IPR: Internationales
Namensrecht, Gesamtverweisung, Rückverweisung kraft abweichender
Qualifikation; Vorfragenanknüpfung im internationalen Namensrecht;
Gestaltungswirkung eines inländischen Scheidungsurteils im Rahmen der
Vorfrage (offen gelassen)
BGH, Beschluss vom 20. Juni
2007 - XII ZB 17/04
Fundstelle:
NJW 2007, 3347
Amtl. Leitsatz:
a) Die in Art. 10 Abs. 1
EGBGB enthaltene Verweisung auf das Heimatrecht des Namensträgers ist eine
Gesamtverweisung im Sinn des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, die auch das
Kollisionsrecht des ausländischen Staates umfasst, so dass etwaige Rück- und
Weiterverweisungen zu beachten sind.
b) Rückverweisungen sind im Rahmen der objektiven Anknüpfung nach Art. 10
Abs. 1 EGBGB auch dort zu beachten, wo ein fremdes Kollisionsrecht diese
aufgrund einer abweichenden Qualifikation der Namensfrage ausspricht (hier:
Namensführung der geschiedenen türkischen Ehefrau als Scheidungsfolge gemäß
Art. 13 türk. IPRG).
Zentrale Probleme:
Es geht um die Vorlage des
OLG Hamm
NJW 2004, 1688, welches von
BayObLG
FamRZ
2003, 310 abweichen wollte: Dem OLG Hamm ging es um die Frage, ob
ein deutsches Scheidungsurteil, das aus der Sicht des auf die Namensführung
anwendbaren Heimatrechts (noch) nicht anerkannt war, insofern auch von
deutschen Gerichten ignoriert werden muß (so
BayObLG FamRZ
2003, 310, anders
OLG Hamm
NJW 2004, 1688): Nach ihrem gem. Art. 10 I EGBGB
maßgebenden Heimatrecht führt die türkische Frau nach der Ehescheidung
wieder ihren ursprünglichen Namen. Im Rahmen des materiellen türkischen
Namensrecht stellt sich dann die (Vor)Frage, ob die Ehe aufgelöst ist. Sieht
man dies aus türkischer Sicht, ist das mangels Anerkennung des deutschen
Scheidungsurteils zu verneinen mit der Folge, daß die die Ex-Frau weiter den
Ehenamen führt. Geht man von einem "Vorrang des Verfahrensrechts vor dem
Kollisionsrecht" aus, kann ein deutsches Gericht die von einem deutschen
Gericht erfolgte Ehescheidung nicht ignorieren mit der Folge, daß die
Ehefrau aus "unserer" Sicht ihren vorehelichen Namen führt (allerdings von
türkischen Behörden auf diesen Namen keine Papiere bekommt!). Dieses
"hinkende" Rechtsverhältnisse ist der Grund, warum man im internationalen
Namensrecht von einer unselbständigen Anknüpfung der Vorfrage ausgeht und
auch die Frage der Wirksamkeit einer Scheidung hier aus türkischer Sicht
betrachten könnte (so
BayObLG FamRZ
2003, 310 und die m.E. zutreffend Mm. in der Lit.). Der BGH
umgeht das Problem elegant, indem er zu einer Rückverweisung des türkischen
Rechts kommt: Das nach Art. 4 I EGBGB berufene türkische IPR qualifiziert
die Frage der nachehelichen Namensführung als Scheidungsfolge und würde hier
als Scheidungsstatut deutsches Recht anwenden. Diese abweichende
Qualifikation muß bei der Anwendung türkischen IPR's natürlich beachtet
werden, denn ausländisches IPR muß so angewendet werden, wie es im
betreffenden Staat tatsächlich angewendet wird. Es verweist daher für den
Namen zurück (Rückverweisung kraft abweichender Qualifikation), so daß
deutsches Recht gilt. Danach führt die geschiedene Ehefrau den Ehenamen
weiter, solange sie keine abweichende Erklärung abgibt (§ 1355 Abs. 5 Satz 1
BGB).
