Sukzessivlieferungsvertrag; Sachmangel gem. § 434
I 2 Nr. 1 BGB (vertraglich vorausgesetzte Verwendung); Zurückbehaltungsrecht
von Kaufpreis nach § 320 BGB bei Lieferung mangelhafter Ware
BGH, Urteil vom 6. Dezember 2017 -
VIII ZR 219/16 - KG Berlin
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Bei der Prüfung, ob die Parteien
nach dem Vertrag eine bestimmte Verwendung der Kaufsache vorausgesetzt
haben, sind nicht nur der Vertragsinhalt, sondern auch die Gesamtumstände zu
berücksichtigen (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom
26. April 2017 - VIII ZR 80/16, NJW 2017, 2817
Rn. 16 mwN).
Zentrale Probleme:
Es geht - wie in
BGH NJW 2017, 2817 - um den Fehlerbegriff
wegen Nichteignung zur vertraglich vorausgesetzten Verwendung (§ 434 I 2 Nr.
1 BGB). Im Gegensatz zu einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 I 1 BGB
sind dabei sind nicht nur der Vertragsinhalt, sondern alle Umstände
zu berücksichtigen, die eine mögliche nach dem Vertrag vorausgesetzte
Verwendung erhellen können. Der auf Abnahme und Zahlung sowie Feststellung
des Annahmeverzugs (s. dazu die Anm. zu BGH NJW
2000, 2280) in Anspruch genommene Käufer musste bei Mangelhaftigkeit der
Ware nicht zurücktreten - er konnte Kaufpreiszahlung und Abnahme vielmehr
nach § 320 BGB zurückhalten (s. dazu auch BGH NJW
2017, 1100).
©sl 2018
Tatbestand:
1 Die Beklagte, eine
Herstellerin von Farben und Lacken, und die Klägerin, eine
Herstellerin von Additiven, die in andere Werkstoffe eingebracht
werden und dort antimikrobiell wirken sollen, schlossen im Oktober 2008
einen "Kooperationsvertrag" (im Folgenden: Vertrag). Dieser sieht vor, dass
auf der Basis der besonders beständigen Innenraumfarbe "K. " der Beklagten
in Kombination mit "antimikrobiell wirkenden" Additiven der Klägerin - hier
dem Additiv S (im Folgenden: Additiv) -, "die diese Eigenschaften auch nach
der Verarbeitung des Werkstoffes in definierter Weise behalten", "eine
antimikrobiell wirksame Farbe für hygienisch sehr anspruchsvolle
Anwendungsbereiche" entwickelt, produziert und vertrieben werden soll
(Ziffer 1.1).
2 Nach Ziffer 4.1 des Vertrags überträgt die Klägerin der Beklagten den
Alleinvertrieb der aus den Produkten der Parteien herzustellenden oben
genannten "antimikrobiell wirkenden Innenraumfarbe", wobei die
Beklagte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu kaufen und zu verkaufen
hat (Ziffer 4.2). Gemäß Ziffer 9 des Vertrags ist die
Beklagte zur Abnahme folgender Mindestmengen des Additivs verpflichtet:
30 kg sofort, weitere 70 kg bis zum 31. Dezember 2008 sowie 400 kg bis zum
31. Dezember 2009 - davon jeweils 100 kg bis zum Ende eines jeden Quartals.
Dementsprechend betrug die abzunehmende Mindestmenge auch in den Folgejahren
2010 und 2011 - unstreitig - 400 kg.
3 Als Preis für das von der Klägerin zu liefernde Additiv vereinbarten die
Parteien einen Betrag von 350 € pro Kilogramm (Ziffer 10.1 iVm Anlage E des
Vertrags). Nach Ziffer 13.1 beträgt die Vertragsdauer zunächst zwei Jahre
und verlängert sich um zwei weitere Jahre, wenn nicht spätestens zwei Monate
vor Ablauf der Vertragsdauer gekündigt wird.
4 Vor Abschluss des Vertrages hatte die Klägerin der Beklagten - unstreitig
- einen Produktprospekt und ein technisches Merkblatt übergeben. In dem
Produktprospekt heißt es unter anderem:
"St. GmbH & Co. KG [= Klägerin] entwickelt und vertreibt
sehr wirksame und industrietaugliche antibakterielle Additive. [...]. Unser
Unternehmen greift auf internationale Patente und mehr als 15 Jahre
Entwicklungsarbeit zurück, die ihre Wurzeln in der Medizin hat. Dabei
entstand eine Familie höchst wirksamer antibakterieller Additive - die S. .
Diese stehen heute zur Verfügung, um nahezu jeden Gegenstand dauerhaft von
Bakterien, Pilzen und sonstigen Schädlingen zu befreien. [...]
S. sind [...] nanoskalige Moleküle, die durch ihren Aufbau und Reaktivität
Bakterien und Schädlinge vernichten. Die permanent gebildeten Ionen der S.
sind für Bakterien von vernichtender Wirkung, für den Menschen aber
ungefährlich. Als Additiv werden S. in Lacke, Kunststoffgemische, Fasern und
andere Werkstoffe eingebracht. Die antibakterielle Wirkung der Additive
bleibt in dem neuen Materialgemisch erhalten und die Produktoberfläche
dadurch dauerhaft antimikrobiell. Je nach Dosierung der Additive ist die
Wirkung intensiver oder schwächer. Die Wirkung bleibt über viele Jahre
erhalten.
