Deliktische Haftung des Reiseveranstalters,
Eigenhaftung wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten BGH, Urteil v. 25.02.1988 - VII ZR 348/86
(Frankfurt)
Fundstellen:
Zur Haftung des Reiseveranstalters aus unerlaubter
Handlung für Mängel einer Hotelanlage, die ein von ihm unter
Vertrag genommener Leistungsträger betreibt.
Der Kl., ein damals 21jähriger Automechaniker,
buchte bei der bekl. Reiseveranstalterin eine dreiwöchige Pauschalflugreise
nach Gran Canaria ab 21. 4. 1982 zum Preis von 1404 DM. Am Rückreisetag
stürzte er von dem Balkon seines Zimmers im Vertragshotel der Bekl.;
das Holzgeländer der Balkonbrüstung hatte sich gelöst. Der
Kl. erlitt u. a. einen Trümmerbruch des rechten Oberschenkels. Er
konnte seinen gelernten Beruf nicht mehr ausüben und wurde umgeschult.
Mit seiner im Oktober 1982 eingereichten Klage hat er zunächst ein
in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, die Erstattung
von Krankentransportkosten (2709,70 DM), eine Entschädigung wegen
nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit (1404 DM) sowie die Feststellung begehrt,
daß die Bekl. den weiteren Schaden aus dem Unfall zu ersetzen habe,
soweit die Ansprüche nicht gem. § 1542 RVO auf gesetzliche Leistungsträger
übergegangen sind. In der mündlichen Verhandlung vom 18. 1. 1985
hat er weitere 33757,95 DM Verdienstausfall sowie 480,40 DM für ein
privatärztliches Gutachten gefordert - insgesamt also 38352,05 DM
nebst Zinsen neben dem Schmerzensgeld. Die Bekl. hat Mitverschulden des
Kl. und die Beschränkung ihrer Haftung auf den dreifachen Reisepreis
eingewendet sowie wegen des Verdienstausfallschadens die Einrede der Verjährung
erhoben.
Das LG hat der Klage wegen beschränkter Haftung
der Bekl. nur in Höhe von 2293 DM nebst Zinsen stattgegeben, im übrigen
die Klage abgewiesen. Die in vollem Umfang eingelegte Berufung des Kl.
ist nur in Höhe weiterer 483,56 DM nebst Zinsen erfolgreich gewesen.
Mit der - mit Ausnahme einer versagten weiteren Entschädigung von
1337 DM für vertanen Urlaub angenommenen - Revision verfolgt der Kl.
seine Ansprüche auf Schmerzensgeld, Ersatz von Verdienstausfall und
Gutachterkosten sowie auf Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht
der Bekl. weiter. Sie führte zur Aufhebung und Zurückverweisung
.
Aus den Gründen:
I.1. Das BerGer. spricht dem Kl. Ersatz des gesamten
materiellen Schadens - mit Ausnahme des Verdienstausfalls - zu, der ihm
durch den Sturz vom Balkon des Vertragshotels der Bekl. entstanden ist.
Der Sturz sei auf die bei gebotener Sicherheitsüberprüfung
erkennbare Mangelhaftigkeit der Balkongitterbefestigung zurückzuführen.
Die Verbindung der Holzteile miteinander und die Befestigung des Geländers
an der Wand seien derart unzureichend gewesen, daß die Brüstung
schon bei normaler Belastung ihre Aufgabe nicht habe erfüllen können.
Für diesen Mangel müsse die Bekl. gem. § 278 BGB einstehen,
da die Leitung des Vertragshotels eine sorgfältige Überprüfung
der Balkongitter schuldhaft unterlassen habe. Nicht nur das Gitter vor
dem Zimmer des Kl. sei lose gewesen, sondern auch das vor dem Nebenzimmer.
Aufgrund der vorgelegten Lichtbilder, der Zeugenaussagen und des Sachverständigengutachtens
stehe fest, daß eine gezielte und sorgfältige Überprüfung
zur Entdeckung des Mangels geführt hätte. Die Erfüllungsgehilfen
der Bekl. seien somit ihrer Verpflichtung, die Hotelgäste vor schweren
Gesundheitsschäden zu bewahren, nicht mit der gebotenen Sorgfalt nachgekommen.
