IPR: Unselbstständige Anknüpfung von Vorfragen im
Internationalen Namensrecht (Art. 10 EGBGB); Vorrang des Verfahrensrechts
vor dem Kollisionsrecht; Namensrecht und ordre public (Art. 6 EGBGB)
BGH, Beschluss vom 22. November 2023 - XII ZB 566/21 -
OLG Nürnberg
Fundstelle:
noch nicht bekannt für
BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) Die in Art. 10 Abs. 1 EGBGB enthaltene
Verweisung auf das Heimatrecht des Namensträgers ist eine Gesamtverweisung
im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, die auch das Kollisionsrecht des
ausländischen Staates umfasst; etwaige Rückverweisungen sind auch dann zu
beachten, wenn ein fremdes Kollisionsrecht diese auf Grund einer
abweichenden Qualifikation der Namensfrage ausspricht (im Anschluss an
Senatsbeschluss vom 20. Juni 2007 - XII ZB 17/04 -
FamRZ 2007, 1540).
b) Familienrechtliche Vorfragen werden im
internationalen Namensrecht grundsätzlich unselbständig angeknüpft, soweit
die zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse Auswirkungen auf den Erwerb oder
Verlust eines Namens haben (Fortführung von Senatsbeschluss BGHZ 90, 129 =
FamRZ 1984, 576).
c) Das gilt aber nicht, wenn die betreffende
familienrechtliche Vorfrage Gegenstand der Statusentscheidung eines
deutschen Gerichts (hier: Ehescheidung) gewesen ist; insoweit überlagert die
Bindung des inländischen Rechtsanwenders an die Gestaltungswirkung dieser
Entscheidung das kollisionsrechtliche Verweisungsergebnis (Vorrang des
Verfahrensrechts vor dem Kollisionsrecht).
d) Bei Anwendung
türkischen Namenssachrechts verstößt die in Art. 173 Abs. 1 türkZGB
enthaltene Verpflichtung der geschiedenen Ehefrau, ihren vorehelich
geführten Namen wieder anzunehmen, auch bei einem gewöhnlichen Aufenthalt
der Ehegatten in der Bundesrepublik Deutschland jedenfalls dann nicht gegen
den kollisionsrechtlichen ordre public (Art. 6 EGBGB), wenn die Ehefrau
nicht nach Art. 173 Abs. 2 türkZGB auf eine gerichtliche Erlaubnis zur
Weiterführung des Ehenamens nach der Scheidung angetragen hat.
Zentrale Probleme:
Der BGH entscheidet eine wichtige Frage der
Konkurrenz zwischen Verfahrensrecht und IPR, die er in seinem
Beschluss vom 20.6.2007 - XII ZB 17/04 noch
offengelassen hatte. Damals bestand eine Meinungsdivergenz zwischen dem
BayObLG (BayObLG,
Beschl. v. 12.9.2002 - 1Z BR 10/02) und dem OLG Hamm, welchen das OLG
Hamm zu einer Vorlage an den BGH veranlasst hatte (OLG
Hamm, Beschluss vom 22. 1. 2004 - 15 W 426/03).
1. Eine
Ehe zwischen zwei türkischen Staatsangehörigen wird von einem deutschen
Gericht geschieden. Die Ehefrau möchte gerne den Ehenamen (den Familiennamen
des Ehemannes) weiterführen. Gem. Art. 10 Abs. 1 EGBGB unterliegt das
Namensrecht dem Heimatrecht des Namensträgers. Diese Gesamtverweisung (Art.
4 Abs. 1 EGBGB) nimmt das türkische IPR an.
2. Nach türkischem
materiellem Recht trägt die Ehefrau nach der Scheidung wieder ihren
Geburtsnamen, kann aber offenbar unter relativ großzügigen Voraussetzungen
die Weiterführung des Ehenamens beantragen. Damit stellt sich die Frage, ob
die Ehefrau wirksam geschieden ist. Das ist eine Vorfrage, die im
internationalen Namensrecht grundsätzlich unselbständig anzuknüpfen ist. Das
bedeutet, dass zu prüfen ist, ob aus der Sicht des türkischen
(internationalen) Privatrechts eine wirksame Ehescheidung vorliegt. Man
macht das wegen der Wahrung des internationalen Entscheidungseinklangs: Der
Namensträger braucht ja etwa Personalpapiere etc. aus seinem Heimatstaat, so
dass es problematisch ist, wenn er etwa in
Deutschland einen anderen Namen trägt als in seinem Heimatstaat.
3.
Im vorliegenden Fall ist aus der Sicht des türkischen Rechts die Ehefrau
(noch) nicht geschieden, weil in der Türkei zunächst ein Verfahren zur
Anerkennung des deutschen Scheidungsurteils durchzuführen ist. Dieses hat
die Betroffene aber nicht eingeleitet. Damit trägt aus der Sicht des
türkischen Rechts die Ehefrau weiter den Ehenamen.
4. Und hier stellt
sich die Frage des sog. "Vorrangs des Verfahrensrechts über das IPR": Folgte
man nämlich dieser Überlegung, so würde das deutsche Gericht - bezogen auf
die Namensführung - das deutsche Scheidungsurteil gleichsam nicht
anerkennen. Das BayObLG hat das damals mit gut vertretbarer Argumentation
nicht für ausschlaggebend betrachtet, weil es ja "nur" um das Namensrecht
ging (s. dazu
BayObLG, Beschl. v. 12.9.2002 - 1Z BR 10/02),
das OLG Hamm hat das aber anders gesehen und die Frage dem BGH vorgelegt (OLG
Hamm, Beschluss vom 22. 1. 2004 - 15 W 426/03). Der BGH hat das damals
offengelassen (BGH, Beschluss vom 20.6.2007 - XII
ZB 17/04), nun entscheidet er im Sinn des OLG Hamm: Die Anerkennung der
deutschen Ehescheidung in jedwedem Kontext hat Vorrang. Dass es damit zu
einer "hinkenden Namensführung" kommt, hält der BGH für zweitrangig, weil
die Ehefrau hier durch die Einleitung des Anerkennungsverfahrens der
deutschen Scheidung in der Türkei selbst dafür sorgen kann, dass sie in der
Türkei denselben Namen führt wie im Inland.
