Falsa demonstratio bei formgebundenen Verträgen
(Grundstückskauf); Beschaffenheitsvereinbarungen beim Verkauf von
Grundstücken; Haftung aus culpa in contrahendo, Verjährung
BGH, Urteil vom 23. Juni 2023 - V ZR 89/22 - OLG
Oldenburg
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsätze:
1. Zur Beschaffenheit eines
verkauften Grundstücks gehört es nicht, dass es sich auf ein
Nachbargrundstück erstreckt; eine solche Vereinbarung legt den
Kaufgegenstand selbst und nicht lediglich dessen Beschaffenheit fest.
2. Der Wortsinn einer in einem notariellen Grundstückskaufvertrag
enthaltenen Erklärung ist nicht maßgeblich, wenn feststeht, dass die
Vertragsparteien in der Erklärung Begriffe anders als nach dem Wortsinn
verstehen oder mit Flurstücks- oder Grundbuchangaben andere Vorstellungen
über den verkauften Grundbesitz verbinden (sog. versehentliche
Falschbezeichnung bzw. falsa demonstratio). Eine solche Falschbezeichnung
ändert nach § 133 BGB nichts daran, dass - wie auch sonst - nicht das
fehlerhaft Erklärte, sondern das wirklich Gewollte gilt.
3. Aus dem
Umstand, dass die Kaufvertragsparteien die tatsächlichen Verhältnisse des im
Eigentum des Verkäufers stehenden Grundstücks bei einer Besichtigung zur
Kenntnis genommen haben, kann, auch wenn dieses Grundstück und das
angrenzende Nachbargrundstück scheinbar eine Einheit bilden, nur im
Ausnahmefall auf eine Einigung über den Mitverkauf des nicht im Eigentum des
Verkäufers stehenden Nachbargrundstücks geschlossen werden (Abgrenzung zu
Senat, Urteil vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06, NJW
2008, 165).
4. Weckt der Verkäufer eines Grundstücks bei dem
Käufer vor Vertragsschluss falsche - einseitige - Vorstellungen über den
tatsächlichen Umfang seines Eigentums oder erkennt er eine entsprechende
Fehlvorstellung über den Grenzverlauf, klärt den Käufer aber nicht über den
wahren Grenzverlauf auf, fehlt es in aller Regel an einer Einigung über den
Verkauf eines scheinbar zu dem Grundstück des Verkäufers zugehörigen fremden
Grundstücks. Der Verkäufer kann allerdings wegen Verschuldens bei
Vertragsschluss zum Schadensersatz verpflichtet sein.
Zentrale Probleme:
Der Käufer eines Grundtsücks ging beim Kauf davon aus,
dass sich dieses auch über einen Teil erstreckte, der rechtlich ein anderes
Grundstück darstellte. Der Senat verneint hier mangels tatsächlicher
Einigung einen Fall der falsa demonstratio (in Abgrenzung zu
Senat, Urteil vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06, NJW
2008, 165). Auch sei es keine Beschaffenheit des Grundstücks
i.S.v. § 433 Abs. 1 BGB a.F., dass sich dieses auf ein Nachbargrundstück
erstreckt - es gehe vielmehr um die Bestimmung des Kaufgegenstands selbst.
Damit ist allerdings der Weg frei für eine Haftung aus c.i.c. (§§ 280 I, 311
II, 241 II BGB). Da nämlich der Anwendungsbereich des Gewährleistungsrechts
nicht eröffnet ist, besteht auch kein Konkurrenzproblem. Wäre ein Sachmangel
gegeben, käme eine Haftung aus c.i.c,. nur bei Vorsatz in Frage, s. dazu die
Anm. zu BGH NJW 2009, 2120 = BGHZ 180, 205.
Allerdings war ein solcher Anspruch hier verjährt.
©sl 2023
Tatbestand:
1 Mit notariellem Vertrag vom 9. Dezember 2009
verkauften die Beklagten den Klägern ein mit einem
Wohnhaus bebautes Grundstück zum Preis von 270.000 €. Als
Kaufgegenstand war das Flurstück 291/3 genannt. Die
Kläger gingen bei Vertragsschluss irrtümlich davon aus, dass hierzu auch das
angrenzende, 19 m2 große Flurstück 277/22 gehöre. Tatsächlich steht
dieses Flurstück jedoch im Eigentum eines Dritten, der es nunmehr
von den Klägern als den Besitzern herausverlangt.