[.]
Die Nutzung des Begriffs 'antibakteriell' ist grundsätzlich frei. Dies wird
von vielen Herstellern ausgenutzt. Um sicher zu stellen, dass es sich
tatsächlich um die unvergleichliche Qualität und Wirkung der S. handelt,
haben wir ein eigenes Gütesiegel entwickelt. [...] Dabei werden folgende
Qualitätsmerkmale garantiert:
1. Wirksamkeitsdauer mindestens 10 Jahre
2. Beseitigung von mehr als 1 Mio. Keimen pro Stunde.
3. Einsatz eines durch St. [= Klägerin] betreuten
QualitätsSicherungs-Systems.
Jedes Partnerunternehmen, das S. bei der Produktion einsetzt und die
genannten Kriterien erfüllt, darf dieses Gütesiegel verwenden."
5 In dem oben genannten technischen Merkblatt der Klägerin heißt es un-
ter anderem:
"[...] Beispielsrechnung
[.] Diese Berechnungen zeigen, dass die Masse auch innerhalb von Jahrzehnten
bei maximal denkbarer Ionenabgabe kaum reduziert wird. Umgekehrt bleiben
genügend weitere Atome übrig, um weitere Jahrzehnte Ionen zu bilden und die
Funktion der antibakteriellen Wirkung zu erfüllen.
Weitere Einflüsse auf die Wirkungsdauer
1. Verteilung der S.im Prüfkörper
[...] Das bedeutet, dass an der für die Hygienebetrachtung relevanten
Oberfläche des Körpers immer ausreichend Ionen vorhanden sein werden.
2. Ausfällen der Partikel aus dem Träger
[...] S. sind komplex konstruierte Moleküle, die die Nanomaterialien in
Partikel deutlich größeren Volumens binden und so die Wanderung der Additive
im Träger vollständig vermeiden. Dadurch ist eine Verfügbarkeit der
lonenbildung über viele Jahre gewährleistet. [...]"
6 Die Beklagte nahm im Jahr 2008 nur 10 kg des Additivs
ab, im Jahr 2009 nur 30 kg und im Jahr 2010 nur 40 kg. Seit dem Jahr 2011
stellte sie die Abnahme gänzlich ein. Sie beruft sich darauf, das
von der Klägerin gelieferte Additiv erfülle nicht die vertraglich
vereinbarten Anforderungen, so dass sie den Verkauf der von ihr im Jahr 2009
unter Verwendung dieses Additivs hergestellten Farbe "SA. " habe einstellen
müssen. Das Additiv der Beklagten habe - vor allem in trockenen
Räumen - keine antimikrobielle Langzeitwirksamkeit, sondern wirke
ausweislich eines von der Klägerin durchgeführten Labortests lediglich 18
Stunden lang und weise auch nach Labortests, die von der Beklagten in
Auftrag gegeben worden seien, weder eine antimikrobielle Langzeitwirkung
noch eine effektivere Abtötung von Mikrobakterien als durch
marktherkömmliche Additive auf. Ein von der Beklagten mit Hilfe eines
Krankenhausbetreibers durchgeführter Praxistest habe bestätigt, dass eine
mit den Additiven der Klägerin versehene Farbe keine effektivere Wirkung bei
der Eliminierung von Krankenhauskeimen aufweise als herkömmliche
LatexWandfarbe ohne jegliche Zusatzstoffe.
7 Die Klägerin verlangte mit Rechnung vom 22. Dezember 2011 von der
Beklagten die Zahlung von 516.000 € netto für die in dem oben genannten
Zeitraum 2008-2011 - unstreitig - nicht abgenommenen Mindestmengen des
Additivs, insgesamt 1.220 kg. Die Beklagte lehnte die Zahlung mit Schreiben
vom 9. Januar 2012 ab.
8 Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten
für die vorbezeichneten nicht abgenommenen Mindestmengen des Additivs die
Zahlung eines - der Höhe nach unstreitigen - Betrages von 508.130 € brutto,
Zug um Zug gegen die Lieferung von 1.220 kg des Additivs, nebst Zinsen sowie
die Feststellung des Annahmeverzugs. Das Landgericht hat zunächst
die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage beschlossen, ob
das streitgegenständliche Additiv bei Mischung mit der im Vertrag genannten
Farbe der Beklagten eine Innenraumfarbe mit antibakterieller Langzeitwirkung
für hygienisch sehr anspruchsvolle Anwendungsbereiche bilde. Es hat sodann
den Beweisbeschluss aufgehoben und der Klage - bis auf einen geringfügigen
Teil der Zinsforderung - stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der
Beklagten hat das Kammergericht zurückgewiesen. Mit der vom Senat
zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren
weiter.
Entscheidungsgründe:
9 Die Revision hat Erfolg.
I.
10 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für
das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:
11 Die Klage sei aus § 433 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Ziffer 9 und Anlage
E des Vertrags der Parteien begründet. Die Verpflichtung der Beklagten zur
Bezahlung und Abnahme der im Vertrag vorgesehenen Mindestmengen bestehe für
den hier streitgegenständlichen Zeitraum von Oktober 2008 bis einschließlich
des Jahres 2011 fort. Der Vertrag habe sich mangels Kündigung jedenfalls bis
2012 verlängert. Aus den vorliegenden Unterlagen könne am ehesten in dem
Schreiben der Beklagten vom 9. Januar 2012 die schlüssig erklärte
Vertragskündigung entnommen werden. Für den Zeitraum davor sei weder eine
Rücktrittserklärung der Beklagten noch eine auch nur schlüssig erklärte
einvernehmliche Vertragsaufhebung ersichtlich.
