Haftung für
vermutetes Verschulden beim Reisemangel nach § 651 f; richtlinienkonforme
Auslegung; Anforderungen an den Entlastungsbeweis
BGH, Urt. v.
9. November 2004 - X ZR 119/01
Fundstelle:
NJW 2005, 418
für BGHZ vorgesehen
zur Vorgeschichte (Vorliegen eines Reisemangels) s.
BGH
NJW 2000, 1188; zur deliktischen
Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters s. BGHZ
103, 298
sowie die Anm. zu
BGH v. 18.7.2006 - X ZR 142/05.
Amtl. Leitsätze:
a) Den Reiseveranstalter, der sich
hinsichtlich eines Reisemangels auf die Entlastungsmöglichkeit des § 651 f
Abs.1 zweiter Halbsatz BGB beruft, trifft die Darlegungs- und Beweislast
dafür, daß sämtliche ernstlich in Betracht kommenden Verschuldenstatbestände
auf seiner Seite, insbesondere die vom Reisenden aufgezeigten, nicht
vorlagen.
b) Die richtlinienkonforme Auslegung des § 651 f Abs. 1 BGB ergibt, daß für
den Entlastungsbeweis des Reiseveranstalters keine strengeren
Voraussetzungen gelten als für den Nachweis fehlenden Verschuldens nach §
276 BGB.
c) Wer eine freiwillige Hilfeleistung erbittet, bei der der Helfer dann zu
Schaden kommt, handelt widersprüchlich und damit gegen Treu und Glauben,
wenn er allein aus dem Umstand, daß der Helfer seiner Bitte nachgekommen ist
und sich dadurch in Gefahr begeben hat, den Vorwurf des Mitverschuldens
herleitet.
Tatbestand:
Die Kläger verlangen von der Beklagten Schadensersatz wegen eines
Reitunfalls auf einer Urlaubsreise.
Die Beklagte, ein großes Reiseunternehmen, bot in mehreren Ländern
Pauschalurlaubsreisen in jeweils "C. " genannte Ferienclubs an. Die Clubs
waren selbständige juristische Personen nach dem Recht des jeweiligen
Staates. In dem Reiseprospekt der Beklagten, in dem der "C. T. " beschrieben
war, wurden den Reisenden Sportmöglichkeiten angeboten, die vor Ort gegen
Entgelt gebucht werden konnten. Insbesondere wurde auf einen Reitstall auf
dem Clubgelände, auf Reitkurse und Reitausflüge hingewiesen.
Der Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Kläger zu 2 und 3 (nachfolgend:
Erblasser) buchte bei der Beklagten für sich und seine Familie für die Zeit
vom 21. Dezember 1994 bis zum 4. Januar 1995 eine Pauschalreise mit Flug und
Aufenthalt im "C. T. ". Am 25. Dezember 1994 nahm der Erblasser, ein geübter
Reiter, an einem Ausritt teil, den er beim Club gebucht und bezahlt hatte.
In dem Reitstall standen nur Hengste. An dem Ausritt nahmen sechs Reiter
teil. Als nach etwa einer halben Stunde das Pferd einer 13-jährigen
Mitreiterin, der Hengst "Mistral", nervös wurde, erklärte der Erblasser sich
bereit, dieses Pferd zu übernehmen. Weil der Hengst gleich nach dem
Aufsitzen des Erblassers erneut unruhig wurde, stieg dieser aber gleich
wieder ab und hielt "Mistral" am Zügel fest. In diesem Augenblick sprang das
Pferd mit allen vier Beinen gleichzeitig in die Luft und traf den Erblasser
am linken Knie. Dieser erlitt eine Tibiakopffraktur, die noch in Tunesien
operativ versorgt wurde.
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland litt der Erblasser unter starken
Schmerzen und war arbeitsunfähig. Das operierte Knie mußte mehrfach
punktiert und nachoperiert werden. Am 29. Juli 1995 verstarb der Erblasser
infolge einer thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura.