2 Die
Kläger begehren die Rückabwicklung des Vertrages sowie die Feststellung,
dass die Beklagten sie von sämtlichen sich im Zuge der
Rückabwicklung ergebenden materiellen Schäden freizustellen haben. Das
Landgericht hat die am 28. Dezember 2020 eingegangene Klage abgewiesen. Die
dagegen gerichtete Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht durch
Beschluss zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren
Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgen die Kläger ihre
Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
3 Nach Auffassung des Berufungsgerichts scheidet ein Rücktritt von dem
Kaufvertrag aus. Der Kaufgegenstand sei in dem notariellen Kaufvertrag
eindeutig bezeichnet und umfasse nur das Flurstück 291/3. Ob die Beklagten
vor Vertragsabschluss erklärt haben, das Grundstück stehe im Umfang seiner
natürlichen Abgrenzungen einschließlich der zu dem Flurstück 277/22
gehörenden Fläche in ihrem Eigentum, könne dahinstehen. Eine
Vereinbarung über die Beschaffenheit des Kaufgegenstandes sei nicht zustande
gekommen, weil eine solche Erklärung keinen Niederschlag in dem
formbedürftigen Vertrag gefunden habe. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs sei daher grundsätzlich davon auszugehen, dass den
Parteien insoweit der Rechtsbindungswille fehle. Ein etwaiger
Anspruch aus vorvertraglichem Verschulden sei verjährt. Schließlich bestehe
auch kein Bereicherungsanspruch, weil eine Anfechtung mehr als zehn Jahre
nach Vertragsschluss ausgeschlossen sei.
4 Das hält
revisionsrechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
5 1. Mit der
gegebenen Begründung lässt sich der geltend gemachte Anspruch auf
Rückabwicklung des Kaufvertrags allerdings nicht verneinen. Entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts kommt ein aus kaufrechtlicher
Sachmängelhaftung hergeleitetes Rücktrittsrecht gemäß § 434 BGB i.V.m. § 437
Nr. 2 BGB von vornherein nicht in Betracht. Zur Beschaffenheit
eines verkauften Grundstücks - hier: Flurstück 291/3 - gehört es nicht, dass
es sich auf ein Nachbargrundstück - hier: Flurstück 277/22 - erstreckt.
Dies könnte auch nicht Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung
sein; eine solche Vereinbarung legt vielmehr den Kaufgegenstand selbst und
nicht lediglich dessen Beschaffenheit fest (vgl.
Senat, Urteil vom 11. November 2011 - V ZR 245/10,
NJW 2012, 846 Rn. 9). Die Tatsache, dass sich ein verkauftes
Grundstück nicht auf ein Nachbargrundstück erstreckt, kann allenfalls unter
besonderen Umständen dazu führen, dass dem verkauften Grundstück selbst eine
vereinbarte Beschaffenheit fehlt (vgl.
Senat, Urteil vom 16. März 1973 - V ZR 118/71, BGHZ 60, 319 zu
dem Verkauf eines - vermeintlichen - Seegrundstücks). Solche besonderen
Umstände liegen hier nicht vor.
6 2. Dieser Rechtsfehler hat sich
indes im Ergebnis nicht ausgewirkt. Denn ein Anspruch der Kläger auf
Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages kommt auch unter keinem anderen
denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht.
7 a)
Insbesondere ergibt sich, anders als die Revision meint, ein auf § 433 Abs.
1 Satz 1 BGB i.V.m. § 326 Abs. 5, § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB
gestützter Anspruch auf Rückabwicklung nicht daraus, dass sich die Parteien
unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats zur sogenannten falsa
demonstratio auf den Verkauf eines Grundstücks geeinigt hätten, das sowohl
das Flurstück 291/3 als auch das Flurstück 277/22 umfasste.
