Wertersatz bei
Schwarzarbeit BGH, Urteil v. 31.5.1990 Amtl. Leitsätze:
1. Im Falle eines gem. § 134 BGB nichtigen
Schwarzarbeitsvertrages kann der vorleistende Schwarzarbeiter unter Umständen
gem. §§ 812, 818 II BGB Wertersatz verlangen; der Anwendung von
§ 817 S. 2 BGB kann § 242 BGB entgegenstehen. 2. Zur Bemessung des Wertersatzes in diesem
Fall.
Fundstellen:
NJW 1990, 2542 ff BGHZ 111, 308 ff LM § 134 BGB Nr. 130 MDR 1990, 1100 BB 1990, 1661 DB 1990, 2162 WM 1990, 1669 ZIP 1990, 1086 NZA 1990, 809 JR 1991, 152
Die Kl. verlangt von dem Bekl. aus abgetretenem
Recht restlichen Werklohn in Höhe von 20505 DM und Zinsen. Der Ehemann
der Kl., S, führte 1985 und 1986 für den Bekl. Handwerksarbeiten
durch, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein und ohne einen Gewerbebetrieb
angemeldet zu haben. Beides war dem Bekl. bekannt. Er hat an S für
dessen Leistungen mindestens 4500 DM gezahlt. Steuern und Sozialversicherungsbeiträge
hat S nicht abgeführt. Die von ihm behaupteten Restwerklohnforderungen
hat S an die Kl. abgetreten. Das LG hat den Bekl. verurteilt, an die Kl. 11880
DM und Zinsen zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das
OLG (NJW-RR 1990, 251) hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Revision
führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
1. Das BerGer. nimmt an, nicht nur der Bekl., sondern
auch sein Vertragspartner S habe gegen das Gesetz zur Bekämpfung der
Schwarzarbeit (SchwArbG) verstoßen.
S habe ein Handwerk selbständig betrieben,
ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein (§ 1 I Nr. 3 SchwArbG).
Er habe dabei gehandelt, um wirtschaftliche Vorteile in erheblichem Umfange
zu erzielen. Dieses Bestreben reiche zur Erfüllung des Tatbestandes
aus. Er habe deshalb weder vertragliche noch gesetzliche Ansprüche,
die er an die Kl. habe abtreten können. 2. Das ist im Ausgangspunkt richtig. a) Das BerGer. nimmt zutreffend an, daß
S ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betrieben hat, ohne
in der Handwerksrolle eingetragen zu sein (§ 1 I HandwO). Als stehendes
Gewerbe gelten alle Arten und Formen des Gewerbebetriebs, die weder dem
Reisegewerbe noch dem Messe-, Ausstellungs- und Marktwesen zuzuordnen sind.
Gewerbliche Tätigkeiten, die - wie hier - außerhalb einer gewerblichen
Niederlassung auf "vorgehende Bestellung" vorgenommen werden, gehören
nicht zu einem Reisegewerbe (vgl. § 55 GewO); sie sind daher zum stehenden
Gewerbe zu rechnen, ohne Rücksicht darauf, ob der Gewerbetreibende
eine gewerbliche Niederlassung besitzt oder nicht. Daher ist etwa ein Maurer
oder Zimmerer, auch wenn er keine eigene Betriebsstätte hat, sondern
seine Arbeiten auf Bestellung bei den Kunden ausübt, als Inhaber eines
stehenden Gewerbebetriebes anzusehen, sofern nur ein sogenannter gewerblicher
Mittelpunkt erkennbar ist. Dazu genügt, daß der Gewerbetreibende
an seinem Wohnsitz eine entsprechende Tätigkeit entfaltet (BVerwG,
GewArch 1979, 96).
