Rücktrittsausschluss nach § 323 Abs. 6 BGB und Aufrechterhaltung der Gegenleistungspflicht nach § 326 Abs. 2 BGB wegen Verantwortlichkeit des Gläubigers: Abgrenzung nach Risikobereichen; Voraussetzung einer Kündigung aus wichtigem Grund


BGH, Urteil vom 25. Juni 2024 - X ZR 97/23 - LG Frankfurt am Main


Fundstelle:

NJW-RR 2024, 1243


Amtl. Leitsatz:

a) Eine Verantwortlichkeit des Gläubigers im Sinne von § 323 Abs. 6 Fall 1 BGB und § 326 Abs. 2 Satz 1 Fall 1 BGB kann auch dann anzunehmen sein, wenn die Auslegung des Vertrags ergibt, dass der Gläubiger nach der vertraglichen Gestaltung das Risiko eines bestimmten Leistungshindernisses ausdrücklich oder konkludent übernommen hat und sich dieses Leistungshindernis verwirklicht (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 26. Januar 2023 - IX ZR 17/22, NZM 2023, 460 Rn. 9; Urteil vom 13. Januar 2011 - III ZR 87/10, BGHZ 188, 71 = NJW 2011, 756 Rn. 16; Urteil vom 11. November 2010 - III ZR 57/10, NJW-RR 2011, 916 Rn. 18; Urteil vom 18. Oktober 2001 - III ZR 265/00, NJW 2002, 595, juris Rn. 9).

b) Die stillschweigende Übernahme eines Risikos kommt insbesondere in Betracht, wenn dieses schon bei Vertragsschluss bestanden hat und nur eine Vertragspartei in der Lage war, es abzuschätzen, oder wenn seine Verwirklichung von persönlichen Verhältnissen eines Vertragspartners abhängt, die der andere Teil nicht beeinflussen kann (Bestätigung von BGH, Urteil vom 18. Oktober 2001 - III ZR 265/00, NJW 2002, 595, juris Rn. 9; Urteil vom 11. November 2010 - III ZR 57/10, NJW-RR 2011, 916 Rn. 12 und 18).

c) Eine stillschweigende Risikoübernahme in diesem Sinne ist in der Regel zu bejahen, wenn der Gläubiger eine Luftbeförderung unter Ausschluss der nachträglichen Änderung des Beförderungszeitpunktes bucht, obwohl die zu befördernden Personen von einem für das Zielland seit längerem bestehenden Einreiseverbot betroffen sind, das an den Zweck der Reise oder sonstige persönliche Umstände anknüpft, und nicht absehbar ist, ob dieses Verbot vor dem vereinbarten Beförderungszeitpunkt aufgehoben wird (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 30. November 1972 - VII ZR 239/71, BGHZ 60, 14, juris Rn. 16 ff.).


Zentrale Probleme:

Eine schöner und lehrreicher Fall zu allgemeinen Schuldrecht:
In Kenntnis eines pandemiebedingten Einreiseverbots für Touristen bucht das klagende Reisebüro für seine Kunden bei eine Fluggesellschaft Flüge in die USA. Die Flüge haben stattgefunden, Fluggesellschaft hätte die konkreten Passagiere aber nicht befördert, weil sie unter das Einreiseverbot fielen. Die Klägerin klagt auf Rückzahlung des Flugpreises.
Der Senat lässt offen, ob es sich um einen Fall der Unmöglichkeit oder der Verzögerung der Leistung handelt. Für den Fall der Unmöglichkeit stellt sich im Rahmen von § 326 II BGB die Frage, ob die Klägerin als Gläubigern für die Unmöglichkeit allein oder weit überwiegend verantwortlich. Ihm Rahmen eines Rücktritts nach § 323 stellt sich diesselbe Frage im Rahmen des Rücktrittsausschlusses gem. § 323 VI BGB. Hier knüpft der Senat an seine frühere Rspr. an, dass sich eine "Verantwortlichkeit" im Sinne dieser Vorschriften auch aus einer stillschweigenden Risikoübernahme ergeben kann (vgl. dazu vor allem den Tic-Tac-Toe-Fall BGH vom 18. Oktober 2001 - III ZR 265/00, NJW 2002, 595 sowie die weiteren im Leitsatz zitierten Entscheidungen). Ganz ähnliche Überlegungen der Risikosphäre gelten auch für eine denkbare Kündigung nach § 648a BGB. Das vollkommen zutreffende Kernargument lässt sich auf einen Punkt zusammenfassen: Das Reisebüro konnte das Risiko, dass die Passagiere nicht befördert werden, besser einschätzen als die Fluggesellschaft. Denn während das Reisebüro leicht hätte feststellen können, ob die Kunden unter das Einreisevrbot fielen, war das der Fluggesellschaft eben nicht in gleicher Weise möglich.