8 aa) Hierbei ist allerdings entgegen der von dem Beklagtenvertreter in der
mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht zugunsten der Kläger für das
Revisionsverfahren zu unterstellen, dass sie, sofern eine Einigung im
vorstehenden Sinne, also gerichtet auf ein aus beiden Flurstücken
bestehendes Grundstück erfolgt wäre, allein an dem Flurstück 291/3 kein
Interesse im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB hätten und daher zum
Rücktritt vom ganzen Vertrag berechtigt wären. Denn ob es sich etwa
um eine ganz untergeordnete Fläche handelt, kann der Senat in Ermangelung
von Feststellungen (§ 559 Abs. 1 ZPO) zu den tatsächlichen Verhältnissen des
mit dem Wohnhaus bebauten Flurstücks 291/3 nicht selbst beurteilen.
9
bb) Anders als die Beklagten meinen, steht auch nicht fest, dass der
Rücktritt von einem nach Ansicht der Revision über beide Flurstücke
geschlossenen Kaufvertrag bereits an der erhobenen Einrede der Verjährung
scheitert. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen lässt
sich nicht beurteilen, ob ein von den Klägern erklärter Rücktritt gemäß §
218 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB unwirksam wäre.
10 (1)
Nach § 218 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB ist der Rücktritt u.a. dann unwirksam,
wenn der Schuldner nach § 275 Abs. 1 BGB nicht zu leisten braucht und der
Anspruch auf die Leistung verjährt wäre. Für den Anspruch auf
Übereignung des Grundstücks richtet sich die Verjährung nach § 196 BGB und
beträgt zehn Jahre. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 200 Satz 1 BGB mit
der Entstehung des Anspruchs. Hierunter ist der Zeitpunkt zu verstehen, in
welchem der Anspruch erstmalig geltend gemacht und notfalls im Wege der
Klage durchgesetzt werden kann. In der Regel ist damit, sofern keine
besonderen Absprachen getroffen sind, der Zeitpunkt der Fälligkeit (§ 271
BGB) maßgebend (vgl. Senat, Urteil vom 17. Dezember 1999 - V ZR
448/98, WM 2000, 536, 537 mwN).
11 (2) Ein auf die Übereignung eines
Grundstücks gerichteter kaufvertraglicher Anspruch wird regelmäßig nicht
bereits mit Vertragsschluss fällig. Denn üblicherweise werden in einem
Grundstückskaufvertrag Regelungen getroffen, um den Verkäufer davor zu
schützen, dass er das Eigentum an seinem Grundstück verliert, ohne den
Kaufpreis zu erhalten (vgl. Senat, Beschluss vom 1. Oktober 2020 - V ZB
67/19, ZfIR 2021, 74 Rn. 23; NK-BGB/Grziwotz, 5. Aufl., § 925 Rn. 39 ff.;
Staudinger/Diehn, BGB [30.6.2021], § 925 Rn. 143 ff., jeweils mwN). Solche
Regelungen zur Sicherung des Verkäufers können dazu führen, dass
der Anspruch auf Eigentumsverschaffung, der auch die Pflicht des Verkäufers
umfasst, bei den zur Grundbucheintragung erforderlichen Maßnahmen
mitzuwirken (vgl. Senat, Urteil vom 30. April 1971 - V ZR 177/68, WM 1971,
937; Urteil vom 19. Oktober 2007 - V ZR 211/06, BGHZ 174, 61 Rn. 32), erst
mit dem Nachweis der Kaufpreiszahlung fällig wird.
12 (3) Wann der
Eigentumsverschaffungsanspruch fällig geworden und ob der Rücktritt
ausgehend hiervon rechtzeitig erfolgt ist, steht indes nicht i.S.v. § 559
ZPO fest. Denn das Berufungsgericht nimmt zwar die tatsächlichen
Feststellungen des Landgerichts in Bezug (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO),
diese enthalten aber weder die vertraglichen Regelungen noch eine konkrete
Bezugnahme, sondern lediglich eine unzulässige (vgl. Senat, Beschluss vom
20. November 2014 - V ZB 204/13, ZWE 2015, 97 Rn. 5) pauschale Verweisung
auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen.
13 cc)
Entgegen der Revision ist aber weder den getroffenen Feststellungen noch dem
von ihr in Bezug genommenen Klägervortrag zu entnehmen, dass die Parteien
sich auf den Kauf eines aus den beiden Flurstücken 291/3 und
277/22 bestehenden Grundstücks geeinigt und den Kaufgegenstand in dem
notariellen Kaufvertrag nur versehentlich falsch bezeichnet haben.
