Keine Abnahmeverpflichtung des Käufers bei
unerheblich mangelhafter Sache
BGH, Urteil vom 26. Oktober 2016 -
VIII ZR 211/15 - LG Ravensburg
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Im Hinblick auf die
Verpflichtung des Verkäufers zur Verschaffung einer von Sach- und
Rechtsmängeln freien Sache (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB) ist der Käufer bei
behebbaren Mängeln, auch wenn sie geringfügig sind, grundsätzlich
berechtigt, gemäß § 320 Abs. 1 BGB die Zahlung des (vollständigen)
Kaufpreises und gemäß § 273 Abs. 1 BGB die Abnahme der gekauften Sache bis
zur Beseitigung des Mangels zu verweigern, soweit sich nicht aus besonderen
Umständen ergibt, dass das Zurückbehaltungsrecht in einer gegen Treu und
Glauben (§ 242 BGB) verstoßenden Weise ausgeübt wird.
Zentrale Probleme:
Der BGH entscheidet eine bislang (s. die Anm. zu
BGH NJW 2013, 1365) offen gelassene Frage, ob
der Käufer auch bei unerheblichen Mängeln die Annahme der Kaufsache
verweigern darf. Dahinter steht folgendes Problem (s. dazu eingehend S.
Lorenz NJW 2013, 1341): Hat eine Kaufsache einen unerheblichen Mangel
(zum Maßstab s. zuletzt BGHZ 201, 290 m.w.N.),
so ist das Rücktrittsrecht gem. §§ 437 Nr. 2, 323 V 2 BGB ausgeschlossen
(bei einem unbehebbaren Mangel über § 326 V BGB). Wie ist es aber, wenn der
Käufer die Sache noch gar nicht angenommen hat? Da eine mangelhafte Leistung
bei einem - wie hier - behebbaren Mangel eine Teilleistung darstellt, ergibt
sich bereits aus § 266 BGB, dass der Käufer nicht zur Annahme verpflichtet
ist und demzufolge nach § 320 BGB den gesamten Kaufpreis zurückbehalten
kann. Das Argument, dass der Käufer, hätte er die Sache angenommen, nicht
zurücktreten könnte, verfängt dabei nicht, denn andernfalls hätte er keine
effektive Möglichkeit, den Verkäufer zu der geschuldeten mangelfreien
Leistung anzuhalten: Der Verkäufer könnte immer geringfügig mangelhafte
Sachen liefern und würde nur Minderung (s. § 441 I 2 BGB) und "kleinen"
Schadensersatz (s. § 281 I 3 BGB) riskieren (zwar wäre er zur Nacherfüllung
verpflichtet, aber wenn er diese unterlässt, könnte der Käufer nicht
zurücktreten). Der Senat stützt dieses Ergebnis auf ein
Zurückbehaltungsrecht der geschuldeten Abnahmeverpflichtung (§ 433 II BGB)
aus § 273 I BGB, was im Ergebnis nichts ändert. Anders wäre das übrigens bei
einem unbehebbaren Mangel zu beurteilen, weil es hier wegen § 275 I BGB
keinen durchsetzbaren Anspruch auf mangelfreie Leistung gibt und damit die
Voraussetzungen des § 266 BGB nicht vorliegen. Der Verkäufer böte in einem
solchen Fall keine Teilleistung, sondern die ganze (noch) geschuldete
Leistung an. S. dazu auch BGH v. 19.11.2021 - V ZR
104/20 .
©sl 2016
Tatbestand:
1 Die Klägerin, die mit
Kraftfahrzeugen handelt, veräußerte dem Beklagten aufgrund einer Bestellung
vom 15. Januar 2013 ein Neufahrzeug "Fiat Freemont" zum Preis von 21.450 €.
Die Parteien vereinbarten kostenfreie Lieferung an den Wohnsitz des
Beklagten.
