Einrede der Verjährung der Hauptforderung durch den Bürgen;
Präklusion dieser Einrede nach § 767 II ZPO

BGH, Urteil v. 5.11.1998


Amtl. Leitsatz:

Der Bürge kann die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) darauf stützen, die verbürgte Hauptforderung sei nach seiner rechtskräftigen Verurteilung verjährt (Bestätigung von BGH NJW 1998, 2972 ff)



Fundstellen:

NJW 1999, 278 f
ZIP 1999, 19 ff



Zentralprobleme des Falles:

Vgl. Anmerkung zu BGH NJW 1998, 2972 ff


Sachverhalt:

Der Kläger wendet sich mit der Klage (§ 767 ZPO) gegen die Vollstreckung aus einem rechtskräftigen Titel der Beklagten über eine Bürgschaftsforderung. Die Beklagte überließ einem eingetragenen Verein aufgrund eines Leasingvertrages vom Februar 1992 einen PKW. Der Kläger übernahm am 13.2.1992 die selbstschuldnerische Bürgschaft für alle Verbindlichkeiten des Leasingnehmers aus diesem Vertrag. Die Beklagte kündigte im Juni 1993 den Leasingvertrag wegen Zahlungsrückstands und machte im September 1993 eine restliche Forderung von 10678,49 DM geltend. Der Leasingnehmers teilte der Beklagten am 27. 9. 1993 mit, daß die Eröffnung des Konkursverfahrens über sein Vermögen beantragt und ein Sequester eingesetzt worden sei. In dem Verfahren, in dem die Beklagte den Kläger als Bürgen in Anspruch nahm, verkündete diese dem Leasingnehmer am 20. 10. 1994 den Streit. Die Klägerin wurde am 8. 11. 1994 rechtskräftig verurteilt, an die Beklagte 10591,53 DM nebst Zinsen zu zahlen. Auf Bitte des Klägers vom 20. 1. 1995 einigten sich die Parteien auf eine monatliche Ratenzahlungen, die bis November 1995 eingehalten wurde. Mit Schreiben vom 2. 1. 1996 machte der Kläger geltend, die verbürgte Forderung sei verjährt.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Zwangsvollstreckung aus dem Titel der Beklagten für unzulässig erklärt. Mit der - zugelassenen - Revision erstrebte die Beklagte die Abweisung der Klage. Die Revision hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

I. Sie machte erfolglos geltend, die er Kläger dürfe gegenüber der Titelforderung die Beklagten nicht die Verjährung der verbürgten Hauptforderung gegen den Leasingnehmer einwenden. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:
Die verbürgte Forderung gemäß § 196 I Nr. 6 BGB Ende 1995 verjährt; die Fähre hier. Sei weder durch die Bürgschaftsklage und die Streitverkündung im Vorprozeß unterbrochen noch gem. § 55 VerglO gehemmt worden. Die er Kläger dürfe sich auf die nach seiner Verurteilung eingetretene Verjährung der verbürgten Forderung berufen (§ § 768 BGB, 767 I, II ZPO). Als Bürge stehe der Kläger nicht einem Gesellschafter gleich, deren demnächst § 128 HGB Weg in einer Gesellschaft Schuld rechtskräftig verurteilt worden sei und eine Vollstreckungsabwehrklage nicht auf eine Verjährung der Forderungen gegen die Gesellschaft stützen dürfe. Die unmittelbare Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft stehe gleichwertig neben diejenigen des Gesellschaft Vermögens; jedenfalls bei Verjährung einer Gesellschaft Schuld, die in unveränderter Zeit gegen einen Gesellschafter geltend gemacht werde, sei § 425 BGB anzuwenden. Dagegen sei die Verpflichtung des Bürgen - auch bei selbstschuldnerischer Haftung - eine Hilfsschuld, die nur Sicherheit für eine fremde Verbindlichkeit biete; insoweit gelte § 425 BGB bezüglich deren Verjährung nicht.