12 Die Mindestabnahme sei weder aus im Vertrag selbst angelegten Gründen
noch wegen der Umstände bei Vertragsschluss ausgeschlossen. Die im Vertrag
enthaltenen Sanktionen für den Fall einer Unterschreitung der vereinbarten
Mindestabnahmemenge - Erlöschen des Alleinvertriebsrechts bei einer
Unterschreitung von mehr als fünf Prozent und Kündigungsrecht bei einer
Unterschreitung von mehr als zehn Prozent - zeigten die wesentliche
Bedeutung der Abnahmeverpflichtung. Sinn und Zweck einer derartigen Sanktion
könne es nicht sein, zugleich eine Resterfüllung der Abnahmeverpflichtung
aufzuheben.
13 Nach §§ 133, 157 BGB könne auch nicht angenommen werden, dass die
Abnahmeverpflichtung einen Erfolg des Vertrags voraussetze, vielmehr sei die
Abnahmepflicht allein zeitbezogen. Ihr Äquivalent sei nicht eine
erfolgreiche Vertragsdurchführung, sondern das Alleinvertriebs- und
Gewinnrecht der Beklagten an dem aus der eigenen Farbe und den Additiven der
Klägerin zusammengefügten Produkt. Die Abnahmepflicht hätte demnach zwar
entfallen können, wenn es gar nicht zu einem im Ansatz marktfähigen Produkt
gekommen wäre. Das sei aber nicht der Fall. Die Beklagte sei jedenfalls
2009/2010 mit der Farbe "SA. " am Markt aufgetreten.
14 Die Beklagte könne ihrer vertraglichen Kaufpreisverpflichtung auch nicht
Pflichtverletzungen der Klägerin entgegenhalten, die für sie eine Erfüllung
der Mindestabnahmeverpflichtung unzumutbar machten. Weder eine
Wirkungslosigkeit des Additivs noch ein Unterlassen von notwendigen
Mitwirkungshandlungen der Klägerin könne festgestellt werden. Das Additiv
habe jedenfalls zur Herstellung eines verkaufsfähigen Produkts verwendet
werden können. Auch sei das Additiv, wie sich aus dem von der Klägerin
vorgelegte Bestimmungsgutachten des Instituts G. ergebe, weder für sich noch
in der Innenfarbe "SA. " antimikrobiell wirkungslos. Die Beklagte habe nicht
deutlich gemacht, welche Prüfgesichtspunkte, Prüfungsmethoden oder
Prüfungsbewertungen diesem Ergebnis entgegenstehen sollten. Sie konzentriere
sich vielmehr auf die Behauptung, das Additiv habe in Verbindung mit der
Innenfarbe in der Anwendung keine langfristige, langjährige antibakterielle
Wirkung, jedenfalls sei diese von der Klägerin nicht nachgewiesen.
15 Es könne offen bleiben, ob dies zutreffe. Eine Beweisaufnahme zu dieser
Frage sei auch abseits der von der Beklagten bereits nicht geklärten
Problematik, was eigentlich "langfristig" beziehungsweise "langjährig"
bedeuten solle, nicht veranlasst. Denn die von der Beklagten vermisste
langfristige, langjährige Wirkung sei nicht Gegenstand des schriftlichen
Vertrags der Parteien. Sie könne deshalb kein Maßstab für die Beurteilung
einer bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit der bei Mindestabnahme zu liefernden
Additive sein. In dem schriftlichen Vertrag einschließlich der Anlagen sei
von dem jetzt von der Beklagten als entscheidend angeführten Langzeitfaktor
in einer auch nur ansatzweise bestimmten Art nicht die Rede. Aus dem Vertrag
heraus erweise sich auch aus dieser Sicht die Annahme des Landgerichts als
richtig, dass die Beklagte das Entwicklungsrisiko zu tragen habe.
16 In Übereinstimmung mit dem Landgericht könne auch nicht festgestellt
werden, dass die Klägerin sonstigen eigenen Vertragspflichten, insbesondere
Mitwirkungshandlungen, nicht nachgekommen sei. Schon wegen der exakten
Zeitbestimmungen bei den Abnahmeverpflichtungen sei ein Zusammenhang mit den
übrigen Vorstellungen der Parteien über den Ablauf der Vertragsbeziehung
nicht herzustellen.
17 Durchgreifende Gegenrechte der Beklagten gegen die Zahlungspflicht und
Abnahmeverpflichtung könnten auch dann nicht festgestellt werden, wenn
zugunsten der Beklagten unterstellt werde, dass der Produktprospekt und das
technische Merkblatt der Klägerin über den Vertragswortlaut hinaus
Vertragsbestandteil geworden seien. Denn die Wirkungsbeschreibung des
Prospekts sei im Ganzen nur als eine werbende Anpreisung in zeitlich ganz
unbestimmter Form aufzufassen. Erst bei dem im Prospekt genannten Gütesiegel
werde es hinsichtlich der Tatsachen konkreter, indem eine Wirksamkeitsdauer
von mindestens zehn Jahren und die Beseitigung von mehr als einer Million
Keimen pro Stunde aufgeführt werde. Dieses Siegel setze nach dem Text jedoch
unmissverständlich voraus, dass die genannten konkreten Kriterien bei dem
Hersteller des Endprodukts erfüllt würden. Langzeitwirkung und
Keimbeseitigung hingen also letztlich von der Zusammensetzung dort ab und
würden damit gerade nicht unabhängig vom Endprodukt bereits im Bereich des
Einsatzstoffs der Klägerin als eine quasi von vornherein und immer
bestehende unverlierbare Eigenheit garantiert. Eine Verwendung des Siegels
sei im Übrigen nicht vereinbart.