5. Die sehr sorgfältige
und keineswegs generelle Argumentation des Senats überzeugt in dieser
Konstellation: Der "Preis" für die unselbständige Anknüpfung der Vorfrage
und damit eines internationalen Einklangs des Namensrecht wäre nämlich eine
"hinkende" Ehe: Die Ehefrau wäre weiter in Deutschland geschieden, in der
Türkei aber nicht. Die Namensführung würde, wenn sie die Anerkennng der
Scheidung in der Türkei betreibt, wieder wechseln (s. dazu bei
Rn. 23).
6. Dass die Ehefrau dadurch wieder gezwungen wird,
ihren Geburtsnamen anzunehmen ist im Hinblick auf den ordre public (Art. 6
EGBGB) und dabei insbesondere auf ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht
problematisch. Der Senat legt das sehr sorfgältig dar. Da aber beim
Eingreifen von Art. 6 EGBGB Zurückhaltung zu wahren und insbesondere nicht
auf die maßgebliche Norm, sondern das Rechtsanwendungsergebnis abzustellen
ist, ist er aber der zutreffenden Ansicht, dass der ordre public jedenfalls
solange nicht eingreift, als die geschiedene Ehefrau nicht zunächst in der
Türkei nicht einen Antrag auf Weiterführung des Ehenamens gestellt hat.
Würde ihr das verweigert, müsste man von einem ordre-public-Verstoß
ausgehen.
©sl 2024
Gründe:
A.
1 Das Verfahren betrifft die
Namensführung einer türkischen Staatsangehörigen nach Ehescheidung.
2 Die Betroffene und Herr Denis C., die beide ausschließlich die
türkische Staatsangehörigkeit besitzen, schlossen am 7. September
2009 in Deutschland die Ehe. Eine Rechtswahlerklärung wurde von den
Ehegatten nicht abgegeben. Die Betroffene, die vor der Eheschließung ihren
Geburtsnamen M. geführt hatte, führte fortan den Familiennamen C.
ihres Ehemanns. Die Ehe wurde durch Beschluss des deutschen
Amtsgerichts S. vom 22. Oktober 2020 rechtskräftig geschieden. Eine
Anerkennung dieses Scheidungsbeschlusses ist in der Türkei bislang nicht
erfolgt.
3 Die Betroffene hat am 26. November 2020 gegenüber
dem Standesamt erklärt, dass sie auch nach der Scheidung weiterhin
ihren bisherigen Familiennamen C. führen möchte. Das Standesamt hat
Zweifel, ob im Eheregister ungeachtet dieser Erklärung eine Folgebeurkundung
mit dem Inhalt aufzunehmen ist, dass die Betroffene mit Rechtskraft der
Scheidung wieder ihren Geburtsnamen M. führt. Auf die Zweifelsvorlage hat
das Amtsgericht das Standesamt angewiesen, eine entsprechende
Folgebeurkundung vorzunehmen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der
Standesamtsaufsicht (Beteiligte zu 1) hat das Oberlandesgericht
zurückgewiesen. Die Standesamtsaufsicht hat die zugelassene Rechtsbeschwerde
eingelegt.
B.
4 Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht
begründet.
I.
5 Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 und
Abs. 2 Satz 2 FamFG iVm § 51 Abs. 1 PStG statthaft und auch im Übrigen
zulässig. Bei Anrufung der Rechtsbeschwerdeinstanz durch die
Aufsichtsbehörde bedarf es keiner formellen oder materiellen Beschwer. Der
Aufsichtsbehörde ist durch die Einräumung eines vom Inhalt der Entscheidung
der Vorinstanzen unabhängigen Beschwerderechts (§ 53 Abs. 2 PStG) eine
verfahrensrechtliche Handhabe gegeben, um in wichtigen und umstrittenen
Fragen eine klärende Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts
herbeizuführen. Dies gilt selbst dann, wenn die Aufsichtsbehörde
die angefochtene Beschlussfassung für richtig hält und sie gegebenenfalls
selbst beantragt hat. Die Aufsichtsbehörde braucht deshalb auch kein
bestimmtes Ziel ihres Rechtsmittels anzugeben. Es genügt, wenn sie - wie es
hier der Fall ist -mit ihrem Rechtsmittel ersichtlich eine Recht und Gesetz
entsprechende Entscheidung erwirken will (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 219,
120 = FamRZ 2018, 1334 Rn. 4 mwN und vom 19. Februar 2014 - XII ZB 180/12 -
FamRZ 2014, 741 Rn. 5 f. mwN).
II.
6 In der Sache hält die
Beschwerdeentscheidung der rechtlichen Überprüfung stand.
7 1.
