§
3 Die Willenserklärung
Lösungen
Lösung zu
Fall
1 (Erklärungsbewusstsein und Geschäftswille)
a) Auf der Ebene des subjektiven
Tatbestandes der Willenserklärung könnte dem K das Element des
Erklärungsbewusstseins fehlen.
Um mit Erklärungsbewusstsein
zu handeln, muss dem Erklärenden (K) bewusst sein, dass er eine auf
die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtete Erklärung abgibt.
K wollte lediglich seinem
Freund seinen Standplatz anzeigen. Damit wollte er nichts rechtlich Erhebliches
erklären.
Somit lag kein Erklärungsbewusstsein
vor.
Hinweis:
Die Folgen des fehlenden
Erklärungsbewusstseins sind in Rechtsprechung und Literatur
umstritten.
Nach einer in der Literatur
vertretenen Ansicht soll dieses Element konstitutiv sein, d. h. eine Willenserklärung
würde hier nicht vorliegen, somit wäre auch kein Vertrag zustande
gekommen.
Nach wohl h.M. Ansicht ist
das Vorliegen von Erklärungsbewußtsein nicht konstitutives Tatbestandsmerkmal
der Willenserklärung. Nach der Rechtsprechung soll dies allerdings
nur dann gelten, wenn K hätte erkennen können, welche Bedeutung
sein Handeln hat (BGHZ 91, 324 ff).
K bleibt nach h. M. jedoch
die Möglichkeit, die Erklärung analog § 119 Abs. 1 BGB anzufechten.
Näheres dazu in § 10, 11 “Willensmängel”.
Kurzübersicht:
Lorenz/Riehm,
JuS Lern-CD Zivilrecht I Rn. 15. |
b) In diesem Fall könnte,
ebenfalls auf der Ebene des subjektiven Tatbestandes das Element des Geschäftswillens
fehlen.
Geschäftswille bezeichnet
den Willen, eine Willenserklärung mit einem ganz bestimmten Inhalt
abzugeben. Er fehlt, wenn der Erklärende zwar rechtsgeschäftlich
handeln wollte (also Erklärungsbewußtsein hatte) die Willenserklärung
einen anderen Inhalt hat, als vom Erklärenden gewollt.
Da es sich bei der Erklärung
um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, ist für
die Auslegung nicht der subjektive Wille (§ 133 BGB) sondern der objektive
Empfängerhorizont (§ 157 BGB) maßgeblich.
Hinweis:
Auf die Probleme der Auslegung
wird in § 6 “Das Zustandekommen des Vertrags, Teil III” noch ausführlich
eingegangen werden.
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Objektiv erklärte K,
ein Fass Wein für 1000 € zu kaufen. Subjektiv wollte er jedoch den
Wein zum Pries von 500 € kaufen. K wollte also ein ganz anderes Geschäft.
Damit fehlt dem K der Geschäftswille.
Hinweis:
Auch der Geschäftswille
ist kein konstitutives Merkmal. K kann jedoch seine Willenserklärung
anfechten (vgl. o.).
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Lösung zu Fall
2 (Zugang und Widerruf der Willenserklärung)
V könnte gegen K einen
Anspruch auf Bezahlung des Kaufpreises in Höhe von 100 € aus einem
zwischen ihnen geschlossen Kaufvertrag haben (§ 433 II BGB).
Hinweis:
Auf den Vertragsschluss wird
ausführlich noch in § 4 “Angebot und Annahme” eingegangen werden.
An dieser Stelle sollten Sie lediglich versuchen, sich die Einordnung des
Problems in den Fallaufbau klar zu machen.
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I. Anspruchsentstehung
Voraussetzung ist, dass zwischen
V und K ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist.
Dies wiederum setzt das
Vorliegen zweier übereinstimmender Willenserklärungen der Vertragsparteien,
Angebot (§ 145 BGB) und Annahme (§ 147 BGB), gerichtet auf Kauf
des Fahrrades zum Preis von 100 € (essentialia negotii) voraus.
1. Angebot
Ein Angebot ist in dem Brief
des K an den V zu sehen, in dem er ihm den Kauf seines Fahrrades für
100 € anbietet. Inhaltlich entspricht es den Anforderungen eines Angebots,
da es alle essentialia negotii enthält und durch ein schlichtes
"ja" annahmefähig ist. Dieses Angebot ist auch abgegeben worden, da
es von K willentlich in Richtung auf den Erklärungsempfänger
V in Bewegung gesetzt wurde.
Um wirksam zu sein, müsste
das Angebot auch zugegangen sein (§ 130 Abs.1 S. 1 BGB).
Zugegangen ist eine Willenserklärung
dann, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers (V) gelangt ist
und dieser die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hatte.
Mit dem Einwurf des Briefes
in den Postkasten des V ist sie in dessen Machtbereich gelangt. Möglichkeit
zur Kenntnisnahme kann in dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem üblicherweise
mit der Leerung des Briefkastens gerechnet werden kann – also am Vormittag.
Die Willenserklärung
(das Angebot) könnte jedoch nicht wirksam geworden sein, wenn vorher
oder gleichzeitig ein Widerruf zugegangen wäre (§ 130 Abs. 1
S. 2 BGB). K hat seine Willenserklärung aus dem Brief widerrufen.
Dies geschah aber erst am Nachmittag, also nach dem Zugang der Willenserklärung
aus dem Brief am Vormittag und damit eigentlich nicht rechtzeitig.
Im Rahmen des § 130
Abs. 1 S. 2 BGB ist allerdings strittig, ob dies auch noch dann gelten
kann, wenn die tatsächliche Kenntnisnahme des Angebots erst nach Zugang
des Widerrufs geschehen ist. Die ganz h. M. hält jedoch auch hier
die Reihenfolge des (normativ bestimmten) Zugangs für entscheidend;
dies allein entspreche der vom Gesetz vorgenommenen Risikoverteilung
zwischen Absender und Empfänger.
Zum Meinungsstreit ausführlich:
Lorenz/Riehm,
JuS Lern-CD Zivilrecht I Rn. 23
Zur herrschenden Meinung:
Medicus
AT Rn 300, Larenz/Wolf AT §
26 Rn 45; BGH NJW 1975, 382, 384).
Der Widerruf kann hier nur
als Angebot auf Abschluß eines Aufhebungsvertrages angesehen werden,
den der Empfänger gem. § 151 S. 1 annimmt, wenn er z. B. die
ursprüngliche Willenserklärung wegwirft. |
Es bleibt also bei dem zunächst
festgestellten Ergebnis, dass der Widerruf zu spät erfolgt ist. Das
Angebot ist daher wirksam.
2. Annahme
V hat das Angebot mündlich
angenommen.
II. Ergebnis:
Damit liegen zwei übereinstimmende
Willenserklärungen vor, der Vertrag ist wirksam zustande gekommen.
V kann daher gem. § 433 Abs. 2 BGB Zahlung des Kaufpreises in Höhe
von 100 € aus dem Kaufvertrag verlangen.
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