IPR: Qualifikation der Morgengabe;
Durchsetzbarkeit des Anspruchs
OLG Köln, Beschluss vom 5.11.2015 - 21 UF 32/15
Fundstelle:
NJW 2016, 649
Amtl. Leitsatz:
1. Vor deutschen Gerichten ist die von einem
(auch) deutschen Staatsbürger seiner iranischen Braut bei der Eheschließung
im Iran versprochene Morgengabe nach deutschem Recht zu beurteilen.
2. Das Versprechen einer Morgengabe von 414 Bahaar-Azadi-Goldmünzen im Wert
von umgerechnet mehr als 94.000 € ist nicht sittenwidrig, wenn es den
Ehemann nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht krass
überfordert.
3. Die Geschäftsgrundlage eines solchen Versprechens ändert sich nicht
allein durch den Umzug der Eheleute nach Deutschland und ihre Scheidung nach
nicht mehr kurzer Ehedauer.
4. Das Versprechen hält auch der Ausübungskontrolle stand, wenn die
Morgenga-be bei den Ansprüchen auf Zugewinnausgleich und nachehelichen
Unterhalt berücksichtigt und dadurch eine einseitige Belastung des Ehemannes
durch Kumulation wirtschaftlicher Scheidungsfolgen vermieden werden kann.
5. Minderungs- oder Anpassungsgründe des fremden Rechts, die in der
ehevertraglichen Vereinbarung keinen Ausdruck gefunden haben, können nicht
herangezogen werden, um den Umfang einer nach deutschem Recht eingeforderten
Morgengabe zu korrigieren.
Zentrale Probleme:
Es geht um eine Klage auf Auszahlung der Morgengabe.
Dieses schwer einzuordnende Rechtsinstitut, das Heldrich in IPRax
1983, 64 als das "juristische Kuckucksei aus dem Morgenland" bezeichnet hat,
wird hier im Anschluss an BGHZ 183, 287 als
allgemeine Ehewirkung i.S.v. Art. 14 EGBGB qualifiziert. Damit kommt das OLG
Köln zur Anwendbarkeit deutschen (Vertrags-)Rechts und bejaht einen solchen
Anspruch (s. dazu insbesondere Wurmnest, FamRZ 2005, 1878 sowie dens.
RabelsZ 2007, 527). Problematisch ist, dass das OLG den Einwand des
Beklagten, das iranische Recht sehe eine Morgengabe nicht bei einer
Scheidung auf Antrag der Ehefrau vor, so einfach verneint: Sollte das
wirklich so sein, wird man das wohl bei der Vertragsauslegung unter
deutschem Recht (§§ 133, 157 BGB) nach den Grundsätzen des "Handelns unter
falschem Recht" berücksichtigen müssen.
©sl 2016
Gründe:
I.
3 Die am 00.00.1977 geborene Antragstellerin besitzt die iranische, der am
00.00.1958 geborene Antragsgegner, der seit 1980 in Deutschland lebt, hier
Elektrotechnik studiert und eine Ausbildung zum EDV-Kaufmann und
Kommunikationselektroniker abgeschlossen hat, die iranische und seit 2006
die deutsche Staatsangehörigkeit. Am 01.04.2009 schlossen die
Beteiligten vor einem Heiratsnotariat in Teheran die Ehe.
Urkundlich wurde, von beiden unterzeichnet, eine Morgengabe von (einem Band
des heiligen Koran, einem Spiegel und einem Paar Kerzenständern sowie) 414
Goldmünzen der Sorte Bahaar-Azadi vereinbart. Die Antragstellerin
war im Iran bereits einmal verheiratet; auf die Morgengabe von 214
Goldmünzen hatte sie bei der Scheidung im Oktober 2008 verzichtet. Im
September 2009 übersiedelte sie, wie beabsichtigt, zum Antragsgegner nach
Deutschland.
4 Anfang 2013 trennten sich die Beteiligten. Im Oktober 2013
verlangte die Antragstellerin, die mit der am 02.07.2010 geborenen
gemeinsamen Tochter S weiterhin in dem vom Antragsgegner 2004 zu
Alleineigentum erworbenen Einfamilienhaus (Reihenhaus) in K lebt, die
Aushändigung der Goldmünzen. Im Januar 2014 leitete sie das
vorliegende Verfahren ein. Ende März 2014 trat der Antragsgegner nach
halbjähriger Arbeitslosigkeit eine neue Arbeitsstelle als
Systemadministrator in G an. Im Juni (zugestellt im August) 2014 beantragte
die Antragstellerin die Scheidung. Seit dem 02.03.2015 sind die Beteiligten
rechtskräftig geschieden (301 F 192/14 AG Köln).