Mit ihrer Klage haben die Kläger materiellen Schadensersatz, hauptsächlich
wegen entgangenen Berufseinkommens des Erblassers, und Schmerzensgeld sowie
die Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht der Beklagten verlangt.
Widerklagend hat die Beklagte den restlichen Reisepreis geltend gemacht. Das
Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage teilweise
stattgegeben. Mit ihrer Berufung haben die Kläger im Wege der Teilklage nur
noch materiellen Schadensersatz in Höhe von 16.000 DM und ein Schmerzensgeld
von 45.000 DM sowie die gänzliche Abweisung der Widerklage verlangt. Das
Berufungsgericht hat mit seinem ersten Urteil vom 10. Juli 1997 die Berufung
bis auf eine Änderung im Zinsausspruch zurückgewiesen mit der Begründung,
der Reitausflug sei nicht Gegenstand des Pauschalreisevertrags gewesen. Auf
die hiergegen eingelegte Revision der Kläger hat der erkennende Senat mit
Urteil vom 14. Dezember 1999 (X ZR 122/97, NJW
2000, 1188) dieses Berufungsurteil aufgehoben, die Widerklage abgewiesen
und die Sache zur anderweiten Entscheidung über die Klage an das
Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses hat nach Durchführung einer
Beweisaufnahme mit dem jetzt angefochtenen zweiten Berufungsurteil die
Berufung der Kläger erneut zurückgewiesen, und zwar nunmehr deshalb, weil
die Beklagte den Nachweis fehlenden Verschuldens geführt habe. Hiergegen
haben die Kläger wiederum Revision eingelegt, die der erkennende Senat
hinsichtlich des Schmerzensgeldes nicht angenommen, hinsichtlich des
materiellen Schadensersatzanspruchs aber angenommen hat (§ 554 b Abs. 1 ZPO
in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung). Die Kläger verfolgen
mit ihrer jetzigen angenommenen Revision ihre Teilklage auf Ersatz eines
materiellen Schadens in Höhe von 16.000 DM nebst Zinsen weiter. Die Beklagte
tritt diesem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die
Revision hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Revisionsannahme zur Aufhebung
des angefochtenen Urteils und zur erneuten Zurückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht ist unter Beachtung des ersten Revisionsurteils des
Senats (aaO u. I 2 c, 3, 4) von Folgendem ausgegangen: Die Beklagte mußte
aufgrund des mit dem Erblasser geschlossenen Pauschalreisevertrags die in
der Reisebeschreibung angebotenen Reitmöglichkeiten in einer für die
Reisenden geeigneten Weise zur Verfügung stellen. Das Pferd "Mistral" war
aber für den Ausritt, auf dem der Unfall geschah, wegen seiner damaligen
Nervosität nicht geeignet. Darin lag ein Reisemangel, für den die Beklagte
als Reiseveranstalter Schadensersatz leisten muß, es sei denn, der Mangel
beruhte auf einem Umstand, den sie als Reiseveranstalter nicht zu vertreten
hat (§ 651 g Abs. 1 BGB; vgl. BGHZ 100, 185, 188 f.).
Aufgrund einer Beweisaufnahme über die Behauptung der Kläger, daß es mit dem
Pferd "Mistral" schon vor dem Unfall des Erblassers zu zwei anderen
Reitunfällen gekommen sei, sowie über die gegenteilige Behauptung der
Beklagten, daß beide Unfälle sich mit anderen Pferden zugetragen hätten, ist
das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gekommen, daß sich mit "Mistral" vor
dem Unfall des Erblassers keine Vorfälle ereignet hatten, die Anlaß gegeben
hätten, an der Eignung und Zuverlässigkeit dieses Pferdes zu zweifeln und es
deshalb nicht für Reitausflüge einzusetzen. Die von den Zeugen bekundeten
zwei Unfälle hätten sich mit anderen Pferden zugetragen und besagten daher
nichts über die Zuverlässigkeit oder Unzuverlässigkeit von "Mistral".
