Verkehrssicherungspflichten des Reiseveranstalters; Deliktsstatut nach Art.
40 II EGBGB; Schmerzensgeld (§ 253 II BGB) bei Schockschäden
BGH, Urt. v. 18. Juli 2006
- X ZR 142/05
Fundstelle:
NJW 2006, 3268
Amtl. Leitsatz:
Die
Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters erstreckt sich auch auf
solche Einrichtungen des Vertragshotels, die er im Reisekatalog nicht
erwähnt hat, sofern sie aus der Sicht des Reisenden als Bestandteil der
Hotelanlage erscheinen. Dies gilt auch, wenn der Hotelbetreiber für die
Benutzung der Einrichtung ein gesondertes Entgelt erhebt.
Zentrale Probleme:
Im Mittelpunkt des tragischen Falles, der
auch durch die Tagespresse ging, steht die deliktische
Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters. Der BGH, der nach Art. 40
II EGBGB deutsches Deliktsrecht anwendet, setzt seine sehr strenge Rspr. (s.
zuerst BGHZ
103, 298). Kläger sind die Angehörigen eines
elfjährigen Kindes, das auf einer Pauschalreise der Familie in Griechenland
bei der Benutzung einer auf dem Hotelgelände stehenden Wasserrutsche
ertrank, weil es mit dem Arm in ein Absaugrohr geraten war und sich nicht
befreien konnte. Die Öffnungen der Absaugrohre waren nicht mit einem
Schutzgitter abgedeckt; der Hoteleigentümer hatte die Wasserrutsche ohne
Baugenehmigung errichtet. Die Mutter - die auch aufgrund abgetretenen
Anspruchs des Vaters handelt - und die Brüder des Kindes, die alle an
posttraumatischen Belastungsstörungen mit Krankheitswert leiden, haben den
Reiseveranstalter auf Schmerzensgeld verklagt, weil dieser seine Pflicht
verletzt habe, die Sicherheit der Hoteleinrichtungen zu überprüfen. Die
Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben und jedem Familienmitglied jeweils
20.000,-- € zuerkannt. Der BGH hat diese Urteile bestätigt: Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft den Reiseveranstalter eine
Verkehrssicherungspflicht, die ihn verpflichtet, seine Vertragshotels und
deren Einrichtungen darauf zu überprüfen, ob sie einen ausreichenden
Sicherheitsstandard bieten. Da der Reiseveranstalter gemäß seinem Angebot
die Planung und Durchführung der Reise übernimmt, darf der Reisende darauf
vertrauen, dass der Veranstalter alles zur erfolgreichen Durchführung der
Reise Erforderliche unternimmt. Dazu gehört nicht nur die sorgfältige
Auswahl der Leistungsträger, insbesondere der Vertragshotels, sondern der
Reiseveranstalter muss diese auch überwachen. Somit ist er für die
Sicherheit der Hotels selbst mitverantwortlich, mag auch die
Verkehrssicherungspflicht in erster Linie den Betreiber treffen. Nimmt ein
Reiseveranstalter ein Hotel unter Vertrag, so muss er sich zuvor
vergewissern, dass es einen ausreichenden Sicherheitsstandard bietet. Ist
das Vertragshotel einmal für in Ordnung befunden worden, so befreit dies den
Veranstalter nicht von der Pflicht, es regelmäßig durch einen sachkundigen
und pflichtbewussten Beauftragten daraufhin überprüfen zu lassen, ob der
ursprüngliche Zustand und Sicherheitsstandard noch gewahrt ist. Bei
der inmitten des Hotelkomplexes gelegenen Wasserrutsche handelte es sich aus
der - maßgeblichen - Sicht der Reisenden um eine zum Leistungsangebot des
Reiseveranstalters gehörende Hoteleinrichtung, auch wenn die Rutsche in der
im Reisekatalog des Veranstalters enthaltenen Hotelbeschreibung nicht
erwähnt war und der Hotelbetreiber für die Benutzung ein gesondertes Entgelt
verlangte. Der Reiseveranstalter hätte deshalb die Sicherheit der Rutsche
prüfen müssen. Da die seelischen Störungen der Kläger ein pathologisches
Ausmaß angenommen und somit die Angehörigen einen deliktsrechtlich
ersatzfähigen eigenen Gesundheitsschaden erlitten haben, können sie nach §
823 I, 847 BGB a.F. Schmerzensgeld verlangen (s dazu die Anm. zu
BGH v. 22.5.2007 - VI ZR 17/06
mwN).