18 Dem technischen Merkblatt der Klägerin könne eine verbindliche
Beschreibung einer generellen Langzeitwirkung nach Verarbeitung ebenfalls
nicht entnommen werden. Es handele sich vielmehr bei den darin
enthaltenen Angaben zur antibakteriellen Wirkung lediglich um eine
unverbindliche Werbeanpreisung.
II.
19 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in wesentlichen Punkten
nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können der
von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch auf Zahlung
des Kaufpreises von 508.130 € (§ 433 Abs. 2 BGB) nebst Zinsen, Zug um Zug
gegen die Lieferung der in den Jahren 2008 bis 2011 nicht abgenommenen
Mindestmengen von insgesamt 1.220 kg des streitgegenständlichen Additivs,
sowie der Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten nicht
bejaht werden. Das Berufungsgericht hat - wie auch das Landgericht - bereits
im Ausgangspunkt rechtsfehlerhaft angenommen, die Beklagte könne dem
Kaufpreisanspruch der Klägerin schon deshalb nicht die von ihr behauptete
Mangelhaftigkeit des Additivs entgegenhalten, weil das Additiv in der
Farbmischung jedenfalls nicht gänzlich wirkungslos und eine langjährige
antimikro-bielle Wirkung der Farbmischung nicht Gegenstand des schriftlichen
Vertrags der Parteien sei, sondern vielmehr allein die Beklagte das Risiko
einer solchen Wirkung zu tragen habe.
20 Hierdurch hat sich das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft den
Blick dafür verschlossen, dass die von den Parteien nach dem Vertrag
vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) des Additivs
gerade darin bestand, durch dessen Beimischung in eine besonders beständige
Farbe der Beklagten dauerhaft, jedenfalls aber langjährig eine
antimikrobielle Wirkung für hygienisch sehr anspruchsvolle
Anwendungsbereiche zu entfalten. Da das Additiv nach dem
revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrag der Beklagten diesen
Anforderungen nicht entspricht, hätte das Berufungsgericht, wie die Revision
mit Recht rügt, vor einer Entscheidung über die Klageansprüche zunächst
Beweis hierüber - insbesondere durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens - erheben müssen.
21 1. Ohne Rechtsfehler und von den Parteien im Revisionsverfahren insoweit
auch nicht angegriffen hat das Berufungsgericht allerdings den von der
Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruch nach den gesetzlichen
Bestimmungen über den Kaufvertrag (§§ 433 ff. BGB) beurteilt.
22 Bei dem Vertrag der Parteien handelt es sich, wovon auch das
Berufungsgericht - unausgesprochen - ausgegangen ist, ungeachtet der von den
Parteien gewählten Bezeichnung als "Kooperationsvertrag" um einen
(einheitlichen) Kaufvertrag gemäß § 433 BGB in Gestalt eines sogenannten
(echten) Sukzessivlieferungsvertrags (vgl. hierzu Senatsurteile vom
1. Dezember 1971 - VIII ZR 143/70, NJW 1972, 246 unter II 2; vom 6. Oktober
1976 - VIII ZR 66/75, NJW 1977, 35 unter III 1; vom 28. März 1979 - VIII ZR
15/78, WM 1979, 674 unter II 2; vom 26. Oktober 1994 - VIII ZR 150/93,
NJW-RR 1995, 240 unter II 2 b aa (3); Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., vor
§ 311 Rn. 27 ff.; MünchKommBGB/Gaier, 7. Aufl., § 314 Rn. 8) über
das streitgegenständliche Additiv der Klägerin, ergänzt im Wesentlichen um
ein Alleinvertriebsrecht der Beklagten und Nebenpflichten der Parteien bei
der Vermarktung der von der Beklagten unter Verwendung des Additivs
herzustellenden Farbmischung. Gegen diese auf einer insoweit
rechtsfehlerfreien tatrichterlichen Vertragsauslegung (vgl. hierzu
Senatsurteile vom 6. Februar 1985 - VIII ZR 15/84, NJW 1986, 124 unter 2;
vom 12. Juli 1995 - VIII ZR 219/94, NJW-RR 1995, 1327 unter III 1 mwN
[jeweils zum Sukzessivlieferungsvertrag]) beruhende rechtliche Einordnung
des Vertrags wenden sich die Parteien im Revisionsverfahren nicht.
23 Durch einen solchen Sukzessivlieferungsvertrag werden unmittelbar
Ansprüche auf Lieferung der abzunehmenden Teilmengen und auf deren Bezahlung
begründet (Senatsurteil vom 4. Dezember 1996 - VIII ZR 360/95, NJW
1997, 933 unter II A 2 a). Die Klägerin musste daher nicht zunächst
auf den Abschluss von Kaufverträgen über die jeweils quartalsweise
vereinbarte Mindestmenge klagen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 12.