Überdies sei nur einer dieser zwei Unfälle vor dem Unfall des Erblassers
geschehen.
Das Berufungsgericht meint, dieser eine und bis dahin - mangels
anderweitigen Nachweises - einmalige Vorfall sei nicht geeignet gewesen, die
Zuverlässigkeit sämtlicher anderer Pferde des Reitstalls in Frage zu
stellen. Deshalb hätten weder der Reitlehrer noch der Reitstallbesitzer
durch den Einsatz des Pferdes "Mistral" für Ausritte die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Auch am Unfalltage habe der
Reitlehrer nicht schuldhaft gehandelt. Weder seine anfängliche Zuweisung des
Pferdes an eine 13-jährige Reiterin, die mit diesem Hengst dann nicht
zurechtgekommen sei, noch seine Bitte an den Erblasser, das nervös gewordene
Tier zu übernehmen, seien fahrlässig gewesen. Außerdem sei der Erblasser das
mit der Übernahme verbundene Risiko bewußt und freiwillig eingegangen. Die
Ansicht der Kläger, es hätten nicht mehrere Hengste bei dem Ausritt
eingesetzt werden dürfen, erscheine abwegig. Die Kläger hätten für ihre
Behauptung, "Mistral" habe als das schwierigste Pferd im Reitstall gegolten,
keinen weiteren Beweis angetreten. Die Beklagte habe sich deshalb nach § 651
f Abs. 1 BGB vom Verschulden für den Reisemangel entlastet.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht
stand. Das Berufungsgericht hat den Umfang der der Beklagten obliegenden
Darlegungs- und Beweislast für fehlendes Verschulden verkannt. Nach den
bisher getroffenen Feststellungen hat sich die Beklagte nicht entlastet.
1. Nach § 651 f Abs. 1 BGB kann der Reisende Schadensersatz wegen
Nichterfüllung verlangen, es sei denn, der Mangel der Reise beruht auf einem
Umstand, den der Reiseveranstalter nicht zu vertreten hat. Daß der
Reiseveranstalter den Reisemangel zu vertreten hat, wird also vermutet. Dem
Reiseveranstalter steht jedoch der Entlastungsbeweis offen. Dazu muß er
darlegen und im Bestreitensfalle beweisen, daß der Mangel auf einem Umstand
beruht, den er nicht und den auch keiner seiner Erfüllungsgehilfen und
keiner von deren Erfüllungsgehilfen zu vertreten hat (Palandt/Sprau,
BGB, 63. Aufl., § 651 f Rdn. 4; Staudinger/Jörn Eckert, BGB (2003), § 651 f
Rdn. 13).
a) Zu vertreten hat der Reiseveranstalter nach der Legaldefinition des § 276
Abs. 1 Satz 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer die im
Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht läßt (§ 276 Abs. 2 BGB).
b) Nicht gefolgt werden kann der von der Revision herangezogenen, in
Rechtsprechung und Literatur teilweise vertretenen Ansicht, der Begriff des
Nichtvertretenmüssens in § 651 f Abs. 1 BGB sei richtlinienkonform
einschränkend dahin auszulegen, daß nur das eigene Verschulden des
Reisenden, das Verschulden eines nicht beteiligten Dritten oder höhere
Gewalt den Reiseveranstalter entlasten könne (so MünchKomm./Tonner, BGB,
3. Aufl., § 651 f Rdn. 23 a u. ihm folgend OLG München NJW-RR 2002, 694
unter I 6 b).
