| Vertragsschluss bei Abbruch einer ebay-Auktion 
	durch den Bieter; Sittenwidrigkeit nach § 138 I BGB bei wucherähnlichem 
	Rechtsgeschäft; Nichtanwendung auf ebay-Versteigerungen; kein Einwand des 
	Rechtsmissbrauchs gegen einen "Abbruch-Jäger" ("1 Euro-Auto") 
 BGH, Urteil vom 12. November 2014 - 
	VIII ZR 42/14 - OLG Jena 
 Fundstelle:
 NJW 2015, 548
 
 Amtl. Leitsatz: Zur Wirksamkeit eines im Wege der 
	Internetauktion ("eBay") abgeschlossenen Kaufvertrages, bei dem ein grobes 
	Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht (Fortführung von 
	BGH, Urteil vom 28. März 2012 - VIII ZR 244/10, NJW 2012, 2723). 
 Zentrale Probleme:Ein schöner, klausurtauglicher Standard-ebay-Fall: Der 
	Verkäufer stellt ein Kfz mit einem Startpreis von 1 € zum Verkauf, der erste 
	Bieter hat ein Angebot zu diesem Startpreis abgegeben, dann bricht der 
	Verkäufer die Auktion ab (s. dazu auch BGH NJW 
	2011, 2643). Nach § 6 Nr. 6 der ebay-AGB (die hier für die Auslegung der 
	Parteierklärungen eine Rolle spielen) kommt bei Abbruch der Auktion durch 
	den Verkäufer "zwischen diesem und dem Höchstbietenden ein Vertrag zustande, 
	es sei denn der Verkäufer war dazu berechtigt, das Angebot zurückzunehmen 
	und die vorliegenden Gebote zu streichen". Ein anderweitiger Verkauf gehört 
	nicht zu diesen Gründen (s. dazu
	
	http://pages.ebay.de/help/sell/end_early.html). Damit kam hier ein 
	Kaufvertrag zu 1 € zustande, der auch nicht nach § 138 I BGB sittenwidrig 
	ist (s. dazu die Anm. zu BGH 
	NJW 2012, 2723). Das gilt auch dann, wenn der Bieter auf den 
	Abbruch spekuliert hatte, also ein sog. "Abbruchjäger" war. Damit kann der 
	Kläger hier - nach einer Fristsetzung zur Leistung - nach § 280 I, III, 281 
	BGB den Wert des Autos abzgl. 1 € als Schadensersatz statt der Leistung 
	verlangen. Dumm gelaufen, aber richtig entschieden ... Zur Haftungsgrundlage könnte man noch folgende Überlegungen anstellen: Wenn 
	der Verkäufer den Gegenstand bereits anderweitig verkauft und übereignet hat 
	und der Dritterwerber nicht herausgabebereit ist, läge (subjektive) 
	Unmöglichkeit iSv § 275 I BGB vor (zu den Voraussetzungen einer solchen s. 
	die Anm. zu
      	
		BGH 
		NJW 2007, 2841: Bei 
	Schuldverhältnissen, die auf die Verschaffung des Eigentums an einer Sache 
	gerichtet sind, begründet der Umstand, dass der Schuldner die rechtliche 
	Verfügungsmacht über die Sache verloren hat, sein Unvermögen zur Leistung, 
	solange er nicht behauptet und beweist, dass er zur Erfüllung des Vertrages 
	durch Wiedererwerb der Sache willens und in der Lage ist). Dann wäre Haftungsgrundlage die 
	Unmöglichkeit der Leistung. Zwar wäre dann die Leistung schon bei 
	Vertragsschluss (hier: Abbruch der Versteigerung) unmöglich, so dass man an 
	eine Haftung aus § 311a II BGB denken könnte. Für die Frage der anfänglichen 
	oder nachträglichen Unmöglichkeit ist allerdings bei gestrecktem 
	Vertragsschluss richtigerweise nicht der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, 
	sondern derjenige der Wirksamkeit (dh Zugang) des bindenden Angebots 
	maßgebend (diese Frage wurde in BGH NJW 
	2011, 2643 offen gelassen). Dieser liegt bei ebay-Versteigerungen bereits im Einstellen des 
	Artikels in die Plattform vor. Ein Anspruch auf Schadensersatz statt der 
	Leistung ergibt sich dann also aus §§ 280 I, III, 283 BGB, eine Fristsetzung 
	wäre entbehrlich. Hätte der Verkäufer die Sache über Wert an den Dritten 
	verkauft, käme dann auch eine Erlösherausgabe nach § 285 BGB in Betracht.
 Zum Abbruch einer ebay-Versteigerung s. auch BGH 
	v. 10.12.2014 - VIII ZR 90/14.
 