Der BGH prüft den Fall deshalb ausschließlich nach Deliktsrecht, weil nach
dem intertemporal anwendbaren Recht gem. § 847 BGB a.F. ein
Schmerzensgeldanspruch nur auf deliktischer Grundlage in Betracht kam. Das
ist seit der Einführung von § 253 II BGB anders, so daß nach jetzt geltendem
Recht in erster Linie ein reisevertraglicher Ersatzanspruch wegen eines
Reisemangels zu prüfen wäre (§§ 651 f, 651 c Abs. 1 BGB, s. dazu
BGH NJW 2005, 418), der mit der
Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht zusammenfallen kann. Dieser
vertragliche Anspruch ist nach § 253 II BGB im Falle einer
Gesundheitsverletzung auch auf Schmerzensgeld gerichtet..
©sl 2006
Tatbestand:
Die Klägerin zu 1, die eigene Ansprüche und abgetretene Ansprüche ihres
Ehemanns geltend macht, und ihre beiden minderjährigen Söhne begehren von
der beklagten Reiseveranstalterin wegen des Unfalltodes des dritten Sohns
des Ehepaares und Bruders der Kläger zu 2 und 3 Schadensersatz und
Schmerzensgeld für ihre psychischen Beeinträchtigungen.
Die Klägerin buchte für sich, ihren Ehemann, und die drei Kinder - die am 6.
April 1990 geborenen Zwillinge P. und E. und den ein Jahr älteren T. - im
Januar 2001 bei der Beklagten, die die Firma ... Reisen betreibt, eine
Pauschalreise in ein auf der griechischen Halbinsel ... gelegenes Hotel vom
26. Juli bis 9. August 2001 zum Preis von 6.927,- DM.
Inmitten des Hotelkomplexes befand sich eine große Wasserrutsche, die in der
Beschreibung des Hotels im Katalog der Beklagten nicht erwähnt war. Der
Hotelier hatte sie erst nach der im Januar 2001 erfolgten Fertigstellung des
Katalogs errichtet und zu Beginn der Saison in Betrieb genommen. Die
Wasserrutsche war von einem niedrigen Gitterzaun umgeben. Der Zugang
erfolgte über eine ansteigende Rampe, die auf eine 9 m hoch gelegene
Plattform führte, wo ein Hotelangestellter das vom Hotelier erhobene
Benutzungsentgelt von umgerechnet 9,-- € pro Tag kassierte bzw.
kontrollierte und von wo vier unterschiedlich ausgestaltete und gewendelte
lange Rutschen hinunter in ein etwa 9 x 10 m großes Auffangbecken führten,
an dessen gegenüberliegender Wand eine Ausstiegstreppe lag. In der Wand
unter den Enden der Rutschen befanden sich unter Wasser die Öffnungen von
mehreren Absaugrohren mit einem Durchmesser von jeweils 12 cm, durch die das
Wasser aus dem Becken wieder hinauf zum Einstieg der Rutschen gepumpt wurde.
Diese Rohröffnungen waren nicht mit Abdeckgittern versehen. Der Hotelier
hatte für die Anlage keine Baugenehmigung eingeholt und die Anlage nicht von
der zuständigen Behörde abnehmen lassen. Auch die Beklagte hatte die
Wasserrutsche keiner Sicherheitsprüfung unterzogen.