Ein Mitverschulden dadurch, daß er das Balkongeländer zu stark
belastet oder den Mangel der Befestigung nicht erkannt habe, sei dem Kl.
nicht nachzuweisen. Die Bekl. könne sich auch nicht auf eine betragsmäßige
Beschränkung ihrer Haftung berufen, da ihre Reise- und Zahlungsbedingungen
nicht wirksam in den Reisevertrag einbezogen worden seien. Das alles läßt
Rechtsfehler nicht erkennen und wird, dem Kl. günstig, von der Revision
nicht in Frage gestellt.
2. Das BerGer. spricht dem Kl. eine Entschädigung
wegen nutzlos ausgewendeter Urlaubszeit für nur einen Tag zu (= 67
DM). Auch das ist nicht zu beanstanden. Die Revision ist daher insoweit
nicht angenommen worden.
II. Das BerGer. erachtet einen auf § 651f
I BGB gestützten Schadensersatzanspruch wegen Verdienstausfalls in
den Jahren 1982 bis 1984 für gem. § 651g II BGB verjährt.
Insoweit sei die Klage erst im Januar 1985 rechtshängig
geworden. Der seinem Wortlaut nach allerdings alle Unfallfolgen umfassende
Feststellungsantrag der Klageschrift habe die Verjährung dennoch nicht
unterbrochen. Durch seine Begründung sei er nämlich auf solche
Ansprüche beschränkt worden, welche sich auf die Wiederherstellung
der Gesundheit des Kl. bezogen hätten und im Zeitpunkt der Klageerhebung
weder dem Grunde noch der Höhe nach abzusehen gewesen seien. Der vom
Kl. nachträglich durch Klageerweiterung geltend gemachte Lohnausfall
gehöre nicht zu solchen Schäden. Vielmehr sei der Verdienstentgang
nach dem Vortrag des Kl. längst vor Klageerhebung dadurch eingetreten,
daß er am 1. 6. 1982 eine ihm zugesagte Geschäftsführerstelle
nicht habe antreten können, die dann anderweit besetzt worden sei.
Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
1. Eine Feststellungsklage ist zur Unterbrechung
der Verjährung gem. § 209 I BGB geeignet, soweit ein von der
Verjährung betroffener Anspruch Streitgegenstand ist (vgl. BGH, VersR
1982, 582). Grundsätzlich unterbricht eine unbezifferte Feststellungsklage
die Verjährung für den streitigen Anspruch im ganzen. Nur wenn
die Feststellung ausdrücklich auf einen Teil des Anspruchs beschränkt
wird, schließt sie die Verjährung des Restanspruchs nicht aus.
Eine spätere Klageerweiterung auf das Ganze kann dann eine Verjährung
des Restanspruchs nicht mehr ausräumen (vgl. BGH, LM § 847 BGB
Nr. 3 = VersR 1983, 497 (498); NJW 1985, 496 = LM Art. 14 (Cc) GG Nr. 43
= VersR 1984, 390 (391)).
Mit einer wie hier auf die Feststellung gerichteten
Klage, daß die Bekl. verpflichtet sei, den weiteren Schaden aus dem
Unfall - über den zugleich geltend gemachten Schaden hinaus - zu ersetzen,
wird der gesamte unfallbedingte Schaden rechtshängig gemacht, auch
ein etwaiger Verdienstausfall. Das gilt selbst dann, wenn dieser Verdienstausfall
erst im Laufe des Rechtsstreits zur Begründung eines weiteren bezifferten
Ersatzanspruchs vorgetragen wird (vgl. BGH, VersR 1958, 887 (889)). Diese
Grundsätze zur Wirkung einer Feststellungsklage auf die Verjährung
gelten gleichermaßen für Ansprüche sowohl aus unerlaubter
Handlung als auch aus Vertrag.