14 (1) Bei der Auslegung des notariellen Kaufvertrags ist, wie auch das
Berufungsgericht richtig gesehen hat, zunächst der Wortlaut
der notariellen Vertragsurkunde in den Blick zu nehmen. Danach bestand
lediglich eine Verpflichtung der Beklagten zur Übertragung des Flurstücks
291/3.
15 (a) Für die Auslegung eines - hier gemäß § 311b
Abs. 1 Satz 1 BGB - formbedürftigen Vertrages können nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs zwar auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände
herangezogen werden. Dies setzt aber grundsätzlich voraus, dass der
einschlägige rechtsgeschäftliche Wille der Parteien in der formgerechten
Urkunde einen, wenn auch nur unvollkommenen, Ausdruck gefunden hat
(st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 20. Dezember 1974 - V ZR 132/73, BGHZ 63,
359, 362; Urteil vom 25. März 1983 - V ZR 268/81, BGHZ 87, 150, 154; Urteil
vom 21. Oktober 2016 - V ZR 78/16, NJW-RR 2017, 712 Rn. 22).
16 (b)
Daran fehlt es. Eine (auch) auf das Flurstück 277/22
bezogene Vereinbarung hat in der Urkunde keinen auch nur
unvollkommenen Ausdruck gefunden, so dass nach dem Wortlaut der
Vertragsurkunde davon auszugehen ist, dass die Beklagten das als Flurstück
291/3 bezeichnete Grundstück nur in dem Zuschnitt und Umfang verkaufen
wollten wie aus dem Grundbuch und dem Liegenschaftskataster ersichtlich
(vgl. Senat, Urteil vom 18. Januar 2008 - V ZR
174/06, NJW 2008, 1658 Rn. 10; Urteil vom 12. Oktober 2012 - V ZR
187/11, NJW-RR 2013, 789 Rn. 20; Urteil vom 21. Oktober 2016 - V ZR 78/16,
NJW-RR 2017, 712 Rn. 21).
17 (2) Allerdings gilt das Erfordernis des
zumindest andeutungsweisen Niederschlags des Vereinbarten in der Urkunde bei
einer versehentlichen Falschbezeichnung nicht (vgl.
Senat, Urteil vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06, NJW 2008, 1658 Rn. 13).
18 (a) Der Wortsinn einer in einem notariellen
Grundstückskaufvertrag enthaltenen Erklärung ist nicht maßgeblich, wenn
feststeht, dass die Vertragsparteien in der Erklärung Begriffe anders als
nach dem Wortsinn verstehen oder mit Flurstücks- oder Grundbuchangaben
andere Vorstellungen über den verkauften Grundbesitz verbinden
(sog. versehentliche Falschbezeichnung bzw. falsa demonstratio).
Eine solche Falschbezeichnung ändert nach § 133 BGB nichts daran,
dass - wie auch sonst - nicht das fehlerhaft Erklärte, sondern das
wirklich Gewollte gilt. Dieser Grundsatz ist nach gefestigter Rechtsprechung
des Senats, die schon auf das Reichsgericht zurückgeht, auch auf
formgebundene Rechtsgeschäfte anzuwenden (vgl. Senat, Urteil vom
25. März 1983 - V ZR 268/61, BGHZ 87, 150, 152 f. mwN; Urteil vom 21.
Oktober 2016 - V ZR 78/16, NJW-RR 2017, 712 Rn. 21).
19 (b)