Bzgl. des Kindesnamens löst sich das Problem dann ebenfalls elegant: Sieht
man aus türkischer Sicht die Ehefrau noch als verheiratet an, trägt das Kind
nach seinem türkischen Heimatrecht den Namen der Eltern, sonst denjenigen
der Mutter - diese Namen sind aber im vorliegenden Fall identisch, so daß
die Vorfragenanknüpfung auch insoweit irrelevant ist. Sollte das Kind jedoch
- wie in der Entscheidung angedeutet - Kind des (deutschen) Ex-Ehemannes
sein und hat dieser die Vaterschaft anerkannt, ist es ohnehin (auch)
Deutscher (§ 4 I StAG). Diese Staatsangehörigkeit ginge nach Art. 5 I 2
EGBGB vor, so daß die Namensführung deutschem Recht unterliegt. Auch danach
führte das Kind den Namen der Mutter (§ 1617a BGB), sofern keine
Sorgerechtserklärung und abweichende Wahl vorliegt (§ 1617 I BGB). S.
dazu aber nunmehr BGH v. 22.11.2023 - XII ZB
566/21.
©sl 2007
Gründe:
I.
1 Die Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Kindesmutter) und der Beteiligte zu 2,
die beide ursprünglich ausschließlich die türkische Staatsangehörigkeit
besaßen, schlossen im Jahre 1988 in der Türkei die Ehe. Die Kindesmutter,
die vor der Eheschließung ihren Geburtsnamen Ç. geführt hatte, führte fortan
den Familiennamen T. des Beteiligten zu 2. In der Folgezeit siedelten die
Eheleute nach Deutschland über. Hier erwarb der Beteiligte zu 2 etwa 1994
die deutsche Staatsangehörigkeit, während die Kindesmutter türkische
Staatsangehörige blieb. Die Ehe wurde im Jahre 2000 durch Urteil eines
deutschen Amtsgerichts unter Anwendung materiellen türkischen
Scheidungsrechts geschieden. Eine Anerkennung des seit dem 26. April 2000
rechtskräftigen deutschen Scheidungsurteils in der Türkei ist bislang nicht
erfolgt. Ein im Februar 2003 von den türkischen Behörden für die
Kindesmutter ausgestellter Reisepass weist für sie weiterhin den
Familiennamen T. aus.
2 Die Kindesmutter hat am 16. Juni 2003 einen Sohn geboren, dem sie den
Vornamen D. gegeben hat. Der Standesbeamte, der Bedenken hatte, für Kind und
Kindesmutter den Familiennamen T. im Geburtenbuch einzutragen, hat die Sache
über den Beteiligten zu 3 (Rechtsaufsichtsbehörde über das Standesamt) dem
Amtsgericht gemäß § 45 Abs. 2 PStG zur Entscheidung vorgelegt. Nach den
Angaben des Standesbeamten haben sich die Kindesmutter und der Beteiligte zu
2 nach dem rechtskräftigen Abschluss des in Deutschland betriebenen
Scheidungsverfahrens wieder versöhnt; der Beteiligte zu 2 soll auch die
Vaterschaft für das Kind D. mittlerweile anerkannt haben. Das Amtsgericht
hat den Standesbeamten angewiesen, den Namen von Kind und Kindesmutter im
Geburtenbuch mit T. zu beurkunden. Die hiergegen gerichtete sofortige
Beschwerde der Standesamtsaufsicht hat das Landgericht zurückgewiesen. Gegen
diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der
Standesamtsaufsicht.
3 Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in StAZ 2004, 171 ff. (mit Anm.
Wiegelmann FamRB 2004, 263) veröffentlicht ist, hält das Rechtsmittel für
zulässig und begründet. Der Familienname der Kindesmutter bestimme sich nach
ihrem türkischen Heimatrecht, wonach sie als geschiedene Ehefrau
grundsätzlich den Familiennamen zu führen habe, den sie vor der
Eheschließung hatte (Art. 173 Abs. 1 türk. ZGB). Zwar sei die von einem
deutschen Gericht ausgesprochene Ehescheidung in der Türkei (bislang) nicht
anerkannt worden. Die Gestaltungswirkung des deutschen Scheidungsurteils
unterliege jedoch einer selbständigen kollisionsrechtlichen Anknüpfung nach
deutschem Recht. Der Familienname der türkischen Kindesmutter müsse daher
mit ihrem vor der Eheschließung geführten Geburtsnamen Ç. beurkundet werden.