2. Der vom BerGer. für seine Meinung angeführte
Umstand, daß in der Klageschrift - obwohl möglich - der Verdienstausfall
nicht erwähnt worden ist, hindert daher nicht, daß der umfassend
formulierte Feststellungsantrag auch diesen Anspruch mit der Folge des
§ 209 BGB einbezog. Dies entspricht auch dem Erfahrungssatz, daß
ein Rechtsverzicht nicht ohne weiteres zu vermuten ist, sondern eindeutiger
Anhaltspunkte bedarf (Senat, NJW 1987, 2582 (2585); VersR 1964, 1050, (1051);
NJW 1988, 910). Die Bekl. hatte vernünftigerweise keinen Anlaß,
der Klageschrift zu entnehmen, der Kl. werde endgültig keinen oder
keinen zurückliegenden Verdienstausfall beanspruchen, wofür bei
Klageerhebung ohnehin nur vier Monate in Betracht kamen. Eine ausdrückliche
Einschränkung des Feststellungsantrags kann auch seiner Begründung
nicht entnommen werden. Gerade weil der Kl. damals erklärtermaßen
nicht absehen konnte, ob und in welchem Umfang und wann die Gesundheitsbeeinträchtigungen
infolge des Oberschenkelbruchs ausgeheilt und beseitigt sein würden,
und er sich daher weitere Schadensersatzansprüche offen hielt, kann
von einer Ausgrenzung bestimmter Schadensersatzansprüche keine Rede
sein, mag auch der angebliche Verdienstausfall damals bereits absehbar
gewesen sein.
3. Ob der Kl. damals in Höhe des bereits
eingetretenen Verdienstausfallschadens hätte Leistungsklage erheben
können und müssen, kann dahinstehen, weil auch eine (teilweise)
unzulässige Feststellungsklage die Verjährung gem. § 209
BGB unterbricht (BGHZ 39, 287 (291); NJW 1963, 1452; Senat, VersR 1964,
1050 (1051)). Ferner kommt es für die Unterbrechung der Verjährung
nicht darauf an, ob der Kl. den anspruchsbegründenden Sachverhalt
hinreichend dargelegt hat und dieses Vorbringen einleuchtet. Vielmehr geht
es allein darum, ob von einer Sachprüfung wegen Verjährung des
vermeintlichen Anspruchs abgesehen werden kann.
Dies ist hier schon bei einem vertraglichen Schadensersatzanspruch
gem. den §§ 651f I, 651g II BGB nicht der Fall. Eine Verjährung
kommt aber gem. § 852 BGB auch dann nicht in Betracht, wenn die Bekl.
für allen Schaden aus unerlaubter Handlung haftet. Denn die kurze
Verjährungsfrist des Reisevertragsrechts gilt nicht für eine
dem Reisenden auf der Reise zugefügte unerlaubte Handlung (ebenso
Löwe, in: MünchKomm, § 651f Rdnr. 10, § 651g Rdnr.
4; Tonner, Der Reisevertrag, 2. Aufl., § 651g Rdnr. 28; vgl. auch
zur grundsätzlich selbständigen Bewertung von Ansprüchen
aus unerlaubter Handlung Senat, BGHZ 100, 157 (182, 183) = NJW 1987, 1931).
III. Das BerGer. verneint einen Schadensersatzanspruch
des Kl. aus unerlaubter Handlung und damit den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch.
Die Leiter des Vertragshotels seien nicht Verrichtungsgehilfen
der Bekl. i. S. des § 831 BGB gewesen. Eine eigene Verkehrssicherungspflicht
habe die Bekl. und ihre Reiseleiter am Urlaubsort ohne besondere Veranlassung
nicht getroffen. Eine eigene Pflichtverletzung im Zusammenhang mit Beschaffenheit
und Sicherheitsmängeln der Hotelanlage könne nämlich einem
Reiseveranstalter nur dann vorgeworfen werden, wenn besonderer Anlaß
zu einer Überprüfung besteht oder wenn ein Mangel offensichtlich
oder bereits beanstandet worden sei. Daran fehle es hier. Auch dies greift
die Revision mit Erfolg an.
Leistungsträger der Reiseveranstalter können
zwar im allgemeinen nicht als deren Verrichtungsgehilfen angesehen werden,
weil es an der dafür erforderlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit
fehlt (vgl. Senat, BGHZ 45, 311 (313) = NJW 1966, 1807; LG Frankfurt, NJW
1985, 2424; Tempel, Materielles Recht im Zivilprozeß, 1983, S. 273).
Die eigene Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters geht jedoch
weiter, als das BerGer. meint, und ist hier verletzt worden.
1. Nach gefestigter Rechtsprechung ist derjenige,
der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahr für Dritte schafft
oder andauern läßt und in der Lage ist, ihr abzuhelfen, grundsätzlich
auch verpflichtet, zumutbare Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung
anderer möglichst abzuwenden (vgl. BGH, NJW 1985, 1773 (1774); 1987,
1013). Dazu ist nicht erforderlich, daß er selbst zum Entstehen der
Gefahr beigetragen hat. Als Zustandsverantwortlichkeit trifft diese Verkehrssicherungspflicht
in erster Linie den jeweiligen Eigenbesitzer oder Unterhaltungspflichtigen.