Dies steht auch nicht in Widerspruch zu der von dem Berufungsgericht
herangezogenen Rechtsprechung des Senats (Urteil
vom 6. November 2015 - V ZR 78/14, BGHZ 207, 349 Rn. 15) zur
wirksamen Begründung einer Beschaffenheitsvereinbarung in einem
formbedürftigen Kaufvertrag (so aber MüKoBGB/ Einsele, 9. Aufl., §
125 Rn. 38; Baer, ZfIR 2016, 360 f.).
20 (aa) Für die Begründung
einer formwirksamen Vereinbarung über die Beschaffenheit des
Kaufgegenstandes in einem Grundstückskaufvertrag gilt, dass der Wille der
Parteien einen - wenn auch nur unvollkommenen - Ausdruck in der Urkunde
gefunden haben muss. Daher führt eine Beschreibung von Eigenschaften
eines Grundstücks oder Gebäudes durch den Verkäufer vor Vertragsschluss, die
in der notariellen Urkunde keinen Niederschlag findet, in aller Regel nicht
zu einer Beschaffenheitsvereinbarung, weil die Parteien nicht davon ausgehen
können, dass im Vorfeld des Vertragsschlusses erteilte Informationen über
das Grundstück oder über das auf diesem Grundstück stehende Gebäude zum
Inhalt der vertraglichen Verpflichtungen werden, wenn diese nicht als
geschuldete Beschaffenheit im Kaufvertrag erwähnt werden (vgl.
Senat, Urteil vom 6. November 2015 - V ZR 78/14, BGHZ
207, 349 Rn. 15; Urteil vom 22. April 2016 - V ZR
23/15, ZfIR 2016, 785 Rn. 18).
21 (bb) Hierin liegt der
entscheidende Unterschied zu einer versehentlichen Falschbezeichnung des
Kaufgegenstandes. Bei einer solchen falsa demonstratio verstehen die
Parteien nämlich das objektiv Erklärte anders, weil sie tatsächlich etwas
anderes vereinbart haben und - irrtümlich - davon ausgehen, dies auch
im Vertrag zum Ausdruck gebracht zu haben. Der Kaufgegenstand ist
im Vertrag - wenn auch fehlerhaft - entsprechend der Einigung der Parteien
bezeichnet, so dass dem Formerfordernis Genüge getan ist. Beurkundet
ist dann das wirklich Gewollte, nur falsch Bezeichnete (vgl.
Senat, Urteil vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06,
NJW 2008, 1658 Rn. 13; Urteil vom 12. Oktober 2012 - V ZR 187/11, NJW-RR
2013, 789 Rn. 20; Urteil vom 21. Oktober 2016 - V ZR 78/16, NJW-RR 2017, 712
Rn. 22).
22 (cc) Die unterschiedliche Behandlung dieser beiden
Konstellationen rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass in den Fällen der
versehentlichen Falschbezeichnung die von den Parteien übereinstimmend
verstandene Regelung in der notariellen Urkunde enthalten ist. Lediglich bei
der Auslegung der getroffenen Vereinbarung muss auf außerurkundliche
Umstände zurückgegriffen werden. Bei vorvertraglichen Erklärungen
zur Beschaffenheit des Kaufgegenstandes, die in der notariellen Urkunde
keinen Niederschlag finden, liegt dagegen keine versehentliche
Falschbezeichnung vor, sondern es fehlt regelmäßig an einem entsprechenden
Rechtsbindungswillen und damit an einer Beschaffenheitsvereinbarung (näher
Senat, Urteil vom 6. November 2015 - V ZR 78/14, BGHZ
207, 349 Rn. 17 f. mwN).
23 (3) Es steht aber weder fest
noch lässt sich dem Vortrag der Kläger entnehmen, dass die Vertragsparteien
in der Erklärung Begriffe anders als nach dem Wortsinn verstanden oder mit
Flurstücks- oder Grundbuchangaben andere, von den Angaben im Grundbuch und
Liegenschaftskataster abweichende Vorstellungen über den verkauften
Grundbesitz verbunden haben.
24 (a) Zu einer
versehentlichen Falschbezeichnung kann es zunächst dadurch kommen, dass die
Parteien eines Grundstückskaufvertrags die Parzellenbezeichnung verwechseln
oder vergessen, eine von mehreren verkauften Parzellen im notariellen
Vertrag aufzuführen (vgl. Senat, Urteil
vom 25. März 1983 - V ZR 268/81, BGHZ 87, 150,
152).
25 (b) Angewendet hat der Senat die Grundsätze der falsa
demonstratio außerdem, wenn im Vertragstext als Kaufgegenstand
irrtümlich das gesamte Grundstück genannt wird, obwohl nur eine bestimmte
Teilfläche verkauft und übereignet werden soll (vgl. Senat, Urteil
vom 7. Dezember 2001 - V ZR 65/01, NJW 2002, 1038; Urteil vom 12. Oktober
2012 - V ZR 187/11, NJW-RR 2013, 789). Ebenfalls bejaht hat der
Senat die Anwendung der Grundsätze der falsa demonstratio für den Verkauf
einer Fläche, die zwar in dem notariellen Kaufvertrag versehentlich nicht
bezeichnet war, die aber nach den Umständen des Einzelfalls mitverkauft sein
sollte (vgl. Senat, Urteil vom 23. Juni 1967 - V ZR 4/66, WM 1967,
701 für den Verkauf eines ganzen Buchenwalds; Urteil
vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06, NJW 2008, 1658 für den Verkauf einer
ganzen Parkanlage).