Am 1. August 2001 benutzten die Söhne der Klägerin mit Erlaubnis der Eltern
diese Wasserrutsche. Der elfjährige P. geriet mit dem rechten Arm, der bis
zur Schulter angesaugt wurde, in ein Ansaugrohr, konnte sich nicht befreien
und ertrank. Die zur Beaufsichtigung des Beckens eingesetzte zweite
Hotelangestellte war zu dieser Zeit entweder abwesend oder bemerkte den
Vorfall nicht. Wiederbelebungsversuche, an denen der Vater teilnahm, hatten
keinen Erfolg.
Der Hotelier, sein für den Betrieb der Wasserrutsche verantwortlicher Sohn
und die Aufsichtskraft wurden drei Jahre später durch ein griechisches
Gericht wegen fahrlässiger Tötung, der Hotelier außerdem wegen Bauens ohne
Baugenehmigung, jeweils zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt,
die für den Hotelier in eine Geldstrafe umgewandelt und für die beiden
anderen Verurteilten zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Die Klägerin zu 1, ihr Ehemann und die Kläger zu 2 und 3 leiden infolge des
Todes von P. an posttraumatischen Belastungsstörungen mit Krankheitswert,
die der ärztlichen Behandlung bedürfen.
Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Erstattung materiellen Schadens in
Höhe von 3.054,84 €, ein angemessenes Schmerzensgeld für jedes
Familienmitglied in der Größenordnung von 20.000,--€ abzüglich der vom
Haftpflichtversicherer der Beklagten bereits freiwillig geleisteten
geringeren Beträge sowie schließlich die Feststellung der Ersatzpflicht der
Beklagten für künftige materielle Schäden.
Landgericht und Berufungsgericht haben neben dem materiellen Schadensersatz
ein Schmerzensgeld von jeweils 20.000,-- € zugesprochen. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag
auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Haftung der Beklagten ergebe sich aus §§ 823 Abs. 1, 847 BGB a.F. Die
Beklagte habe schuldhaft die sie als Reiseveranstalterin treffende
Verkehrssicherungspflichten verletzt. Sie sei verpflichtet gewesen, die
Wasserrutsche nach Inbetriebnahme auf etwaige Sicherheitsmängel zu
überprüfen. Ein Reiseveranstalter müsse alle sicherheitsrelevanten Teile der
Hotelanlage vor Vertragsschluss und in regelmäßigen Abständen während der
Vertragsdauer durch einen sachkundigen und pflichtbewussten Beauftragten auf
Sicherheitsrisiken hin überprüfen, und zwar auch Einrichtungen des
Leistungsträgers, die zwar nur gegen gesonderte Vergütung zu benutzen, aber
für die jeweilige Urlaubsart durchaus typisch und so in den Betrieb des
Leistungsträgers integriert seien, dass sie sich bei natürlicher
Betrachtungsweise aus der Sicht eines durchschnittlichen Reisenden als Teil
seines Leistungsangebots darstellten. Das müsse für eine Freizeiteinrichtung
wie die vorliegende, die integraler und wesentlicher Bestandteil des
Hotelkomplexes sei, auch gelten, wenn sie im Katalog nicht gesondert erwähnt
werde. Denn anderenfalls hätte es ein Reiseveranstalter in der Hand, sich
seiner Überprüfungspflicht für möglicherweise riskante Einrichtungen des
Leistungsträgers durch ein bloßes Nichterwähnen im Katalog zu entziehen.
Falls dem Reiseveranstalter eine Feststellung von Risiken noch nicht möglich
sei oder er eine Haftung nicht übernehmen wolle, bleibe es ihm unbenommen,
seine Kunden unmissverständlich darüber zu informieren, dass die Einrichtung
trotz des gegenteiligen Eindrucks nicht Teil seines Leistungsangebots sei.
Die Pflichtverletzung der Beklagten sei für den Unfalltod des Kindes kausal
gewesen, das wegen der fehlenden Abdeckung des Absaugrohrs ums Leben
gekommen sei. Diesen Mangel hätte ein geschulter Mitarbeiter, auf dessen
Wissensstand es ankomme, feststellen können und müssen. Der prüfende
Mitarbeiter habe sich jedenfalls über die Einhaltung der örtlichen
Sicherheitsvorschriften und eine etwaige behördliche Abnahme zu
unterrichten. Die Beklagte hätte nach dem Bekanntwerden des Risikos die
Herstellung eines genehmigungsfähigen und für Benutzer der Anlage
risikofreien Zustands veranlassen müssen. Notfalls hätte sie ihre Kunden
über den Zustand der Anlage aufklären müssen, wobei eine Vermutung dafür
spreche, dass das Kind bzw. seine Eltern dann von einer Benutzung der Anlage
abgesehen hätten.