2 Bei Anlieferung am 16. Juli 2013 wies das Fahrzeug an der Fahrertür eine
Lackbeschädigung auf. Im Lieferschein der Spedition ist insoweit vermerkt:
"Kleine Delle Fahrertür, Kosten für Ausbesserung werden von... [der
Klägerin]... übernommen." Noch am gleichen Tag erklärte der Beklagte
telefonisch, dass er das Fahrzeug "zurückweise", und teilte der Klägerin per
Telefax mit:
"Leider ist die kleine Delle, wie im Lieferschein beschrieben, nicht so ganz
klein. Diese verläuft über die Grundierung bis aufs Grundmaterial (Blech)
spitz in ca. 2-3 mm tief hinein. [...] Bis zur endgültigen Klärung des
Sachverhaltes kann ich den Zahlungsauftrag nicht freigeben."
3 Mit Schreiben vom 17. Juli 2013 machte die Klägerin geltend, es handele
sich um einen "Bagatellschaden" und bat um Überweisung des vollständigen
Kaufpreises. Der Beklagte übersandte ihr daraufhin den Kostenvoranschlag
eines Autolackierbetriebes vom 17. Juli 2013, wonach Lackierkosten in Höhe
von 528,30 € entstünden.
4 Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 25. Juli 2013, sie werde bei
Vorlage des Originals der Reparaturrechnung ohne Anerkennung einer
Rechtspflicht maximal 300 € übernehmen. Nachdem der Beklagte sie mit
Anwaltsschreiben vom 26. Juli 2013 unter Fristsetzung bis zum 10. August
2013 aufgefordert hatte, den Lackschaden für ihn kostenfrei zu beheben, ließ
sie das vom Beklagten bisher nicht benutzte Fahrzeug am 6. August 2013
zurückholen.
5 Der Beklagte verlangte mit Anwaltsschreiben vom 11. September 2013, das
Fahrzeug nunmehr unverzüglich auszuliefern. Daraufhin teilte die Klägerin am
12. September 2013 mit, es stehe zur Abholung durch ihn bereit. Am
6. Oktober 2013 lieferte die Klägerin das hinsichtlich des Lackschadens
reparierte Fahrzeug aus. Daraufhin entrichtete der Beklagte den
vollständigen Kaufpreis.
6 Die Klägerin, die unter Berufung auf ein eingeholtes Angebot vom 7. August
2013 behauptet, der Lackschaden sei mit einem Kostenaufwand von 249,90 € zu
beseitigen gewesen, verlangt Verzugszinsen auf den Kaufpreis für die Zeit
vom 25. Juli 2013 bis zum 20. Oktober 2013 (235,65 €), Kostenerstattung für
die Rückholung (167,64 € netto) und die erneute Auslieferung des Fahrzeugs
(350 € brutto) sowie "Standgeld" für die Zeit vom 8. August 2013 bis zum 15.
Oktober 2013 (621 €).
7 Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr
Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
8 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
9 Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung,
im Wesentlichen ausgeführt:
10 Der Klägerin stehe kein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1, 2, §
286 BGB zu. Der Beklagte habe sich weder mit der Abnahme des
Fahrzeugs noch mit der Zahlung des Kaufpreises in Schuldnerverzug befunden.
11 Der Anspruch der Klägerin auf Abnahme des Fahrzeugs und Zahlung des
Kaufpreises sei am 16. Juli 2013 nicht fällig geworden. Der Beklagte sei
berechtigt gewesen, das Fahrzeug zurückzuweisen, weil es - anders als beim
Kauf eines Neuwagens konkludent vereinbart (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) - nicht
unbeschädigt und daher nicht fabrikneu gewesen sei. Dies gelte unabhängig
davon, ob der erforderliche Reparaturaufwand mit 249,90 € oder 528,30 € zu
bemessen sei.