Der Familienname des Kindes leite sich aus dem Familiennamen der
Kindesmutter ab, und zwar unabhängig davon, ob das Kind die türkische oder
zufolge der Anerkennung durch den Beteiligten zu 2 die deutsche
Staatsangehörigkeit besitze.
4 Das Oberlandesgericht möchte die angefochtenen Beschlüsse aus diesem
Grunde aufheben, sieht sich hieran aber durch eine Entscheidung des
Bayerischen Obersten Landesgerichtes vom 12. September 2002 (BayObLGZ
2002, 299 ff. = StAZ 2003, 13 mit krit. Anm. Mäsch IPrax 2004, 102 ff.)
gehindert. In dieser Entscheidung habe das Bayerische Oberste Landesgericht
ausgesprochen, dass eine in Deutschland geschiedene türkische
Staatsangehörige nicht ihren vorehelichen Familiennamen führen könne,
solange das deutsche Scheidungsurteil im türkischen Rechtskreis mangels
Anerkennung keine Wirkung entfalte. Folge man dieser Auffassung, müsse der
Familienname von Kindesmutter und Kind mit dem Ehenamen T. beurkundet
werden. Das Oberlandesgericht hat deswegen die Sache gemäß § 28 Abs. 2 FGG
dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
5 Die Vorlage ist unzulässig.
6 1. Eine Sache aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist vom
Oberlandesgericht gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof vorzulegen,
wenn das Gericht von der auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung
eines anderen Oberlandesgerichts oder, falls über die Rechtsfrage bereits
eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vorliegt, von dieser abweichen
will. Aus dem Vorlagebeschluss muss sich dabei durch im Einzelnen begründete
Darlegungen ergeben, dass die Befolgung der abweichenden Rechtsansicht in
dem zur Beurteilung stehenden Sachverhalt zu einer abweichenden
Fallentscheidung führen würde. Auf der Grundlage dieser Darlegungen hat der
Bundesgerichtshof zu prüfen, ob in der streitigen Rechtsfrage tatsächlich
ein Abweichungsfall vorliegt und ob die begehrte Stellungnahme zu der
Rechtsfrage für die Entscheidung des von dem Oberlandesgericht vorgelegten
Falles erheblich ist (vgl. zuletzt Senatsbeschlüsse BGHZ 166, 141, 144 und
vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 118/03 - FamRZ 2007, 381, 382; BGH Beschluss
vom 29. September 2005 - V ZB 107/05 - NJW-RR 2006, 18).
7 2. Nach diesen Maßstäben ist die Vorlage nicht zulässig. Der Familienname
des Kindes und der Familienname der Kindesmutter können unter keinem
rechtlichen Gesichtspunkt mit dem vor der Eheschließung der Kindesmutter
geführten Geburtsnamen Ç. beurkundet werden. Insoweit kann sich im Hinblick
auf die von dem Oberlandesgericht herangezogene Entscheidung des Bayerischen
Obersten Landesgerichtes allenfalls eine Abweichung in der Begründung, nicht
aber eine Abweichung im Ergebnis ergeben; eine solche Abweichung
rechtfertigt die Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG nicht (Senatsbeschluss BGHZ
166, 141, 144).
8 Im Einzelnen gilt folgendes:
9 a) Zutreffend ist das Oberlandesgericht zunächst davon ausgegangen,
dass nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB der Name einer Person grundsätzlich dem Recht
des Staates unterliegt, dem diese Person angehört. Unter das Namensstatut
fallen dabei sowohl die Namensbildung als auch der Erwerb, der Verlust und
die Führung des Namens, insbesondere nach der Auflösung der Ehe (MünchKomm/Winkler
von Mohrenfels BGB 4. Aufl. Art. 17 EGBGB Rdn. 199). Die in Art. 10 Abs. 1
EGBGB enthaltene Verweisung in das Heimatrecht des Namensträgers ist nach
allgemeiner Ansicht eine Gesamtverweisung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Satz
1 EGBGB, die auch das Kollisionsrecht des ausländischen Staates umfasst, so
dass etwaige Rück- und Weiterverweisungen zu beachten sind (vgl.