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die verbürgte Hauptforderung der Beklagten gegen den Leasingnehmer Ende 1995 verjährt ist (§ 196 I Nr. 6 BGB; vgl. BGHZ 97,65 [78] = NJW 1986,1335 = LM § 535 BGB Nr. 102; BGH, NJW 1996,  2860 [2861] = LM H. 11/1996 § 535 Nr. 154). Insoweit beanstandet die Revision das Berufungsurteil nicht .

2. Die - der Zulassung der Revision zugrunde liegende - Rechtsfrage, ob der Bürge sich nach rechtskräftiger Verurteilung auf die Verjährung der verbürgten Hauptforderung berufen darf, hat das Berufungsgericht zu Recht bejaht. Der selbstschuldnerische Bürge kann gegenüber dem Gläubiger die Verjährung des verbürgten Haupt Anspruchs gem. § 768 I 1 BGB auch dann einwenden, wenn diese erst nach Erhebung der Bürgschaftsklage - in der Tatsacheninstanz des Bürgschaftsprozesses - eingetreten ist (BGHZ 76, 222 [225 ff] = NJW 1980, 1460 = LM § 767 BGB Nr. 14). Dies erfordert die Abhängigkeit deren Bürgschaft Schuld von der Haupt Verbindlichkeit (§ 767 TV). Das gilt auch dann, wenn die verbürgte Forderung erst während des Revisionsverfahrens des Bürgschaftsprozesses verjährt ist und die Verjährungseinrede bereits in dessen Tatsacheninstanz erhoben worden war (BGH, NJW 1990, 2754 = LM § 561 ZPO Nr. 60 = WM 1990, 1642 [1643]). Hat sich der Bürge im Bürgschaftsprozeß nicht darauf berufen, daß die verbürgte Forderung während des Revisionsverfahrens verjährt ist, kann er diese Verjährung im Wege der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) geltend machen (BGH, NJW 1998, 2972 = LM H. 12/1998 § 767 BGB Nr. 33 = WM 1998, 1766 [1768 f.], - zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
a) Der das Bürgschaftsrecht beherrschende Grundsatz der Akzessorietät von Bürgschaftsschuld und verbürgter Hauptforderung muß auch dann Geltung erlangen, wenn - wie im vorliegenden Falle - die verbürgte Forderung erst nach rechtskräftiger Verurteilung des Bürgen verjährt ist (vgl. BGH, NJW 1998, 2972  = LM H. 12/1998 § 767 BGB Nr. 33 = WM 1998,1766 [1767]); der Bürge darf dann die Verjährungseinrede gegenüber dem titulierten Anspruch gem. § 768 BGB, § 767 ZPO einwenden. Dadurch wird entgegen der Ansicht der Revision nicht die Rechtskraft der Entscheidung durchbrochen, sondern nur deren Vollstreckbarkeit in den Grenzen des § 767 II ZPO eingeschränkt (vgl. BGHZ 100,203 [212] = NJW 1987,1766 = LM § 1378 BGB Nr. 13; BGH, NJW-RR 1990, 48 [49]).
b) Entsprechend der Meinung des Berufungsgerichts hat der Senat - nach Erlaß des Berufungsurteils - durch Urteil vom 9. 7. 1998 (NJW 1998, 2972  = LM H. 12/1998 § 767 BGB Nr. 33 = WM 1998,1766 [1767]) entschieden, daß - entgegen der Ansicht der Revision - die höchstrichterliche Rechtsprechung (BGHZ 104,76 [79 ff] = NJW 1988,1976 = LM § 129 HGB Nr. 13; BGH, NJW 1981,2579 = LM § 767 ZPO Nr. 55), nach der ein persönlich haftender Gesellschafter einer Handels rechtlichen Personengesellschaft sich nicht auf die Verjährung der Gesellschaft Schuld berufen darf, wenn die Verjährung des ihm gegenüber bestehenden Anspruchs unterbrochen wurde, nicht auf die Bürgschaft zu übertragen ist. Die Unterschiede der Bürgen-und der Gesellschafterhaftung rechtfertigen eine getrennte Beurteilung der Verjährung.
