IPR: Vorfrage des Bestehens einer Ehe;
Ehescheidungsstatut (Art. 17 EGBGB); Gesamtverweisung, keine Rückverweisung
des türkischen Rechts
BGH, Beschluss vom 18. September 2012
- 3 BGs 262/12
Fundstelle:
NJW 2012, 3524
Amtl. Leitsatz:
Zur Nebenklageberechtigung
des Ehegatten im Falle einer in Deutschland rechtskräftig erfolgten
Scheidung einer zwischen türkischen Staatsangehörigen geschlossenen Ehe bei
Fehlen der nach dem anzuwendenden materiellen türkischen Recht
erforderlichen Anerkennungsentscheidung.
Zentrale Probleme:
Ein etwas außergewöhnlicher IPR-Fall, in welchem sich die
sog. Vorfragenproblematik im Zusammenhang mit einer strafprozessualen
Hauptfrage (Beschluss des Ermittlungsrichters am BGH) stellt: Letztlich geht
es um die Frage der Nebenklagebefugnis nach § 395 II Nr. 1 StPO.
Danach ist u.a. der Ehegatte eines Getöteten zur sog. Nebenklage (Anschluss
an die erhobene öffentliche Klage der Staatsanwaltschaft) befugt. Hier ging
es nun um die Frage, ob eine solche Ehe besteht: Die Ehe der türkischen
Staatsangehörigen war nämlich vor deutschen Gerichten geschieden worden, in
der Türkei allerdings hatte diese Entscheidung keine Wirkung, weil dort kein
Anerkennungsverfahren durchgeführt wurde (zu dieser Problematik im
Zusammenhang mit dem Namensrecht s. die Anm. zu BGH NJW 2007, 3347).
Hier geht es letztlich um dieselbe Frage: Hat ein inländisches
Gestaltungsurteil (Ehescheidung) im Inland auch dann immer Wirkung, wenn
sich die Rechtsfrage vorfrageweise stellt? Die Entscheidung ist ein schönes
Beispiel dafür, dass sich die Frage nach selbständiger und unselbständiger
Anknüpfung der Vorfrage gerade nicht pauschal beantworten lässt, sondern
dass es insbesondere um den jeweiligen Inlandsbezug und die ratio der
Regelung geht, in deren Zusammenhang sich die Vorfrage stellt (s. dazu bei
Tz. 24 ff).
Nach seit der seit dem 2.6.2012 geltenden
VO (EU) Nr. 1259/2010 des
Rates vom 20.12.2010 zur Durchführung einer Verstärkten
Zusammenarbeit im Bereich der Ehescheidung und Trennung ohne
Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (Rom III-VO)
würde die Ehescheidung vorbehaltlich einer jetzt möglichen Rechtswahl (Art.
5 Rom III-VO) nach Art. 8 lit. a Rom III-VO deutschem Recht als dem Recht
des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts unterliegen. Art. 17 EGBGB, der
demnächst auch geändert werden soll (s. dazu den
Gesetzentwurf der Bundesregierung
BR-Drucksache 468/12 vom 10.8.2012), wäre wegen des universellen
Charakters der Rom III-VO (s. Art. 4 Rom III-VO) insoweit nicht mehr
anwendbar.
©sl 2012
Gründe:
I.
1 Der Generalbundesanwalt führt gegen die Beschuldigte X. ein
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts [.]
II.
2 1. Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2012 beantragte Rechtsanwalt Dr. D.
seine Beiordnung für T. Ö., die Tochter des Getöteten A. Ö. (siehe oben I.
(3)), und für die Antragstellerin G. Ö., die das Tatopfer im Jahre 1980 in
der Türkei nach türkischem Recht geheiratet hatte. Nach dem Umzug der
Antragstellerin und des Tatopfers in die Bundesrepublik Deutschland wurde
deren Eheschließung auch nach deutschem Recht vor dem Standesamt in N.
vollzogen. Im Jahre 1998 erfolgte die Scheidung der Ehe durch
rechtskräftiges Urteil des Familiengerichts N.
3 Während seitens des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichthof gegen den
Antrag der Tochter des Getöteten Einwendungen nicht erhoben und insoweit
durch Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 29.