b) Nach den Feststellungen des BerGer. hat der
Zedent S durch seine selbständige gewerbliche Tätigkeit als Inhaber
eines Handwerksbetriebes auch wirtschaftliche Vorteile in erheblichem Umfang
i. S. des § 1 I SchwArbG "erzielt". Ein wirtschaftlicher Vorteil ist
nämlich jede günstigere Gestaltung der Vermögenslage. Es
ist noch nicht einmal nötig, daß letztlich eine Bereicherung
oder ein Gewinn erlangt wird (Marschall, Bekämpfung illegaler Beschäftigung,
S. 149; Sannwald, Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, §
1 SchwArbG Rdnr. 8). Wirtschaftliche Vorteile von erheblichem Umfang liegen
mindestens dann vor, wenn die Einnahmen aus der Schwarzarbeit Auswirkungen
auf die Art der Lebensführung des Betroffenen, auf seine Bildung von
Ersparnissen oder auf seine Tätigkeit im Arbeits- oder Wirtschaftsleben
außerhalb der Schwarzarbeit haben (z. B. aufwendige Reisen oder besondere
Anschaffungen usw., Marschall, S. 152). Das kann bei einem Betrag von 4500
DM, den S unstreitig mindestens von dem Bekl. erhalten hat und der ihm
- dem Plan der Beteiligten entsprechend - ohne Abzüge verblieben ist,
unbedenklich bejaht werden. Nach der Höhe der Klageforderung hatte
die Werkleistung des S einen erheblichen Umfang. Dem entspricht es, daß
S für eines der Bauvorhaben zusätzlich Hilfskräfte beschäftigen
mußte, um der Fülle der Arbeit Herr zu werden. Der Gesetzgeber
wollte ersichtlich Bagatellfälle von der Bußgeld- und Nichtigkeitsfolge
ausnehmen. Ein solcher Bagatellfall liegt hier nicht vor.
c) Es ist im Ergebnis auch nicht zu beanstanden,
wenn das BerGer. davon ausgegangen ist, der Bekl. habe durch sein Verhalten
jedenfalls gegen § 2 I SchwArbG verstoßen. Zwar kann es grundsätzlich
Bedenken erwecken, daß das BerGer. einen marktüblichen Preis
nicht festgestellt hat. Denn wenn ein solcher Preis vereinbart wurde, hat
der Auftraggeber regelmäßig keinen erheblichen wirtschaftlichen
Vorteil "erzielt" (Ambs, in: Erbs-Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze,
3. Aufl., § 2 SchwArbG Anm. 1 a. E.). Da S unstreitig Steuern und
Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt hat, kann aber unbedenklich
davon ausgegangen werden, daß auch der Bekl. durch die Art der Vertragsgestaltung
und -ausführung einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat.
Die Gesamtumstände des Falles lassen nach
den Feststellungen auch den Schluß zu, daß die vom Bekl. erzielten
Vorteile einen nicht unerheblichen Umfang hatten. Dafür spricht schon,
daß es - wie das BerGer. festgestellt hat - der ausdrückliche
Wunsch des Bekl. war, die Arbeiten, um Kosten zu sparen, von S "schwarz"
ausführen zu lassen. Daß diese Kostenersparnis nur gering war
oder etwa gar nicht erreicht wurde, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Damit steht wiederum in Übereinstimmung, daß - wie schon erwähnt
- beide Parteien einen Verstoß gegen das Schwarzarbeitsgesetz nie
in Abrede gestellt haben. Damit haben sie die Erlangung wirtschaftlicher
Vorteile in erheblichem Umfang von vornherein eingeräumt. Unter diesen
besonderen Umständen mußte das BerGer. insoweit keine ins einzelne
gehenden Feststellungen mehr treffen.
3. Die von S und dem Bekl. geschlossenen Verträge
waren somit gem. § 134 BGB nichtig. Wie der Senat (BGHZ 85, 39 (43
ff.) = NJW 1983, 109 = LM § 134 BGB Nr. 103) näher dargelegt
hat, will das Schwarzarbeitsgesetz durch die Androhung von Geldbußen
sowohl gegenüber dem Auftragnehmer als auch gegenüber dem Auftraggeber
die Schwarzarbeit schlechthin verbieten und den Leistungsaustausch zwischen
den "Vertragspartnern" verhindern. Dies ist bereits ein gewichtiges Indiz
dafür, daß die Rechtsordnung einem das Verbot der Schwarzarbeit
mißachtenden Vertrag die Wirksamkeit versagen will. Insbesondere
läßt sich - wie der Senat im einzelnen ausgeführt hat (BGHZ
85, 39 (44) = NJW 1983, 109 = LM § 134 BGB Nr. 103) - der Zweck des
Schwarzarbeitsgesetzes nur erreichen, wenn derartige Verträge als
nicht rechtswirksam angesehen werden. Das gilt zumindest dann, wenn wie
hier beide Parteien gegen das Schwarzarbeitsgesetz verstoßen haben.