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Tatbestand:

1 Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Erstattung des Beförderungsentgelts für einen gebuchten, aber nicht angetretenen Flug in Anspruch.

2 Die Klägerin buchte als Inhaberin einer Reiseagentur am 10. Oktober 2020 bei der Beklagten für drei Fluggäste eine Flugreise, die am 4. August 2021 von München nach San Francisco und am 24. August 2021 von Las Vegas über Frankfurt nach München führen sollte. Der gebuchte Tarif sah für den Fall der Stornierung lediglich die Erstattung von Steuern und Gebühren vor. Die Klägerin zahlte den Flugpreis in Höhe von insgesamt 2.113,68 Euro. Darin waren Steuern und Gebühren in Höhe von insgesamt 1.117,68 Euro enthalten.

3 Aufgrund der Covid-19-Pandemie bestand zum Zeitpunkt der Buchung für Passagiere aus dem Schengen-Raum bereits seit sieben Monaten ein unbefristetes Verbot der Einreise in die Vereinigten Staaten. Dieses bestand bis zum 7. November 2021 fort. Die drei Fluggäste, für die die Klägerin gebucht hatte, traten den Flug deswegen nicht an. Alle gebuchten Flüge fanden statt. Die Beklagte hätte die Fluggäste, die als Touristen in die Vereinigten Staaten fliegen wollten, jedoch nicht befördert.

4 Nach vorheriger Mahnung und Fristsetzung hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von 2.113,68 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch genommen.

5 Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 1.117,68 Euro nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin Zahlung weiterer 996,12 Euro nebst Zinsen verlangt.

6 Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr zweitinstanzliches Begehren in Höhe von 996,00 Euro nebst Zinsen weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:

7 Die zulässige Revision ist unbegründet.

8 I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

9  Die Klägerin habe keine Ansprüche aus Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO, da die Fluggäste, zu deren Gunsten sie den Beförderungsvertrag mit der Beklagten geschlossen habe, den Vertrag durch den Nichtantritt der Reise konkludent gekündigt hätten bzw. zurückgetreten seien.

10 Ein Anspruch aus § 648 in Verbindung mit § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB scheide aus, da die Klägerin einen Tarif gewählt habe, der im Falle der Vertragsbeendigung lediglich die Erstattung von Steuern und Gebühren vorgesehen habe.

11 Ein Anspruch wegen einer Kündigung aus wichtigem Grund nach § 812 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB sei ebenfalls nicht gegeben, da die Klägerin die Flüge in Kenntnis des Reiseverbots und dessen möglicher Fortdauer gebucht und hierbei einen nicht erstattbaren Tarif gewählt habe.

12 Ansprüche wegen Unmöglichkeit der Leistung gemäß § 346 Abs. 1 und Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 326 Abs. 5 und § 275 Abs. 1 BGB stünden der Klägerin ebenfalls nicht zu. Die Leistung sei der Beklagten tatsächlich und rechtlich möglich gewesen. Geschuldet sei nach dem Vertrag die Beförderung zum Zielort, nicht die Einreise in die Vereinigten Staaten. Die Unmöglichkeit ergebe sich auch nicht aus der (hoheitlichen) Pflicht der Beklagten, Reisende bei einer Nichteinreise zurückzubefördern. Dies sei keine Primärpflicht, sondern deren Folge. Dass es der Beklagten untersagt gewesen wäre, die Reisenden überhaupt an Bord zu nehmen, habe die Klägerin ohne Nennung konkreter Umstände behauptet und daher nicht substantiiert dargetan. Die Unmöglichkeit der Leistung folge auch nicht aus etwaigen Einreisestrafen gegenüber der Beklagten. Selbst wenn ein Einreiseverbot oder eine Einreisestrafe ein Erfüllungshindernis darstellten, habe dieses jedenfalls nur zeitweilig bestanden und daher nicht zur Unmöglichkeit geführt.