12 Das "Recht des Käufers zur Zurückweisung der Kaufsache"
unterliege keiner Erheblichkeitsschwelle im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2
BGB. Auch bei einem - wie hier - geringfügigen Mangel könne der
Käufer verweigern, die ihm angebotene Ware als Erfüllung anzunehmen,
denn das Angebot einer mangelhaften Leistung sei eine Teilleistung, die er
gemäß § 266 BGB zurückweisen dürfe. Dies gelte auch bei
Unerheblichkeit der Pflichtverletzung des Verkäufers. In einem solchen Fall
seien nur der Rücktritt vom Kaufvertrag (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) und der
Anspruch auf "großen" Schadensersatz ausgeschlossen (§ 281 Abs. 1 Satz 3
BGB), nicht jedoch das hier einschlägige Zurückweisungsund
Abnahmeverweigerungsrecht des Käufers.
13 Dem stehe unter den Umständen des hier gegebenen Einzelfalles nicht der
Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegen. Der Lackschaden
betreffe die vereinbarte Beschaffenheit der Fabrikneuheit. Es handele sich
zudem um eine nicht ganz unerhebliche Beschädigung, selbst wenn diese - wie
die Klägerin vortrage - mit einem Aufwand von nur 249,90 € zu beseitigen
gewesen sei.
II.
14 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist
daher zurückzuweisen.
15 Die geltend gemachten Ansprüche stehen der Klägerin weder unter
dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzuges (§ 280 Abs. 1, 2, § 286 Abs. 1 BGB)
noch - bezüglich der Transportkosten und des "Standgeldes" - des
Annahmeverzuges (§ 304 BGB) zu. Der Beklagte ist mit der Zahlung
des Kaufpreises nicht in Verzug geraten, denn die Klägerin hat dem Beklagten
das Fahrzeug zunächst nicht frei von Sachmängeln verschafft (§ 433 Abs. 1
Satz 2 BGB), und der Beklagte war deshalb gemäß § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB
berechtigt, den vereinbarten Kaufpreis insgesamt bis zur mangelfreien
Lieferung einzubehalten. Die Abnahme des mangelhaften Fahrzeugs (§
433 Abs. 2 BGB) durfte der Beklagte gemäß § 273 Abs. 1 BGB ebenfalls bis zur
Beseitigung des Lackschadens verweigern, weshalb er auch insoweit weder in
Schuldner- noch in Annahmeverzug geraten ist.
16 1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht der Klägerin Verzugszinsen
auf den Kaufpreis für den Zeitraum vom 16. Juli 2013 bis zum 20. Oktober
2013 nicht zuerkannt, denn der Beklagte ist mit der Zahlung des Kaufpreises
nicht in Verzug geraten. Verzug setzt gemäß § 286 Abs. 1 BGB voraus, dass
der Schuldner auf eine fällige und durchsetzbare (also nicht mit einer
Einrede behaftete) Forderung trotz Mahnung nicht leistet. Hieran fehlt es in
dem gesamten streitigen Zeitraum (16. Juli 2013 bis 20. Oktober 2013).
17 a) Bei der ersten (versuchten) Anlieferung des Fahrzeugs am 16.
Juli 2013 bestand ein den Verzug ausschließendes Zurückbehaltungsrecht. Denn
dem Beklagten stand bis zur Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs ein die
gesamte Forderung erfassendes Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 320 Abs. 1
Satz 1 BGB zu (vgl.
Senatsurteil vom 20. Mai 2009 -
VIII ZR 191/07, BGHZ 181, 170 Rn. 19 mwN). Nach dieser
Bestimmung kann im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages jede Vertragspartei,
sofern sie nicht zur Vorleistung verpflichtet ist, die ihr obliegende
Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern. Diese Gegenleistung
ist nicht am 16. Juli 2013, sondern erst am 6. Oktober 2013 bewirkt worden.
18 aa) Nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB war die Klägerin verpflichtet, die Sache
frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen, das heißt, sie hatte das
Fahrzeug dem Beklagten in einem einwandfrei lackierten Zustand zu übergeben,
der aufgrund der vereinbarten Eigenschaft als Neuwagen geschuldet war (vgl.
