Ebenso wie es zulässig ist,
im Prozeß hilfsweise die Aufrechnung zu erklären und gleichzeitig
die Gegenforderung zum Gegenstand einer Widerklage zu machen (BGH, NJW
1961, 1862 = LM § 33 ZPO Nr. 5), ist es umgekehrt auch zulässig,
eine bereits rechtshängige Forderung zur Aufrechnung zu stellen (vgl.
neben der vorliegenden Entscheidung BGH NJW-RR 1994, 379, 380). Dogmatisch
liegt dem die von der h.M. zu Recht geteilte Ansicht zugrunde, daß
trotz der Tatsache, daß im Falle der Prozeßaufrechnung die
Entscheidung über die Aktivforderung gem. § 322 Abs. 2 ZPO sowohl
positiv wie negativ in Rechtskraft erwächst, diese nicht rechtshängig
i.S.v. § 261 Abs. 1 ZPO wird (aus der Literatur vgl. nur Musielak-Foerste,
ZPO § 261 Rn. 7 m.w.N.). Daraus folgt zweierlei: Eine Aufrechnung
hindert nicht die klageweise Geltendmachung einer Forderung, weil der Klage
nicht der Rechtshängigkeitseinwand aus § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO
entgegensteht und umgekehrt hindert die Rechtshängigkeit der Forderung
nicht ihre Geltendmachung im Wege der Aufrechnung, weil letzteres keine
weitere Rechtshängigkeit begründet. Es kann damit in der Tat
zu divergierenden rechtskräftigen Entscheidungen über die Forderungen
kommen. Dem BGH ist allerdings recht zu geben, wenn er diese Gefahr als
von "theoretischer Natur" bezeichnet. Wenn nämlich in dem Verfahren,
in welchem der Aufrechnende seine Forderung einklagt ein klageabweisendes
Urteil zwischen den Parteien ergeht, gilt die Forderung im Rahmen der Präjudizwirkung
der materiellen Rechtskraft auch im Prozeß, in dem sie zur Aufrechnung
gestellt ist, als nicht bestehend. Umgekehrt wirkt wegen § 322 II
ZPO eine Entscheidung über die Aufrechnung auch für den Aktivprozeß
des Aufrechnenden. Die Gefahr gegenläufiger Entscheidungen besteht
also nur, wenn die verfahren zeitlich absolut synchron laufen.
Amtl. Leitsatz:
Die Aufrechnung mit einer Forderung im Prozeß
macht diese nicht rechtshängig.
Sachverhalt:
Mit seiner im Dezember 1967 erhobenen Klage verlangt
der Kläger Bezahlung seines Werklohns in Höhe von 3 629,76 DM
nebst Zinsen.
Die Beklagte bestritt die Forderung und setzte
ihr hilfsweise im Wege der Aufrechnung Ersatzansprüche entgegen.
Diese Schadensersatzansprüche sind zum Teil
bereits Gegenstand eines Rechtsstreits der Beklagten gegen den Kläger,
in welchem erstere mit Klage vom 19. Mai 1965 Bezahlung von 2 007,89 DM
verlangte. Nach Erlaß und Rechtskraft eines Grundurteils hatte die
Beklagte im Betragsverfahren außerdem die Feststellung begehrt, daß
der Kläger verpflichtet sei, ihr auch weiteren Schaden zu ersetzen.
Dieser Rechtsstreit ist noch beim Landgericht Bad Kreuznach anhängig.
Im Hinblick auf diesen Rechtsstreit macht der
Kläger gegenüber der Aufrechnung der Beklagten die Gegeneinrede
der Rechtshängigkeit geltend (§ 263 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Im übrigen
bestreitet er auch teilweise die Schadensersatzforderung der Beklagten.
Das Landgericht hat die Klage auf Grund der Aufrechnung
abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die zugelassene Revision des Klägers wurde
zurückgewiesen.
Aus den Gründen: 1. Im Streit steht nur noch die zur Aufrechnung
gestellte Schadensersatzforderung der Beklagten.
Das Oberlandesgericht hat die von dem Kläger
erhobene Gegeneinrede der Rechtshängigkeit zurückgewiesen. Es
ist der Auffassung, daß die Beklagte nicht gehindert sei, ihre anderweit
eingeklagte Forderung im vorliegenden Verfahren zur Aufrechnung zu stellen.
Auch umgekehrt begründe die Aufrechnung gegenüber einer Klage
keine Rechtshängigkeit. Das Oberlandesgericht beruft sich auf die
im Schrifttum überwiegend vertretene entsprechende Auffassung (u.
a. Stein/Jonas/Pohle ZPO, 19. Aufl. , § 145 Anm. VI 3,3 a; Wieczorek
ZPO § 145 Anm. D Il b und § 263 Anm. II 1; vgl. ferner RGZ 16,370;
18,408 und 27,296). Die auf § 322 Abs. 2 ZPO gestützte gegenteilige
Ansicht (Bettermann, Rechtshängigkeit und Rechtsschutzform 1949 S.
84; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht 10. Aufl. , § 106 IV
1; A. Blomeyer, Zivilprozeßrecht, § 60 I a) lehnt es ab.
2. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers
ist nicht begründet.
Es geht im vorliegenden Fall im Grunde nur um
die Frage, ob ein Beklagter berechtigt ist, mit einer Forderung aufzurechnen,
die er anderwärts bereits eingeklagt hat. Die Frage kann aber nicht
anders beantwortet werden als die umgekehrte, ob jemand eine Forderung
einklagen darf, mit der er bereits in einem anderen Prozeß aufgerechnet
hat. Das Berufungsgericht hat daher mit Recht die Frage dahin gestellt,
ob Aufrechnung rechtshängig macht.
Mit dem Oberlandesgericht und der herrschenden
Meinung verneint der Senat diese Frage. Beiläufig ist dies schon in
dem Urteil VII ZR 254/69 vom 24. Juni 1971 (WM 1971,1366) geschehen.
a) Das Ergebnis folgt schon aus dem Wortlaut des
§ 263 Abs. 1 ZPO, der lediglich von der Begründung der Rechtshängigkeit
durch eine Klage spricht. Die Aufrechnung ist aber keine Klage, auch keine
Widerklage, sondern ein Verteidigungsmittel.
Auch die sonstigen Vorschriften über die
Rechtshängigkeit passen nicht auf die Aufrechnung. Die Frage der Zuständigkeit
(§ 263 Abs. 2. Nr. 2) spielt für die Aufrechnung keine Rolle.
Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Beklagte seine Aufrechnungseinrede
nicht ohne Zustimmung des Klägers sollte zurücknehmen können
(§ 271 ZPO), weshalb er anstelle oder neben der zunächst aufgerechneten
Forderung später nur mit Zustimmung des Gegners oder bei Sachdienlichkeit
eine andere sollte zur Aufrechnung stellen können (§ 264 ZPO).
Tritt der Beklagte die zur Aufrechnung gestellte Forderung ab, so lassen
sich die Folgen nicht nach der für die Veräußerung der
Streitsache gegebenen Vorschrift (§ 265 ZPO) bestimmen, vielmehr können
hierfür allein die Regeln des materiellen Rechts maßgebend sein.
b) Allerdings ist nach § 322 Abs. 2 ZPO die
im Urteil getroffene Entscheidung, daß eine aufgerechnete Gegenforderung
des Beklagten nicht bestehe, bis zur Höhe des Betrages, für den
die Aufrechnung geltend gemacht wurde, der Rechtskraft fähig. Es trifft
zu, daß der Umfang der Rechtskraft sich mit dem der Rechtshängigkeit
im allgemeinen deckt. Das Gesetz hat aber diesen Grundsatz, wie schon in
der Entscheidung RGZ 16,372 dargelegt ist, nicht lückenlos durchgeführt,
und zwar aus dem durchaus einleuchtenden Grunde, daß sonst die Verteidigung
des Beklagten unzumutbar erschwert würde. Es könnte zu schweren
Unbilligkeiten führen, wenn ein Beklagter allein deshalb, weil er
eine ihm zustehende Forderung bereits gerichtlich geltend gemacht hat,
gehindert wäre, sie gegenüber einer vom Gegner gegen ihn erhobenen
Klage nicht mehr, auch nur hilfsweise, zur Aufrechnung zu verwenden. Folgerichtig
würde die Gegenmeinung sogar der Übung entgegenstehen, eine Forderung
gegenüber einer Klage zur Aufrechnung zu stellen und sie hilfsweise
auch zum Gegenstand einer Widerklage zu machen (dazu LM Nr. 5 zu §
33 ZPO und das oben angeführte Urteil des Senats vom 24. Juni 1971).
Freilich ist bei der hier vertretenen Ansicht
die Möglichkeit nicht zu leugnen, daß einmal verschiedene Gerichte
über eine zur Aufrechnung gestellte und gleichzeitig anderwärts
eingeklagte Forderung verschieden rechtskräftig entscheiden. Diese
Gefahr ist aber nur sehr theoretischer Natur und kann in Kauf genommen
werden (vgl. auch BGHZ 56,79). Ebenso kann auch eine etwaige Vermehrung
von Arbeit und Kosten, die dadurch entstehen könnte, daß über
dieselbe Forderung zweimal verhandelt und Beweis erhoben wird, hingenommen
werden. Wenn ein Anspruch mehrfach zur Entscheidung steht, so wissen das
die Parteien selbst am besten. Sie haben deshalb auch die Möglichkeit,
dies im gegebenen Fall zu vermeiden. Schließlich ist auch durch die
Bestimmungen der §§ 145,302 ZPO eine Möglichkeit gegeben,
solche Unzuträglichkeiten zu vermeiden.