Als Folgepflicht aus der Verkehrseröffnung obliegt die Verkehrssicherung
demjenigen, der den Verkehr eröffnet hat, als Berufs- oder Amtspflicht
demjenigen, in dessen beruflichen oder amtlichen Aufgabenkreis die Verkehrssicherung
fällt (vgl. Mertens, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 823 Rdnr.
192).
Danach trifft hier die Verkehrssicherungspflicht
in erster Linie den Betreiber des Vertragshotels der Bekl. auf Gran Canaria
(vgl. zu den Sorgfaltspflichten eines Hoteliers BGH, LM § 823 (Ee)
BGB Nr. 2 = VersR 1978, 869; zur Sicherung eines Terrassengeländers
OLG Stuttgart, VersR 1975, 68). Für dessen unerlaubte Handlung gegenüber
dem Kl. haftet die Bekl. deliktsrechtlich nicht. Dies schließt jedoch
ihre gesamtschuldnerische Haftung für eigenes Verschulden nicht aus.
Denn auch den Reiseveranstalter trifft eine Verkehrssicherungspflicht bei
Vorbereitung und Durchführung der von ihm veranstalteten Reisen. Sie
erstreckt sich nicht nur auf Auswahl und Kontrolle des eigenen Personals
und eigener Transportmittel, sondern auch auf Auswahl und Kontrolle der
Leistungsträger, so der Vertragshotels.
2. Grundsätzlich sind bei Ausübung eines
Gewerbes diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger,
umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der jeweiligen
Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden
zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. BGH,
VersR 1975, 812; VersR 1978, 869). Danach ist für die deliktsrechtliche
Haftung des Reiseveranstalters wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten
von Bedeutung, welche vertragsrechtlichen Verpflichtungen ihm nach dem
Gesetz und den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen typischerweise
obliegen. Denn die gewerblichen Berufspflichten begründen und begrenzen
zugleich auch Verkehrssicherungspflichten (vgl. v. Bar, Verkehrspflichten,
1980, S. 49-51; Steffen, in: RGRK, 12. Aufl., § 823 Rdnrn. 155, 259).
Mit seinem Reiseangebot übernimmt der Veranstalter
Planung und Durchführung der Reise. Nach Abschluß des Reisevertrages
haftet er insoweit für den Erfolg. Er trägt grundsätzlich
die Gefahr des Nichtgelingens seiner Reiseveranstaltung (Senat, BGHZ 85,
50 (58) = NJW 1983, 33; BGHZ 100, 157 (166) = NJW 1987, 1931 jeweils m.
w. Nachw.). Der Reisende darf daher darauf vertrauen, daß der Veranstalter
alles zur erfolgreichen Durchführung der Reise Erforderliche unternimmt
(Senat, NJW 1985, 1165). So gehört zu den Grundpflichten des Reiseveranstalters
die sorgfältige Auswahl der Leistungsträger im Hinblick auf deren
Eignung und Zuverlässigkeit (Senat, BGHZ 100, 185 (189) = NJW 1987,
1931). Darin erschöpft sich jedoch seine Verantwortung für die
Vertragserfüllung durch Leistungsträger nicht. Er muß auch
regelmäßig den jeweiligen Umständen entsprechend seine
Leistungsträger und deren Leistungen überwachen (vgl. auch Bartl,
ReiseR, 2. Aufl., Rdnr. 8 S. 26; Tempel, S. 257; Löwe, in: MünchKomm,
§ 651a Rdnr. 16; Staudinger-Schwerdtner, BGB 12. Aufl., § 651a
Rdnr. 97; vgl. ferner Begründung zu § 3 I 2 des E der BReg. für
ein Ges. über den Reiseveranstaltungsvertrag - BT-Dr 8/786 S. 16/17
- und Nr. 9.1.2 der vom Deutschen Reisebürovorstand e. V. empfohlenen
Allgemeinen Reisebedingungen 1984 - BAnz Nr. 240/83 vom 23. 12. 1983 -
abgedr. bei Staudinger-Schwerdtner, Vorb. §§ 651af. Rdnr. 6,
und bei Tonner, Anhang).