Das Beschwerdegericht, dessen Beschluss in FamRZ 2022, 769 veröffentlicht
ist, hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Namensführung
der Betroffenen bestimme sich nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB und damit nach
ihrem türkischen Heimatrecht. Dieses nehme die Verweisung an. Nach
türkischem Recht nehme die geschiedene Ehefrau den Familiennamen wieder an,
den sie vor der Eheschließung hatte. Bei der Beurteilung der Frage, ob die
Betroffene geschieden sei, müsse die Gestaltungswirkung des rechtskräftigen
deutschen Scheidungsbeschlusses beachtet werden, die das
kollisionsrechtliche Anknüpfungsergebnis überlagere. Würde man
demgegenüber darauf abstellen, dass eine ausländische Scheidung nach
türkischem Recht zunächst einer Anerkennung durch das zuständige türkische
Gericht oder einer personenstandsrechtlichen Registrierung in der Türkei
bedürfe und die Betroffene daher aus Sicht des türkischen Rechts (noch)
nicht als geschieden gelte, würde der Standesbeamte dazu
verpflichtet, den Scheidungsbeschluss eines deutschen Gerichts außer Acht zu
lassen, und sei der interne Entscheidungseinklang gefährdet. Wenn
die Betroffene hiernach in Deutschland einen Namen führe, der von den
türkischen Behörden derzeit nicht anerkannt werde, könne die
Betroffene diese hinkende Namensführung von sich aus beenden, indem sie die
Scheidung in der Türkei anerkennen lasse, was sie nach eigenen Angaben
ohnehin plane.
8 2. Diese Ausführungen lassen keine
Rechtsfehler erkennen.
9 a) Nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB
unterliegt der Name einer Person grundsätzlich dem Recht des Staates, dem
diese Person angehört. Unter das Namensstatut fallen dabei sowohl die
Namensbildung als auch der Erwerb, der Verlust und die Führung des Namens,
insbesondere nach der Auflösung der Ehe (vgl.
Senatsbeschluss vom 20. Juni 2007 - XII ZB 17/04 -
FamRZ 2007, 1540 Rn. 9). Die in Art. 10 Abs. 1 EGBGB enthaltene
Verweisung in das Heimatrecht des Namensträgers ist eine
Gesamtverweisung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, die auch
das Kollisionsrecht des ausländischen Staates umfasst, sodass etwaige Rück-
und Weiterverweisungen zu berücksichtigen sind. Rückverweisungen
sind im Rahmen der objektiven Anknüpfung nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB
insbesondere auch dort zu beachten, wo sie ein fremdes Recht aufgrund der
Qualifikation der Namensfrage als Nebenfolge eines familienrechtlichen
Statusereignisses - wie beispielsweise Eheschließung (vgl.
Senatsbeschluss vom 23. Dezember 1998 - XII ZB 5/98 - FamRZ 1999, 570)
oder Scheidung (vgl.
Senatsbeschluss vom 20. Juni 2007 - XII ZB 17/04 - FamRZ 2007, 1540 Rn. 9)
- ausspricht.
10 b) Das Beschwerdegericht hat mit Recht angenommen,
dass das türkische Recht die Verweisung auf das türkische Heimatrecht der
Betroffenen annimmt.
11 aa) Der Senat ist bereits in einer
früheren Entscheidung davon ausgegangen, dass das türkische Recht die
Namensführung geschiedener Ehegatten kollisionsrechtlich als Nebenfolge der
Scheidung behandelt und deshalb die Frage, welchen Familiennamen die Ehefrau
nach der Scheidung führt, dem für das Scheidungsstatut maßgeblichen
Sachrecht unterstellt (vgl.
Senatsbeschluss vom 20. Juni 2007 - XII ZB 17/04 - FamRZ 2007, 1540 Rn.
11). Diese Beurteilung steht im Einklang mit der wohl überwiegenden Ansicht
in der türkischen Rechtslehre, wonach Erwerb oder Verlust eines Namens aus
der Sicht des türkischen Internationalen Privatrechts nicht dem
Personalstatut, sondern dem jeweiligen Familienrechtsstatut untersteht, wenn
er auf einem familienrechtlichen Statusereignis beruht (vgl. Tarman/Basoglu
StAZ 2017, 33, 34 mit zahlreichen Nachweisen aus der türkischsprachigen
Literatur; vgl. auch Staudinger/Hausmann BGB [2019] Vorbemerkung Art. 10
EGBGB Rn. 194; Rumpf in Ferid/Firsching/ Hausmann Internationales Erbrecht
[Stand: Juli 2023] Länderteil Türkei Rn. 91; Kaplan in Rieck/Lettmaier
Ausländisches Familienrecht [Stand: März 2023] Türkei Rn. 42; Henrich IPrax
2008, 121 f.). Auf diesem rechtlichen Ausgangspunkt basiert auch eine
Entscheidung des für das Familienrecht zuständigen 2. Zivilsenats des
türkischen Kassationshofs (Yargitay) aus dem Jahr 2009, der zur Beurteilung
der Frage, welchen Familiennamen die türkische Ehefrau eines syrischen
Staatsangehörigen nach ihrer Eheschließung führt, das gemäß Art. 13 Abs. 3
des türkischen Gesetzes Nr. 5718 über das internationale Privat- und
Zivilverfahrensrecht vom 27. November 2007 (abgedruckt in IPrax 2008, 283
ff.; im Folgenden: türkIPRG) für das Ehewirkungsstatut maßgebliche Sachrecht
herangezogen hat (Yargitay 2. HD - E. 2008/3618 K. 2009/9413 - Urteil
vom 12. Mai 2009, veröffentlicht auf
www.resmigazete.gov.tr; vgl. dazu auch Krüger StAZ 2011, 179, 180).
12 Nach diesen Grundsätzen findet im vorliegenden Fall auf die
Namensführung einer geschiedenen Ehefrau türkisches Sachrecht Anwendung.