Senatsurteil vom 6.
Februar 2013 - VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rn. 10).
Zahlung des vereinbarten Kaufpreises konnte die Klägerin mithin nur
Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs in einem solchen -
mangelfreien - Zustand verlangen. Das am 16. Juli 2013
ausgelieferte Fahrzeug war jedoch - was auch die Revision nicht in Abrede
stellt - aufgrund des Lackschadens an der Fahrertür mangelhaft (§ 434 Abs. 1
Satz 1 BGB).
19 bb) Die Erfüllung des Kaufvertrages war der Klägerin weiterhin
(uneingeschränkt) möglich, denn der Mangel war behebbar. Entgegen
der Ansicht der Revisionserwiderung kann es in diesem Zusammenhang auf sich
beruhen, ob auch die Eigenschaft als Neuwagen durch die nachträgliche
Behebung des Lackschadens wieder hergestellt werden konnte (siehe
Senatsurteil vom 18. Juni 1980 - VIII ZR 185/79, NJW 1980, 2127 unter II 2
b). Jedenfalls hat der Beklagte von vornherein Beseitigung des
Mangels verlangt und - wie aus seinem nachfolgend gezeigten, insoweit
maßgeblichen tatsächlichen Verhalten folgt (siehe BGH, Urteil vom
12. Juni 2013 - XII ZR 50/12, NJW-RR 2013, 1232 Rn. 38; MünchKommBGB/Fetzer,
7. Aufl., § 363 Rn. 3 mwN) - die Erfüllungstauglichkeit des am 16.
Oktober 2013 nach Schadensbeseitigung erneut angelieferten Fahrzeugs nicht
in Frage gestellt, sondern hat es als Erfüllung angenommen (vgl. § 363 BGB)
und den vollständigen Kaufpreis gezahlt.
20 cc) Die von der Revision angegriffene Beurteilung des Berufungsgerichts,
die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts im Umfang der gesamten
Kaufpreisforderung verstoße nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben
(§ 242 BGB; Rechtsgedanke des § 320 Abs. 2 BGB), ist frei von Rechtsfehlern.
21 (1) Zwar kann der Käufer die Zahlung des Kaufpreises gemäß § 320
Abs. 1 Satz 1 BGB ausnahmsweise nicht oder nicht vollständig verweigern,
wenn dies nach den Gesamtumständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger
Geringfügigkeit der Pflichtverletzung des Verkäufers, gegen Treu und Glauben
verstößt (vgl. BGH, Urteile vom 11. Dezember 1956 - VIII ZR 61/56,
DB 1957, 88 unter 2, 3, 5; vom 27. Februar 1974 - VIII ZR 206/72, WM 1974,
369 unter III 2 a; vom 6. Mai 2009 - XII ZR 137/07, BGHZ 180, 300 Rn. 14;
vom 9. Juni 2011 - III ZR 157/10, NJW-RR 2011, 1618 Rn. 11; vom 26. März
2015 - VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346 Rn. 41; siehe auch Senatsurteil vom 17.
Juni 2015 - VIII ZR 19/14, BGHZ 206, 1 Rn. 50 [zu § 320 Abs. 2 BGB]).
22 (2) Jedoch rügt die Revision, die sich die für sie günstige Beurteilung
des Berufungsgerichts, die Pflichtverletzung der Klägerin sei als
geringfügig zu erachten, zu eigen macht, ohne Erfolg, das Berufungsgericht
habe nicht berücksichtigt, dass der Lackschaden behebbar und unbedeutend
gewesen sei, zumal - für den Beklagten erkennbar - nur "wenige Hundert Euro"
zu seiner Beseitigung notwendig gewesen seien und die Klägerin von Anfang an
angeboten habe, den Schaden zu beheben. Anders als die Revision meint, folgt
aus diesen Umständen nicht, dass der Beklagte gehalten gewesen wäre, bereits
am 16. Juli 2013 den überwiegenden Kaufpreis - mit Ausnahme eines Einbehalts
für die Beseitigung des Lackschadens - zu entrichten.