5 Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das
Familiengericht den Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin 414
Bahaar-Azadi-Goldmünzen zu übergeben bzw. nach fruchtlosem Ablauf einer
dreiwöchigen Frist ab Rechtskraft zur Erfüllung dieser Verpflichtung an die
Antragstellerin 94.338,18 € nebst Zinsen zu zahlen, was dem Wert der Münzen
zum 15.10.2013 entspricht.
6 Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners. Er meint,
die Einbeziehung der Morgengabe in das deutsche Recht führe dazu, dass die
Antragstellerin hinsichtlich der Scheidungsfolgen ungerechtfertigt
bereichert, er selbst – obwohl deutscher Staatsangehöriger – dagegen
gleichheitswidrig benachteiligt werde. Zu berücksichtigen sei auch, dass der
Antragstellerin nach iranischem Recht keine Morgengabe zustehe, weil sie die
Scheidung beantragt habe.
7 Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.
II.
9 Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht und mit
sorgfältiger Begründung, auf die der Senat zustimmend Bezug nimmt, hat das
Familiengericht den verfahrensgegenständlichen Anspruch nach deutschem
Sachrecht beurteilt und den Antragsgegner zur Übergabe der versprochenen 414
Bahaar-Azadi-Goldmünzen sowie für den Fall des fruchtlosem Ablaufs der
antragsgemäß gesetzten Erfüllungsfrist zum Schadensersatz (§§ 280, 281 BGB,
§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, §§ 255, 259, 260 ZPO) verpflichtet. Das
Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.
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1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich aus
dem gewöhnlichen Aufenthalt der Beteiligten in L (§§ 98 Abs. 1 Nr. 2, 105,
267 FamFG, § 13 ZPO).
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2. Die von der Antragstellerin verlangte Entrichtung einer im Iran
vereinbarten Morgengabe unterliegt – wie vom Familiengericht richtig
ausgeführt – deutschem Sachrecht.
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a) Das tief im islamischen Recht verwurzelte Rechtsinstitut der
Morgen- oder Brautgabe ist kollisionsrechtlich als allgemeine Wirkung der
Ehe gemäß Art. 14 EGBGB zu qualifizieren (vgl.
BGHZ 183, 287 = FamRZ 2010, 533
[Rn. 14 ff.]; ebenso Senat, FamRZ 2006, 1380; OLG Zweibrücken, FamRZ 2007,
1555; OLG Stuttgart, FamRZ 2009, 1580; OLG Hamm, NJOZ 2013, 1006; OLG Köln,
FamRZ 2015, 1605; KG, FamRZ 2015; Johannsen / Henrich, Familienrecht, 6.
Aufl., EGBGB Art. 14 Rn. 6; Palandt / Thorn, BGB, 74. Aufl., EGBGB Art. 13
Rn. 9). In der Regel – so auch im Streitfall – beruht sie auf einer
ehevertraglichen Zusage.
13 Das führt gemäß Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB zur Anknüpfung an den
derzeitigen gewöhnlichen Aufenthalt der Eheleute und zur Anwendung deutschen
Rechts; eine Anknüpfung nach der gemeinsamen
Staatsangehörigkeit gemäß Art. 3 Abs. 2 EGBGB in Verbindung mit Art. 8 Abs.
3 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und dem
Kaiserreich Persien vom 17.02.1929 (RGBl 1930 II, S. 1006; vgl.
BGH, FamRZ 2004, 1952) oder Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB scheidet aus,
weil bei dem Antragsgegner gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB seine deutsche der
iranischen Staatsangehörigkeit vorgeht (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; OLG
Köln, FamRZ 2015, 1605; Johannsen / Henrich, a.a.O., Art. 15 Rn. 4; Palandt
/ Thorn, a.a.O., Art. 14 Rn. 7).