Weder das Kind noch die Eltern treffe ein Mitverschulden.
Die vom Landgericht zuerkannte Höhe des Schmerzensgeldes sei nicht zu
beanstanden.
II. Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Wesentlichen
stand.
1. Zweckmäßiger Weise haben Landgericht und Berufungsgericht sich nur mit
deliktischen Schadensersatzansprüchen befasst. Nach neuem
Schadensersatzrecht wäre in erster Linie ein reisevertraglicher
Ersatzanspruch wegen eines Reisemangels zu prüfen (§§ 651 f, 651 c Abs. 1
BGB), der mit der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht zusammenfallen
kann (OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 59; Führich, Reiserecht, 5. Aufl., Rdn.
425). Dieser vertragliche Anspruch ist nach § 253 Abs. 2 BGB im Falle
einer Gesundheitsverletzung auch auf Schmerzensgeld gerichtet. Letztere
Vorschrift ist aber erst am 1. August 2002 in Kraft getreten und nach der
Übergangsvorschrift des Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB auf den vorliegenden
Unfall, der sich am 1. August 2001 ereignete, noch nicht anzuwenden.
Nach dem alten Schadensersatzrecht in der bis zum 31. Juli 2002 geltenden
Fassung gab es einen Schmerzensgeldanspruch nur im Falle einer unerlaubten
Handlung (§ 847 BGB a.F.).
2. Die deliktischen Schadensersatzansprüche der Kläger, die deutschem
Recht unterliegen, weil der Ersatzpflichtige und die Verletzten zur Zeit des
schädigenden Ereignisses den Sitz der Hauptverwaltung bzw. ihren Wohnsitz in
Deutschland hatten (Art. 40 Abs. 2 EGBGB), sind aus §§ 823 Abs. 1, 844 Abs.
1 i.V.m. 847 Abs. 1 BGB a.F. begründet.
a) Die Beklagte haftet zwar nicht für das deliktische Verschulden des
Hoteleigentümers und seiner Mitarbeiter, weil diese Personen mangels der
erforderlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit nicht ihre
Verrichtungsgehilfen im Sinne des § 831 BGB waren (BGH,
Urt. v. 25.02.1988 - VII ZR 348/86, BGHZ 103, 298, 303). Sie ist für die
der Klage zugrunde liegenden Schäden jedoch selbst deliktsrechtlich
verantwortlich. Diese beruhen auf einer Verletzung der sie treffenden
Verkehrssicherungspflicht.
(1) Die Beklagte war verpflichtet, die Verkehrssicherheit der
Wasserrutschenanlage zu überprüfen.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft den
Reiseveranstalter bei der Vorbereitung und Durchführung der von ihm
veranstalteten Reisen eine eigene Verkehrssicherungspflicht. Bei der
Ausübung eines Gewerbes sind diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen,
die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter
Angehöriger der jeweiligen Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um
andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach
zuzumuten sind.