13 Einem Anspruch wegen Unmöglichkeit der Leistung stehe zudem entgegen, dass die Klägerin für den Umstand, der sie zum Rücktritt berechtigt hätte, allein oder weit überwiegend verantwortlich gewesen sei (§ 323 Abs. 6 Fall 1 BGB). Der Verantwortlichkeit für den zum Rücktritt berechtigenden Umstand sei die Übernahme des Risikos eines Leistungshindernisses gleichzustellen. Dieses habe im Streitfall die Klägerin übernommen, indem sie in Kenntnis des Risikos eines fortbestehenden Einreiseverbots einen Tarif gebucht habe, der für den Fall der Stornierung lediglich die Erstattung von Steuern und Gebühren vorgesehen habe.

14 Ein Anspruch nach § 346 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 323 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 BGB scheide dementsprechend ebenfalls nach § 323 Abs. 6 Fall 1 BGB aus.

15 Ein Erstattungsanspruch ergebe sich auch nicht aus § 313 BGB, da sich keine wesentlichen Umstände geändert, sondern lediglich ein bereits bestehendes Risiko verwirklicht habe, welches die Klägerin infolge ihrer Tarifwahl übernommen habe.

16 II. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

17 1. Von der Revision unangegriffen hat das Berufungsgericht Ansprüche der Klägerin aus der Fluggastrechteverordnung verneint.

18 Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.

19 2. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht einen weitergehenden Anspruch auf Rückerstattung des Flugpreises gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 648 Satz 2 BGB verneint.

20 3. Zu Recht ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin ihr Begehren nach vollständiger Erstattung des Flugpreises auch nicht auf § 346 Abs. 1 in Verbindung mit § 326 Abs. 5 und § 275 Abs. 1 BGB stützen kann.

21 a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der zwischen den Parteien geschlossene Luftbeförderungsvertrag einen Werkvertrag darstellt.

22 b) Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Fluggäste wegen des Einreiseverbots vom Beförderungsvertrag durch Nichtantritt der Reise konkludent zurückgetreten sind und die Klägerin an diese Erklärung gebunden ist.

23 c)    Ob die Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung für die Beklagte unmöglich im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB war, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Auch wenn Unmöglichkeit zu bejahen wäre, führte dies nicht zu einem Rücktrittsrecht der Klägerin nach § 326 Abs. 5 BGB. Ein Rücktritt wäre vielmehr gemäß § 323 Abs. 6 BGB ausgeschlossen und der Beklagten stünde nach § 326 Abs. 2 BGB ein Vergütungsanspruch in derjenigen Höhe zu, die sich auch aus § 648 Satz 2 BGB ergibt.

24 aa) Nach der Regelung in § 323 Abs. 6 Fall 1 BGB, die gemäß § 326 Abs. 5 BGB auch im Falle der Unmöglichkeit Anwendung findet, ist ein Rücktritt ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigt - im vorliegenden Zusammenhang also für die Unmöglichkeit der Leistung - allein oder weit überwiegend verantwortlich ist. Unter diesen Voraussetzungen behält der Schuldner der unmöglich gewordenen Leistung gemäß § 326 Abs. 2 Satz 1 Fall 1 BGB grundsätzlich seinen Anspruch auf die Gegenleistung.

25 Die Verantwortlichkeit des Gläubigers kann sich aus einer Verletzung seiner vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten ergeben (BGH, Urteil vom 8. November 2007 - VII ZR 183/05, BGHZ 174, 110 = NJW 2008, 511 Rn. 37; Urteil vom 17. Juli 2007 - X ZR 31/06, NJW 2007, 3488 Rn. 28; Urteil vom 11. November 2010 - III ZR 57/10, NJW-RR 2011, 916 Rn. 18). Sie kann auch dann anzunehmen sein, wenn die Auslegung des Vertrags ergibt, dass der Gläubiger nach der vertraglichen Gestaltung das Risiko eines bestimmten Leistungshindernisses ausdrücklich oder konkludent übernommen hat und sich dieses Leistungshindernis verwirklicht (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2023 - IX ZR 17/22, NZM 2023, 460 Rn. 9; Urteil vom 13. Januar 2011 - III ZR 87/10, BGHZ 188, 71 = NJW 2011, 756 Rn. 16; Urteil vom 11. November 2010 - III ZR 57/10, NJW-RR 2011, 916 Rn. 18; Urteil vom 18. Oktober 2001 - III ZR 265/00, NJW 2002, 595, juris Rn. 9; Staudinger/Schwarze, 2020, § 326 Rn. C 24; MünchKomm.BGB/Ernst, 9. Aufl. 2022, § 326 Rn. 56; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 326 Rn. 9).

