Werkvertrag: Haftung des Bestellers für Schäden
an Rechtsgütern des Unternehmers aus §§ 280 I, 241 II BGB; Beweislast
BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 VII ZR 98/12 OLG Köln
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Einem Landwirt, der einen Unternehmer damit beauftragt,
Lagerraps auf seinem 6,44 ha großen Feld zu dreschen, ist auch unter
Berücksichtigung der werkvertraglichen Fürsorgepflicht nicht zumutbar, vor
Ausführung der Arbeiten das Feld daraufhin zu untersuchen, ob Fremdkörper
oder Werkzeuge aus dem Boden herausragen, die zu einer Schädigung des
Mähdreschers führen könnten, wenn dafür keine greifbaren Anhaltspunkte
vorliegen.
Zentrale Probleme:
Es geht um die Haftung des Bestellers für Schäden, die der
Werkunternehmer an seinen Rechtsgütern erleidet. Der Senat erwähnt
erstaunlicherweise die Anspruchsgrundlage nicht: Die Haftung basiert auf
einer Nebenpflichtverletzung nach § 241 II BGB und ergibt sich aus § 280 I
BGB. Dazu bedarf es allerdings des Beweises einer Pflichtverletzung. Eine
solche sieht der Senat in dem Nichtuntersuchen des Feldes vor den
Mähdrescharbeiten nicht. Sie kann aber daran liegen, dass der Gegenstand,
der in den Mähdrescher geraten ist, vom Besteller liegengelassen wurde. Das
aber müsste der Kläger beweisen (s. dazu die Anm. zu
BGH NJW 2009, 142 und zu
BGH v.
19.7.2018 - VII ZR 251/17 sowie BGH v.
21.11.2024 - VII ZR 39/24).
©sl 2013
Tatbestand:
1 Die Klägerin verlangt von der
Beklagten Schadensersatz wegen Beschädigung ihres Mähdreschers.
2 Die Beklagte beauftragte die Klägerin im Juli 2009, den auf einem 6,44 ha
großen Feld stehenden Raps zu dreschen, der sich zumindest teilweise infolge
von Witterung und Gewicht abgesenkt hatte (sog. Lagerraps) und deshalb
bodennah zu ernten war. Bei den Drescharbeiten nahm der Mähdrescher eine im
Raps liegende Kreuzhacke auf, schleuderte sie in das Dreschwerk und
beschädigte dadurch den Mähdrescher erheblich. Die Klägerin hat für die
Reparatur des Mähdreschers 17.618,39 € aufgewandt und für deren Dauer einen
Mähdrescher angemietet, wofür sie 4.080 € bezahlen musste.
3 Die Klägerin hat die Beklagte erstinstanzlich auf Ersatz der Reparatur-
und Mietkosten sowie außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten in
Anspruch genommen. Das Landgericht hat mit Grund- und Teilurteil die Klage
dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Es hat die Beklagte verurteilt,
an die Klägerin 16.859,07 € nebst Zinsen zu zahlen und die weitergehende
Forderung hinsichtlich der Reparaturkosten abgewiesen.
4 Gegen dieses Urteil haben die Klägerin und die als Nebenintervenientin auf
Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit beigetretene Haftpflichtversicherung
der Beklagten Berufung eingelegt. Die Klägerin hat die Verurteilung der
Beklagten zur Zahlung weiterer 759,32 € begehrt, während die
Nebenintervenientin die vollständige Abweisung der Klage erstrebt hat. Das
Berufungsgericht hat der Berufung der Klägerin stattgegeben und die der
Nebenintervenientin zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision
erstrebt die Nebenintervenientin weiterhin die vollständige Abweisung der
Klage.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
6 Das Berufungsgericht sieht die Beklagte als schadensersatzpflichtig an,
weil sie ihre der Klägerin gegenüber bestehende werkvertragliche
Fürsorgepflicht schuldhaft verletzt habe. Die Beklagte sei verpflichtet
gewesen, vor der Vergabe des Dreschauftrags an die Klägerin sicherzustellen,
dass sich keine Fremdkörper in dem zu bearbeitenden Feld befanden, die zu
einer Schädigung des Mähdreschers hätten führen können. Es sei zu
berücksichtigen, dass Lagerraps abzuernten gewesen sei und sich bei dem
dadurch bedingten bodennahen Erntevorgang das Risiko der Aufnahme von
Fremdkörpern erhöht habe. Die erkennbare höhere Schadensträchtigkeit hätte
für die Beklagte Anlass sein müssen, das zur Ernte vorgesehene Feld in einer
Weise bereitzustellen, dass keine höheren Fremdkörper oder Werkzeuge aus dem
Bodenbereich hervorragten. Vor diesem Hintergrund sei nicht
entscheidungserheblich, wer die fragliche Kreuzhacke in das Feld verbracht
und dort liegengelassen habe.