Für die deliktsrechtliche Haftung des Reiseveranstalters wegen Verletzung
von Verkehrssicherungspflichten ist von Bedeutung, welche rechtlichen
Verpflichtungen ihm obliegen (BGHZ 103, 298,
304; v. 14.12.1999 - X ZR 122/97, NJW 2000, 1188; v. 12.03.2002 - X ZR
226/99, NJW-RR 2002, 1056). Der Reiseveranstalter übernimmt gemäß seinem
Angebot die Planung und Durchführung der Reise, haftet insoweit für deren
Erfolg und trägt grundsätzlich die Gefahr des Nichtgelingens. Deshalb darf
der Reisende darauf vertrauen, dass der Veranstalter alles zur erfolgreichen
Durchführung der Reise Erforderliche unternimmt. Dazu gehört nicht nur die
sorgfältige Auswahl der Leistungsträger, insbesondere der Vertragshotels,
sondern der Reiseveranstalter muss diese auch überwachen. Somit ist er für
die Sicherheit der Hotels selbst mitverantwortlich, mag auch die
Verkehrssicherungspflicht in erster Linie den Betreiber treffen. Nimmt ein
Reiseveranstalter ein Hotel unter Vertrag, so muss er sich zuvor
vergewissern, dass es einen ausreichenden Sicherheitsstandard bietet. Ist
das Vertragshotel einmal für in Ordnung befunden worden, so befreit dies den
Veranstalter nicht von der Pflicht, es regelmäßig durch einen sachkundigen
und pflichtbewussten Beauftragten daraufhin überprüfen zu lassen, ob der
ursprüngliche Zustand und Sicherheitsstandard noch gewahrt ist (BGHZ
103, 298, 305 f.).
bb) An diesen Grundsätzen gemessen war die Beklagte zu einer
Sicherheitsprüfung der Wasserrutsche verpflichtet. Denn in der maßgeblichen
Sicht der Reisenden (BGH NJW 2000, 1188) stellte sich die Wasserrutsche als
Bestandteil der Hotelanlage dar. Dies ergibt sich aus den tatrichterlichen
Feststellungen des Landgerichts und des Berufungsgerichts, dass die
Rutschenanlage im Innenbereich zwischen den beiden Gebäudereihen stand, die
der Unterkunft der Gäste dienen, sich in der Nähe der anderen vom Hotel
angebotenen Spiel- und Sportmöglichkeiten befand (Meerwasser-Swimmingpool,
Kinderspielplatz, Tennisplatz) und ein integraler und wesentlicher
Bestandteil des Hotelkomplexes war. Dem steht nicht entgegen, dass die
Wasserrutsche mit einem niedrigen Metallzaun umgeben war. Die Eingitterung
ließ den Aufgang zur Plattform der Rutsche frei und taugte schon deshalb
nicht dazu, die Rutsche aus der Hotelanlage auszugliedern. Im Übrigen war
das Gitter auch weder nach dem Vortrag der Kläger, es habe der
Gefahrensicherung gedient, noch nach dem Vortrag der Beklagten, es habe die
Entgeltzahlung sichern sollen, dazu bestimmt, eine die Rutsche von der
Hotelanlage trennende Funktion zu erfüllen.
Der Pflicht der Beklagten, die Verkehrssicherheit der Wasserrutsche zu
prüfen, steht nicht entgegen, dass die Wasserrutsche in dem - vor ihrer
Errichtung fertiggestellten - Katalog der Beklagten nicht erwähnt war.
Dieser Umstand führte zwar dazu, dass die Beklagte ihren Kunden keine
funktionstüchtige Rutsche schuldete und somit ein etwaiger Wiederabbau oder
eine Sperrung der Rutsche keinen Reisemangel bewirkt hätte, aufgrund dessen
die Kunden reisevertragliche Gewährleistungsansprüche hätten erheben können.
Umfang und Gegenstand der Leistungspflichten des Reiseveranstalters sind
jedoch von der Reichweite seiner Verkehrssicherungspflicht zu unterscheiden.
Die Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters ist nicht auf
diejenigen Hoteleinrichtungen beschränkt, deren Vorhandensein er schuldet,
sondern erstreckt sich grundsätzlich auf die ganze Hotelanlage mitsamt allen
tatsächlich vorhandenen dazugehörigen Einrichtungen. Dies ergibt sich aus
dem Grundgedanken der Verkehrssicherungspflicht, dass derjenige, der eine
Gefahrenlage für Dritte schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, eine
Schädigung anderer möglichst zu verhindern, indem er in seinem
Verantwortungsbereich die zumutbaren Maßnahmen zur Gefahrenabwehr trifft
(BGH, Urt. v. 15.07.2003 - VI ZR 155/02, NJW-RR 2003, 1459). Der
Reiseveranstalter hat seine Kunden in das Vertragshotel hineingeführt und
ist somit dafür verantwortlich, dass sie sich, wie es das Recht jedes
Hotelgastes ist, in der ganzen Anlage frei bewegen und alle ihnen zusagenden
Einrichtungen benutzen. Deshalb ist der Reiseveranstalter für die Sicherheit
sämtlicher den Reisenden zur Verfügung stehender Hoteleinrichtungen
verantwortlich.