©sl 2014 
 
	Tatbestand:
 1 Der Beklagte stellte am Abend des 
	24. Mai 2012 einen gebrauchten VW Passat für zehn Tage zur Internetauktion 
	bei eBay mit einem Startpreis von 1 € ein. Der Kläger nahm das Angebot 
	wenige Minuten später an, wobei er ein Maximalgebot von 555,55 € festlegte.
	Nach rund sieben Stunden brach der Beklagte die Auktion ab. 
	Zu dieser Zeit war der Kläger der einzige Bieter. Auf dessen Nachfrage 
	teilte der Beklagte mit, dass er einen Käufer außerhalb der Auktion 
	gefunden habe.
 
 2 Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 5.249 € mit 
	der Behauptung in Anspruch, dass das Fahrzeug 5.250 € wert gewesen sei. Die 
	Klage hat vor dem Landgericht dem Grunde nach Erfolg gehabt. Das 
	Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
 
 3 Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte 
	seinen Klageabweisungsantrag weiter.
 
 Entscheidungsgründe:
 
 4 Die Revision hat keinen Erfolg.
 
 I.
 
 5 Das Berufungsgericht (Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 15. Januar 
	2014 - 7 U 399/13, juris) hat, soweit für das Revisionsverfahren von 
	Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt: Zwischen den Parteien sei ein 
	wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen, wegen dessen Nichterfüllung der 
	Beklagte Schadensersatz zu leisten habe. Die vom Beklagten erklärte 
	Anfechtung greife nicht durch, weil kein Irrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 
	BGB vorgelegen habe. Der Kaufvertrag sei mangels verwerflicher Gesinnung des 
	Klägers auch nicht sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB). Die beiderseitige Chance 
	auf ein "Schnäppchen" sei gerade typisch für eBay-Versteigerungen.
 
 6 Auch ein Rechtsmissbrauch sei entgegen der Auffassung des 
	Oberlandesgerichts Koblenz (MMR 2009, 630), wonach ein "Schnäppchen" nur ein 
	solches sei, welches innerhalb einer realistischen Preisspanne liege, nicht 
	gegeben. Der Käufer mache lediglich von einer Kaufmöglichkeit Gebrauch, die 
	ihm der Verkäufer selbst eröffnet habe. Außerhalb der Verkaufsplattform eBay 
	kämen Verträge mit einem derartigen Missverhältnis zwischen Leistung und 
	Gegenleistung zwar niemals zustande. Durch die Nutzung von eBay werde ein 
	solches Missverhältnis aber in Kauf genommen. Da der Verkäufer auch einen 
	Mindestpreis eingeben könne, sei er gegenüber dem Käufer nicht 
	schutzbedürftig.
 
 II.
 
 7 Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung stand. Zu Recht hat 
	das Berufungsgericht dem Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz statt der 
	Leistung gemäß § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 BGB dem Grunde 
	nach zuerkannt.
 
 8 1. a) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass 
	zwischen den Parteien ein Kaufvertrag über das Fahrzeug zustande gekommen 
	ist. Insbesondere hat es rechtsfehlerfrei und insoweit von der Revision 
	nicht angegriffen festgestellt, dass der Beklagte die 
	Internetauktion ohne berechtigten Grund vorzeitig abgebrochen hat und nicht 
	zur Anfechtung seines Angebots wegen Irrtums nach §§ 119 ff. BGB berechtigt 
	war.
 
 9 b) Entgegen der Auffassung der Revision scheitert der 
	Schadensersatzanspruch nicht daran, dass der mit dem Beklagten geschlossene 
	Kaufvertrag als wucherähnliches Rechtsgeschäft wegen Sittenwidrigkeit 
	nichtig wäre (§ 138 Abs. 1 BGB). Bei einer Internetauktion rechtfertigt ein 
	grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot eines Bieters und dem 
	(angenommenen) Wert des Versteigerungsobjekts nicht ohne Weiteres den 
	Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters im Sinne von § 138 Abs. 
	1 BGB. Es bedarf vielmehr zusätzlicher - zu einem etwaigen Missverhältnis 
	von Leistung und Gegenleistung hinzutretender - Umstände, aus denen bei 
	einem Vertragsschluss im Rahmen einer Internetauktion auf eine verwerfliche 
	Gesinnung des Bieters geschlossen werden kann (Senatsurteil 
	vom 28. März 2012 - VIII ZR 244/10, NJW 2012, 2723 Rn. 20 f.).
 