II.
7 Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
8 Die Begründung des Berufungsurteils trägt nicht die Annahme, die Beklagte
habe die Beschädigung des Mähdreschers durch ein pflichtwidriges Verhalten
verursacht.
9 1. Im Rahmen des mit der Klägerin geschlossenen Werkvertrags traf
die Beklagte die aus dem vertraglichen Treueverhältnis abgeleitete Pflicht (MünchKommBGB/Busche,
6. Aufl., § 631 Rn. 108), alles ihr Zumutbare zu tun, um die Klägerin bei
der Ausführung der Drescharbeiten vor Schaden zu bewahren (vgl. OLG
Celle, Urteil vom 24. Januar 2001 2 U 104/00, bei juris; OLG Braunschweig,
VersR 1968, 204; LG Passau, AgrarR 1985, 241). Diese Verpflichtung bezog
sich auch darauf, eine Beschädigung des Mähdreschers zu verhindern (vgl.
BGH, Urteil vom 3. Oktober 1974 - VII ZR 156/72, BauR 1975, 64).
10 a) Die Beklagte wäre daher verpflichtet gewesen, die auf dem Rapsfeld
liegende Kreuzhacke vor Aufnahme der von der Klägerin auszuführenden
Drescharbeiten zu entfernen, wenn das Arbeitsgerät von ihr oder einem ihrer
Mitarbeiter auf das Feld verbracht worden wäre. Ob diese Voraussetzungen
vorliegen, hat das Berufungsgericht offen gelassen, so dass in der Revision
zugunsten der Beklagten davon auszugehen ist, dass die Kreuzhacke ohne
Wissen der Beklagten vor den Mäharbeiten von Dritten, möglicherweise als Akt
der Sabotage, auf das Feld verbracht worden ist.
11 b) Soweit das Berufungsgericht dennoch eine Verletzung der der Klägerin
gegenüber bestehenden werkvertraglichen Fürsorgepflicht der Beklagten
angenommen hat, überspannt es die an einen Landwirt zu stellende
Anforderungen, der einem Unternehmer den Auftrag gibt, auf seinem Feld mit
dem Mähdrescher Raps zu ernten.