Juli 1995 - VIII ZR 219/94, aaO unter III 3), sondern konnte die
Beklagte unmittelbar auf Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Lieferung
der nicht abgenommenen Mindestmengen des Additivs in Anspruch nehmen. Sowohl
die der Klage zugrunde liegende Berechnung dieser Mindestmengen als auch die
Berechnung des hierfür zu zahlenden Preises sind nach den von der Revision
insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts zwischen
den Parteien unstreitig.
24 2. Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft verkannt, dass nach
dem - revisionsrechtlich mangels näherer Feststellungen des
Berufungsgerichts zu unterstellenden - Sachvortrag der Beklagten das Additiv
der Klägerin für die von den Parteien vertraglich vorausgesetzte Verwendung
nicht geeignet und deshalb gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB mangelhaft
ist, weshalb die Beklagte weitere Mengen dieses Additivs nicht abnehmen und
bezahlen musste (§ 320 Abs. 1 Satz 1, § 273 Abs. 1 BGB) und dementsprechend
auch nicht in Annahmeverzug geraten ist (§ 293 BGB). Die Revision rügt mit
Recht, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen zur antimikrobiellen
Wirksamkeit des Additivs, insbesondere zu einer dauerhaften, zumindest aber
langjährigen anti-mikrobiellen Wirkung der unter Beimischung des Additivs
hergestellten Farbe getroffen und insbesondere nicht den hierzu beantragten
Sachverständigenbeweis erhoben hat.
25 a) Es kann dahinstehen, ob die Parteien hinsichtlich der
vorbezeichneten Wirkung des Additivs eine Beschaffenheitsvereinbarung nach §
434 Abs. 1 Satz 1 BGB getroffen haben, was das Berufungsgericht nicht
geprüft hat und woran strenge Anforderungen zu stellen sind, da nach neuem
Schuldrecht eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht mehr "im Zweifel",
sondern nur noch in eindeutigen Fällen in Betracht kommt (vgl. nur
Senatsurteile vom 15. Juni 2016 - VIII ZR 134/15, NJW 2016, 2874 Rn. 16; vom
27. September 2017 - VIII ZR 271/16, ZIP 2017, 2153 Rn. 18; vom 18. Oktober
2017 - VIII ZR 32/16, juris Rn. 16; jeweils mwN). Eine solche
Beschaffenheitsvereinbarung macht auch die Revision nicht geltend.
Sie rügt vielmehr, das Berufungsgericht habe verkannt, dass es sich bei den
oben wiedergegebenen Angaben in dem Produktprospekt der Klägerin, namentlich
bei der dauerhaften, jedenfalls aber langjährigen anti-mikrobiellen Wirkung,
um Eigenschaften handele, die gemäß § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB zu der
Beschaffenheit der Sache nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB gehörten
(vgl. hierzu Senatsurteil vom 27. September 2017 - VIII ZR
271/16, aaO Rn. 24).
26 b) Das von der Klägerin zu liefernde Additiv ist unabhängig
hiervon aber bereits deshalb nicht frei von Sachmängeln, weil die Parteien
gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB (vgl. hierzu im Einzelnen
Senatsurteil vom 26. April 2017 - VIII ZR 80/16,
NJW 2017, 2817 Rn. 16 mwN) vertraglich eine Verwendung in der
Weise vorausgesetzt haben, dass das Additiv zu einer Farbe der Beklagten
hinzugefügt und die so entstandene Mischung in hygienisch sehr
anspruchsvollen Anwendungsbereichen, insbesondere als Wandanstrich in
entsprechenden Räumen, mit einer dauerhaften, zumindest aber langjährigen
antimikrobiellen Wirkung verwendet werden sollte, das Additiv diese
Anforderung jedoch nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden
Sachvortag der Beklagten nicht erfüllt. Dieser Sachvortrag der
Beklagten ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch ausreichend
substantiiert. Eine Partei genügt bei einem von ihr - wie hier - zur
Rechtsverteidigung gehaltenen Sachvortrag ihren Substantiierungspflichten,
wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet
sind, das von der anderen Seite geltend gemachte Recht als nicht bestehend
erscheinen zu lassen (vgl. hierzu im Einzelnen Senatsbeschluss vom 21.
Oktober 2014 - VIII ZR 34/14, NZM 2015, 492 Rn. 20 f. mwN). Diesen
Anforderungen genügt das Vorbringen der Beklagten ohne jeden Zweifel.
27 aa) Allerdings kann die Auslegung einer Individualvereinbarung - wie hier
des Vertrags der Parteien einschließlich des diesem zugrunde liegenden
Produktprospekts und des technischen Merkblatts - durch den Tatrichter vom
Revisionsgericht nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob
gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder
allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff
außer Acht gelassen worden ist oder die Auslegung auf mit der Revision
gerügten Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; Senatsurteile vom 3. Dezember
2014 - VIII ZR 224/13, NZM 2015, 79 Rn. 37 mwN; vom 10. Juni 2015 - VIII ZR
99/14, NJW 2015, 2324 Rn. 13; vom 13. April 2016 - VIII ZR 198/15, NZM 2016,
673 Rn. 16 mwN; vom 12. Oktober 2016 - VIII ZR 55/15, BGHZ 212, 248 Rn. 35).
Derartige Rechtsfehler fallen dem Berufungsgericht hier jedoch zur Last.