Nach Art. 14 Abs. 1 türkIPRG unterliegen die Gründe und Folgen der
Scheidung und Trennung - ebenso wie die allgemeinen Wirkungen der Ehe gemäß
Art. 13 Abs. 3 türkIPRG - dem gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten. Nur
wenn die Ehegatten verschiedener Staatsangehörigkeit sind, wird das Recht
des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, bei Fehlen eines solchen
türkisches Recht angewandt. Besitzen beide Ehegatten - wie hier -
bei Erhebung der Scheidungsklage (vgl. Art. 3 türkIPRG) die türkische
Staatsangehörigkeit, beurteilt sich das Scheidungsstatut aus Sicht des
türkischen Kollisionsrechts somit nach dem gemeinsamen türkischen
Heimatrecht der Ehegatten (vgl. bereits
Senatsbeschluss vom 20. Juni 2007 - XII ZB 17/04 - FamRZ 2007, 1540 Rn.
13 zu Art. 13 Abs. 1 türkIPRG a.F.) und findet eine Rück- oder
Weiterverweisung nicht statt.
13 bb) Nichts anderes würde
sich im Übrigen auch mit Rücksicht auf eine ältere Entscheidung des für das
Personenstandsrecht zuständigen 18. Zivilsenats des türkischen
Kassationshofs ergeben, welche die Namensführung eines türkischen
Staatsangehörigen nach seiner Eheschließung mit einer Schweizerin betraf. In
dieser Entscheidung aus dem Jahr 1997 hatte der Kassationshof erkannt, dass
die Annahme eines neuen Familiennamens im Ausland durch einen türkischen
Staatsangehörigen von den türkischen Behörden nur dann im
Personenstandsregister einzutragen sei, wenn ein entsprechender Antrag in
seiner Heimat gestellt sei und eine tragfähige Begründung für die
Namensänderung angegeben werden könne. Der Erwerb eines neuen Familiennamens
im Ausland stelle für sich genommen keine ausreichende Begründung dar; zudem
verstießen die einschlägigen Regelungen des schweizerischen Namensrechts,
die es erlaubten, dem Ehemann als Ehenamen den Geburtsnamen seiner Ehefrau
zuzuweisen, gegen den türkischen ordre public (Yargitay 18. HD. - E.
1997/288 K. 1997/1496 - Urteil vom 25. Februar 1997, in deutscher
Übersetzung wiedergegeben in FamRZ 1998, 1026 f.; vgl. dazu auch Rumpf FamRZ
1998, 1027; Sturm StAZ 2010, 1, 10 Fn. 94; Örücü The Enigma of Comperative
Law S. 117). Selbst wenn man dieser Entscheidung einen allgemeinen
Rechtsgedanken dahingehend entnehmen wollte, dass das türkische Recht den
Erwerb und den Verlust von Namen der eigenen Staatsangehörigen - unabhängig
davon, ob diese durch eine familienrechtliche Statusänderung bewirkt wurden
oder nicht - stets dem Personalstatut unterstelle (vgl. Sturm StAZ 2010, 1,
10), gelangte man wegen der türkischen Staatsangehörigkeit der
Betroffenen im vorliegenden Fall ebenfalls zur Anwendung türkischen
Namenssachrechts.
14 c) Nach Art. 173 Abs. 1 türkZGB
verliert die Ehefrau mit der Scheidung grundsätzlich den in der Ehe
geführten Familiennamen und nimmt den Familiennamen wieder an, den sie vor
der Eheschließung hatte. Das Beschwerdegericht hat zutreffend
erkannt, dass sich bei der Anwendung dieser Vorschrift die Vorfrage
danach stellt, ob die Betroffene geschieden ist.
15 aa)
Familienrechtliche Vorfragen werden nach der Rechtsprechung des
Senats im internationalen Namensrecht grundsätzlich unselbständig
angeknüpft, soweit die zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse Auswirkungen
auf den Erwerb oder Verlust eines Namens haben. Dieser
Ansatz beruht im Wesentlichen auf der Erwägung, dass nur so ein - im
Interesse der öffentlichen Funktion des Namens und der Internationalität der
Namensführung erwünschter - internationaler Einklang der Namensführung
erreicht (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 90, 129 = FamRZ 1984, 576, 578)
und damit zugleich vermieden werden kann, dass die betroffenen
Namensträger im Inland einen anderen Namen führen müssten als denjenigen,
der in ihren ausländischen Ausweispapieren eingetragen wird (vgl.
BayObLGZ 1986, 155, 162; MünchKommBGB/von Hein 8. Aufl. Einl. IPR Rn. 193;
BeckOK BGB/Lorenz [Stand: 1. August 2023] Einl. IPR Rn. 73; Rauscher
Internationales Privatrecht 5. Aufl. Rn. 518). Vor diesem
Hintergrund gilt für die Vorfrage nach dem Fortbestand der Ehe des
Namensträgers im Prinzip zunächst nichts anderes. Auch insoweit können in
Bezug auf den internationalen Entscheidungseinklang konsistente Ergebnisse
grundsätzlich dadurch gewährleistet werden, dass die zur Entscheidung über
die namensrechtliche Hauptfrage berufene Heimatrechtsordnung des
Namensträgers, welche an die Auflösung der Ehe namensrechtliche Folgen
knüpft, auch darüber entscheidet, ob die betreffende Ehe aufgelöst ist oder
nicht.
16 Das Beschwerdegericht hat zutreffend erkannt,
dass die Ehe der Betroffenen aus Sicht des türkischen Rechts nicht
als geschieden gilt. Eine ausländische Eherechtsentscheidung bedarf zur
Erstreckung ihrer Wirksamkeit auf die Türkei entweder einer gerichtlichen
Anerkennungsentscheidung gemäß Art. 58 Abs. 1 iVm Art. 54 lit. b bis g
türkIPRG oder einer personenstandsrechtlichen Registrierung nach Art. 27/A
des Gesetzes über das Personenstandswesen Nr. 5490 vom 25. April 2006
(abgedruckt bei Rumpf/Odendahl in Bergmann/Ferid/Henrich
Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht [Stand: 1. Juni 2020] Länderteil
Türkei S. 117 ff.). Solche Verfahren sind bezüglich des
Scheidungsbeschlusses des Amtsgerichts S. vom 22. Oktober 2020 nach den
Feststellungen des Beschwerdegerichts in der Türkei (noch) nicht
durchgeführt worden. Aus Sicht der türkischen Rechtsordnung besteht
die Ehe der Betroffenen mit Herrn Denis C. daher fort und trägt sie deshalb
weiterhin den mit der Eheschließung erworbenen Ehenamen C. als
Familiennamen.