Februar 2012 (3 BGs 109/12) Rechtsanwalt Dr. D. als Beistand beigeordnet
wurde, wies der Generalbundesanwalt die Antragstellerin G. Ö. darauf hin,
dass nach Aktenlage die Eheleute Ö. geschieden und deshalb eine
Nebenklageberechtigung nicht mehr gegeben sei. Rechtsanwalt Dr. D.
bat den Generalbundesanwalt daraufhin, den Antrag zurückzustellen, um ihm
Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben. Auf den daraufhin vorgelegten
Schriftsatz vom 29. Februar 2012 wies der Generalbundesanwalt unter
Bezugnahme auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 27. Mai 2003
(FamRZ 2004, 953 f.) auf fortbestehende Bedenken hin und gab Rechtsanwalt
Dr. D. die Möglichkeit, ergänzend zu Art. 13, 54 und 58 des türkischen
Gesetzes über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht (türk.
IPRG) vorzutragen, da auch nach den Ausführungen im Schriftsatz vom 29.
Februar 2012 von der Geltung deutschen Scheidungsrecht auszugehen sei. Eine
- ablehnende - Stellungnahme des Generalbundesanwalts beim
Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs zum Beiordnungsantrag der
Antragstellerin sollte einvernehmlich bis dahin zurückgestellt werden. Mit
Schriftsatz vom 23. August 2012 hat Rechtsanwalt Dr. D. ergänzend Stellung
genommen.
4 2. Der Generalbundesanwalt ist dem Antrag mit Stellungnahme vom 30. August
2012 entgegengetreten und hat zur Begründung ausgeführt:
„Für die Anwendung der §§ 395, 397a und 406g StPO ist von einer
rechtskräftig geschiedenen Ehe des getöteten A. Ö. und der Antragstellerin
auszugehen. Beide Ehegatten waren türkische Staatsangehörige, auf deren
Scheidungsantrag gemäß Art. 14 Abs. 1 Nr. 1, Art. 17 EGBGB materielles
türkisches Recht Anwendung findet. Damit wird aber auch auf das türkische
internationale Privatrecht und dessen Art. 13 verwiesen, nach dem das
materielle Recht des Aufenthalts der Ehegatten anzuwenden ist. Die Eheleute
Ö. waren beide in der Bundesrepublik Deutschland aufenthältig, so dass auf
deutsches Scheidungsrecht zurückverwiesen wird (vgl. OLG Frankfurt FamRZ
2004, 953 f.). Dementsprechend ging die Antragstellerin auch in ihren
Vernehmungen nach der Tat von einer geschiedenen Ehe aus (vgl. S. 2 f. vom
14. Juni 2001; S. 2, 6, 9 ff. vom 29. August 2001; S. 2 vom 17. September
2002). Ob für eine Wirksamkeit des deutschen Scheidungsurteils in der Türkei
die im Schriftsatz vom 23. August 2012 angesprochene - türkische -
Anerkennungsentscheidung rechtskräftig vorliegt, kann hier dahinstehen. Für
die Frage der Nebenklageberechtigung nach § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO kann es
nur darauf ankommen, ob eine Ehe nach deutschem Recht im Tatzeitpunkt
bestand. Dies ist nach rechtskräftig ausgesprochener Scheidung nicht der
Fall."
III.
5 1. Für die beantragte Entscheidung ist gemäß § 406g Abs. 3 Satz 2 in
Verbindung mit § 162 Abs. 1 Satz 1, § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO der
Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs zuständig.
6 2. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines
Rechtsanwalts als Beistand für die Antragstellerin liegen nicht vor
(§ 406g Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 397a Abs. 1 Nr. 2, § 395 Abs.
2 Nr. 1 StPO i.V.m. § 211 StGB).
7 a) Gemäß § 406g Abs. 1 Satz 1 StPO können nach § 395 zum Anschluss mit der
Nebenklage Befugte sich auch vor Erhebung der öffentlichen Klage und ohne
Erklärung eines Anschlusses eines Rechtsanwalts als Beistand bedienen oder
sich durch diesen vertreten lassen. Für die Bestellung eines solchen
Beistands gilt gemäß § 406g Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StPO die Vorschrift des §
397a StPO entsprechend. Nach § 397a Abs. 1 Nr. 2 StPO ist dem zur Nebenklage
Berechtigten auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen,
wenn er Angehöriger eines durch eine rechtswidrige Tat Getöteten im Sinne
des § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO ist. Angehöriger gemäß dieser Vorschrift ist
derjenige, dessen Kinder, Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner
durch eine rechtswidrige Tat getötet wurden. Das Angehörigenverhältnis muss
im Zeitpunkt des Verfahrens bestehen (Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 395
Rn. 8 mwN).