14
b) Deutsches Recht wäre in gleicher Weise anwendbar, wenn die
vereinbarte Morgengabe mit der Beschwerdebegründung als vermögensrechtliche
Folge der Scheidung qualifiziert würde. Art. 17 Abs. 1 EGBGB (in seiner seit
dem 29.01.2013 geltenden Fassung) in Verbindung mit Art. 8 lit. a der
Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates (Rom-III-VO) verweist insoweit auf
das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der Eheleute bei Stellung des
Scheidungsantrags.
15 Eine güterrechtliche Qualifikation und Zuordnung der Morgengabe zum
unwandelbaren, auf das Recht der allgemeinen Ehewirkungen zur Zeit der
Eheschließung verweisenden Güterrechtsstatut des Art. 15 Abs. 1 EGBGB
(dafür: Andrae, Internationales Familienrecht, 3. Aufl., Kap. 3 Rn. 183 ff.;
Yassari, Die Brautgabe im Familienvermögensrecht, 2014, S. 303 ff.; weitere
Nachweise bei BGHZ 183, 287 [Rn. 13]), die nach dem Wechsel der Eheleute in
ein anderes soziokulturelles und rechtliches Umfeld zu unzuträglichen
Friktionen führen würde, ist abzulehnen (vgl. BGH, a.a.O. [Rn. 21 f.]).
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3. Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann der Antragsgegner die Erfüllung
seiner Zusage nicht mit der Begründung verweigern, dass die Antragstellerin
bei Anwendung deutschen Rechts auf die Scheidung und deren Folgen um den
Anspruch auf Leistung der Morgengabe ungerechtfertigt bereichert sei (§§
812, 821 BGB). Die den Rechtsgrund seiner Verbindlichkeit bildenden
ehevertraglichen Absprachen sind weder nichtig noch mit dem Umzug der
Antragstellerin nach Deutschland hinfällig geworden.
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a) Bedenken gegen die Formwirksamkeit (§ 125 BGB) des im Iran vor einem
Notar unter Zeugen abgegebenen und von den Beteiligten unterschriebenen
ehevertraglichen Versprechens hat der Senat ebenso wenig wie das
Familiengericht. Mangels konkreter Rügen des Beschwerdeführers erübrigen
sich zur Einhaltung der gehörigen Form (Art. 11 Abs. 1 EGBGB, § 1410 BGB, §
1081 iran. ZGB) weitere Ausführungen.
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b) Gleiches gilt für den vom Familiengericht zu Recht als unerheblich
angesehenen Einwand des Antragsgegners, dass er die Heiratsurkunde vor
Eintragung der Zahl der Goldmünzen blanko unterschrieben und das beurkundete
Versprechen erkennbar nicht ernst gemeint habe (§ 118 BGB). Soweit
er sich in diesem Zusammenhang auf den in einer Verfahrenskostenhilfesache
ergangenen Beschluss des Amtsgerichts Brühl vom 12.10. 2010 – 32 F 353/10 –
bezogen hat, wonach alles Gold der Welt nicht die Zahl der von iranischen
Ehemännern als Morgengabe versprochenen Goldmünzen abdecke, hat das
Familiengericht bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass es bei (vom
Amtsgericht Brühl durchaus als verbindlich angesehenen) Versprechen dieser
Art vor allem auf die Anzahl und den (vergleichsweise stabilen) Wert der
Münzen als Rechengrößen ankommt.
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c) Die Vereinbarung der Morgengabe ist auch nicht sittenwidrig (§ 138 Abs. 1
BGB). Ob ein Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten verstößt, mithin von den