26 Die stillschweigende Übernahme eines Risikos kommt insbesondere in Betracht, wenn dieses schon bei Vertragsschluss bestanden hat und nur eine Vertragspartei in der Lage war, es abzuschätzen (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2001 - III ZR 265/00, NJW 2002, 595, juris Rn. 9), oder wenn seine Verwirklichung von persönlichen Verhältnissen eines Vertragspartners abhängt, die der andere Teil nicht beeinflussen kann (BGH, Urteil vom 11. November 2010 - III ZR 57/10, NJW-RR 2011, 916 Rn. 12 und 18).

27 Etwas anderes gilt für Risiken, die erst nach Vertragsschluss zu Tage treten und außerhalb des Einflussbereichs beider Vertragsparteien liegen. In solchen Fällen widerspricht es grundsätzlich der Billigkeit, das Risiko allein dem Gläubiger aufzubürden (BGH, Urteil vom 30. November 1972 - VII ZR 239/71, BGHZ 60, 14, juris Rn. 25 f.).

28 In der zuletzt genannten Konstellation werden die Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts bei Werkverträgen durch den in § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommenden Billigkeitsgedanken verdrängt. So hat der Bundesgerichtshof in einem Fall, in dem eine Pauschalreise nicht stattfinden konnte, weil einer der Reisenden aufgrund eines nach Vertragsschluss eingeführten Impferfordernisses nicht in das Zielland einreisen durfte, dem Reiseveranstalter auf der Grundlage des damals noch einschlägigen Werkvertragsrechts einen Anspruch aus § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB zugesprochen, nicht aber einen weitergehenden Anspruch aus der (im Wesentlichen gleich wie § 326 Abs. 2 BGB lautenden) Regelung in § 324 BGB a.F. (BGH, Urteil vom 30. November 1972 - VII ZR 239/71, BGHZ 60, 14, juris Rn. 16 ff.).

29 bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden, dass die Klägerin bei Anlegung dieser Maßstäbe für eine aus dem Fortbestehen des Einreiseverbots resultierende Unmöglichkeit verantwortlich im Sinne von § 323 Abs. 6 Fall 1 BGB und § 326 Abs. 2 Satz 1 Fall 1 BGB ist, weil sie das Risiko, das sich aus diesem bereits bei Vertragsschluss bestehenden Verbot ergab, stillschweigend übernommen hat.

30 (1) Die Klägerin hat die Flüge zu einem Zeitpunkt gebucht, als für Fluggäste mit vorherigem Aufenthalt im Schengen-Raum ein grundsätzliches Verbot der Einreise in die Vereinigten Staaten bestand und in dem ungewiss war, wie sich die Situation weiter entwickeln würde. Dieses Verbot und das daraus resultierende Risiko waren der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der Buchung bekannt. Es war unabhängig davon schon deshalb ohne weiteres erkennbar, weil das Verbot im Zeitpunkt der Buchung schon seit mehreren Monaten bestand und Gegenstand der öffentlichen Berichterstattung war.

31 (2) Die Klägerin verfügte im Zeitpunkt des Vertragsschlusses über bessere Erkenntnismöglichkeiten als die Beklagte.

32 Fluggäste, die unter den genannten Umständen einen Flug buchten, hatten zwar ebenso wenig wie die Beklagte die Möglichkeit, auf die weitere Entwicklung der Covid-19-Pandemie oder den Fortbestand des Einreiseverbots einzuwirken. Sie konnten die aus einer solchen Buchung resultierenden Folgen aber besser abschätzen, weil es von Umständen in der Person des Fluggastes abhing, ob das Verbot greifen würde.