8 b) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Entgegen der von ihr
vertretenen Auffassung ist die Antragstellerin nicht (mehr) Ehegatte des
Getöteten A. Ö. im Sinne des § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO.
9 Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, sie sei angesichts der
Anwendbarkeit des türkischen internationalen Privatrechts trotz der durch
das Familiengericht N. rechtskräftig ausgesprochenen Scheidung nach wie vor
als Ehegatte des Getöteten im Sinne des § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO anzusehen.
Denn das deutsche Scheidungsurteil entfalte in der Türkei aufgrund
des Fehlens der nach türkischem Recht erforderlichen
Anerkennungsentscheidung durch ein türkisches Gericht keine unmittelbare
familienrechtliche Wirkung. Daher sei sie zum Zeitpunkt der Ermordung des
Tatopfers A. Ö. von diesem „nicht rechtmäßig geschieden und im Umkehrschluss
somit rechtskräftig verheiratet" gewesen. Zudem hätten sie und das
Tatopfer sich nach der Scheidung wieder angenähert und sich zuletzt sogar
eine gemeinsame größere Wohnung suchen wollen. Deshalb sei das
Anerkennungsverfahren in der Türkei nicht weiterverfolgt worden.
10 Ob hinsichtlich des rechtskräftigen Scheidungsurteils des
Familiengerichts Nürnberg eine Anerkennungsentscheidung durch ein türkisches
Gericht, wie die Antragstellerin vorträgt, bisher nicht ergangen ist, kann
dahinstehen. Denn im vorliegenden Fall ist auch bei - hier gegebener
- Anwendbarkeit materiellen türkischen Rechts bereits mit der Rechtskraft
des deutschen Scheidungsurteils von einem Fehlen der Ehegatteneigenschaft
der Antragstellerin im Sinne der § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO in Verbindung mit §
406g Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 397a Abs. 1 Nr. 2 StPO auszugehen.
11 aa) Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur
sind geschiedene Ehegatten nicht nebenklageberechtigt (siehe nur
BVerfG, NJW 1993, 3316, 3317; Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., §
395 Rn. 11; Senge in KK-StPO, 6. Aufl., § 395 Rn. 8; Meyer-Goßner, aaO;
Weiner in BeckOK-StPO, Stand: 1. Juni 2012, § 395 Rn. 14a). Demgemäß kann
ihnen auch nicht nach § 406g Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StPO in Verbindung mit §
397a Abs. 1 Nr. 2 StPO ein Rechtsanwalt als Beistand bestellt werden.
12 bb) In Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt ist die
Antragstellerin jedenfalls im Rahmen der hier maßgeblichen Vorschriften der
§ 406g Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § § 397a Abs. 1 Nr. 2, § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO
als geschiedener Ehegatte anzusehen.
13 (1) Anders als der Generalbundesanwalt unter Berufung auf ein Urteil des
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 27. Mai 2003 (FamRZ 2004, 953)
meint, folgt dies allerdings nicht bereits aus einer Verweisung in Art. 13
Abs. 1 türk. IPRG (aF) auf das deutsche Recht. Denn diese Vorschrift, nimmt
-ebenso wie die im Wesentlichen inhaltsgleiche Nachfolgeregelung in Art. 14
des türkischen Gesetzes Nr. 5718 vom 27. November 2007 über das
internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht (türk. IPRG nF) - eine
solche Verweisung nur unter bestimmten, hier nicht gegebenen Voraussetzungen
vor.