17 bb) Es ist allerdings umstritten,
ob deutsche Gerichte und Behörden ihrer Rechtsanwendung das bei
unselbständiger Anknüpfung der Vorfrage gefundene Ergebnis zugrunde legen
können, wenn dies zur Folge hätte, dass sie die statusrechtlichen Wirkungen
eines rechtskräftigen deutschen Scheidungsbeschlusses außer Acht lassen
müssten.
18 (1) Hierzu wird teilweise vertreten,
dass es im Interesse des internationalen Gleichlaufs in der Namensführung
bei der unselbständigen Anknüpfung der Vorfrage nach der Auflösung der Ehe
verbleiben müsse und die Gestaltungswirkung eines deutschen
Scheidungsbeschlusses erst dann beachtlich sein könne, wenn diese im
Heimatstaat des Namensträgers anerkannt worden sei (vgl.
BayObLG FamRZ 2003, 310, 311; Kegel/Schurig
Internationales Privatrecht 9. Aufl. S. 597). Solange keine Anerkennung des
Scheidungsbeschlusses in der Türkei herbeigeführt worden sei, behalte eine
in Deutschland geschiedene türkische Staatsangehörige bei Anwendung
türkischen Namenssachrechts ihren in der Ehe geführten Namen. Müsste
sie demgegenüber gegen ihren Willen ihren vorehelichen Namen wieder
annehmen, hätte dies zur widersinnigen Folge, dass sie dazu gezwungen wäre,
einen Familiennamen zu führen, den sie bei isolierter Betrachtung weder nach
der türkischen noch (wegen § 1355 Abs. 5 Satz 1 BGB) nach der deutschen
Rechtsordnung führen müsste und der nicht in ihren türkischen
Ausweispapieren stehe (vgl. BayObLG FamRZ
2003, 310, 312).
19 (2) Die überwiegende Auffassung in
Rechtsprechung und Schrifttum betont demgegenüber mit dem Beschwerdegericht
auch im internationalen Namensrecht den Vorrang des Verfahrensrechts vor dem
Kollisionsrecht, weil es die Gestaltungswirkung eines
deutschen Scheidungsbeschlusses für einen inländischen Rechtsanwender
grundsätzlich ausschließe, sich in Bezug auf das präjudizielle
Rechtsverhältnis auf die unselbständige Vorfragenanknüpfung zu berufen. Der
rechtskräftige Scheidungsbeschluss eines deutschen Gerichts erhebe einen
hoheitlichen Geltungsanspruch im Inland und die Bindung inländischer
Gerichte und Behörden an diese Entscheidung könne nicht davon abhängig
gemacht werden, ob der Scheidungsbeschluss in einem anderen Staat
anerkannt worden sei oder nicht (vgl. OLG
Hamm FGPrax 2004, 115, 116; OLG Düsseldorf FamRZ 1999, 328;
MünchKommBGB/von Hein 8. Aufl. Einl. IPR Rn. 196; MünchKommBGB/Lipp 8. Aufl.
Art. 10 EGBGB Rn. 39 f.; Staudinger/Hausmann BGB [2019] Art. 10 EGBGB Rn.
143; Junker Internationales Privatrecht 5. Aufl. § 10 Rn. 30; Wall
MittBayNot 2023, 441, 443; Wall [Fachausschuss Nr. 4210] StAZ 2021, 245,
247; Looschelders JA 2008, 65, 66; Mäsch IPRax 2004, 102, 103 f.).
20
cc) Der Senat hat diese Streitfrage bislang mangels
Entscheidungserheblichkeit offenlassen können (vgl.
Senatsbeschluss vom 20. Juni 2007 - XII ZB 17/04 - FamRZ 2007, 1540 Rn.
7 ff.). Sie ist nun im Sinne der letztgenannten Auffassung zu
beantworten.
21 (1) Die Gestaltungswirkung deutscher
Scheidungsbeschlüsse tritt grundsätzlich für alle Rechtsverhältnisse ein,
für die der Fortbestand der Ehe präjudiziell ist. Bei der Frage nach dem
Fortbestand einer Ehe handelt es sich um eine Statusfrage, die sich nicht
nur im gesamten Bereich des Familienrechts, sondern auch im öffentlichen
Recht und im Erbrecht stellt. Würde diese Frage begrenzt auf einzelne
Teilaspekte bejaht und in anderen rechtlichen Zusammenhängen verneint
werden, würde dies die Einheit der inländischen Rechtsordnung in
Frage stellen (vgl.
Senatsbeschluss BGHZ 236, 224 = FamRZ 2023, 1032 Rn. 29).
Eine solche Störung des internen Entscheidungseinklangs widerspräche sowohl
der Befriedungsfunktion rechtskräftiger Entscheidungen als auch dem
Prinzip der Rechtsgleichheit (vgl. Mäsch IPrax 2004, 102, 103).