33 Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass die Beklagte eine Beförderung der Fluggäste im Streitfall verweigert hätte, weil diese zu touristischen Zwecken einreisen wollten. Dem ist zu entnehmen, dass das Einreiseverbot nicht schlechthin für alle Fluggäste galt, sondern an den Zweck der Reise oder sonstige persönliche Umstände anknüpfte.

34 Für die Beklagte war im Zeitpunkt der Buchung nicht ersichtlich, zu welchem Zweck die Fluggäste in die Vereinigten Staaten einreisen wollten und ob sich aus diesem Zweck oder aus sonstigen persönlichen Umständen möglicherweise eine Ausnahme von dem Einreiseverbot ergab.

35 Die Fluggäste verfügten hingegen über die einschlägigen Informationen und konnten deshalb beurteilen, welche Folgen ein Fortbestand des Einreiseverbots für sie haben würde. Wenn sie in dieser Situation eine Flugreise buchten, gaben sie damit zu erkennen, dass sie die aus dem Einreiseverbot resultierenden Risiken auf sich nehmen. Vor diesem Hintergrund erschiene es unbillig, wenn sie die aus der Verwirklichung dieser Risiken resultierenden Folgen auf die Beklagte abwälzen könnten.

36 Für die Klägerin kann nichts anderes gelten. Sie hatte zwar keinen unmittelbaren Einblick in die für die Geltung des Einreiseverbots maßgeblichen persönlichen Umstände der Fluggäste. Ihr war es aber möglich und zumutbar, bei den Fluggästen diesbezüglich Rücksprache zu halten, weil sie die Buchung in deren Interesse vorgenommen hat. Die Beklagte durfte demgegenüber davon ausgehen, dass die Klägerin als Inhaberin einer Reiseagentur die entsprechenden Informationen von ihren Kunden eingeholt hat.

37 (3) Aus dem Zeitabstand zwischen Buchung und Beförderung ergibt sich keine abweichende Beurteilung.

38 Im Zeitpunkt der Buchung mag die Hoffnung bestanden haben, dass das Einreiseverbot innerhalb des zwischen Buchung und Hinflug liegenden Zeitraums von annähernd zehn Monaten aufgehoben oder abgemildert würde. Konkrete Anhaltspunkte, die eine solche Entwicklung mit hinreichender Sicherheit erwarten ließen, sind aber weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Das aus dieser - im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbaren - Ungewissheit resultierende Risiko hat die Klägerin mit der Buchung aus den oben aufgezeigten Gründen konkludent übernommen.

39 4. Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht zu Recht auch einen Anspruch wegen Nichterbringens der Leistung gemäß § 346 Abs. 1 in Verbindung mit § 323 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 BGB abgelehnt. Auch ein Rücktritt nach diesen Vorschriften ist im Streitfall gemäß § 323 Abs. 6 BGB ausgeschlossen.

40 5. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht zudem einen Anspruch wegen Kündigung aus wichtigem Grund nach § 812 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 648a Abs. 1 BGB verneint.

41 a) Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund setzt voraus, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - III ZR 231/12, NJW 2013, 2021 Rn. 17; Urteil vom 11. November 2010 - III ZR 57/10, NJW-RR 2011, 916 Rn. 9).

42 Dies ist im Allgemeinen nur dann anzunehmen, wenn die Gründe, auf die die Kündigung gestützt wird, im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen. Wird der Kündigungsgrund hingegen aus Vorgängen hergeleitet, die dem Einfluss des Kündigungsgegners entzogen sind und aus der eigenen Interessensphäre des Kündigenden herrühren, rechtfertigt dies nur in Ausnahmefällen die fristlose Kündigung. Die Abgrenzung der Risikobereiche ergibt sich dabei aus dem Vertrag, dem Vertragszweck und den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - III ZR 231/12, NJW 2013, 2021 Rn. 17; Urteil vom 11. November 2010 - III ZR 57/10, NJW-RR 2011, 916 Rn. 9; Urteil vom 9. März 2010 - VI ZR 52/09, NJW 2010, 1874 Rn. 15).

43 b) Gemessen hieran ist die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass ein Recht auf Kündigung aus wichtigem Grund nicht gegeben ist, da die zur Kündigung führenden Gründe nicht dem Risikobereich der Beklagten entstammten und der Klägerin bei Vertragsschluss zudem bekannt waren, nicht zu beanstanden.

44 III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.