 10 Solche Umstände hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Zu Unrecht 
	meint die Revision, die Begrenzung des Gebots auf 555,55 € mache deutlich, 
	dass der Kläger nicht bereit gewesen sei, einen auch nur annähernd dem 
	Marktpreis entsprechenden Preis zu bieten. Wie die Revisionserwiderung 
	zutreffend geltend macht, erschließt sich nicht, weshalb ein (Höchst-)Gebot 
	unterhalb des Markpreises sittlich zu missbilligen sein soll. Gibt 
	der Bieter ein Maximalgebot ab, ist er nicht gehalten, dieses am 
	mutmaßlichen Marktwert auszurichten. Wie der Senat bereits 
	entschieden hat, macht es gerade den Reiz einer Internetauktion aus, den 
	Auktionsgegenstand zu einem "Schnäppchenpreis" zu erwerben, während umkehrt 
	der Veräußerer die Chance wahrnimmt, durch den Mechanismus des Überbietens 
	einen für ihn vorteilhaften Preis zu erzielen (Senatsurteil 
	vom 28. März 2012 - VIII ZR 244/10, aaO).
 
 11 2. Der Beklagte kann dem Kläger, wie das Berufungsgericht zutreffend 
	entschieden hat, auch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 
	BGB) entgegenhalten. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs erfordert 
	eine sorgfältige und umfassende Prüfung aller maßgeblichen Umstände des 
	Einzelfalles und muss auf besondere Ausnahmefälle beschränkt bleiben (BGH, 
	Urteile vom 27. April 1977 - IV ZR 143/76, BGHZ 68, 299, 304; vom 7. Januar 
	1971 - II ZR 23/70, BGHZ 55, 274, 279 f.). Einen solchen Fall hat das 
	Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint.
 
 12 Die von der Revision angeführte Auffassung des Oberlandesgerichts 
	Koblenz (Hinweisbeschluss vom 3. Juni 2009 - 5 U 429/09, MMR 2009, 
	630; ebenso bereits die Vorinstanz: LG Koblenz, NJW 2010, 159, 160 f.; siehe 
	auch AG Dieburg, Urteil vom 4. Juli 2011 - 20 C 65/11, juris Rn. 28 ff.),
	der Käufer sei nicht schutzwürdig, weil er von dem nicht zu 
	erwartenden vorzeitigen Abbruch der Auktion profitieren wolle und nicht 
	damit rechnen könne, den Kaufgegenstand bei Fortgang der Auktion tatsächlich 
	zu dem geringen Gebot zu erwerben, ist im Schrifttum zu Recht auf Ablehnung 
	gestoßen (Oechsler, Jura 2012, 497, 500; Härting, Internetrecht, 5. 
	Aufl., Rn. 546; Wenn, jurisPR-ITR 16/2009 Anm. 4; Höhne, jurisPR-ITR 9/2009 
	Anm. 5; siehe auch BeckOK BGB/Sutschet, Stand: 1. August 2014, § 242 Rn. 
	93). Auch die Rechtsprechung der Instanzgerichte hat in ähnlichen 
	Fallgestaltungen keine unzulässige Rechtsausübung durch den Käufer 
	angenommen (LG Detmold, Urteil vom 22. Februar 2012 - 10 S 163/11, juris Rn. 
	11 ff.; LG Berlin, Urteil vom 21. Mai 2012 - 52 S 140/11, juris Rn. 30 f.; 
	AG Bremen, Urteil vom 5. Dezember 2012 - 23 C 0317/12, juris Rn. 14 ff.; AG 
	Gummersbach, NJW-RR 2011, 133, 134). Denn es ist der Verkäufer, der 
	das Risiko eines für ihn ungünstigen Auktionsverlaufs durch die Wahl eines 
	niedrigen Startpreises unterhalb des Marktwerts ohne Einrichtung eines 
	Mindestpreises eingegangen ist (zutreffend OLG Köln, MMR 2007, 446, 
	448 f., zum Fall einer regulär beendeten Internetauktion). Zudem hat der 
	Beklagte in der hier gegebenen Fallgestaltung durch seinen freien Entschluss 
	zum nicht gerechtfertigten Abbruch der Auktion die Ursache dafür gesetzt, 
	dass sich das Risiko verwirklicht.
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