Keinesfalls muss der Reisende aus der Nichterwähnung einer Hoteleinrichtung
im Katalog des Reiseveranstalters schließen, dass der Veranstalter diese aus
seinem Leistungsangebot ausschließen und dafür keine Verantwortung
übernehmen will. Denn für die Nichterwähnung kommen aus der Sicht des
Reisenden verschiedene andere und näherliegende Gründe in Betracht, sei es,
dass der Veranstalter eine Einrichtung für nicht der Erwähnung wert erachtet
(z.B. ein Lesezimmer oder einen Ski-Abstellraum), sei es, dass die
Einrichtung, wie im vorliegenden Fall, bei Redaktionsschluss für den Katalog
noch nicht fertiggestellt war. Die Beschreibung des Hotels im Katalog erhebt
in den Augen des Reisekunden keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er kommt
nicht auf den Gedanken, dass der Veranstalter für Hoteleinrichtungen, die
vorhanden, aber nicht in der Beschreibung erwähnt sind, seine Haftung
ausschließen will.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des erkennenden Senats,
mit dem er eine Leistungs- und Verkehrssicherungspflicht des
Reiseveranstalters hinsichtlich eines vom Leistungsträger angebotenen
Ausritts mit der Begründung bejaht hat, dass zur Bestimmung der
Leistungsverpflichtungen des Reiseveranstalters der Reiseprospekt
heranzuziehen sei und der Reiseveranstalter nicht nur dafür Sorge tragen
müsse, dass die in der Reisebeschreibung angebotenen Sportmöglichkeiten
überhaupt vorhanden seien, sondern auch dafür, dass die zur Ausübung der
angebotenen Sportarten erforderlichen Einrichtungen für den Reisenden
geeignet seien (NJW 2000, 1188, juris-Rdn. 9-12).
Damit ist nur (positiv) der Kreis der Gefahrenquellen beschrieben, für den
der Veranstalter schon aufgrund seiner eigenen Erklärungen einzustehen hat.
Der Entscheidung lässt sich jedoch nicht umgekehrt (negativ) entnehmen, dass
eine eigene Prüfungspflicht schon dann entfällt, wenn die Leistung oder
Einrichtung im Katalog nicht aufgeführt ist. Sie enthält daher keinen
Grundsatz des Inhalts, dass eine Verkehrssicherungspflicht des
Reiseveranstalters nur hinsichtlich solcher Leistungen in Frage kommt, die
in der Reisebeschreibung genannt sind. Im vorliegenden Fall braucht nicht
entschieden zu werden, ob bei solchen Zusatzangeboten, die den Reisenden aus
dem Bereich der Hotelanlage herausführen, wie z.B. Ausflüge oder Ausritte,
die Erwähnung im Katalog eine Voraussetzung der Verkehrssicherungspflicht
des Reiseveranstalters ist. Bei Einrichtungen, die ein Bestandteil der
Hotelanlage sind, ist dies jedenfalls nicht der Fall.
Unerheblich für die Verkehrsicherungspflicht ist weiter, dass der
Hotelbetreiber für die Benutzung ein gesondertes Entgelt verlangte. Dies
entsprang ersichtlich dem Bestreben der Hotelleitung, die Kosten der Anlage
nicht unterschiedslos auch auf solche Gäste umzulegen, welche die Rutsche
gar nicht nutzen wollten, sondern nur diejenigen Gäste heranzuziehen, welche
die Anlage tatsächlich in Anspruch nahmen, ebenso wie für andere
Sonderleistungen - die abendliche Benutzung der Tennisplätze bei Flutlicht
und die Kinderbetreuung - laut Katalog eine Gebühr zu entrichten war. Dass
ein Benutzungsgeld für kostenträchtige Einrichtungen erhoben wird, hat
nichts mit der Frage zu tun, ob die betreffende Einrichtung zur Hotelanlage
und damit zu den der Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters
unterliegenden Bereich gehört.