Senatsbeschluss vom 23. Dezember 1998 - XII ZB 5/98 -FamRZ 1999, 570;
Palandt/Heldrich BGB 66. Aufl. Art. 10 EGBGB Rdn. 3; Staudinger/Hepting BGB
[Dezember 1999] Art. 10 EGBGB Rdn. 81; Bamber-er/Roth/Mäsch BGB Art. 10 Rdn.
9).
10 b) Die Möglichkeit einer Rückverweisung hat das Oberlandesgericht nicht
in Betracht gezogen. Es hat daher übersehen, dass das türkische
internationale Privatrecht die in Art. 10 Abs. 1 EGBGB enthaltene
namensrechtliche Verweisung auf das Heimatrecht des Namensträgers
hinsichtlich der Kindesmutter nicht annimmt und im vorliegenden Fall
bezüglich der Namensführung nach der Scheidung auf das deutsche Namensrecht
(zurück-)verweist.
11 aa) Zwar entspricht es verbreiteter Ansicht, dass das türkische
Internationale Privatrecht für die Bestimmung des Familiennamens in der
Regel an das Heimatrecht des Namensträgers anknüpft, was daraus hergeleitet
wird, dass es im Bereich des internationalen Personenrechts der Türkei an
einer besonderen Kollisionsnorm für das internationale Namensrecht fehlt
(vgl. BayObLG FamRZ 1991, 1352 und FamRZ 1996, 1163, 1165, beide unter
Hinweis auf Krüger StAZ 1983, 49, 51 Fn. 21). Dies kann aber nicht
uneingeschränkt für die Namensführung geschiedener Eheleute gelten, denn
insoweit behandelt das türkische Recht das Namensrecht nicht als
Persönlichkeitsrecht des Namensträgers, sondern als einen
familienrechtlichen Vorgang. Bei der Frage, welchen Familiennamen die
Ehefrau nach der Scheidung führt, handelt es sich nach türkischem
Rechtsverständnis um eine Nebenfolge der Scheidung im Sinne von Art. 13 des
türkischen Gesetzes Nr. 2675 vom 20. Mai 1982 über das internationale
Privat- und Zivilverfahrensrecht (auszugsweise abgedruckt bei Krüger
StAZ aaO S. 50 ff.; im Folgenden: türk. IPRG), so dass die Namensführung
geschiedener Ehegatten dem nach Art. 13 türk. IPRG für das Scheidungsstatut
maßgeblichen Sachrecht untersteht (vgl. Rumpf, Einführung in das
türkische Recht [2004] § 9 Rdn. 41; Hohloch, Internationales Scheidungs- und
Scheidungsfolgenrecht [1998], Türkei, § 3 Rdn. 19).
12 bb) Rückverweisungen sind im Rahmen der objektiven Anknüpfung nach
Art. 10 Abs. 1 EGBGB auch dort zu beachten, wo sie ein fremdes Recht
aufgrund einer abweichenden Qualifikation der Namensfrage ausspricht
(Palandt/ Heldrich aaO Rdn. 3; Henrich StAZ 1997, 225, 229; Staudinger/Hepting
aaO Rdn. 83 m.w.N.). Der Senat hat in diesem Sinne bereits entschieden, dass
im Hinblick auf den Ehenamen ausländischer Ehegatten deutsches Sachrecht
anzuwenden ist, wenn ein fremdes Recht deren Namensführung dem Statut der
persönlichen Ehewirkungen unterstellt und insoweit eine gemäß Art. 4 Abs. 1
Satz 2 EGBGB endgültige Rückverweisung in das deutsche Recht ausspricht
(Senatsbeschluss vom 23. Dezember 1998 - XII ZB 5/98 - FamRZ 1999, 570 f.).