Für die Bindung inländischer Gerichte und Behörden an die
Gestaltungswirkung eines deutschen Scheidungsbeschlusses kann es nicht
entscheidend darauf ankommen, ob das die Hauptfrage betreffende
Rechtsverhältnis nach deutschem Sachrecht oder kraft eines dem deutschen
Kollisionsrecht zu entnehmenden Verweisungsbefehls nach ausländischem
Sachrecht zu beurteilen ist (vgl. bereits BGH Urteil vom 12. März
1981 - IVa ZR 111/80 - FamRZ 1981, 651,653).
22 (2) Richtig
ist freilich, dass nicht von einem schematischen Vorrang
des Verfahrensrechts vor dem Kollisionsrecht ausgegangen werden kann. Im
internationalen Eheschließungsrecht wird die Frage, ob die Vorehe eines der
beiden Verlobten dergestalt wirksam aufgelöst wurde, dass er zur
Wiederverheiratung fähig ist, in einem ersten Schritt auch beim Vorliegen
eines deutschen Scheidungsbeschlusses aus der Sicht der heimatstaatlichen
Rechtsordnung eines ausländischen Verlobten beurteilt. Dies ergibt sich
unzweifelhaft im Umkehrschluss aus Art. 13 Abs. 2 EGBGB, der eine solche
Sichtweise voraussetzt, um sie anschließend unter bestimmten Voraussetzungen
wieder korrigieren zu können (vgl.
Senatsbeschluss BGHZ 236, 224 = FamRZ 2023, 1032 Rn. 26). Damit
sollten nach den Vorstellungen des Gesetzgebers im Eheschließungsrecht die
Bedeutung des internationalen Entscheidungseinklangs für
zentrale Statusfragen betont und hinkende Ehen nach Möglichkeit vermieden
werden (vgl. MünchKommBGB/Coester 8. Aufl. Art. 13 EGBGB Rn. 77;
Staudinger/ Mankowski BGB [2010] Art. 13 EGBGB Rn. 121). Auch wenn sich Art.
13 Abs. 2 EGBGB wegen seines Ausnahmecharakters kein
verallgemeinerungsfähiger Rechtsgedanke für das gesamte Internationale
Privatrecht entnehmen lässt, verdeutlicht die Vorschrift doch, dass
die kollisionsrechtliche Verweisung auf die Sichtweise einer ausländischen
Rechtsordnung im Einzelfall auf so gewichtigen Gründen des internationalen
Entscheidungseinklangs beruhen kann, dass der interne Entscheidungseinklang
dahinter ausnahmsweise zurücktreten muss.
Im internationalen Namensrecht wäre dies dann der Fall, wenn spezifische
Zwecke des Art. 10 Abs. 1 EGBGB einer Verselbständigung der von einem
inländischen Gericht entschiedenen Statusfrage zwingend entgegenstehen
würden (vgl. Wall [Fachausschuss Nr. 4210] StAZ 2021, 245, 247).
23 (3) Solche zwingenden Gründe ergeben sich im
internationalen Namensrecht aber regelmäßig nicht. Die unselbständige
Anknüpfung familienrechtlicher Vorfragen dient vornehmlich dem Zweck, einen
Gleichlauf in der internationalen Namensführung, insbesondere mit den in den
Ausweispapieren des Heimatstaates eingetragenen Namen zu gewährleisten.
Der internationale Entscheidungseinklang bei der Namensführung
würde im vorliegenden Fall bei einer unselbständigen Anknüpfung der Vorfrage
nach der Auflösung der Ehe der Betroffenen durch den in der Türkei (noch)
nicht anerkannten deutschen Scheidungsbeschluss zwar vordergründig
dadurch hergestellt, dass die Betroffene ihren aus Sicht der türkischen
Rechtsordnung (noch) maßgeblichen und in ihren Ausweispapieren eingetragenen
Familiennamen C. nach der Scheidung auch im Inland weiterführen könnte, ohne
den Aufwand betreiben zu müssen, die in Deutschland durchgeführte Scheidung
in der Türkei anerkennen oder registrieren zu lassen. Der
Gleichlauf in der internationalen Namensführung kann insoweit allerdings
nur um den Preis des Fortbestands einer im Verhältnis zur Türkei hinkenden
Ehe erreicht werden. Es ist nicht ersichtlich, warum es für
die Betroffene unzumutbar sein sollte, die in Deutschland ausgesprochene
Scheidung in der Türkei anerkennen oder registrieren zu lassen, denn dies
würde nicht nur zur Beseitigung des hinkenden Statusverhältnisses, sondern
auch wieder zu einem Gleichlauf in der internationalen Namensführung führen,
wenn auch möglicherweise nicht mit dem von der Namensträgerin gewünschten
Namen. Die Bindung des inländischen Rechtsanwenders an einen
deutschen Scheidungsbeschluss kann aber nicht entscheidend davon abhängig
gemacht werden, ob der Wille der betroffenen Namensträgerin darauf gerichtet
ist, ihren durch Eheschließung erworbenen Namen weiterzuführen oder ob es
ihr (umgekehrt) gerade darauf ankommt, ihren vorehelich geführten Namen
wieder annehmen zu können.
24 Ob anders zu entscheiden sein
könnte, wenn die in Deutschland ausgesprochene Ehescheidung in der Türkei
nicht anerkennungsfähig wäre, bedarf unter den hier obwaltenden Umständen
keiner näheren Erörterung, weil sich aus den Feststellungen des
Beschwerdegerichts für eine solche Annahme nichts ergibt. Im
Übrigen hat der Gesetzgeber mit den von ihm eröffneten
Rechtswahlmöglichkeiten (Art. 10 Abs. 2 und 3 EGBGB) selbst zum Ausdruck
gebracht, dass er dem internationalen Entscheidungseinklang im
Namensrecht jedenfalls keine überragende Bedeutung mehr beimisst. Wenn das
deutsche Kollisionsrecht das Bestreben nach Vermeidung einer hinkenden
Namensführung in den Fällen einer Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 2 und 3 EGBGB
schon bei der Anknüpfung der Hauptfrage hintanzustellen bereit ist, dürfte
der Gedanke des internationalen Entscheidungseinklangs in den Fällen der
objektiven Anknüpfung des Namensstatuts nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB kaum noch
geeignet sein, die Bindung der inländischen Rechtsanwender an die
Gestaltungswirkung einer von einem inländischen Gericht entschiedenen
Statusfrage bei der Vorfragenanknüpfung entfallen zu lassen.