Die Beklagte war deshalb verpflichtet, die Verkehrssicherheit der
Wasserrutsche zu prüfen.
(2) Diese Verkehrssicherungspflicht hat die Beklagte schuldhaft verletzt.
Sie hat unstreitig keinerlei Überprüfung der Wasserrutsche vorgenommen,
obwohl deren Errichtung und Inbetriebnahme ihrer örtlichen Reiseleiterin
bekannt war und obwohl ihr eine zumutbare Prüfmaßnahme zu Gebote stand.
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind bisher nur allgemein
gehaltene Richtlinien zu Art und Umfang der vom Reiseveranstalter zu
ergreifenden Prüfmaßnahmen entwickelt worden. Im Einzelfall hängen Art und
Umfang der gebotenen Kontrolle, deren Unterlassung den
Fahrlässigkeitsvorwurf begründet, von den jeweiligen besonderen Umständen ab
und unterliegen der tatrichterlichen Würdigung, die mit der Revision nur
beschränkt anfechtbar ist (BGHZ 103, 298, 305 ff.; Urt. v. 19.01.1993- XI ZR
76/92, NJW 1993, 1066).
Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob dieser beschränkten
revisionsrechtlichen Anfechtbarkeit die Feststellung des Berufungsgerichts
standhält, einem geschulten Mitarbeiter der Beklagten hätte sich trotz
fehlenden technischen Sachverstandes aufdrängen müssen, dass das Wasser im
Becken der Rutsche im Wege eines Kreislaufssystems über Pumpen auch wieder
abgesaugt wurde, dass es deswegen Absaugstellen geben musste und dass deren
Überprüfung angezeigt war, und er hätte bei der sodann vorzunehmenden
genauen Überprüfung das Fehlen der notwendigen Abdeckgitter vor den
Absaugrohren festgestellt. Offenbleiben kann auch die sich in diesem
Zusammenhang stellende Frage, ob der prüfungsbeauftragte Mitarbeiter, so wie
er z.B. die Treppen und Flure, die Aufzüge, Zimmer und Balkone selbst
betreten und überprüfen musste (BGHZ 103, 298, 308),
die Wasserrutsche persönlich hätte erproben müssen.
Denn jedenfalls ist die weiter vom Berufungsgericht vertretene Ansicht
rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sich zumindest beim
Hotelbetreiber danach hätte erkundigen müssen, ob die Anlage von der
zuständigen Behörde genehmigt und abgenommen worden war. Dazu war sie umso
mehr verpflichtet, als es sich bei der Wasserrutsche, wie sich
augenscheinlich aus den bei den Akten befindlichen Lichtbildern ergibt, um
eine schon wegen ihrer Höhe und ihrer Kurven nicht ungefährliche technische
Konstruktion handelte. Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob die
Beklagte sich im Falle einer bejahenden Antwort mit der örtlichen
Baugenehmigung und -abnahme hätte zufriedengeben dürfen (vgl. die Bedenken
in BGHZ 103, 298, 305). Da davon ausgegangen werde muss, dass Baugenehmigung
und Bauabnahme aufgrund eines geordneten behördlichen Verfahrens und nicht
ohne eine fachliche Prüfung der Rutschenanlage erteilt worden wären, war die
Erkundigung danach jedenfalls ein geeigneter und erforderlicher erster
Prüfungsschritt. Schon dessen Versäumung begründet den Vorwurf der
schuldhaften Pflichtverletzung.