Nichts anderes kann gelten, wenn das gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB an sich
maßgebliche Heimatrecht des ausländischen Namensträgers die Namensführung
geschiedener Ehegatten als Nebenfolge der Scheidung dem Scheidungsstatut
unterstellt und kollisionsrechtlich insoweit auf die Anwendung des Rechts am
(deutschen) Wohnsitz oder Aufenthaltsort zurückverweist.
13 cc) Das Scheidungsstatut beurteilt sich gemäß Art. 13 Abs. 1 türk. IPRG
jedoch nur dann nach türkischem Sachrecht, wenn beide Ehegatten die
türkische Staatsangehörigkeit besitzen; maßgeblich für die zeitliche
Anknüpfung ist auch nach türkischem Recht die Zustellung der Klage (Art. 3
türk. IPRG; vgl. Rumpf aaO Rdn. 39). Zu diesem Zeitpunkt war der Beteiligte
zu 2 allerdings seit mehreren Jahren deutscher Staatsangehöriger. Hat einer
der Ehegatten bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages bereits die
(alleinige) deutsche Staatsangehörigkeit erworben, ist nach Art. 13 Abs. 2
türk. IPRG für die Scheidung und deren Folgen das Sachrecht an ihrem
gemeinsamen (deutschen) Wohnsitz oder Aufenthaltsort berufen. Die damit
anzunehmende Rückverweisung führt in diesen Fällen gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz
2 EGBGB zu einer unmittelbaren Anwendung der deutschen Sachnormen (vgl. OLG
Frankfurt FamRZ 2004, 953, 954; OLG Düsseldorf FamRZ 2005, 912 f.; OLG
Stuttgart FamRZ 2005, 913; Hohloch aaO Rdn. 16; vgl. hierzu bereits Ansay
StAZ 1983, 29, 30).
14 Danach kommt hier hinsichtlich der namensrechtlichen Folgen der
Scheidung § 1355 Abs. 5 Satz 1 BGB zur Anwendung, so dass die Kindesmutter
mangels entgegenstehender Erklärungen gegenüber dem Standesbeamten nach der
Scheidung ihren Ehenamen T. weiterführt.
15 dd) An dieser Beurteilung ändert sich auch dadurch nichts, dass das mit
dem Scheidungsverfahren befasste deutsche Amtsgericht im Jahre 2000 die Ehe
der Kindesmutter und des Beteiligten zu 2 unter Anwendung materiellen
türkischen Scheidungsrechts geschieden hat. Dies war im Hinblick auf die
deutsche Staatsangehörigkeit des Beteiligten zu 2 rechtlich verfehlt, weil
das Amtsgericht, welches das anwendbare Recht nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1, 14
Abs. 1 Nr. 1 EGBGB an die letzte gemeinsame (türkische) Staatsangehörigkeit
der Ehegatten angeknüpft hatte, die in Art. 13 Abs. 2 türk. IPRG enthaltene
Rückverweisung hätte beachten und demzufolge deutsches Scheidungsrecht zur
Anwendung bringen müssen. Da Art. 13 Abs. 2 türk. IPRG wegen der (auch
namensrechtlichen) Scheidungsfolgen indessen auf das Recht des
Aufenthaltsortes verweist, nicht aber auf das Recht, das die Gerichte am
Aufenthaltsort tatsächlich angewendet haben, bleibt es hinsichtlich der
Namensführung der Kindesmutter bei der Anwendung deutschen Sachrechts.