Im Einzelfall kann allerdings die "Berufung auf die Nichtigkeit" eines
gegen ein gesetzliches Verbot verstoßenden Rechtsgeschäfts gegen
Treu und Glauben verstoßen, so daß der Vertrag im Ergebnis
als wirksam zu behandeln ist (BGHZ 85, 39 (47 ff.) = NJW 1983, 109 = LM
§ 134 BGB Nr. 103).
4. Die Kl. kann somit wegen der Nichtigkeit der
abgeschlossenen Verträge Rechte allenfalls aus deren Rückabwicklung
herleiten. Nach der Rechtsprechung des Senats sind die §§ 677
ff. BGB in derartigen Fällen grundsätzlich anwendbar (Senat,
BGHZ 37, 258 (263) = NJW 1962, 2010 = LM § 1 RechtsberatG Nr. 10).
Die "Aufwendungen" des S bestanden hier aber aus einer vom Gesetz verbotenen
Tätigkeit. Diese durfte er nicht "den Umständen nach für
erforderlich halten"; schon daher entfällt ein Vergütungsanspruch
nach Maßgabe der §§ 683, 670 BGB.
5. Die Kl. kann sich aber entgegen der Auffassung
des BerGer. mit Erfolg auf die Vorschriften über die ungerechtfertigte
Bereicherung berufen. Die Annahme eines Anspruchs gem. § 812 I 1 Alt.
1 BGB scheitert hier im Ergebnis nicht an der Vorschrift des § 817
S. 2 BGB. Zwar gilt diese Vorschrift grundsätzlich für Fallgestaltungen
der vorliegenden Art. Sie kann auch dem Rechtsnachfolger des Gläubigers
entgegengehalten werden (Jauernig-Schlechtriem, BGB, 5. Aufl., § 817
Anm. 7 m. w. Nachw.).
Vorliegend hat der Zedent S durch seine handwerklichen
Tätigkeiten gegen das Schwarzarbeitsgesetz verstoßen. Nach den
Feststellungen des BerGer. wollten beide Parteien ihre Verträge gerade
als Schwarzarbeit durchführen. Dann aber kann kein Zweifel daran bestehen,
daß S sich des Verstoßes bewußt gewesen ist und ihn trotzdem
gewollt hat.
6. Die Bereicherungsansprüche gehören
indessen dem Billigkeitsrecht an und stehen daher in besonderem Maße
unter den Grundsätzen von Treu und Glauben (BGHZ 36, 232 (234, 235)
= NJW 1962, 580 = LM § 812 BGB Nr. 52). Mit diesen wäre es nicht
zu vereinbaren, wenn der Bekl. den Wert des rechtswidrig Erlangten nicht
erstatten müßte, sondern unentgeltlich behalten könnte.
Das RG hat es für den Fall der Vorleistung
bei einem Bordellkauf als arglistiges, von der Rechtsordnung nicht geschütztes
Verhalten bezeichnet, daß der Käufer nicht zahlen, die Herausgabe
des erworbenen Hauses aber unter Berufung auf § 817 S. 2 BGB verweigern
wollte (RGZ 71, 432). Ähnlich verhält es sich hier. Bei der Anwendung
des den Gläubiger hart treffenden Rückforderungsverbotes des
§ 817 S. 2 BGB (BGHZ 50, 90 (92) = NJW 1963, 1329 = LM § 817
BGB Nr. 25) kann nicht außer Betracht bleiben, welchen Zweck das
in Frage stehende Verbotsgesetz verfolgt (Erman-H. P. Westermann, BGB,
8. Aufl., § 817 Rdnrn. 10 ff.). Danach kann im Einzelfall eine einschränkende
Auslegung der rechtspolitisch problematischen und in ihrem Anwendungsbereich
umstrittenen Vorschrift geboten sein. Das Gesetz zur Bekämpfung der
Schwarzarbeit verfolgt in erster Linie nicht den Schutz eines oder beider
Vertragspartner, vielmehr vor allem die Wahrung öffentlicher Belange.