23 (a) § 320 BGB verfolgt den doppelten Zweck, dem Gläubiger, der am
Vertrag festhalten will, sowohl den Anspruch auf die Gegenleistung zu
sichern als auch Druck auf den Schuldner auszuüben, um ihn zu
vertragsgemäßer Leistung anzuhalten (vgl. BGH, Urteile vom 6.
Dezember 1991 - V ZR 229/90, BGHZ 116, 244, 249; vom 26. März 2015 - VII ZR
92/14, aaO Rn. 58; jeweils mwN). Mit diesem Zweck wäre es nicht
vereinbar, eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung des gesamten oder
überwiegenden Teils des Kaufpreises bereits im Zeitpunkt der ersten
Anlieferung des Fahrzeugs zu bejahen, obwohl dieses mangelhaft war und die
Klägerin es zur Mangelbeseitigung wieder an sich nehmen musste.
Dass es eines Drucks auf den Schuldner durch Einbehalt des (gesamten)
Kaufpreises bedarf, wird unter den hier gegebenen Umständen besonders
deutlich, weil die Klägerin mehr als zwei Monate bis zur erneuten
Anlieferung des Fahrzeugs verstreichen ließ und der Beklagte es in diesem
Zeitraum nicht nutzen konnte.
24 (b) Zudem trägt die Sichtweise der Revision maßgeblichen Umständen des
Streitfalles nicht Rechnung. Unabhängig von der - aufgrund des
Verstoßes gegen die vereinbarte Beschaffenheit (hier:
Fabrikneuheit), die regelmäßig die Erheblichkeit der Pflichtverletzung des
Verkäufers indiziert (Senatsurteile vom
17. Februar 2010 - VIII ZR 70/07,
NJW-RR 2010, 1289 Rn. 23; vom
6. Februar 2013 - VIII ZR 374/11,
aaO Rn. 16; vom 28. Mai
2014 - VIII ZR 94/13, BGHZ 201, 290 Rn. 14), nicht
zweifelsfreien - Beurteilung des Berufungsgerichts, die Pflichtverletzung
der Klägerin sei zwar "nicht ganz unerheblich", aber gleichwohl geringfügig,
ist im Rahmen der notwendigen umfassenden Interessenabwägung auf der
Grundlage der Umstände des Einzelfalls (Senatsurteil
vom 28. Mai 2014 - VIII ZR 94/13, aaO Rn. 16 mwN)
nicht nur auf die geringen Kosten der Nachlackierung abzustellen, die sich
nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Vorbringen der Klägerin
auf 249,90 € belaufen.
25 Die Revision verkennt, dass die Klägerin dem Beklagten zunächst
nicht einmal angeboten hat, selbst für eine ordnungsgemäße Behebung des
Lackschadens zu sorgen und so ihrer Erfüllungspflicht als Verkäuferin
nachzukommen. Denn ausweislich des Lieferscheines vom 16. Juli 2013 hat sie
sich lediglich zu einer Übernahme der Kosten bereit erklärt. Es oblag jedoch
nicht dem Beklagten, einen Reparaturauftrag zu erteilen, sondern die
Klägerin hatte dies im Rahmen ihrer Erfüllungspflicht in eigener
Verantwortung und auf eigenes Risiko zu veranlassen. Zudem hat die Klägerin
im Rahmen ihrer Erfüllungspflicht selbst an der (unzureichenden)
Bereitschaft zur Übernahme der Kosten nicht uneingeschränkt festgehalten,
sondern eine Obergrenze von 300 € gesetzt, so dass den Beklagten das Risiko
der Werkstattkosten, einschließlich eines etwaigen unwirtschaftlichen oder
unsachgemäßen Arbeitens des Werkstattbetriebes, getroffen hätte.