16 ee) Auf die Vorlagefrage wäre es deshalb hinsichtlich des Familiennamens
der Kindesmutter nur angekommen, wenn das Scheidungsstatut von türkischem
Recht beherrscht worden wäre, denn dies hätte namensrechtlich zur Folge
gehabt, dass die Kindesmutter ihren Geburtsnamen Ç. nach der Scheidung
wieder hätte annehmen müssen (Art. 173 türk. ZGB). Materielles türkisches
Scheidungsrecht wäre etwa dann zur Anwendung gekommen, wenn beide Eheleute
bei Rechtsanhängigkeit des Scheidungsantrages noch türkische
Staatsangehörige gewesen wären, weil das türkische Kollisionsrecht gemäß
Art. 13 Abs. 1 türk. IPRG in diesem Falle die Verweisung aus Art. 10 Abs. 1
EGBGB angenommen hätte; dies hätte im Übrigen auch dann gegolten, wenn der
Beteiligte zu 2 bei Zustellung des Scheidungsantrages sowohl die deutsche
als auch die türkische Staatsangehörigkeit besessen hätte, weil das
türkische internationale Privatrecht Mehrstaatler mit türkischer
Staatsangehörigkeit ohne Rücksicht auf ihre effektive Staatsangehörigkeit
nur als Türken ansieht (Art. 4 lit. b türk. IPRG; vgl. Odendahl IPrax 2005,
320, 322). So liegt der hier zur Entscheidung stehende Fall aufgrund der
alleinigen deutschen Staatsangehörigkeit des Beteiligten zu 2 aber nicht.
17 c) Insoweit ist die Rechtslage bei dem Kind D. - sofern es allein die
türkische Staatsangehörigkeit besitzt - im Ausgangspunkt anders gelagert, da
die türkische Rechtspraxis wegen des bei der Geburt erworbenen
Familiennamens die in Art. 10 Abs. 1 EGBGB enthaltene Verweisung seit jeher
angenommen (vgl. auch KG NJW-RR 1989, 644, 645) und die Namensführung
des Kindes dem türkischen Sachrecht unterstellt hat.
18 Auf die vom Oberlandesgericht für entscheidungserheblich gehaltene
Streitfrage kommt es aber auch für das Kind D. nicht an, selbst wenn die
Hauptfrage (Name des Kindes) durch türkisches Recht beherrscht wird. Die
Beantwortung der Vorfrage, ob die Ehe zwischen der Kindesmutter und dem
Beteiligten zu 2 aufgelöst worden ist, hat auf die Namensführung des Kindes
keinen Einfluss:
19 aa) Würde man der Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichtes
folgen, wonach eine unselbständige Anknüpfung der Vorfrage zur Folge habe,
dass die Gestaltungswirkung eines deutschen Urteils zu dieser erst dann
beachtlich sei, wenn es im Heimatstaat des Namensträgers anerkannt worden
ist (vgl. ebenso Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl., § 17
IV 1 b), müsste die Ehe zwischen der Kindesmutter und dem Beteiligten zu 2
als fortbestehend angesehen werden. Dann würde das Kind D. als Kind
miteinander verheirateter Eltern gemäß Art. 321 Satz 1, 1. Halbs. türk. ZGB
den Namen T. seiner Familie tragen.
20 bb) Wäre demgegenüber die - von der wohl mittlerweile herrschenden
Ansicht in Rechtsprechung und Literatur geteilte - Auffassung des
vorlegenden Gerichts richtig, wonach es die Gestaltungswirkung eines
deutschen Urteils grundsätzlich ausschließt, sich im internationalen Bereich
auf Prinzipien der unselbständigen Vorfragenanknüpfung zu berufen (Vorrang
des Verfahrensrechts vor dem Kollisionsrecht: OLG Düsseldorf FamRZ 1999,
328; Palandt/ Heldrich aaO Rdn. 2; Mäsch IPrax aaO, S. 103 f.; Staudinger/Hepting
aaO Art. 10 EGBGB Rdn. 90; Otte StAZ 1991, 257, 258), wäre das Kind D.
nach der Scheidung der Kindesmutter nicht ehelich geboren, so dass es gemäß
Art. 321 Satz 1, 2. Halbs. türk. ZGB den Familiennamen seiner Mutter teilt.
Da die Kindesmutter indessen nach deutschem Scheidungsfolgenrecht den
vormaligen Ehenamen T. auch als geschiedene Frau weiterführt und diese
Namensführung im Einklang mit der türkischen Rechtsordnung (welche das
Namensrecht insoweit dem deutschen Scheidungsstatut unterstellt hat) stehen
würde, erhält das Kind auch in diesem Falle den - insoweit allein von der
Kindesmutter abgeleiteten - Familiennamen T.
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