Insbesondere standen arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkte bei Erlaß
des Gesetzes im Vordergrund der Überlegungen. Nach der Amtlichen Begründung
führt Schwarzarbeit zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit in vielen
Berufszweigen, verursacht Steuerausfälle und schädigt die Sozialversicherungsträger;
sie gefährdet auch die selbständigen Betriebsinhaber, die nicht
so billig arbeiten können wie die Schwarzarbeiter. Nur daneben
soll auch der Auftraggeber davor geschützt werden, daß er bei
fehlerhafter Werkleistung keine Gewährleistungsansprüche hat
(BT-Dr 2/1111 und 9/192). Das Gesetz wurde als Schutzgesetz i. S. des §
134 BGB ausgestaltet, weil sich nur durch die Nichtigkeit der verbotenen
Geschäfte die verfolgten Zwecke erreichen ließen (Tiedtke, NJW
1983, 713 (716)). Mit dem Ausschluß vertraglicher Ansprüche
ist aber andererseits auch der vor allem ordnungspolitischen Zielsetzung
des Gesetzes weitgehend Genüge getan. Daß der Besteller von
Schwarzarbeit die Leistung auf Kosten des vorleistenden Schwarzarbeiters
unentgeltlich soll behalten dürfen, ist zur Durchsetzung der Ziele
des Gesetzes nicht unabweislich geboten. Denn der Ausschluß vertraglicher
Ansprüche verbunden mit der Gefahr einer Strafverfolgung und der Nachzahlung
von Steuern und Sozialabgaben bei Bekanntwerden der Schwarzarbeit entfaltet
bereits die vom Gesetzgeber gewünschte generalpräventive Wirkung.
Die Gewährung eines bereicherungsrechtlichen Ausgleichs - zumal in
dem gebotenen eingeschränkten Umfang (s. dazu weiter unten) - steht
dieser generalpräventiven Wirkung nach Auffassung des Senats nicht
entgegen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte der wirtschaftlich
meist stärkere Auftraggeber zudem keinesfalls günstiger behandelt
werden als der wirtschaftlich schwächere Schwarzarbeiter (BT-Dr 2/1111,
S. 10). Unter diesen Umständen gewinnt aber der an Treu und Glauben
orientierte Gesichtspunkt entscheidend an Gewicht, daß es nicht der
Billigkeit entspräche, dem durch die Vorleistung begünstigten
Besteller den durch nichts gerechtfertigten Vorteil unentgeltlich zu belassen
(in diesem Sinne auch OLG Düsseldorf, BauR 1978, 412 (413); Anm. Köhler
zum Berufungsurteil, EWiR § 817 BGB 1/90, S. 47; Soergel-Hefermehl,
BGB, 12. Aufl., § 134 Rdnr. 55; a. A. OLG Koblenz, DB 1975, 2125 (2126);
OLG Oldenburg, GewArch 1978, 228 (229); Krüger=Nieland-Zöller,
in: RGRK, § 134 Rdnr. 58; Lieb, in: MünchKomm, 2. Aufl., §
817 Rdnr. 14; Tiedtke, NJW 1983, 713 (715); Schmidt, MDR 1966, 464).
Der Bereicherungsanspruch geht nach § 818
II BGB auf Ersatz des Wertes, der dem Bekl. ohne Rechtsgrund zugeflossen
ist. Bei der Bewertung des durch die Schwarzarbeit Erlangten ist zunächst
zu beachten, daß der Schwarzarbeiter im Wege des Bereicherungsausgleichs
keinesfalls mehr erlangen kann, als er mit seinem Auftraggeber - in nichtiger
Weise - als Entgelt vereinbart hatte (vgl. BGH, LM § 123 BGB Nr. 22).
In aller Regel werden hiervon aber wegen der mit der Schwarzarbeit verbundenen
Risiken ganz erhebliche Abschläge angebracht sein. Insbesondere ist
stark wertmindernd zu berücksichtigen, daß vertragliche Gewährleistungsansprüche
wegen der Nichtigkeit des Vertrages von vornherein nicht gegeben sind.
Haben sich schon Mängel gezeigt, so sind diese darüber hinaus
im Rahmen der Saldierung in die Ausgleichsrechnung einzubeziehen.