26 (c) Dass mehr oder weniger verkauft
werden soll als in dem notariellen Grundstückskaufvertrag genannt, ist
allerdings eine eng begrenzte Ausnahme. Grundsätzlich soll das Grundstück
nur in dem aus dem Grundbuch und dem Liegenschaftskataster ersichtlichen
Zuschnitt und Umfang verkauft werden (vgl. Senat,
Urteil vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06, NJW 2008, 1658 Rn. 10;
Urteil vom 12. Oktober 2012 - V ZR 187/11, NJW-RR 2013, 789 Rn. 20; Urteil
vom 21. Oktober 2016 - V ZR 78/16, NJW-RR 2017, 712 Rn. 21). Dass
der Grenzverlauf in der Natur häufig nur ungenau abgebildet wird, darf als
bekannt vorausgesetzt werden und führt in aller Regel nicht zu der
beidseitigen Vorstellung, die Grenzeinrichtung bestimme Maß und Größe
(ebenso Krüger, ZNotP 2009, 2, 4; zu weitgehend daher OLG Hamm
NJW-RR 1992, 152, 153).
27 (d) Dies gilt umso mehr, wenn das
vermeintlich mitverkaufte, im Vertrag aber nicht bezeichnete Grundstück
nicht im Eigentum des Verkäufers steht. Denn es stellt den absoluten
Regelfall dar, dass der Verkäufer eines Grundstücks nur das ihm gehörende
Grundstück, nicht aber auch das nicht in seinem Eigentum stehende
Nachbargrundstück oder auch nur Teile davon verkaufen will.
Auch der Käufer geht in aller Regel hiervon aus. Etwas anderes
ergibt sich insbesondere nicht schon aus einer gemeinsamen Besichtigung des
Grundstücks. Aus dem Umstand, dass die Kaufvertragsparteien die
tatsächlichen Verhältnisse des im Eigentum des Verkäufers stehenden
Grundstücks bei einer Besichtigung zur Kenntnis genommen haben, kann, auch
wenn dieses Grundstück und das angrenzende Nachbargrundstück scheinbar eine
Einheit bilden, nur im Ausnahmefall auf eine Einigung über den Mitverkauf
des nicht im Eigentum des Verkäufers stehenden Nachbargrundstücks
geschlossen werden. Nicht jede Abweichung etwa der Einfriedung von der
vermessenen Grundstücksgrenze rechtfertigt die Annahme, dass die Parteien
nicht das vermessene, sondern das bei der Besichtigung in seinen
tatsächlichen Grenzen wahrgenommene Grundstück zum Vertragsgegenstand machen
wollen und dieses im notariellen Grundstückskaufvertrag lediglich
versehentlich falsch bezeichnet haben. Hierfür bedarf es vielmehr besonderer
und gewichtiger Indizien.