14 Aufgrund der türkischen Staatsangehörigkeit der Antragstellerin und des
Tatopfers war für deren Scheidung gemäß Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, Art. 17
Abs. 1 EGBGB materielles türkisches Recht anzuwenden. Mit der Verweisung auf
dieses Recht gemäß den vorgenannten Bestimmungen des EGBGB wird auch auf das
türkische internationale Privatrecht und damit auf dessen die Scheidung
betreffenden Art. 14 türk. IPRG nF (und zuvor auf die Vorgängerregelung in §
13 türk. IPRG aF) verwiesen (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2011, 220 Rn. 16; OLG
Frankfurt, aaO). Gemäß diesen Vorschriften unterliegen die Gründe und Folgen
der Scheidung und Trennung - ebenso wie die allgemeinen Wirkungen der Ehe
(Art. 13 Abs. 3 türk IPRG nF bzw. § 12 Abs. 2 türk. IPRG aF) -dem
gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten. Nur wenn die Ehegatten - wie hier
nicht der Fall - verschiedener Staatsangehörigkeit sind, wird das Recht
desgemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, bei Fehlen eines solchen türkisches
Recht angewandt. Das Scheidungsstatut beurteilt sich mithin, wenn beide
Ehegatten - wie hier - bei Zustellung der Scheidungsklage die türkische
Staatsangehörigkeit besitzen, nach türkischem Recht (vgl. BGH, Beschluss vom
20. Juni 2007 - XII ZB 17/04, NJW 2007, 3347 Rn. 13; OLG Hamm, aaO).
15 (2) Aus dieser Anwendung materiellen türkischen Rechts folgt
indes für die Beurteilung der hier in Rede stehenden
strafverfahrensrechtlichen Frage der Nebenklageberechtigung der
Antragstellerin nicht, dass dem rechtskräftigen inländischen
Scheidungsurteil nur bei Vorliegen einer Anerkennungsentscheidung durch ein
türkisches Gericht Bedeutung zukäme.
16 (a) Allerdings bedarf ein Scheidungsurteil eines deutschen
Gerichts, um in der Türkei Rechtswirksamkeit zu erlangen, einer förmlichen
Anerkennung durch ein dortiges Gericht (Art. 58 türk. IPRG; BSGE
83, 200, 203; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Februar 2012 - L 18 R
677/10, juris Rn. 27; Savas, Türkisches Familienrecht in der anwaltlichen
Praxis, 2011, § 11 Rn. 1; Kaplan in Rieck, Ausländisches Familienrecht,
Türkei, Stand April 2009, Rn. 42 ff.).
17 (b) Gleichwohl kann ein solches Scheidungsurteil im Inland
Gestaltungswirkung bereits mit seiner Rechtskraft erlangen.
18 (aa) Zu der Frage, inwiefern das Urteil eines deutschen Gerichts,
durch das die Ehe zweier ausländischer Staatsangehöriger nach deren
Heimatrecht geschieden wird, in Deutschland Gestaltungswirkung entfaltet,
solange noch eine nach dem betreffenden Heimatrecht erforderliche
Anerkennung durch eine Stelle dieses Staates fehlt, werden in der Literatur
unterschiedliche Auffassungen vertreten (zum Meinungsstand vgl. BSGE, aaO).
19 Die höchstrichterliche Rechtsprechung sieht insoweit, ohne dass bisher
die hier gegebene Fallkonstellation hinsichtlich der Nebenklageberechtigung
entschieden worden wäre, eine differenzierte Betrachtungsweise als
sachgerecht an und differenziert nach dem rechtlichen Zusammenhang,
in welchem sich die (Vor-) Frage der Gestaltungswirkung eines deutschen
Scheidungsurteils stellt.