c) Entgegen der Ansicht der Revision ist es nicht gerechtfertigt, § 768 BGB zugunsten des Gläubigers dann einzuschränken, wenn die Akzessorietät der Bürgschaft und die berechtigten Interessen des Gläubigers in Widerstreit treten. Liegende enge Verbindung zwischen Gesellschaft-und Gesellschafterhaftung mag es zutreffend, daß die Belange des Gläubigers schutzwürdiges sind, wenn der Gesellschafter vor Ablauf der Verjährungsfrist verklagt und verurteilt worden ist (vgl. BGHZ 104, 76 [81] = NJW 1988,1976 = LM § 129 HGB Nr. 13; BGH, NJW 1981,2579 = LM § 767 ZPO Nr. 55). Dies kann aber auf die Bürgenhaftung liegen des Grundsatzes der Akzessorietät nicht übertragen werden. Insoweit wird der Sicherungszweck der Bürgschaft noch nicht aufgehoben (vgl. dazu Staudinger/Horn, BGB, 13. Bearb., § 768 Rn. 5).
d) An der unterschiedlichen Beurteilung der Verjährung in der Bürgen-und Gesellschafterhaftung kann entgegen der Ansicht der Revision der Verjährungszweck auch dann nichts ändern denn - wie hier - ein selbstschuldnerischer Bürge bereits rechtskräftig beurteilt worden ist (BGH NJW 1998, 2972  = LM H.12/1998 § 767 BGB Nr. 33 = WM 1998,1766 [1767]). Da für die Forderungen gegen den (nicht ausgeschiedenen) Gesellschafter grundsätzlich keine besondere Verjährungsfrist läuft, kann der Gläubigerschutz es rechtfertigen, den Gesellschafter nach seiner gerichtlichen Inanspruchnahme mit der Einrede der Verjährung des Anspruchs gegen die Gesellschaft auszuschließen. Dies kann für den Bürgen aber nicht gelten, weil die Verjährungsfristen für Bürgschafts- und Hauptschuld nicht notwendig gleich sind.
II. 1. Die Revision rügt erfolglos, daß das Berufungsgericht einen Verzicht des Klägers auf die Einrede der Verjährung der verbürgten Forderung - vor Eintritt der Verjährung Ende 1995 - verneint hat. Das Berufungsgericht hat zugunsten der Beklagten unterstellt, daß ein solcher Verzicht trotz § 225 Satz 1 BGB wirksam wäre. Es hat jedoch rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die Ankündigungen des Klägers, bei dem Hauptschuldner und anderen Personen Rückgriff zu nehmen, sowie die Ratenzahlungsvereinbarung der Parteien aufgrund des Schreibens des Klägers vom 20. 1. 1995 keinen schlüssigen Verzicht enthalten (vgl. BGH, NJW 1996, 661 [663] = LM Heft 4/1996 § 51 BRAO Nr. 25; NJW 1997,516 = LM Heft 3/1997 § 196 BGB Nr. 68 = WM 1997,330 [332]). Die Verfahrensrügen der Revision wurden geprüft, greifen aber nicht durch (§§ Zeichen 565a ZPO).
2. Vergeblich beanstandet die Revision auch die rechtsfehlerfreie Feststellung des Berufungsgerichts, der Kläger habe durch sein - dargelegtes - Verhalten die Beklagte nicht treuwidrig von der rechtzeitigen Einklagung der verbürgten Hauptforderung abgehalten oder nach objektiven Maßstäben das Vertrauen der Beklagten erweckt, deren Bürgschaftsforderung werde ohne ein solches Vorgehen gegen den Hauptschuldner und deswegen ohne die Einrede der Verjährung des verbürgten Hauptanspruchs erfüllt werden (vgl. BGH, NJW 1996,1895 = LM Heft 7/1996 StBerG Nr. 57 = WM 1996,1106 [1108] m. w. N.). Auch die entsprechende tatrichterliche Würdigung derer Ratenzahlungsvereinbarung läßt entgegen der Revisionsrüge keinen Rechtsfehler erkennen.