Wäre diese Ansicht richtig, so wäre im vorliegenden Fall schon aufgrund des
eigenen Vortrags der Beklagten davon auszugehen, daß sie den Reisemangel zu
vertreten hat. Denn der von der Beklagten zur Entlastung geltend gemachte
Umstand, daß die Nervosität des Pferdes spontan aufgetreten und
unvorhersehbar gewesen sei, könnte die Beklagte dann nicht von ihrer Haftung
befreien, da dieser Umstand weder vom Erblasser oder einem Dritten
verschuldet gewesen wäre noch höhere Gewalt dargestellt hätte, die ein von
außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch
die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares
Ereignis voraussetzt (BGHZ 100, 185, 188).
Eine derartige einschränkende Auslegung der Entlastungsmöglichkeit des
Reiseveranstalters ist jedoch nicht geboten. Die Verschuldensvermutung mit
Entlastungsmöglichkeit des § 651 f Abs. 1 BGB ist zwar vom deutschen
Gesetzgeber zur Umsetzung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni
1990 über Pauschalreisen (ABl. Nr. L 158 v. 23.06.1990, S. 59-64) eingeführt
worden (Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie des Rates
vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen v. 24.06.1994, BGBl. I 1994, S. 1322)
und muß deshalb im Zweifel im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der
Richtlinie ausgelegt werden (EuGH, Slg. 1984,
1891, 1909 = NJW 1984, 2021 Rdn. 26, 28 - von Colson und Kamann).
Entgegen der Ansicht der Revision schränkt aber die Richtlinie die
Entlastungsmöglichkeit nicht stärker ein, als es die deutsche
Umsetzungsvorschrift, die das fehlende Verschulden genügen läßt, vorsieht
(vgl. auch Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Durchführung
der Richtlinie, BT-Drucks. 12/5354, S. 11).
Art. 5 (2) Satz 1 der Richtlinie besagt:
"Die Mitgliedstaaten treffen hinsichtlich
der Schäden, die dem Verbraucher aus der Nichterfüllung oder einer
mangelhaften Erfüllung des Vertrages entstehen, die erforderlichen
Maßnahmen, damit der Veranstalter und/oder der Vermittler die Haftung
übernimmt, es sei denn, daß die Nichterfüllung oder die mangelhafte
Erfüllung weder auf ein Verschulden des Veranstalters und/oder
Vermittlers noch auf ein Verschulden eines anderen
Dienstleistungsträgers zurückzuführen ist, weil
- die festgestellten Versäumnisse bei der Erfüllung des Vertrages dem
Verbraucher zuzurechnen sind;
- diese unvorhersehbaren oder nicht abwendbaren Versäumnisse einem
Dritten zuzurechnen sind, der an der Bewirkung der vertraglich
vereinbarten Leistungen nicht beteiligt ist;
- diese Versäumnisse auf höhere Gewalt entsprechend der Definition in
Art. 4 Abs. 6 lit. b) ii) oder auf ein Ereignis zurückzuführen sind, das
der Veranstalter und/oder der Vermittler bzw. der Leistungsträger trotz
aller gebotenen Sorgfalt nicht vorhersehen oder abwenden konnte."