28 bb) Das Berufungsgericht hat weder den Inhalt der zwischen den Parteien
getroffenen Vereinbarung vollständig ausgeschöpft noch alle Umstände des
Streitfalls berücksichtigt. Zudem hat es den Grundsatz einer nach beiden
Seiten hin interessengerechten Auslegung verletzt.
29 (1) Bei der Auslegung der Vereinbarung der Parteien ist das
Berufungsgericht zwar im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass
nach den anerkannten Grundsätzen für die Auslegung einer
Individualvereinbarung der Wortlaut der Vereinbarung den Ausgangspunkt einer
nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmenden Auslegung bildet, gleichzeitig hierbei
aber auch gilt, dass ein übereinstimmender Parteiwille dem Wortlaut und
jeder anderen Interpretation vorgeht, selbst wenn er im Inhalt der Erklärung
keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (vgl.
nur Senatsbeschluss vom 11. November 2014 - VIII ZR 302/13, NJW 2015, 409
Rn. 11 mwN). Insoweit hat das Berufungsgericht noch zutreffend zum Zwecke
der Ermittlung des übereinstimmenden Parteiwillens neben dem schriftlichen
Vertrag auch den Produktprospekt und das technische Merkblatt der Klägerin
herangezogen.
30 Es hat jedoch bei der Würdigung sämtlicher vorbezeichneter Schriftstücke
deren Inhalt nicht vollständig ausgeschöpft. Zudem hat das Berufungsgericht
bei dieser Würdigung die weiteren anerkannten Auslegungsgrundsätze verletzt,
dass bei der Auslegung zusätzlich auch die Gesamtumstände (siehe nur BGH,
Beschluss vom 30. April 2014 - XII ZR 124/12, juris Rn. 17; Urteil vom 13.
April 2016 - VIII ZR 198/15, aaO Rn. 21 mwN) und der mit der Vereinbarung
verfolgte Zweck (vgl. Senatsurteil vom 13. April 2016 - VIII ZR 198/15, aaO)
zu berücksichtigen sind und eine nach beiden Seiten hin interessengerechte
Auslegung vorzunehmen ist (vgl. nur BGH, Urteile vom 22. Februar 2012 - VIII
ZR 34/11, WM 2012, 2061 Rn. 25; vom 13. April 2016 - VIII ZR 198/15, aaO Rn.
22; vom 7. März 2017 - EnZR 56/15, juris Rn. 17; jeweils mwN).
31 Damit ist der Senat an das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts nicht
gebunden und kann, da weitere tatsächliche Feststellungen insoweit nicht zu
erwarten sind, die Auslegung selbst vornehmen (vgl. Senatsurteile vom 22.
Februar 2012 - VIII ZR 34/11, aaO; vom 13. April 2016 - VIII ZR 198/15,
aaO).
32 (2) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts spricht bereits
der Wortlaut des Vertrags dafür, dass die vertraglich vorausgesetzte
Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) sich nicht - wie das
Berufungsgericht rechtsirrig angenommen hat - darauf beschränkt, dass das
Additiv für sich genommen und in der Farbe der Beklagten antimikrobiell
nicht gänzlich wirkungslos ist, sondern vielmehr darin besteht, eine
dauerhafte, zumindest aber langjährige antimikrobielle Wirkung in der Farbe
der Beklagten zu erzielen. Die in der Beschreibung des
Vertragsgegenstands (Ziffer 1.1) enthaltene Angabe, wonach auf der Basis
einer "besonders beständigen" Innenraumfarbe der Beklagten in Kombination
mit "antimikrobiell wirkenden" Additiven der Klägerin, die "diese
Eigenschaften auch nach der Verarbeitung des Werkstoffes in definierter
Weise behalten", "eine antimikrobiell wirksame Farbe für hygienisch sehr
anspruchsvolle Anwendungsbereiche" entwickelt, produziert und vertrieben
werden soll, kann - auch ohne eine konkrete Zeitangabe - nicht
anders als dahin verstanden werden, dass eine an der normalen Lebensdauer
eines mit einer solchen Innenraumfarbe durchgeführten Wandanstrichs
ausgerichtete - mithin eine zumindest langjährige - antimikrobielle
Wirkungsdauer erzielt werden sollte
33 (3) Diese vertraglich vorausgesetzte Verwendung wird durch die im
Rahmen der Auslegung des Vertrags zu berücksichtigenden Gesamtumstände
bekräftigt, namentlich durch den Inhalt des Produktprospekts und des
technischen Merkblatts der Klägerin. Entgegen der von der
Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen
Auffassung wären diese Unterlagen selbst dann zu berücksichtigen, wenn sie -
wie die Revisionserwiderung meint - nicht Vertragsgegenstand geworden sein
sollten. Denn im Rahmen des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB sind nicht
nur der Vertragsinhalt, sondern alle Umstände zu berücksichtigen, die eine
mögliche nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung erhellen können.