3. Nimmt ein Reiseveranstalter ein Hotel als Leistungsträger
unter Vertrag, so muß er sich zuvor vergewissern, daß es nicht
nur den gewünschten oder angebotenen Komfort, sondern auch ausreichenden
Sicherheitsstandard bietet. Dabei mag er im Inland weitgehend auf die bau-,
feuer- und gesundheitspolizeiliche Genehmigung und Überwachung vertrauen
und sich auf Stichproben beschränken dürfen, wenngleich ihn solche
behördliche Kontrolle nicht ohne weiteres entlastet (vgl. BGH, NJW
1985, 620 (621)). Im Ausland jedoch kann er sich darauf erfahrungsgemäß
keinesfalls verlassen, weil dort vielfach sowohl für die Vorschriften
als auch für die behördliche Überwachung andere Maßstäbe
gelten. Dort muß er sich davon überzeugen, daß z. B. von
Treppen und Aufzügen, elektrischen Anlagen und sonstigen Einrichtungen
keine Gefahren für die von ihm unterzubringenden Hotelgäste ausgehen
(vgl. etwa LG Frankfurt, NJW 1977, 1687 (1688)).
Ist das Vertragshotel einmal für in Ordnung
befunden worden, so befreit dies den Veranstalter nicht von der Pflicht,
es regelmäßig durch einen sachkundigen und pflichtbewußten
Beauftragten daraufhin überprüfen zu lassen, ob der ursprüngliche
Zustand und Sicherheitsstandard noch gewahrt ist. Wie häufig und in
welchem Umfang eine solche Kontrolle geboten ist, hängt von den Umständen
ab. So kann es darauf ankommen, wie solide der Hotelbau und seine Einrichtung
erstellt worden sind, wie stark das Hotel einerseits durch häufigen
Gästewechsel "verwohnt", andererseits durch das Personal gepflegt
wird, in welchem Umfang ständig kleine Mängel nach Beanstandungen
oder auch ohne sie beseitigt werden und wie lang die Belegungssaison üblicherweise
dauert. Dabei mögen von Fall zu Fall gelegentliche Stichproben ausreichen.
Bei leichter, oft wenig solider Bauweise, wie sie in südlichen Urlaubsregionen
häufig anzutreffen ist, und bei ständig wechselnder Belegung
kann aber eine solche Kontrolle zu Beginn jeder Saison allenfalls den Mindestanforderungen
an die Verkehrssicherungspflicht genügen.
4. Der Senat teilt nicht die Meinung der Bekl.
(und des LG Frankfurt, NJW 1985, 2424), den Reiseveranstalter treffe grundsätzlich
nach sorgfältiger Auswahl der Ferienunterkünfte keine eigenständige
Verkehrssicherungspflicht, es sei denn, Sicherungsmängel seien offensichtlich
oder ihm mitgeteilt worden.
a) Die vertragliche Verpflichtung des Reiseveranstalters
gegenüber dem Reisenden beschränkt sich eben nicht auf die bloße
Vermittlung von Transportmitteln und Unterkünften. Vielmehr hat er
diese Leistungen in eigener Verantwortung zu erbringen. Somit ist er für
die Sicherheit der Hotels und Ferienwohnungen selbst mitverantwortlich,
mag auch die Verkehrssicherungspflicht in erster Linie den Betreiber treffen,
den er sich zum Leistungsträger gewählt hat. So erwartet denn
der Reisende von ihm zu Recht mehr als von einer Agentur, die lediglich
ein Hotel im Ausland vermittelt hat. Der Reiseveranstalter trägt dem
weithin dadurch Rechnung, daß er in den Ferienorten örtliche
Reiseleiter oder Betreuer unterhält, die sich nicht nur um die Reisenden,
sondern auch um deren Unterkünfte und sonstige Reiseleistungen (Sport,
Unterhaltung, Ausflüge) kümmern und bei denen Beanstandungen
angebracht werden können.
b) Nimmt ein Reiseveranstalter ein Hotel, eine
Wohnungs- oder Ferienanlage unter Vertrag, so versteht es sich aus der
Natur des Vertrages - auch im Ausland - von selbst, daß er zu angemessener
Zeit berechtigt sein muß, diese Unterkünfte von sachkundigen
Beauftragten besuchen und überprüfen zu lassen. Eine Verweigerung
der Kontrolle oder der Beseitigung festgestellter Sicherheitsmängel
müßte den Reiseveranstalter zur Kündigung des Unterbringungsvertrages
und zur vorsorglichen Warnung der von ihm dort noch untergebrachten Reisenden
veranlassen.