Die
Richtlinie geht also im ersten Teil der mit "es sei denn, daß" eingeleiteten
Ausnahmeregelung davon aus, daß der Veranstalter sich durch den Nachweis
fehlenden Verschuldens entlasten kann. Auch der zweite, mit "weil"
eingeleitete Teil gibt nicht Anlaß zu der Annahme, daß die Fälle fehlenden
Verschuldens enger zu fassen sind als im deutschen Recht. Der zweite Teil
enthält zwar eine abschließende, also nicht bloß beispielhafte Aufzählung
der Tatbestände, die ein fehlendes Verschulden des Veranstalters begründen
können. Diese Aufzählung beschränkt sich aber nicht auf das eigene
Verschulden des Verbrauchers, das Verschulden eines nicht beteiligten
Dritten und höhere Gewalt, sondern nennt als weiteren und letzten
Entlastungsgrund "ein Ereignis, das der Veranstalter und/oder der Vermittler
bzw. der Leistungsträger trotz aller gebotenen Sorgfalt nicht vorhersehen
oder abwenden konnte". Dies entspricht der Definition der fehlenden
Fahrlässigkeit nach deutschem Recht. Nichts deutet darauf hin, daß im
Vergleich zu der durch § 276 Abs. 2 BGB verlangten Einhaltung der "im
Verkehr erforderlichen" Sorgfalt die Richtlinie mit ihrer Forderung nach
Einhaltung "aller gebotenen" Sorgfalt strengere Anforderungen stellt, etwa
im Sinne eines gesteigerten Sorgfaltsmaßstabes, der nur durch Anwendung der
äußersten möglichen Sorgfalt erreicht wird. Die von § 276 Abs. 2 BGB
abweichende Wortwahl des deutschen Textes der Richtlinie beruht ersichtlich
auf der wörtlichen Übersetzung des englischen und französischen Textes, in
dem es "with all due care" bzw. "avec toute la diligence nécessaire" heißt.
Diese Rechtsbegriffe enthalten aber keine Verschärfung des Sorgfaltsmaßstabs
im Sinne einer gesteigerten Sorgfaltspflicht bzw. eines unabwendbaren
Ereignisses.
c) Die Beklagte hat fehlende Fahrlässigkeit nicht dargelegt.
(1) Unbeschadet der im ersten Revisionsurteil erörterten Frage, ob
möglicherweise jeglicher Einsatz des Hengstes "Mistral" für Reitausflüge mit
Reisenden zu einem Reisemangel führte, weil das Pferd sich als für diesen
Verwendungszweck ein für allemal ungeeignet erwiesen hatte, muß die jetzige
revisionsrechtliche Überprüfung davon ausgehen, daß ein Reisemangel
jedenfalls (auch) darin bestand, daß der Reitlehrer gerade auf dem zum
Unfall führenden Ausritt dem Erblasser das nervös gewordene Pferd zuwies.
Das Berufungsgericht hat in den Gründen seines zweiten Berufungsurteils
aufgrund des insoweit übereinstimmenden Vortrags der Parteien festgestellt,
daß der Reitlehrer den Erblasser fragte, ob dieser den nervös gewordenen und
von seiner bisherigen Reiterin nicht mehr beherrschten Hengst "Mistral"
übernehmen würde, und daß er dem hierzu bereiten Erblasser sodann das
nervöse Pferd zuwies. Wie das nachfolgende Unfallgeschehen gezeigt hat, war
der Hengst zumindest im Zeitpunkt dieser Zuweisung für den Erblasser - auch
wenn der ein geübter Reiter war - zu schwierig und damit ungeeignet. Für
den der Beklagten obliegenden Entlastungsbeweis hat dies zur Folge, daß sie
(auch) darlegen und beweisen muß, daß weder ihr selbst noch ihrem
Leistungsträger noch dessen Erfüllungsgehilfen ein fahrlässiges Verhalten
zur Last fällt, das für die Zuweisung des nervösen Hengstes an den Erblasser
ursächlich war. Dies hat die Beklagte nicht getan.
(2) Der Schuldner, dem der Entlastungsbeweis obliegt, braucht nicht in
jedem Fall speziell den Umstand zu beweisen, der die unverschuldete
Schadensursache herbeigeführt hat (vgl. RGZ 74, 342, 344; BGH, Urt. v.
12.11.1952 - II ZR 67/52, NJW 1952, 59; Urt. v. 14.11.1989 - X ZR 116/89,
NJW-RR 1990, 446 u. I 2 c). Auch rein abstrakte Möglichkeiten, für die es
keinen Anhaltspunkt gibt, braucht er nicht zu widerlegen (vgl. BGHZ 116,
334, 337). Wenn aber mehrere Ursachen ernstlich in Betracht kommen, muß
er für jede den Entlastungsbeweis erbringen (vgl. BGH, Urt. v.