20 So hat der Bundesgerichtshof bei der Prüfung von nach
ausländischem Recht zu beurteilenden Ehehindernissen auf die Anerkennung des
Scheidungsurteils nach dem betreffenden Recht abgestellt (BGH,
Beschlüsse vom 12. Februar 1964 - IV AR (VZ) 39/63, BGHZ 41, 136, 145 ff.;
vom 19. April 1972 - IV AR (VZ) 7/72, NJW 1972, 1619 unter II). Bei
der Anwendung ausländischen Erbrechts hingegen hat er dem Fehlen einer
Anerkennung des deutschen Scheidungsurteils im Ausland keine Bedeutung
beigemessen (BGH, Urteil vom 12. März 1981 - IVa ZR 111/80, NJW
1981, 1900 unter II). Auch bei der Beurteilung der Frage einer
Ehenichtigkeit wegen angeblichen Fortbestehens der ersten Ehe hat der
Bundesgerichtshof dem Fehlen einer (dort allerdings durch das ausländische
Recht wegen Unauflöslichkeit der Ehe ausgeschlossenen) Anerkennung des
deutschen Scheidungsurteils im Ausland keine entscheidende Bedeutung
beigemessen und die erste Ehe letztlich aus der Sicht des deutschen Rechts
durch rechtskräftiges Scheidungsurteil eines deutschen Gerichts für
aufgelöst erachtet (BGH, Urteil vom 27. November 1996 - XII ZR
126/95, NJW 1997, 2114 unter 2 c bis e; vgl. auch KG, NJW-RR 1994, 774, 775
- zum Fall der Feststellung der Nichtehelichkeit durch ein rechtskräftiges
deutsches Statusurteil ohne Vorliegen einer türkischen
Anerkennungsentscheidung; vgl. hierzu auch LG Bonn, StAZ 1988, 354).
21 Das Bundessozialgericht hat in dem bereits erwähnten Urteil vom
13. Januar 1999 einen Witwenrentenanspruch angesichts des Vorliegens eines
rechtskräftigen deutschen Scheidungsurteils trotz Fehlens einer türkischen
Anerkennungsentscheidung verneint (BSGE, aaO S. 205). Es
hat im Rahmen der auch von ihm für sachgerecht erachteten differenzierten
Betrachtungsweise (BSGE, aaO S. 203) angenommen, dass die somit
vorzunehmende Abwägung bei der Auslegung der für die Hauptfrage maßgeblichen
Norm anzusetzen habe, in deren Zusammenhang sich die Vorfrage des Bestehens
einer gültigen Ehe stelle (BSGE, aaO S. 204). Hierbei hat das
Bundessozialgericht auch auf den Gesichtspunkt eines Inlands- bzw.
Auslandsbezugs der Rechtsangelegenheit abgestellt und ausgeführt, das dort
zugrunde liegende Verfahren weise einen starken Inlandbezug auf, da es eine
Leistungsgewährung aus dem inländischen System der gesetzlichen
Rentenversicherung betreffe. Zudem hätten der verstorbene Versicherte und
dessen geschiedene Ehefrau im Zeitpunkt seines Todes im Inland gewohnt.
Beide hätten im Hinblick auf die von ihnen selbst betriebene Ehescheidung
durch ein deutsches Gericht auch nicht davon ausgehen können, dass sie
weiterhin in einer gültige Ehe lebten (BSGE, aaO S. 205).
22 (bb) Im vorliegenden Fall führt die vorzunehmende differenzierte
Betrachtungsweise zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin auch im Falle
des Fehlens der Anerkennungsentscheidung durch ein türkisches Gericht nicht
(mehr) als Ehegatte des Tatopfers A. Ö. anzusehen ist.
23 Dabei kann dahinstehen, ob dem vom Bundessozialgericht
verwendeten Gesichtspunkt des Inlands- bzw. Auslandsbezug (vgl. hierzu auch
LSG Nordrhein-Westfalen, aaO Rn. 30) auch bei der Beurteilung des Vorliegens
einer Nebenklageberechtigung gemäß § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO maßgebliche
Bedeutung zukommt oder ob diesem Gesichtspunkt hier die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts entgegensteht, wonach die in § 395 Abs. 2 Nr. 1
StPO bestimmte Regelung insofern Rechtssicherheit und auch Praktikabilität
besorge, indem sie die Feststellung der Nebenklagebefugnis eindeutig treffen
lasse und verhindere, dass zur Bestimmung des Kreises der
Nebenklageberechtigten erst umfangreiche Aufklärungsbemühungen des Gerichts
entwickelt werden müssten, um über die Nebenklagebefugnis zu entscheiden
(BVerfG, aaO).