ethischen Grundlagen der Rechtsgemeinschaft abweicht, deshalb für sie
unerträglich ist und verhindert werden muss, hängt von seiner
Gesamtwürdigung ab, in die Inhalt, Beweggrund und Zweck des Geschäfts
einzubeziehen sind (vgl. BGH, FamRZ 1990, 372 [373]; Palandt / Ellenberger,
a.a.O., § 138 Rn. 8). Soweit es sich um Scheidungsfolgenregelungen handelt,
wird im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB insbesondere
geprüft, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens
offenkundig zu einer einseitigen Lastenverteilung führen musste (vgl. BGHZ
158, 81 = FamRZ 2004, 601; BGH, FamRZ 2014, 629 [Rn. 16 f.]). Bei der
Würdigung von im Ausland abgeschlossenen, nach deutschem Recht zu
beurteilenden Verträgen sind insoweit auch die Wertungen des fremden Rechts
zu berücksichtigen; die Berücksichtigung darf aber nicht so weit gehen, den
Normen des verdrängten Rechts Geltung zu verschaffen (Wurmnest, FamRZ 2005,
1878 [1882]; Yassari, a.a.O., S. 355; zum Schutz des „ordre public“ durch §
138 Abs. 1 BGB vgl. BGHZ 106, 336 [338]; Palandt / Ellenberger, a.a.O., §
138 Rn. 3).
20 Die im Streitfall vereinbarte Morgengabe entspricht, wie im angefochtenen
Beschluss zutreffend ausgeführt, geläufigen iranischen Wertvorstellungen,
wobei die Funktion solcher Brautgaben heute vorrangig im Aufbau
eines Vermögens für die Ehefrau für den Fall der Scheidung gesehen wird
(vgl. BGHZ 183,
287 [Rn. 12]). Soweit sie daneben auch weiteren Zwecken
dienen, begründet dies nicht das Verdikt der Sittenwidrigkeit: Weder wird
die Frau zur bloßen Ware herabgewürdigt (zu dem an die Familie der Braut zu
entrichtenden Brautgeld nach yezidischem Brauch vgl. dagegen OLG Hamm,
NJW-RR 2011, 1197 [1199]) noch ist es mit deutschen rechtsethischen
Prinzipien schlechthin unvereinbar, dass mit der Morgengabe auch die
verminderte Wiederverheiratungschance der verstoßenen Frau abgegolten und
ihre sexuelle Hingabe in der Ehe gewürdigt wird (vgl. OLG Hamm,
NJOZ 2013, 1006 [1009]; OLG Stuttgart, FamRZ 2009, 1580; gegen OLG Hamburg,
FamRZ 2004, 459 [460], das die Brautgabe vorwiegend als Preis für die
Sexualität der Frau versteht, vgl. Wurmnest, a.a.O. [1879]; Yassari, a.a.O.,
S. 330).
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Auch eine für die Antragstellerin bei der Eheschließung erkennbare krasse
Überforderung des Antragsgegners durch die Morgengabe, die als Indiz für
eine sittlich anstößige Ausnutzung einer emotionalen oder sozialen
Zwangslage anzusehen sein (vgl. Palandt / Ellenberger, a.a.O., Rn. 38b
m.w.N.; zurückhaltender OLG Hamm, a.a.O.) oder zusammen mit weiteren
Umständen für eine Erschwerung der Scheidung als einzigen Zweck dieses
Geschäfts sprechen könnte (vgl. BGH, FamRZ 1990, 372 [373 f.]; OLG
Oldenburg, FamRZ 1994, 1454 [1455]), hat das Familiengericht zu Recht
verneint. Brautgaben von 300 bis 450 (bei Hochschulabsolventinnen 400 bis
500) Bahaar-Azadi-Goldmünzen waren bei iranischen Eheschließungen im Jahr
2009 üblich (vgl. Yassari, S. 184). Ruinösen Brautgabeversprechen begegnet
das im April 2013 in Kraft getretene Gesetz zum Schutz der Familie zwar
inzwischen dadurch, dass die säumigen Schuldnern im Iran – anders als in
Deutschland – drohende Haft nur bei Brautgaben bis zur Höhe von 110
Bahaar-Azadi- Goldmünzen angeordnet werden darf; höhere Brautgabeversprechen
sind jedoch zulässig, lediglich ihre Durchsetzbarkeit hängt von der
Leistungsfähigkeit des Ehemannes ab (vgl. Yassari, a.a.O., S. 193 f.; dies.,
in: Kaiser / Schnitzler / Friederici / Schilling, BGB, 3. Aufl.,
Länderbericht Iran, Rn. 17).