01.07.1980 - VI ZR 112/79, NJW 1980, 2186 u. II 2 b bb). Es genügt also,
wenn der Schuldner nachweist, daß er die als Ursachen in Betracht kommenden
Umstände nicht zu vertreten hat (vgl. RGZ aaO; BGH, Urt. v. 12.11.1952
und v. 14.11.1989 aaO; Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht,
2. Aufl., § 282 BGB Rdn. 6; Staudinger/ Otto, BGB (2004), § 280 Rdn. F 13).
Bleibt hingegen die ernstliche Möglichkeit des Vertretenmüssens bestehen,
und sei es auch nur hinsichtlich einer der in Betracht kommenden Ursachen,
so ist der Schuldner beweisfällig (vgl. BGH, Urt. v. 17.04.1952 - IV ZR
158/51, NJW 1952, 1170; BGHZ 100, 185, 189; Staudinger/Otto aaO; Münch.Komm./Ernst,
BGB, 4. Aufl., § 280 Rdn. 37 f.).
(3) So liegt es hier.
aa) Die Kläger haben verschiedene nicht ohne weiteres von der Hand zu
weisende Möglichkeiten eines Verschuldens aufgezeigt, das - letztendlich
oder unmittelbar - zur Zuteilung des nervösen Pferdes an den Erblasser
geführt haben könnte. Die in Betracht kommenden Verschuldenstatbestände
betreffen zum Teil weiter entfernt liegende Glieder einer Kausalkette,
nämlich die Ursachen der Nervosität, die "Mistral" zur Zeit des Unfalls
ungeeignet machte. Dies gilt für die Vorwürfe, der Reitlehrer hätte nicht
mehrere Hengste zusammen einsetzen dürfen, er hätte den Hengst "Mistral" für
den Ausritt nicht verwenden dürfen, weil dieser sich schon vorher als
ungeeignet erwiesen hatte, und er hätte diesen Hengst nicht einem
13-jährigen Mädchen zuteilen dürfen, das ihm nicht gewachsen war. Die Kläger
haben aber auch die zeitlich letzte Ursache beanstandet, nämlich die
unvermittelte Zuweisung des Hengstes, nachdem er nervös geworden war, an den
Erblasser, die fahrlässig gewesen sein könnte, falls der Zeuge H. das
unruhige Pferd selbst hätte übernehmen oder doch durch kurzes eigenes
Bereiten hätte zur Ordnung rufen müssen.
bb) Das Berufungsgericht hat den Schwerpunkt seiner Prüfung auf die
generelle Ungeeignetheit des Pferdes "Mistral" für Reitausflüge gelegt und
dabei verkannt, daß die Beklagte sich schon hinsichtlich der letztgenannten
Ursache dafür, daß der Erblasser ein unruhiges und damit ungeeignetes Pferd
bekam, nämlich hinsichtlich der vom Zeugen H. vorgenommenen Zuweisung, nicht
entlastet hat. Sie hätte darlegen und erforderlichenfalls beweisen müssen,
daß der Zeuge insoweit nicht fahrlässig handelte. Dazu hat sie aber nicht
ausreichend vorgetragen. Die Beklagte hat nicht erklärt, daß und weshalb es
der von einem Reitlehrer geschuldeten Sorgfalt entsprach, ein unruhiges
Pferd, das von der bisherigen Reiterin nicht mehr beherrscht werden konnte,
ohne weiteres einem anderen Mitglied der Gruppe zuzuweisen. Sie hätte sich
zu der naheliegenden Frage äußern müssen, ob die Schutzpflichten des
Reitlehrers gegenüber den Teilnehmern des Ausritts es nicht erfordert
hätten, daß er das unruhige und damit gefährliche Pferd entweder selbst
übernahm oder doch wenigstens kurz selbst beritt und dadurch beruhigte und
zur Ordnung rief, bevor er es dem Erblasser übergab. Die Beklagte hat auch
nicht etwa vorgetragen, daß der Reitlehrer sich in einer Notlage befand, die
ihn an solchen Vorsichtsmaßnahmen hinderte. Die letztere Lücke im Vortrag
der Beklagten hat das Berufungsgericht auch erkannt. Es hat sie durch die
Feststellung zu füllen gesucht, daß das Pferd des Reitlehrers
erfahrungsgemäß eine gewisse Leitfunktion gehabt haben dürfte, was einen
Pferdewechsel des Reitlehrers selbst nicht nahegelegt habe. Insoweit hat
aber die Revision zu Recht die fehlende Darlegung des Berufungsgerichts
gerügt, daß es über die besondere eigene Sachkunde verfügte, die
erforderlich war, um über diese reitsportliche Frage ohne
Sachverständigengutachten entscheiden zu dürfen (BGH, Urt. v. 02.03.1993 -
VI ZR 104/92, VersR 1993, 749 unter II 1 a).