c) Es ist ihm auch zuzumuten, für die regelmäßige
Kontrolle der unter Vertrag genommenen Unterkünfte und Ferieneinrichtungen
Personen einzusetzen, die über hinreichende Sachkunde und kritische
Sicht verfügen. Das brauchen keine Techniker zu sein; erfahrene Reiseleiter
oder Beschaffer von Unterkünften dürften in der Regel dazu fähig
sein. Von ihnen wird nicht die Entdeckung verborgener Mängel erwartet,
sondern die Feststellung von Sicherheitsrisiken, die sich bei genauerem
Hinsehen jedermann offenbaren.
d) Da aber nicht jeder Reisegast an Sicherheitsmängeln
Anstoß nimmt, solange sie ihn nicht persönlich berühren,
oder er sich vielfach zunächst an die Leitung des Hotels oder der
Ferienanlage wendet, um Abhilfe zu erlangen, kann der Reiseveranstalter
seiner Verkehrssicherungspflicht und der seiner Beauftragten am Ort nicht
dadurch genügen, daß er erst auf Mängelrüge hin tätig
wird. In weitläufigen Ferienanlagen oder in Ferienorten mit zahlreichen
Hotels sind die örtlich verantwortlichen Reiseleiter oder Hausmeister
nicht so oft und leicht zu erreichen, daß erwartet werden kann, der
Reisende werde einen Mangel bei ihnen und nicht beim Leistungsträger
melden.
So hat denn auch hier der Reisende H, der im Zimmer
neben dem des Kl. wohnte und bei dem das Balkongitter erheblichen Sicherheitsmangel
zwar der Hotelleitung, nicht aber dem Hauptreiseleiter K oder der Reisehelferin
W gemeldet, mit dem Ergebnis, daß bis zu dem Unfall nichts geschehen
ist. Der Reisende O, der zuvor im Zimmer nebenan gewohnt hatte, hat von
einer Beanstandung des Balkongitters bei der Hotelleitung abgesehen, weil
er sie für sinnlos hielt, nachdem seine Beschwerde über Wasserversorgung
und Zustand elektrischer Geräte erfolglos geblieben war. Das macht
deutlich, daß der Reiseveranstalter sich grundsätzlich nicht
darauf verlassen darf, schwerwiegende Sicherheitsmängel würden
seinen Vertretern am Urlaubsort alsbald von den Reisenden mitgeteilt werden,
so daß rechtzeitig Abhilfe geschaffen werden könne.
e) Will man (wie das LG Frankfurt, NJW 1985, 2424)
schließlich zur Abgrenzung der Verkehrssicherungspflichten vergleichsweise
auf das Rechtsverhältnis Bauherr/Architekt zum Bauunternehmer abstellen,
so hat der Senat bereits darauf hingewiesen, daß die Unterscheidung
in "primäre" und "sekundäre" (oder "subsidiäre") Pflichten
hier nicht weiter hilft. Der mit der örtlichen Bauaufsicht betraute
Architekt wird zwar erst selbst verkehrssicherungspflichtig, wenn Anhaltspunkte
dafür vorliegen, daß der Bauunternehmer seinen Verkehrssicherungspflichten
nicht nachkommt; der als Bauführer tätige Architekt muß
aber die Gefahren auch bemerken und darf seine Augen davor nicht verschließen,
um dem Haftungsrisiko zu entgehen (BGHZ 68, 169 (176) = NJW 1977, 898).
Ähnlich ist es im Reisevertragsrecht: Der
Reiseveranstalter und seine Beauftragten müssen selbst wachsam sein
und dürfen sich nicht darauf verlassen, daß dies die Reisenden
oder die Leistungsträger tun und sich um Abhilfe bemühen. Dabei
lassen sich allerdings die Quartiere der Reisenden nicht ohne weiteres
mit einer Baustelle vergleichen, bei der ein Sicherheitsmangel in der Regel
offen zu Tage liegt. Die Vertreter der Reiseveranstalter müssen schon
z. B. die Treppen und Flure, die Aufzüge und Zimmer selbst betreten
und überprüfen, etwa wenn die Belegung in bestimmten Zeitabständen
wechselt und der Zustand der Zimmer, Bäder und Balkone am leichtesten
zu kontrollieren ist. Das braucht nicht ständig zu geschehen, aber
in einer den örtlichen Umständen angemessenen Regelmäßigkeit,
um zwischenzeitlich entstandene Gefahren zu beseitigen. Dazu gehört
auch die Festigkeit von Balkonbrüstungen.
