethoden aber Zweifel und sind mindestens zwei
Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar, so kommt die
Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB (früher § 5 AGBG) zur Anwendung
(BGHZ 112, 65, 68; BGH, Urteil vom 9. Juli 2003, IV ZR 74/02, NJW-RR 2003,
1247 unter II. 2c, st. Rspr.). Danach gehen die dargelegten Zweifel
hinsichtlich des Zeitpunktes der vom Käufer geschuldeten Information zu
Lasten des Verkäufers (so auch Reinking/Eggert, aaO Rdnr. 410).
III.
24 Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben.
Der Rechtsstreit ist noch nicht zur Entscheidung reif, da das
Berufungsgericht – vor dem Hintergrund seiner Rechtsauffassung folgerichtig
– keine Fest-stellungen dazu getroffen hat, ob die von der Klägerin geltend
gemachten Mängel (fort)bestehen.
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