cc) Allein deshalb, weil die Beklagte nicht dargelegt hat, daß der
Reitlehrer das unruhige Pferd dem Erblasser zuweisen durfte, hat sie sich
nicht entlastet. Die oben aufgezeigten anderen Glieder einer Ursachenkette,
die möglicherweise vorangegangen sind und ebenfalls als
Verschuldenstatbestände in Betracht kommen, brauchen daher beim derzeitigen
Sach- und Streitstand nicht geprüft zu werden.
2. Das angefochtene Urteil ist auch nicht etwa in Anbetracht des
Hinweises des Berufungsgerichts, daß der Erblasser das nervös gewordene
Pferd in Kenntnis seines Zustandes und freiwillig übernommen habe, im
Ergebnis dennoch - ganz oder teilweise - richtig (§ 563 ZPO in der bis
zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, jetzt: § 561 ZPO). Falls das
Berufungsgericht mit seinem Hinweis ein Mitverschulden des Erblassers
feststellen wollte, hätte es verkannt, daß die Berufung der Beklagten auf
die dem Erblasser damals offenstehende Möglichkeit, die Übernahme des
nervösen Pferdes zu verweigern, ein gegen Treu und Glauben verstoßendes und
damit unzulässiges widersprüchliches Verhalten darstellt (§ 242 BGB).
Die sich im Gelände befindliche Gruppe der Reiter war dadurch, daß das
13-jährige Mädchen den Hengst "Mistral" nicht weiterreiten konnte, in
Schwierigkeiten geraten. Wenn der Reitlehrer in dieser Situation den
Erblasser fragte, ob er "Mistral" übernehmen wolle, so handelte es sich um
ein Hilfeersuchen und bei der Einverständniserklärung des Erblassers um
einen Akt der Hilfeleistung gegenüber dem für die Gruppe verantwortlichen
Reitlehrer. Da dieser ein Erfüllungsgehilfe der Beklagten war, kam die
Hilfsbereitschaft des Erblassers auch ihr zugute. Deshalb widerspricht es
Treu und Glauben, wenn die Beklagte aus der Hilfsbereitschaft des Erblassers
nunmehr einen Verschuldensvorwurf herleitet. Wer eine freiwillige
Hilfeleistung erbittet, bei welcher der Helfer dann zu Schaden kommt,
handelt widersprüchlich, wenn er anschließend allein aus dem Umstand, daß
der Helfer seiner Bitte nachgekommen ist und sich dadurch in Gefahr begeben
hat, den Vorwurf des Mitverschuldens herleitet.
III. Das angefochtene Urteil kann wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers
keinen Bestand haben; es ist aufzuheben. Die Sache ist zur tatrichterlichen
Prüfung der weiteren Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs der Kläger
- ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ihnen durch den Unfall des
Erblassers ein Schaden entstanden ist - an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen.