34 In beiden vorbezeichneten Unterlagen, die die Klägerin der Beklagten vor
Abschluss des Vertrags unstreitig übergeben hatte, wird die auch nach
Einbringung des Additivs in ein Materialgemisch über viele Jahre hinweg
beziehungsweise sogar dauerhaft vorhandene antimikrobielle Wirkung
hervorgehoben. Bei diesen Angaben, die Teil einer detaillierten Beschreibung
der Wirkungsweise der Additive der Klägerin sind, handelt es sich entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts nicht lediglich um werbende
Anpreisungen in unverbindlicher Form (vgl. hierzu Senatsurteile vom 25. Mai
1983 - VIII ZR 55/82, BGHZ 87, 302, 305 f.; vom 13. Juni 2007 - VIII ZR
236/06, NJW 2007, 3057 Rn. 17), sondern um Tatsachenangaben, auf die die
Beklagte als Käuferin - unabhängig davon, ob die Parteien die Verwendung des
in dem Produktprospekt der Klägerin zusätzlich genannten Gütesiegels
vereinbart haben - vertrauen durfte und die bei objektiver Betrachtung in
den übereinstimmenden Vertragswillen der Parteien in Gestalt der von ihnen
vertraglich vorausgesetzten Verwendung eingeflossen sind.
35 (4) Die diese Gesichtspunkte außer Acht lassende Deutung des
Berufungsgerichts verstößt gegen den Grundsatz der nach beiden Seiten hin
interessengerechten Auslegung. Das Berufungsgericht hat mit der Annahme, die
Verpflichtung der Beklagten zur Abnahme der im Vertrag vereinbarten
Mindestmengen sei allein zeitbezogen und hänge von keinen weiteren
Voraussetzungen ab, sofern nur das Additiv nicht völlig wirkungslos sei und
mit diesem Additiv ein im Ansatz marktfähiges Produkt habe hergestellt
werden können, einseitig nur die Interessenlage der Klägerin berücksichtigt,
die Interessenlage der Beklagten hingegen aus dem Blick verloren. Denn bei
objektiver Betrachtung ist kein vernünftiger Grund dafür zu erkennen, warum
die Beklagte sich zur Abnahme einer nicht unbeträchtlichen Mindestmenge des
streitgegenständlichen Additivs gegen Zahlung eines erheblichen Geldbetrags
unabhängig davon verpflichtet haben sollte, ob dieses Additiv bei
Vermischung mit einer Innenraumfarbe über einen längeren Zeitraum und nicht
nur - wie nach der Behauptung der Beklagten der Fall - kurzzeitig eine
antimikrobielle Wirkung hat.
36 Eine solche, von den Vorinstanzen rechtsfehlerhaft angenommene alleinige
Risikotragung der Beklagten kann entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts auch nicht mit dem Argument als interessengerecht
angesehen werden, das Äquivalent für die Mindestabnahmeverpflichtung der
Beklagten sei die Übertragung des Alleinvertriebsrechts und nicht der Erfolg
des Vertrags.
Zwar hat der Senat in einer älteren Entscheidung zu einem
HändlerVertriebsvertrag im Zusammenhang mit der Bestimmung des Vertragstyps
ausgeführt, bei händlervertragstypischer Auslegung stelle die Übernahme
einer Mindestbezugsverpflichtung in der Regel die Gegenleistung des Händlers
für das ihm vom Hersteller übertragene Alleinvertriebsrecht dar
(Senatsurteil vom 12. Juli 1995 - VIII ZR 219/94, aaO unter III 2 mwN).
Diese Überlegungen lassen sich auf die hier vorliegende Fallgestaltung
jedoch schon deshalb nicht übertragen, weil es sich bei dem Vertrag der
Parteien nicht um einen Händlervertrag handelt und die Beklagte aus dem
gelieferten Additiv zunächst selbst ein Produkt herstellen muss, dessen
Wirkungsweise und wirtschaftlichen Erfolg sie bei Vertragsabschluss mit der
Klägerin noch nicht sicher beurteilen konnte. Das der Beklagten übertragene
Alleinvertriebsrecht ist wertlos, wenn - wie hier zu unterstellen ist - das
von der Klägerin gelieferte Produkt nicht die vereinbarte Wirksamkeit
entfaltet.
37 cc) Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Vortrag der
Beklagten eignet sich das Additiv, dessen Abnahme und Bezahlung die Klägerin
von ihr verlangt, nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung,
in einer Innenraumfarbe der Beklagten eine dauerhafte, zumindest aber
langjährige antimikrobielle Wirkung zu erzeugen. Nach dem Vortrag der
Beklagten entfaltet das Additiv der Beklagten vielmehr - vor allem in
trockenen Räumen -keine antimikrobielle Langzeitwirksamkeit, sondern wirkt
lediglich 18 Stunden lang und bewirkt auch nicht eine effektivere Abtötung
von Mikrobakterien als durch marktherkömmliche Additive, vielmehr hat eine
mit den Additiven der Klägerin versehene Farbe nach der Darstellung der
Beklagten keine effektivere Wirkung bei der Eliminierung von
Krankenhauskeimen als eine herkömmliche Latex-Wandfarbe ohne jegliche
Zusatzstoffe.