25 d) Das Beschwerdegericht hat daher zu Recht erkannt, dass die Ehe der
Betroffenen als geschieden zu behandeln ist, so dass die Betroffene bei
Anwendung türkischen Sachrechts nach Art. 173 Abs. 1 türkZGB ihren
durch Eheschließung erworbenen Familiennamen Q. verliert und ihren
vorehelich geführten Namen M. wieder annehmen muss. Dieses Ergebnis verstößt
nicht gegen den kollisionsrechtlichen ordre public (Art. 6 EGBGB).
26 aa) Allerdings kann der ordre public im Falle der objektiven
Anknüpfung des Namensstatuts nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB bei Ehepaaren mit
ausschließlich ausländischer Staatsangehörigkeit zum Tragen kommen, wenn der
Sachverhalt - wie hier - wegen des gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten
in Deutschland einen ausreichenden Inlandsbezug aufweist. Eine
Rechtsnorm eines anderen Staates ist gemäß Art. 6 EGBGB nicht anzuwenden,
wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen
Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere den Grundrechten,
offensichtlich unvereinbar ist. Danach kommt es für den ordre public
insbesondere nicht darauf an, ob die ausländischen Vorschriften - wären sie
hypothetische Normen inländischen Rechts mit gleichem Inhalt - abstrakt am
Maßstab des Grundgesetzes Bestand haben könnten. Vielmehr ist entscheidend,
ob das bei Anwendung des fremden Rechts im Einzelfall konkret gefundene
Ergebnis aus Sicht der deutschen Rechtsordnung zu missbilligen ist
(vgl. Senatsbeschlüsse vom 29. September 2021 -
XII ZB 309/21 - FamRZ 2022, 93 Rn. 19 mwN und BGHZ 226, 365 =
FamRZ 2020, 1811 Rn. 53).
27 bb) Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts wird der bei der Eheschließung erworbene
Familienname Teil des Persönlichkeitsrechts seines Trägers. Als eigener und
nicht nur „geliehener“ Name genießt er den vollen verfassungsrechtlichen
Schutz aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG, unabhängig davon, ob die den
Namenserwerb veranlassende Ehe fortbesteht (vgl. BVerfG FamRZ 2004,
515, 516 f.). Die in einem ausländischen Recht enthaltene und von
einem deutschen Rechtsanwender vollzogene Verpflichtung eines geschiedenen
Ehegatten, seinen vorehelich geführten Namen wieder annehmen und seinen
angeheirateten Familiennamen aufgeben zu müssen, greift daher aus der
Perspektive des deutschen Verfassungsrechts gewichtig in
das Persönlichkeitsrecht des Namensträgers ein (vgl.
MünchKommBGB/von Hein 8. Aufl. Art. 6 EGBGB Rn. 265). Darüber hinaus
könnte die Anwendung von Art. 173 Abs. 1 türkZGB auch den
verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichberechtigung von Männern und
Frauen (Art. 3 Abs. 2 GG) berühren, weil das türkische Ehenamensrecht
bislang allein die Bestimmung des Mannesnamens zum gemeinsamen Ehenamen
zulässt (vgl. Tarman/Basoglu StAZ 2017, 33, 40 mwN) und die
gesetzliche Verpflichtung zur Wiederannahme des vorehelich geführten Namens
deshalb grundsätzlich nur die Frau treffen kann (vgl. auch
BVerfG FamRZ 2004, 515, 518).
28 cc) Gleichwohl führt die
Anwendung von Art. 173 Abs. 1 türkZGB im konkreten Fall nicht zu einem
Ergebnis, das aus Sicht der deutschen Rechtsordnung unannehmbar wäre.
29 (1) Rechtlicher Ausgangspunkt ist dabei die Überlegung, dass
ein Verstoß gegen den ordre public zwar grundsätzlich die Nichtanwendung der
beanstandeten ausländischen Rechtsnorm zur Folge hat. Um zu
gewährleisten, dass möglichst geringfügig in das ansonsten weiterhin
anzuwendende fremde Recht eingegriffen wird, muss aber zunächst der Versuch
unternommen werden, die aus Sicht des deutschen Rechts bestehenden
Beanstandungen unter Zuhilfenahme des vom deutschen Kollisionsrecht
berufenen ausländischen Sachrechts zu beheben. Das deutsche Sachrecht ist
demgegenüber nur hilfsweise als Ersatzrecht anzuwenden (vgl.
Senatsurteil BGHZ 169, 240 = FamRZ 2007, 109, 113; BGHZ 234, 166 = FamRZ
2022, 1489 Rn. 30).