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Danach stellt sich das vom Antragsgegner im April 2009 abgegebene
Versprechen, an seine Ehefrau auf deren Anforderung 414 Bahaar-Azadi-Goldmünzen
als Morgengabe zu entrichten, keineswegs als eine die Grenzen
privatautonomer Vertragsgestaltung grob missachtende Vereinbarung dar. Auch
aus den damals vorhandenen und (bei Anforderung der Brautgabe im Fall der
Trennung) zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnissen des
Antragsgegners ergibt sich keine krasse Überforderung. Dieser verfügte in
Deutschland, wo er mit der Antragstellerin nach der Heirat zu leben
beabsichtigte, über Wohneigentum und nicht ganz unbeträchtliche Einkünfte
als ausgebildeter Kommunikationselektroniker und EDV-Kaufmann. Das
Versprechen einer Brautgabe in einer im Iran üblichen Höhe stand dazu nicht
erkennbar außer Verhältnis.
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d) Dass die Eheleute nach der Heirat einen gemeinsamen gewöhnlichen
Aufenthalt in Deutschland begründet haben, führte ersichtlich nicht zum
Wegfall des ehevertraglichen Rechtsgrundes der Brautgabe (§ 812 Abs. 1 S. 2
BGB).
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4. Ebenso wenig ist mit der nach Eheschließung durch den Wechsel des
Ehewirkungsstatuts eingetretenen Änderung des Rechtsrahmens oder aus anderen
Gründen die Geschäftsgrundlage des Morgengabeversprechens entfallen oder
nachhaltig gestört worden, so dass es den geänderten Bedingungen anzupassen
wäre (§ 313 BGB; vgl. für Brautgaben Yassari, a.a.O., S. 369 m.w.N.; Ülker,
FamFR 2010, 142; zur Geschäftsgrundlage familienrechtlicher Vereinbarungen
im Übrigen vgl. nur BGH, FamRZ 2012, 309 [Rn. 16 ff.]; FamRZ 2012, 525 [Rn.
28, 39]).
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a) Die Beteiligten beabsichtigten von Anfang an, gemeinsam in Deutschland zu
leben. Von einem für sie überraschenden Wechsel des anwendbaren Rechts kann
schon deshalb keine Rede sein. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass
insbesondere der Antragsgegner, der in Deutschland gelebt, studiert und
gearbeitet hat, bevor er in Teheran die Antragstellerin heiratete, eine
spätere Anwendung des deutschen Scheidungsfolgenrechts nicht in seine
Vorstellung aufgenommen und nur deshalb seiner Braut eine Morgengabe in
dieser Höhe versprochen hat, konnte das Familiengericht zu Recht nicht
feststellen und legt auch die Beschwerde nicht dar. Erst recht ist nicht
ersichtlich, dass die Antragstellerin eine solche Fehlvorstellung des
Antragsgegners hätte erkennen und sich redlicherweise auf die Vereinbarung
eines geringeren Brautgeldes hätte einlassen müssen.
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b) Eine Störung der Geschäftsgrundlage durch andere, bei der Eheschließung
nicht vorhersehbare Umstände scheidet nach Lage der Dinge ebenfalls aus.
Soweit das Versprechen einer Morgengabe nach den Vorstellungen der
Beteiligten und dem Zweck eines solchen Versprechens im iranischen Recht
teilweise auch als eine Vereinbarung zur Abfindung nachehelicher
Unterhaltsansprüche (§ 1585c BGB) zu interpretieren sein mag, könnte zwar
eine Herabsetzung der versprochenen Leistung nach kurzer Ehe (gemäß dem
Rechtsgedanken des § 1579 Nr. 1 BGB) in Betracht zu ziehen sein (vgl. BGH,
FamRZ 1987, 463 [466]). Im Streitfall liegt jedoch schon keine kurze Ehe in
diesem Sinne vor. Eine Ehedauer von zwei bis drei Jahren zwischen der Heirat
und der Zustellung des Scheidungsantrags betrachtet die deutsche
Rechtsprechung in der Regel als kurz (vgl. BGH, FamRZ 2011, 791 [Rn. 37];
OLG Köln, FamRZ 2008, 523). Hier waren die Eheleute bei Zustellung des
Scheidungsantrags durch die Antragstellerin dagegen mehr als fünf Jahre
miteinander verheiratet (April 2009 bis August 2014). Hinzu kommt, dass das
gemeinsame Kind der Beteiligten von der Antragstellerin betreut wird, was im
Rahmen der Billigkeitsabwägung zusätzlich gegen eine Beschränkung ihres
nachehelichen Unterhaltsanspruchs sprechen würde.