b) Dass die Beklagte die gebotene Sicherheitsprüfung der Wasserrutsche
versäumte, war auch kausal für den Tod des Kindes und damit für die
psychischen Beeinträchtigungen der Eltern und Brüder, die durch diesen Tod
herbeigeführt wurden. Bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten,
die typischen Gefährdungen entgegenwirken sollen, ist der Beweis des ersten
Anscheins geboten, wenn sich in dem Schadensfall gerade diejenige Gefahr
verwirklicht, der durch die Auferlegung bestimmter Verhaltenspflichten
begegnet werden soll (BGH, Urt. v. 14.12.1993 - VI ZR 271/92, NJW 1994,
945). So lag es hier, wo die Fragepflicht des Reiseveranstalters nach der
Baugenehmigung und Bauabnahme für die Wasserrutsche verhindern sollte, dass
Reisende durch deren Benutzung zu Schaden kamen. Der Beweis des ersten
Anscheins kann nur durch feststehende Tatsachen entkräftet werden, welche
die Möglichkeit eines anderen Geschehensverlaufs ernsthaft in Betracht
kommen lassen (BGH aaO). Diesen Gegenbeweis hat die Beklagte nicht
angetreten. Sie hat nicht einmal dargelegt, dass dann, wenn die Beklagte die
fehlende Baugenehmigung und -abnahme entdeckt und gerügt hätte, der Hotelier
das Baugenehmigungsverfahren nicht nachgeholt und dann die
Bauaufsichtsbehörde nicht für die Anbringung von Schutzgittern vor den
Absaugöffnungen gesorgt hätte.
c) Da nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen der
Vorinstanzen die durch den Tod des Kindes psychisch vermittelten seelischen
Beeinträchtigungen der Eltern und Brüder Krankheitswert haben, also
pathologisch fassbar sind und deshalb eine eigene Gesundheitsbeschädigung im
Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellen, und da sie für die Beklagte
vorhersehbar waren, stehen nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (vgl. Urt. v. 11.05.1971 - VI ZR 78/70, BGHZ 56, 163;
v. 04.04.1989 - VI ZR 97/88, NJW 1989, 2317; v. 30.04.1996 - VI ZR 55/95,
BGHZ 132, 341, 344) den Klägern die geltend gemachten
Schmerzensgeldansprüche dem Grunde nach zu.
d) Zu Recht hat das Berufungsgericht ein Mitverschulden der Eltern und/oder
des Kindes an dem tödlichen Unfall verneint. Seine Ansicht, die Eltern des
Kindes hätten ihre Aufsichtspflicht nicht vernachlässigt, weil sie darauf
hätten vertrauen dürfen, dass die Wasserrutsche, die gerade für Kinder im
Alter von elf und zwölf Jahren attraktiv war, für diese Kinder keine
lebensgefährlichen Gefahrenstellen aufweisen würde, lässt keinen
Rechtsfehler erkennen. Hinsichtlich eines etwaigen Mitverschuldens des
Kindes, das gegebenenfalls den Angehörigen zugerechnet werden müsste (BGHZ
56, 163, 169 f.), bestehen schon Bedenken, ob für den unbewiesenen Fall,
dass das Kind seine Hand in das Rohr gesteckt haben sollte, überhaupt ein
Mitverschulden angenommen werden dürfte. Auf diese Bedenken kommt es indes
nicht an. Denn jedenfalls ist die tatrichterliche Würdigung des
Berufungsgerichts, dass ein etwaiges Mitverschulden des Kindes aufgrund des
natürlichen kindlichen Spiel- und Entdeckungstriebes ganz hinter dem
Verschulden des Reiseveranstalters zurücktreten würde, der keine
Sicherheitsprüfung der gerade für Kinder gedachten Anlage vornahm, rechtlich
nicht zu beanstanden.
e) Schließlich lässt auch die von Landgericht und Berufungsgericht
vorgenommene Bemessung des Schmerzensgeldes, die Aufgabe des hierbei durch §
287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters ist (BGH, Urt. v. 12.05.1998 -
VI ZR 182/97, BGHZ 138, 388, 341), keinen Rechtsfehler erkennen. Sie ist von
der Revision auch nicht angegriffen worden.
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