(2) Nach Art. 173 Abs. 2 türkZGB kann das
Gericht der Ehefrau gestatten, den Familiennamen des Ehemannes fortzuführen,
wenn erwiesen ist, dass dies im Interesse der Frau liegt und dadurch kein
Schaden für den geschiedenen Ehemann entsteht. Die materiellen
Voraussetzungen hierfür werden in der türkischen Rechtslehre nicht sehr hoch
angesetzt. Ein berechtigtes Interesse der Ehefrau soll danach zu
bejahen sein, wenn sie in ihrem sozialen, insbesondere beruflichen Umfeld
unter dem Ehenamen bekannt geworden ist. Es soll unter Berücksichtigung von
Kindesbelangen aber auch schon genügen, dass der sorgeberechtigten Ehefrau -
wie es auch die Betroffene im vorliegenden Verfahren geltend macht - daran
gelegen ist, weiterhin den gleichen Familiennamen wie die gemeinsamen Kinder
zu führen, um die mit einer Namensverschiedenheit einhergehenden sozialen
Schwierigkeiten zu vermeiden (vgl. Tarman/Basoglu StAZ 2017, 33, 43 und Oguz
FamRZ 2005, 766, 770, jeweils mit Nachweisen aus der türkischsprachigen
Literatur; vgl. auch Rumpf/Odendahl in Bergmann/Ferid/Henrich
Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht [Stand: 1. Juni 2020] Länderteil
Türkei S. 49; Saltas-Özcan Die Scheidungsfolgen nach türkischem materiellen
Recht S. 171 f.).
31 (3) Nach diesen Maßstäben lässt sich
nicht feststellen, dass unter Anwendung türkischen Namenssachrechts für die
Betroffene eine Weiterführung des Ehenamens C. nach der Scheidung nicht in
Betracht gekommen wäre. Allein der Umstand, dass das türkische Recht die
Weiterführung des Ehenamens an die in einem gesonderten Verfahren zu
erteilende gerichtliche Erlaubnis knüpft, vermag die ersatzweise Anwendung
des deutschen Namenssachrechts (§ 1355 Abs. 5 Satz 1 BGB) noch nicht zu
rechtfertigen. Die in Art. 10 Abs. 1 EGBGB enthaltene
Anknüpfung an das Personalstatut basiert sowohl auf dem Respekt vor
der Eigenständigkeit fremder Rechtsordnungen als auch auf der
verfassungsrechtlich unbedenklichen Einschätzung des Gesetzgebers, es
entspreche dem Interesse eines Ausländers, in persönlichen Angelegenheiten -
wie dem Namensrecht - nach dem Recht seines Heimatstaates beurteilt zu
werden, weil bei generalisierender Betrachtungsweise die Staatsangehörigkeit
eine fortdauernde persönliche Verbundenheit mit dem Heimatstaat und seiner
Rechtsordnung dokumentiere und ihm das eigene nationale Recht zugleich am
vertrautesten sei (vgl. BVerfG FamRZ 2006, 1818, 1820).
Auch vor diesem Hintergrund ist es nicht unzumutbar, einen ausländischen
Staatsangehörigen zunächst auf die Ausschöpfung der von seiner
Heimatrechtsordnung gebotenen Möglichkeiten zur Erreichung einer
grundrechtskonformen Namensführung zu verweisen, bevor der nationale ordre
public gegen die Anwendung eines ausländischen Namensrechts in Stellung
gebracht werden kann.
32 Im vorliegenden Fall hat die
Betroffene offensichtlich keinen Antrag nach Art. 173 Abs. 2 türkZGB
gestellt. Wenn sie die nach ihrer Heimatrechtsordnung erforderlichen
Schritte für die Befugnis zur Weiterführung des Ehenamens nach der
Scheidung (noch) nicht ergriffen hat und deshalb nach Art. 173 Abs. 1
türkZGB ihren vorehelich geführten Namen wieder annehmen muss, ist
dieses Ergebnis trotz seiner verfassungsrechtlichen Tragweite aus Sicht der
deutschen Rechtsordnung nicht unannehmbar. Dies gilt umso mehr, als es dem
deutschen Kollisionsrecht auch in anderen rechtlichen Zusammenhängen - im
internationalen Eheschließungsrecht - bei der Anknüpfung des anwendbaren
Rechts an das Personalstatut eines Ausländers nicht fremd ist, die
subsidiäre Anwendung deutschen Sachrechts zur Vermeidung verfassungswidriger
Ergebnisse von der vorherigen Erfüllung bestimmter Obliegenheiten im
Heimatstaat abhängig zu machen (vgl. Art. 13 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB).
33 (4) Sollte die gerichtliche Erlaubnis zur Weiterführung des
Ehenamens nach Art. 173 Abs. 2 türkZGB von der Betroffenen zu einem späteren
Zeitpunkt erwirkt werden (vgl. dazu Wiegelmann FamRBInt 2007, 90, 91), wäre
diesem Umstand in deutschen Personenstandsregistern im Wege einer
Folgebeurkundung Rechnung zu tragen.
34 dd) Es kommt somit
nicht mehr darauf an, ob ein Rückgriff auf den kollisionsrechtlichen ordre
public im Ehenamensrecht grundsätzlich schon dann ausscheidet, wenn
ausländische Ehegatten von der ihnen durch Art. 10 Abs. 2 EGBGB eröffneten
Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht haben, durch die Wahl des deutschen
Rechts ein grundrechtskonformes Namensstatut zu berufen, und keine
Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Rechtswahl nur an der
fehlenden Einigung der beiden Ehegatten gescheitert sein könnte (vgl. BeckOK
BGB/Mäsch [Stand: 1. August 2023] Art. 10 EGBGB Rn. 13; Soergel/Schurig BGB
12. Aufl. Art. 10 EGBGB Rn. 92). Es bedarf deshalb in diesem Zusammenhang
auch keiner weiteren Erörterung der streitigen Frage, ob im Falle einer
Rechtswahl das nach Art. 10 Abs. 2 EGBGB berufene Recht auch für die
Namensführung der Ehegatten nach der Scheidung maßgeblich gewesen wäre (vgl.
Senatsbeschluss vom 3. Dezember 2014 - XII ZB 101/14 - FamRZ 2015, 477 Rn.
26 mwN).
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