24 Denn auch
unabhängig vom Vorliegen eines - hier schon wegen des langjährigen
Aufenthalts der Antragstellerin und des Tatopfers in der Bundesrepublik
Deutschland sowie des Umstands, dass beide sich mit ihrem Scheidungsbegehren
an ein deutsches Gericht gewandt haben und es vorliegend um die Beteiligung
als Nebenklägerin an einem im Inland geführten Strafverfahren geht, zu
bejahenden - starken Inlandsbezugs führt bereits die Auslegung der für die
Hauptfrage maßgeblichen Norm (vgl. hierzu BSGE, aaO S. 204) zu dem Ergebnis,
dass die Antragstellerin nicht (mehr) als Ehegatte des Getöteten anzusehen
ist.
25 Mit der Vorschrift des § 395 Abs. 1 Nr. 2 StPO soll den nahen
Angehörigen des durch eine rechtwidrige Tat Getöteten (wie Ehegatten,
Kindern und Geschwistern) ein Recht zur Nebenklage zugesprochen werden, um
einen Anspruch auf Genugtuung und Entschädigung durch Beteiligung am
Strafverfahren durchzusetzen (BVerfG, aaO mwN). Die Nebenklage
schafft hierfür eine umfassende Beteiligungsbefugnis. Dem Nebenkläger wird
Gelegenheit gegeben, im Verfahren seine persönlichen Interessen auf
Genugtuung zu verfolgen (BGH, Urteil vom 23. Januar 1979 - 5 StR 748/78,
BGHSt 28, 272, 273; Senge in KK-StPO, 6. Aufl., vor § 395 Rn. 1),
insbesondere durch aktive Beteiligung das Verfahrensergebnis zu beeinflussen
und sich gegen die Leugnung oder Verharmlosung der Verletzung des Tatopfers
zu wehren (vgl. Meyer-Goßner, aaO, vor § 395 Rn. 1; Weiner, aaO Rn. 1 f.).
26 Der Sinn und Zweck des § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO sowie der § 406g
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 397a Abs. 1 Nr. 2 StPO lässt es demnach nicht
sachgerecht erscheinen, ein Genugtuungsinteresse der Antragstellerin und
deren Möglichkeit einer aktiven Beteiligung am Strafverfahren noch über den
Zeitpunkt der Rechtskraft des - hier bereits 14 Jahre zurückliegenden -
inländischen Scheidungsurteils hinaus bis zu dem - unbestimmten - Zeitpunkt
des Vorliegens einer türkischen Anerkennungsentscheidung anzunehmen.
Durch das - hier sogar von der Antragstellerin selbst [...]
beantragte - Scheidungsverfahren vor einem inländischen statt vor einem
türkischen Gericht haben die Ehegatten, die zu diesem Zeitpunkt schon seit
vielen Jahren in Deutschland lebten und arbeiteten, deutlich zum Ausdruck
gebracht, dass sie das Scheidungsurteil des deutschen Gerichts für sich als
maßgebend erachten und künftig nicht mehr von einem rechtlichen Fortbestand
ihrer Ehe ausgehen wollten. Dem entsprechend hat auch die Antragstellerin
selbst, wie sich aus ihren nach der Ermordung des Tatopfers erfolgten
polizeilichen Vernehmungen ergibt und vom Generalbundesanwalt in seiner
Stellungnahme mit Recht hervorgehoben wird, ihre Ehe als geschieden
angesehen.
27 (c) Ob im Einzelfall besondere Umstände es bei einer Konstellation wie
der vorliegenden ausnahmsweise rechtfertigen können, im Rahmen der § 406g
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 397a Abs. 1 Nr. 2, § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO nicht auf
die Rechtskraft des inländischen Scheidungsurteils, sondern auf die
türkische Anerkennungsentscheidung abzustellen oder ob einer solchen
Beurteilung der vom Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die letztgenannte
Vorschrift angeführte Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und der
Praktikabilität (BVerfG, aaO) entgegensteht, bedarf keiner Entscheidung.
Denn solche Umstände hat die Antragstellerin weder vorgetragen noch sind sie
sonst ersichtlich. Die von der Antragstellerin in ihren polizeilichen
Vernehmungen und in der Begründung des vorliegenden Antrags geschilderten
Umstände einer späteren Wiederannäherung der geschiedenen Ehegatten
rechtfertigen eine Ausnahme in dem vorstehend genannten Sinne jedenfalls
nicht.
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