28 (e) Insbesondere scheidet die
Anwendung der Grundsätze der falsa demonstratio von vornherein aus,
wenn die Parteien nicht einem beidseitigen
Irrtum unterliegen, sondern der Verkäufer den tatsächlichen, von den
natürlichen Gegebenheiten vor Ort abweichenden Grenzverlauf kennt und den
Käufer hierüber nicht, wie geboten, aufklärt. Weckt der Verkäufer eines
Grundstücks bei dem Käufer vor Vertragsschluss falsche - einseitige -
Vorstellungen über den tatsächlichen Umfang seines Eigentums oder erkennt er
eine entsprechende Fehlvorstellung über den Grenzverlauf, klärt den Käufer
aber nicht über den wahren Grenzverlauf auf, fehlt es in aller Regel an
einer Einigung über den Verkauf eines scheinbar zu dem Grundstück des
Verkäufers zugehörigen fremden Grundstücks; ein Fall der nur versehentlichen
Falschbezeichnung durch Benennung allein des im Eigentum des Verkäufers
stehenden Grundstücks ist dann nicht gegeben und es besteht kein auf das
fremde Nachbargrundstück gerichteter Erfüllungsanspruch. Der Verkäufer kann
allerdings wegen Verschuldens bei Vertragsschluss zum Schadensersatz
verpflichtet sein (vgl. Senat, Urteil vom
11. November 2011 - V ZR 245/10, NJW 2012, 846 Rn. 6).
29 (f) Es
ist nach alledem zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, unter Berücksichtigung
der besonderen Umstände des Einzelfalls auch bezüglich eines nicht im
Eigentum des Verkäufers stehenden Grundstücks zur Bejahung einer dieses
Grundstück einschließenden Einigung unter Anwendung der Grundsätze der falsa
demonstratio zu gelangen (vgl. Senat, Urteil vom 18.
Januar 2008 - V ZR 174/06, NJW 2008, 1658 Rn. 12 für den Verkauf einer
gesamten, sich auf das Nachbargrundstück erstreckenden parkähnlichen
Gartenanlage). Vorliegend ergeben sich für eine solche lediglich
ausnahmsweise anzunehmende Einigung aber weder aus den getroffenen
Feststellungen noch bei Zugrundelegung des von der Revision aufgezeigten
Klägervortrags hinreichende Anhaltspunkte.
30 (aa)
Ausweislich der von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen
des Landgerichts haben die Kläger behauptet, dass sie bei Abschluss des
notariellen Kaufvertrags davon ausgegangen seien, dass das Flurstück 277/22
mitveräußert sei. Die Beklagten hätten sie nicht über die
Eigentumsverhältnisse bezüglich des Flurstücks 277/22 aufgeklärt.
Grundlage des Kaufvertrags sei nach einer Abrede mit den Beklagten gewesen,
dass die Kläger das Flurstück 277/22 mit erwerben würden. Die
Revision verweist ergänzend auf Klägervortrag dazu, dass die Beklagten bei
Begehung des Grundbesitzes zugesichert hätten, dass die in Natur vorhandene
und als Gesamtobjekt aufzufassende Immobilie mit den dort vorhandenen
Abgrenzungen in der Natur vollständig in ihrem Eigentum stehe. Sämtliche
Vertragsbeteiligten seien davon ausgegangen, dass das Flurstück 277/22
„integraler Bestandteil des verkauften Grundbesitzes“ sei. An
dieser Erklärung müssten die Beklagten sich festhalten lassen, obwohl sie
zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis von dem fremden Eigentum des
Nachbarn gehabt hätten. Den Beklagten sei bei Beurkundung des
Grundstückskaufvertrags bewusst gewesen, dass es den Klägern auch auf das
Flurstück 277/22 entscheidend angekommen sei; sie hätten allerdings
die wirklichen Eigentumsverhältnisse verschwiegen.
31 (bb)
Daraus lässt sich keine Einigung auf den Mitverkauf des im Eigentum des
Nachbarn stehenden Flurstücks, die im notariellen Kaufvertrag lediglich
versehentlich falsch wiedergegeben worden wäre, herleiten. Auszugehen ist,
wie ausgeführt (oben Rn. 26), zunächst davon, dass die Beklagten (nur) das
in ihrem Eigentum stehende und auch im Kaufvertrag genannte Grundstück so
verkaufen wollten, wie es aus dem Grundbuch und dem Liegenschaftskataster
ersichtlich war. Auch die Kläger konnten, obwohl sie das Flurstück 277/22
als dem Flurstück 291/3 zugehörig begriffen haben, nicht ohne weiteres davon
ausgehen, dass die Beklagten mehr verkaufen wollten, als ihnen selbst
gehörte. Und selbst wenn auch die Beklagten davon ausgegangen sein sollten,
dass das Flurstück des Nachbarn (277/22) Bestandteil ihres eigenen
Grundstücks (291/3) war, sind keinerlei Anhaltspunkte festgestellt
oder von der Revision vorgebracht, die ausnahmsweise auf den auch von den
Klägern so zu verstehenden Willen der Beklagten hindeuten könnten, mehr
verkaufen zu wollen als das, was nach dem Grundbuch und dem
Liegenschaftskataster in ihrem Eigentum stand. Hierfür genügt, wie
ausgeführt (oben Rn. 27), insbesondere die gemeinsame Besichtigung nicht.