26 b) Das Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten nach § 320 Abs. 1 Satz 1
BGB endete somit (erst) mit der am 6. Oktober 2013 erfolgten Auslieferung
des (mangelfreien) Fahrzeugs. Daraufhin entrichtete der Beklagte den
Kaufpreis, der am 20. Oktober 2013 bei der Klägerin einging, ohne dass sie
zuvor noch eine Mahnung ausgesprochen hätte. Daher ist der Beklagte auch in
dem Zeitraum zwischen mangelfreier Lieferung und Zahlung nicht in Verzug
geraten und schuldet mithin auch insoweit keine Verzugszinsen.
27 2. Ein Anspruch auf "Standgeld" und auf Erstattung von Transportkosten
steht der Klägerin weder unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzuges gemäß
§ 280 Abs. 1, 2, § 286 Abs. 1 BGB mit der Abnahme des Fahrzeuges (§ 433 Abs.
2 BGB) noch des Annahmeverzuges (§ 304 BGB) zu.
28 a) Der Beklagte ist am 16. Juli 2013 auch mit der Pflicht zur Abnahme der
Kaufsache (§ 433 Abs. 2 BGB) nicht in Schuldnerverzug (§ 286 Abs. 1 BGB)
geraten. Vielmehr hat er die Abnahme mit Rücksicht auf ein ihm zustehendes
Leistungsverweigerungsrecht, das sich insoweit allerdings nicht aus § 320
Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern aus § 273 Abs. 1 BGB ergibt, zu Recht verweigert.
29 aa) Ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB stand
dem Beklagten gegenüber dem Anspruch der Klägerin auf Abnahme der Kaufsache
nicht zu. Denn die Pflicht des Käufers auf Abnahme der Kaufsache
stellt im Allgemeinen keine Gegenleistung für die Lieferung der Kaufsache
dar und steht daher nur in einem - hier nicht ersichtlichen - Ausnahmefall
in einer synallagmatischen Verknüpfung zur Lieferung, wie dies für die
Einrede des nichterfüllten Vertrages Voraussetzung wäre (vgl. BGH,
Urteile vom 28. Mai 1975 - VIII ZR 6/74, WM 1975, 863 unter I 1a; vom 19.
Mai 2006 - V ZR 40/05, NJW 2006, 2773 Rn. 21; vom 17. Juni 2015 - VIII ZR
19/14, aaO Rn. 49).
30 bb) Jedoch war der Beklagte gemäß § 273 Abs. 1 BGB - im Hinblick
auf die Pflicht der Klägerin zur Verschaffung einer mangelfreien Kaufsache
(§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB) - berechtigt, die Abnahme des Fahrzeugs zu
verweigern, solange es ihm nicht in mangelfreiem, das heißt einwandfrei
lackierten Zustand angeboten wurde. Dieses Zurückbehaltungsrecht
hat der Beklagte am 16. Juli 2013 jedenfalls stillschweigend geltend
gemacht, indem er kostenfreie Behebung des Mangels verlangt und erklärt hat,
das Fahrzeug (im gegenwärtigen mangelhaften Zustand) "zurückzuweisen".
31 cc) Entgegen der Auffassung der Revision ist eine andere Beurteilung auch
nicht mit Rücksicht darauf geboten, dass die Behebung des Lackschadens mit
einem Kostenaufwand von "wenigen Hundert Euro" möglich und der Schaden
deshalb als "geringfügig" anzusehen gewesen sei.
32 (1) Allerdings hat der Senat bisher offen gelassen, unter welchen
Voraussetzungen der Käufer nach der Schuldrechtsreform eine mangelhafte
Sache "zurückweisen" kann (Senatsurteile vom
6. Februar 2013 - VIII ZR 374/11,
aaO Rn. 15; vom 17. Februar
2010 - VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 Rn. 21 f.).