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5. Schließlich hält der von der Antragstellerin (vor ihrem Scheidungsantrag,
nach Trennung vom Antragsgegner innerhalb des Hauses) geltend gemachte
Anspruch auf die Morgengabe auch einer dem Grundsatz von Treu und Glauben (§
242 BGB) Rechnung tragenden Ausübungskontrolle (vgl. BGH, FamRZ 2011, 1377
[Rn. 16]; Yassari, a.a.O., S. 364, 366 f. m.w.N.) stand.
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Nach Lage der Dinge kann es der Antragstellerin nicht verwehrt werden, sich
auf die sie begünstigende ehevertragliche Zusage zu berufen. Zwar stehen ihr
nach Scheidung der Ehe nunmehr grundsätzlich auch die gesetzlichen
Folgeansprüche des deutschen Rechts (Zugewinn- und Versorgungsausgleich,
nachehelicher Unterhalt) zu. Zu einer grob unbilligen Kumulation dieser
Ansprüche mit dem der iranischen Tradition entstammenden Anspruch auf
Leistung der Morgengabe, die zu einer einseitigen Überbürdung sämtlicher
wirtschaftlicher Scheidungsrisiken auf den Ehemann und zu einer nicht mehr
hinzunehmenden unverhältnismäßigen Belastung des Antragsgegners führen
müsste, kommt es damit jedoch nicht. Die im Wege des Versorgungsausgleichs
erfolgte Übertragung geringer Rentenanwartschaften auf die Ehefrau fällt
hier schon nicht entscheidend ins Gewicht. Statt denkbare Ansprüche der
Antragstellerin auf nachehelichen Unterhalt oder Zugewinnausgleich ohne
Weiteres auf ihren Morgengabeanspruch anzurechnen (vgl. Ülker, FamFR 2010,
142), genügt es, dass sich der Antragsgegner gegenüber solchen Ansprüchen
auf die fehlende Bedürftigkeit seiner geschiedenen Ehefrau berufen könnte,
soweit diese sich aus dem ihr mit der Morgengabe zugewendeten Vermögen
selbst unterhalten kann (§ 1577 BGB), und einer Zugewinnausgleichsforderung
der Antragstellerin die Brautgabe als Vorausempfang (§ 1380 BGB)
entgegengehalten werden könnte (zum Ganzen vgl. Wurmnest, FamRZ 2005, 1878
[1880 ff.]; Yassari, a.a.O., S. 368, 380 ff.).
29
6. Ohne Erfolg rügt die Beschwerde, dass bei Auslegung der streitbefangenen
Zusage des Antragsgegners auch berücksichtigt werden müsse, dass nach
iranischem Recht die Ehefrau den Anspruch auf die Morgengabe verliere, wenn
sie die Scheidung beantragt.
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Abgesehen davon, dass eine Scheidung auf begründeten Antrag der Ehefrau, bei
der ihr Anspruch auf Zahlung der Brautgabe in voller Höhe bestehen bleibt
(vgl. Senat, FamRZ 2006, 1380 [Rn. 44 bei juris]), dem iranischen Recht
keineswegs fremd ist (vgl. hierzu nur die zwölf in der
streitgegenständlichen Heiratsurkunde aufgeführten, von den Eheleuten
unterzeichneten Scheidungsgründe), kommt es auf angebliche Grundsätze des
iranischen Rechts, die im Wortlaut des Ehevertrages oder in den bei den
Vertragsverhandlungen offen zu Tage getretenen Vorstellungen der Beteiligten
keinen unmissverständlichen Ausdruck gefunden haben (§§ 133, 157 BGB), hier
nicht an. Denn ein Rückgriff auf das durch die Anwendung deutschen
Sachrechts verdrängte ausländische Recht als solches findet nicht statt,
weshalb gesetzliche Minderungs- oder Anpassungsgründe des fremden Rechts
mangels tatsächlicher Anhaltspunkte für eine entsprechende Auslegung auch
nicht herangezogen werden können, um den Umfang der versprochenen Brautgabe
zu korrigieren (vgl. BGHZ 183, 287 [Rn. 23, 27]; Wurmnest, a.a.O.
[1882]; Yassari, a.a.O., S. 355).
31
III.
32
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG, die Wertfestsetzung aus §§ 35,
39, 40 FamGKG.
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Anlass für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 FamFG) besteht nicht.
Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichts ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
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