Der Reiseveranstalter ist somit aufgrund seiner
eigenen gewerblichen Verkehrssicherungspflicht gehalten, die von ihm durch
Leistungsträger verschafften Unterkünfte auch ohne besonderen
Anlaß den Umständen entsprechend regelmäßig sorgfältig
auf ihre Gebrauchssicherheit zu überprüfen und dabei entdeckte
Mängel umgehend abstellen zu lassen.
5. Dieser Verkehrssicherungspflicht hat die Bekl.
zugestandenermaßen nicht genügt. Sie hat lediglich vorgebracht,
ihr sei der Zustand der Balkonbrüstung nicht mitgeteilt worden, dieser
sei auch von der Straße her nicht zu erkennen gewesen und so habe
für ihre Vertreter kein Anlaß zur Überprüfung bestanden.
Damit kann sie sich - wie dargelegt - nicht entlasten. Auch ihrer Behauptung,
das Hotel sei zu Beginn der Saison vom Betreiber und der Tourismusbehörde
"routinemäßig" überprüft worden, hat das BerGer. zu
Recht keine Bedeutung beigemessen. Denn der Mangel wäre bei näherem
Zusehen und Anfassen des Gitters leicht festzustellen gewesen. Die angebliche
Kontrolle kann daher nur sehr flüchtig ausgefallen sein und die Bekl.
von der eigenen Prüfungspflicht nicht entbinden. Nach ihrem Vortrag
spricht nichts dafür, daß ihre Reiseleiter das Zimmer des Kl.
oder das Nebenzimmer je betreten und die Balkongitter überprüft
hätten.
Kommen somit zum Anspruchsgrund weitere Feststellungen
nicht in Betracht, kann der Senat gem. § 565 III Nr. 1 ZPO insoweit
in der Sache selbst entscheiden:
Die Bekl. ist schuldhaft ihrer gewerblichen Verkehrssicherungspflicht
nicht nachgekommen und hat damit ursächlich auch den Körper des
Kl. verletzt; sie ist diesem daher gem. § 823 I BGB zum Ersatz des
unfallbedingten Schadens verpflichtet. Der Schmerzensgeldanspruch (§
847 BGB) ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
IV. Das BerGer. versagt dem Kl. aus denselben
irrigen Erwägungen die Erstattung der zur Untermauerung des Schmerzensgeldanspruchs
aufgewendeten Kosten für ein Sachverständigengutachten (480,40
DM) und verneint ein fortdauerndes Rechtsschutzinteresse für den aufrechterhaltenen
Feststellungsantrag. Auch insoweit hat die Revision Erfolg.
1. Steht dem Kl. Schmerzensgeld zu, so kann ihm
auch die Erstattung derjenigen Kosten nicht verweigert werden, die er im
Rahmen sorgsamer Prozeßführung für ein Gutachten über
die Höhe des Anspruchs (Art und Dauer der Beschwerden) aufgewendet
hat. Der ebenfalls auf § 823 I BGB gestützte Anspruch ist auch
nicht verjährt.
2. Kann der Kl. Ersatz des gesamten materiellen
und immateriellen Schadens teilweise aus Vertrag und insgesamt aus unerlaubter
Handlung verlangen, so ist auch das Feststellungsinteresse wegen noch möglicher
materieller wie immaterieller Unfallfolgen zu bejahen. Der Feststellungsantrag
ist nach wie vor begründet (§ 565 II Nr. 1 ZPO).
V. Nach alledem ist der Revision im Umfang ihrer
Annahme stattzugeben und das angefochtene Urteil insoweit, auch hinsichtlich
der Kosten des Rechtsstreits, aufzuheben.
Der Schmerzensgeldanspruch ist dem Grunde nach
für gerechtfertigt zu erklären und der Feststellungsklage stattzugeben.
Im übrigen ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung über
den Verdienstausfallschaden sowie über die Höhe des Schmerzensgeldes
und der Gutachterkosten an das BerGer. zurückzuverweisen, dem auch
die Entscheidung über die gesamten Kosten des Revisionsverfahrens
übertragen wird.