Sollten die Beklagten dagegen Kenntnis von den wahren
Eigentumsverhältnissen gehabt und die Kläger hierüber fahrlässig oder
vorsätzlich im Unklaren gelassen haben - der von der Revision aufgezeigte
Klägervortrag ist insoweit nicht eindeutig - gälte nichts anderes. Dann
fehlt es erst recht an einer Einigung auf einen Mitverkauf des fremden
Flurstücks, dessen Aufnahme in den notariellen Kaufvertrag lediglich
versehentlich unterblieben wäre.
32 b) Ein auf der
Grundlage des Klägervorbringens grundsätzlich in Betracht kommender Anspruch
aus culpa in contrahendo gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs.
2 BGB ist allerdings verjährt.
33 aa) Haben die Beklagten,
wovon für die Revisionsinstanz auszugehen ist, einen Irrtum der Kläger über
den Grenzverlauf und damit den Umfang des zu verkaufenden Grundstücks
hervorgerufen oder einen solchen Irrtum erkannt, aber nicht berichtigt,
scheidet zwar eine Einigung auf den Mitverkauf des
Nachbargrundstücks und eine lediglich versehentliche Falschbezeichnung im
Kaufvertrag aus. Es kommt dann aber eine Inanspruchnahme der Beklagten wegen
culpa in contrahendo (§ 280 Abs. 1,311 Abs. 2 Nr. 1, 241
Abs. 2 BGB) in Betracht (vgl. Senat, Urteil
vom 11. November 2011 - V ZR 245/10, NJW 2012, 846 Rn. 6). Eine
Haftung der Beklagten dem Grunde nach wäre dann, da der Anwendungsbereich
der Sachmängelhaftung nicht eröffnet ist (oben Rn. 5), auch
nicht davon abhängig, ob sie nur fahrlässig oder sogar vorsätzlich gehandelt
haben (vgl. Senat, Urteil vom 11. November
2011 - V ZR 245/10, aaO Rn. 9; zur Abgrenzung Senat, Urteil vom 8. April
2011 - V ZR 185/10, NJW 2011, 2128 Rn. 25).
34 bb) Ein
solcher Anspruch kann zwar auf Rückabwicklung gerichtet sein, wenn die von
den Beklagten versprochene Leistung, hier also (nur) das Flurstück 291/3
ohne das Flurstück 277/22, für die Zwecke der Kläger nicht geeignet ist und
hierin der Schaden besteht (vgl. Senat,
Urteil vom 26. September 1997 - V ZR 29/96, NJW 1998, 302;
Urteil vom 19. Dezember 1997 - V ZR 112/96, NJW
1998, 898). Auch davon ist nach dem Klägervortrag auszugehen.
Dieser Anspruch ist aber, wie das Berufungsgericht im Ergebnis
zutreffend erkannt hat, verjährt. Die Verjährung richtet
sich nach §§ 196, 200 BGB, da § 196 BGB nach der Rechtsprechung des Senats
auch Rückabwicklungsansprüche aus einem Grundstückskaufvertrag erfasst
(vgl. Senat, Urteil vom 25. Januar 2008 - V ZR 118/07, NJW-RR 2008, 824 Rn.
20; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB [2019], § 196 Rn. 6). Danach
verjährt der Anspruch in zehn Jahren, wobei die Verjährungsfrist mit der
Entstehung des Anspruchs beginnt. Da der Schaden nach dem
Klägervortrag in der Eingehung der für ihre Zwecke ungeeigneten
vertraglichen Verpflichtung besteht, ist der Anspruch mit Abschluss des
Grundstückskaufvertrages im Jahr 2009 entstanden. Auf die Kenntnis der
Kläger kommt es für den Verjährungsbeginn nach § 200 Satz 1 BGB nicht an.
Die im Jahr 2020 eingegangene Klage konnte die Verjährung daher nicht mehr
hemmen.
35 c) Die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Ausschluss
des Anfechtungsrechts nimmt die Revision - zu Recht, da seit der Abgabe der
Willenserklärung der Kläger zehn Jahre verstrichen sind - hin.
III.
36 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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