38 Das Berufungsgericht hätte deshalb Beweis, insbesondere durch Einholung
des von der Klägerin angebotenen Sachverständigengutachtens, über die im
Streit stehende Frage erheben müssen, ob das Additiv sich für die oben
genannte nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Dies wird
nachzuholen sein. Dabei wird das Berufungsgericht auch zu berücksichtigen
haben, dass die Eignung einer Sache für eine bestimmte - nach dem Vertrag
vorausgesetzte - Verwendung nicht erst dann zu verneinen ist, wenn die
Tauglichkeit der Kaufsache zu diesem Gebrauch ganz aufgehoben ist, sondern
bereits dann, wenn sie lediglich gemindert ist (Senatsurteil vom 26. April
2017 - VIII ZR 80/16, aaO Rn. 16, 18 mwN).
39 c) Bei Vorliegen des - hier zu unterstellenden - Sachmangels nach
§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB muss die Beklagte die mit der Klage geltend
gemachte Restmenge des Additivs (derzeit) weder abnehmen noch bezahlen (§
433 Abs. 2 BGB).
40 aa) Dabei kann dahinstehen, ob dies bereits daraus folgt, dass die
Beklagte, wie die Revision - anders als die Beklagte noch in den
Tatsacheninstanzen - geltend macht, mit ihrem Schreiben vom 9. Januar 2012,
spätestens aber mit der Klageerwiderung konkludent wegen des Sachmangels den
Rücktritt vom Vertrag erklärt hätte. Das Berufungsgericht hat hierzu - mit
Ausnahme der Bemerkung, aus den vorliegenden Unterlagen könne "ehestens" dem
vorstehend genannten Schreiben der Beklagten "die schlüssig erklärte
Vertragskündigung" entnommen werden - keine Feststellungen getroffen. Ebenso
hat es, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, Feststellungen dazu
für entbehrlich gehalten, ob die Beklagte der Klägerin vor einer möglichen
Erklärung des Rücktritts (erfolglos) eine nach § 437 Nr. 2, § 323 Abs. 1 BGB
grundsätzlich erforderliche Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat oder ob
hierauf ausnahmsweise nach den Bestimmungen in § 323 Abs. 2 und § 440 BGB
verzichtet werden durfte (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2016 - VIII ZR
240/15, NJW 2017, 153 Rn. 17). In diesem Zusammenhang hatte das
Berufungsgericht - das schon keine Feststellungen zum Vorliegen des oben
genannten Sachmangels getroffen hat - bisher auch keinen Anlass zu prüfen,
ob es sich gegebenenfalls um einen nicht behebbaren Mangel handelt
und es deshalb eines Nacherfüllungsverlangens nicht bedurfte (vgl.
Senatsurteil vom 15. Juni 2016 - VIII ZR 134/15, aaO Rn. 19).
41 bb) Da das Additiv, dessen Abnahme und Bezahlung die Klägerin erstrebt,
nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt im Hinblick auf
die im Vertrag vorgesehene Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) nicht
frei von Sachmängeln ist (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB), ist die Beklagte
gemäß § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB berechtigt, den vereinbarten Kaufpreis
insgesamt bis zur mangelfreien Lieferung einzubehalten und die Abnahme des
mangelhaften Additivs (§ 433 Abs. 2 BGB) gemäß § 273 Abs. 1 BGB zu
verweigern.
42 (1) Nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB kann im Rahmen eines - hier
vorliegenden - gegenseitigen Vertrags jede Vertragspartei, sofern sie nicht
zur Vorleistung verpflichtet ist, die ihr obliegende Leistung bis zur
Bewirkung der Gegenleistung verweigern. Dieses Leistungsverweigerungsrecht,
das die Beklagte, wie den Feststellungen des Berufungsgerichts zu entnehmen
ist, zumindest stillschweigend geltend gemacht hat, indem sie unter Berufung
auf die Mangelhaftigkeit des Additivs die Abnahme weiterer Lieferungen
abgelehnt hat, besteht bis zur Lieferung eines mangelfreien Additivs und
erfasst die gesamte Forderung (vgl.
Senatsurteil vom 26. Oktober 2016 - VIII ZR 211/15, NJW 2017, 1100 Rn.
17).
43 Nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB ist die Klägerin verpflichtet, die
Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Zahlung des
vereinbarten Kaufpreises für die vereinbarten, von der Beklagten noch nicht
abgenommenen Mindestmengen kann die Klägerin mithin nur Zug um Zug gegen
Übergabe und Übereignung des Additivs in einem mangelfreien Zustand
verlangen (vgl. Senatsurteil vom 26.
Oktober 2016 - VIII ZR 211/15, aaO Rn. 18). Das im Vertrag der Parteien
genannte und von der Klägerin zur Lieferung angebotene Additiv ist jedoch
nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt nicht
mangelfrei. Da das Berufungsgericht bisher - von seinem Rechtsstandpunkt aus
folgerichtig - keine Feststellungen zur Behebbarkeit des Mangels getroffen
hat, ist für das Revisionsverfahren davon auszugehen, dass der Klägerin eine
Erfüllung des Kaufvertrags jedoch weiterhin möglich ist.
44 (2) Die Beklagte ist im Rahmen des von ihr geltend gemachten
Leistungsverweigerungsrechts auch berechtigt, gemäß § 273 Abs. 1 BGB die von
der Klägerin geforderte Abnahme der von ihr angebotenen (weiteren)
Mindestmengen des Additivs wegen dessen Mangelhaftigkeit zu verweigern (vgl.
hierzu im Einzelnen Senatsurteil vom 26. Oktober
2016 - VIII ZR 211/15, aaO Rn. 29 ff.).
III.
45 Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben;
es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife
Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei macht der Senat von der
Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
|