12 Ein Landwirt ist nur im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet, ein von einem
Mähdrescher zu befahrendes Feld auf Gegenstände zu untersuchen, die diesen
beschädigen könnten. Ohne einen greifbaren Anhaltspunkt für eine besondere
Gefährdung muss ein Landwirt grundsätzlich ein größeres, vom Mähdrescher zu
bearbeitendes Feld nicht daraufhin untersuchen, ob auf ihm Gegenstände
liegen, die den Mähdrescher beschädigen könnten. Eine solche Untersuchung
könnte sinnvoll nur durch eine sorgfältige Begehung des Feldes vorgenommen
werden. Dieser Aufwand ist jedenfalls bei einem ca. 6,44 ha großen Feld
nicht zumutbar. Daran ändert sich entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts nichts dadurch, dass der Mähdrescher ein Feld mit tief
liegendem Raps befahren muss. Dieser Umstand mag die Gefahr erhöhen, dass
Gegenstände übersehen werden. Er vermag jedoch nicht die Anforderungen an
die Verpflichtung zu erhöhen, ein Feld auf gefährliche Gegenstände
abzusuchen. Der Aufwand für eine solche Untersuchung dürfte noch höher sein
als bei hoch stehendem Raps, weil der freie Blick auf den Boden stark
erschwert ist. Er ist daher erst Recht unzumutbar. Anhaltspunkte für eine
der Beklagten erkenn-
bare konkrete Gefährdung hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
13 2. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht nicht fest, dass
die Schadensursache im Verantwortungs- bzw. Gefahrenbereich der Beklagten
liegt (vgl. dazu und zur Beweislastverteilung BGH, Urteile vom
22. Oktober 2008 - XII ZR
148/06, NJW 2009, 142; vom 18. Mai 1994 - XII ZR 188/92,
BGHZ 126, 124; vom 17. Dezember 1992 - III ZR 133/91, NJW 1993, 1704; vom
18. Juni 1985 - X ZR 71/84, BauR 1985, 704; vom 23. Oktober 1958 - VII ZR
22/58, BGHZ 28, 251 und vom 11. Februar 1957 - VII ZR 256/56, BGHZ 23, 288).
Für die Beklagte bestand keine Möglichkeit, Einwirkungen Dritter auf
ihr frei liegendes Feld mit zumutbaren Mitteln zu verhindern. Das Grundstück
unterlag damit nicht ihrem ausschließlichen Einflussbereich. Sie war auch
weder zu einer besonderen Sicherung oder fortlaufenden Überprüfung des Feldes
auf das Vorhandensein dort eventuell abgelegter Gegenstände verpflichtet
noch kann ihr - wie bereits ausgeführt - angelastet werden, eine solche Überprüfung
zeitnah vor dem an die Klägerin erteilten Dreschauftrag nicht durchgeführt
zu haben. Das Vorhandensein der Kreuzhacke kann dementsprechend
nicht allein deshalb dem Verantwortungs- und Gefahrenbereich der Beklagten
zugeordnet werden, weil diese sich auf ihrem Feld befand.
14 Etwas anderes lässt sich auch aus der Entscheidung des Senats aus dem
Jahre 1959 (BGH, Urteil vom 9. Juli 1959 - VII ZR 149/58, VersR 1959, 948)
nicht ableiten. Jenem Rechtsstreit lag ebenfalls ein Dreschauftrag für Raps
zugrunde. Bei der Rückfahrt vom Feld auf die Straße musste der Mähdrescher
eine Brücke passieren. Bei der Überfahrt fiel eine Seitenmauer ein, das
Fahrzeug stürzte ab und wurde erheblich beschädigt. Nach dem festgestellten
Sachverhalt kamen als Unfallursache nur eine falsche Fahrweise des Mähdrescherfahrers
oder die von dem Besteller zu vertretende mangelhafte Tragfähigkeit der
Brücke in Betracht; eine Schadensverursachung durch einen Dritten schied
aus. Ein der vorliegenden Fallgestaltung vergleichbarer Sachverhalt liegt
damit dieser Entscheidung nicht zugrunde.
15 3. Ihre Verkehrssicherungspflicht, die innerhalb des Vertragsverhältnisses
mit der Klägerin zugleich Vertragspflicht war (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB,
72. Aufl., § 280 Rn. 28), hat die Beklagte nicht verletzt. Diese geht nicht
weiter als die sich aus der werkvertraglichen Treuepflicht ergebende
Verpflichtung, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren Schaden von dem
Unternehmer abzuwenden (vgl.
BGH, Urteil vom 2. Oktober 2012 -
VI ZR 311/11, NJW 2013, 48 Rn. 6 f. m.w.N.).
III.
16 Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen, das im Wege der Beweiswürdigung darüber zu entscheiden
haben wird, ob davon auszugehen ist, dass Mitarbeiter der Beklagten die
Kreuzhacke auf dem Feld liegen gelassen haben.
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