Er entscheidet sie nunmehr dahin, dass der Käufer bei behebbaren
Mängel, auch wenn sie geringfügig sind, grundsätzlich ein
Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geltend machen kann, die Sache
also nicht abnehmen muss, sondern sie bis zur Beseitigung des Mangels
"zurückweisen" kann.
33 Denn die Lieferung einer Sache, die entgegen § 433 Abs. 1 Satz 2
BGB nicht frei von Rechts- und Sachmängeln ist, stellt eine
Pflichtverletzung des Verkäufers dar (BT-Drucks. 14/6040, S. 94,
209). § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB unterscheidet - anders als § 323 Abs.
5 Satz 2 BGB, § 281 Abs. 1 Satz 3 BGB -nicht zwischen erheblichen und
unerheblichen Pflichtverletzungen des Verkäufers. Bei den
vorgenannten Bestimmungen geht es darum, dass der Käufer mit dem
Rücktritt vom Vertrag oder dem Anspruch auf Schadensersatz statt der ganzen
Leistung ein Recht geltend macht, das den Bestand des Kaufvertrages
insgesamt in Frage stellt. Anders verhält es sich indes, wenn der
Käufer - wie hier der Beklagte - am Vertrag festhält und Verschaffung einer
mangelfreien Sache verlangt.
34 In derartigen Fällen wird dem Käufer auch in der Literatur - zu
Recht - die Befugnis zugebilligt, die mit einem behebbaren Mangel behaftete
Sache unter Hinweis auf eine geschuldete mangelfreie Lieferung
zurückzuweisen (NK-BGB/Büdenbender, 3. Aufl., § 437 Rn. 113;
Staudinger/Beckmann, BGB, Neubearb. 2013, § 433 Rn. 132, 220;
Erman/Grunewald, BGB, 14. Aufl., Vor § 437 Rn. 6; MünchKommBGB/Westermann,
aaO, § 433 Rn. 69; BeckOK/Faust, BGB, Stand: 1. August 2014, § 433 Rn. 40;
Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, 4. Aufl., § 2 Rn. 131,
148; Canaris in E. Lorenz, Karlsruher Forum 2002, 5, 74; Reinking/Eggert,
Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 340; siehe auch Lorenz, NJW 2013, 1341, 1343
[allerdings unter Heranziehung von § 266 BGB]. Denn dadurch erhält
der Käufer das erforderliche und nach der gesetzlichen Konzeption
vorgesehene Druckmittel, um den Verkäufer zur ordnungsgemäßen Erfüllung des
Kaufvertrages anzuhalten; der Verkäufer kann somit in aller Regel nicht
verlangen, dass der Käufer die mit einem Mangel behaftete Sache zunächst
annimmt, um sodann Sachmängelrechte geltend zu machen (vgl.
Staudinger/Beckmann, aaO, § 433 Rn. 132 mwN).
35 (2) Ohne Erfolg verweist die Revision auf die werkvertragliche
Regelung des § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach der Besteller die Abnahme des
Werkes wegen unwesentlicher Mängel nicht verweigern darf. Diese
Bestimmung, die durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom
30. März 2000 (BGBl. I S. 330) eingeführt worden ist, dient
spezifisch der Verbesserung der Rechtsstellung des Werkunternehmers.
Dieser sei "nach geltendem Werkvertragsrecht des BGB-Werkvertrages
in einer sehr schwachen Position, weil er das Werk vollständig herstellen
und der Besteller vor vollständiger Herstellung die Vergütung nicht zu
zahlen" habe. Daher wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass die Abnahme
eines Werkes "nur wegen mehr als geringfügiger Mängel" versagt werden kann
(siehe Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen,
BT-Drucks. 14/1246, S. 6).
36 Diese Regelung findet im Kaufrecht indes keine Entsprechung und kann -
mangels einer Regelungslücke und einer vergleichbaren Interessenlage -auch
nicht entsprechend angewendet werden.
37 dd) Allerdings darf auch das Zurückbehaltungsrecht des § 273 Abs.
1 BGB als besonderer Anwendungsfall des Verbots unzulässiger Rechtsausübung
(§ 242 BGB) nicht in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise
ausgeübt werden (BGH, Urteile vom 11. April 1984 - VIII ZR 302/82,
BGHZ 91, 73, 82 f.; vom 8. Juni 2004 - X ZR 173/01, NJW 2004, 3484 unter I 1
b aa; jeweils mwN). Besondere Umstände, die unter diesem Gesichtspunkt
Anlass zu einer vom Berufungsgericht abweichenden Beurteilung geben könnten,
liegen im Streitfall jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht vor.
38 b) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass der Klägerin
auch aus § 304 BGB kein Anspruch auf Erstattung von Mehraufwendungen
zusteht, die für zusätzliche Transportkosten und die Aufbewahrung des
Fahrzeugs bis zur Neuauslieferung angefallen sind. Denn der Beklagte ist am
16. Juli 2013 nicht in Annahmeverzug geraten; auch die Revision macht das
nicht geltend. Nach § 294 BGB muss der Schuldner dem Gläubiger die
Leistung so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich anbieten. Daran fehlte es
am 16. Juli 2013, weil die Klägerin das Fahrzeug nicht frei von Sachmängeln
und damit nicht so, wie die Leistung zu bewirken war, tatsächlich angeboten
hat (vgl. Staudinger/ Feldmann, BGB, Neubearb. 2014, § 294 Rn. 7
f.; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 294 Rn. 4; jeweils mwN). Dies war
erst bei der zweiten Anlieferung am 6. Oktober 2013 der Fall, woraufhin der
Beklagte die Sache auch abgenommen hat
.
39 c) Unabhängig davon, dass der Beklagte mit der Abnahme des Fahrzeugs
weder in Schuldner- noch in Annahmeverzug geraten ist, kann die Klägerin
Erstattung von Transportkosten und "Standgeld" auch deshalb nicht verlangen,
weil es sich bei diesen Aufwendungen im konkreten Fall um Erfüllungskosten
handelt, die zur Verschaffung einer mangelfreien Sache notwendig waren und
deshalb in jedem Fall vom Verkäufer aufgrund der gemäß § 448 Abs. 1 Halbs. 1
BGB geschuldeten Bereitstellung der Kaufsache am vereinbarten Lieferort zu
tragen sind (vgl. Jauernig/Berger, BGB, 16. Aufl., § 448 Rn. 2;
Staudinger/Beckmann, aaO, § 448 Rn. 6 mwN).
40 Wenn der Beklagte - wie von der Klägerin verlangt - das Fahrzeug am 16.
Juli 2013 abgenommen hätte, stünde zudem § 439 Abs. 2 BGB der Erstattung von
Transportkosten und "Standgeld" entgegen. Die Vorschrift, die die von Art. 3
Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie geforderte
Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung gewährleisten soll (Senatsurteil
vom 30. April 2014 - VIII ZR 275/13, BGHZ 201, 83 Rn.
11), bestimmt, dass der Verkäufer die zum Zweck der Nacherfüllung
erforderlichen Aufwendungen zu tragen hat, sofern - wie hier - ein Mangel
vorliegt (Senatsurteil vom
21. Dezember 2005 - VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195 Rn.
21). Beispielhaft nennt das Gesetz unter anderem Transport- und Wegekosten,
wie sie die Klägerin geltend macht. Erfordert die Nacherfüllung, dass der
Verkäufer die Kaufsache wieder an sich nimmt, hat der Verkäufer auch Kosten
der Aufbewahrung, wie das von der Klägerin so genannte "Standgeld", zu
tragen, weil auch dies Teil der dem Käufer geschuldeten unentgeltlichen
Herstellung des vertragsgemäßen Zustands ist.
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