1. Ein Grundurteil (§ 304 ZPO) des erkennenden Senats erscheint nicht
angebracht. Da die Beklagte ihr fehlendes Verschulden nicht dargelegt hat,
müßte zwar nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand der Klage dem Grunde
nach stattgegeben werden. Das Berufungsgericht hat aber durch seine
fehlerhafte Beurteilung der Darlegungs- und Beweislast zu dem mangelhaften
Vortrag der Beklagten beigetragen. Deshalb wäre es nicht gerechtfertigt, der
Beklagten durch ein Grundurteil die Gelegenheit zur etwaigen Ergänzung ihres
Vortrags zu nehmen.
2. Für den Fall, daß es aufgrund ergänzenden Vortrags der Beklagten in der
neuen Berufungsverhandlung auf die Vorwürfe der Kläger ankommen sollte, der
Betreiber des Reitstalls hätte nicht Reitausflüge mit mehreren Hengsten
durchführen, der Reitlehrer hätte den Hengst "Mistral" überhaupt nicht für
Ausritte einsetzen und er hätte ihn nicht einem 13-jährigen Mädchen zuteilen
dürfen, weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß insoweit die Beklagte
ihr und ihrer Erfüllungsgehilfen fehlendes Verschulden zum Teil ebenfalls
nicht dargelegt und im übrigen nicht bewiesen hat.
a) Soweit es darum geht, ob "Mistral" sich schon vor dem Unfall als für
Ausritte mit Touristen ungeeignet erwiesen hatte, hat die Beklagte zwar
vorgetragen, daß dieses Pferd nicht problematisch, sondern, wie alle im Club
gehaltenen Araberhengste, bestens für solche Ausritte geeignet gewesen sei
und sich niemals irgendwie auffällig oder gar gefährlich verhalten habe, und
für diese Behauptung auch durch Zeugenbenennung der Clubangestellten H. F.
und W. Beweis angetreten. Diesen Beweis hat die Beklagte indessen bisher
nicht erbracht.
Das Berufungsgericht hat diese Zeugen hierzu nicht vernommen, weil es, wie
die Revision zu Recht rügt, die Darlegungs- und Beweislast rechtsfehlerhaft
auf die Kläger verschoben hat. Dies zeigt sich an seinem Beweisbeschluß, der
davon ausgeht, daß nur die von den Klägern behaupteten beiden konkreten
Unfälle mit "Mistral" beweisbedürftig seien, sowie daran, daß es aufgrund
der Zeugenaussagen, wonach an diesen beiden Unfällen in Wirklichkeit andere
Pferde beteiligt waren und sich auch nur einer davon vor dem Unfall des
Erblassers ereignete, zu dem Ergebnis gekommen ist, vor dem Unfall des
Erblassers habe sich lediglich ein einziger und bis dahin - mangels
anderweitigen Nachweises - einmaliger Reitunfall ereignet. Da das
Berufungsgericht nicht verkannt haben kann, daß denkgesetzlich zwei Unfälle
mit anderen Pferden nicht den Schluß rechtfertigen, es habe keine weiteren
Unfälle und insbesondere keinen mit "Mistral" gegeben, läßt sich die
Schlußfolgerung des Berufungsgerichts nur durch eine Verlagerung der
Beweislast auf die Kläger erklären. Diese Beweislastverschiebung wird auch
in dem Satz der Urteilsgründe deutlich, die Kläger hätten für ihre
Behauptung, "Mistral" sei das schwierigste Pferd des Clubs gewesen, keinen
weiteren Beweis angetreten, obwohl die Beklagte immer wieder jegliche
Kenntnis einer Unzuverlässigkeit des Pferdes verneint habe.
Die Beklagte hat den ihr obliegenden Beweis für ihre Behauptung, "Mistral"
sei immer zuverlässig gewesen, auch nicht etwa schon durch die Bekundungen
erbracht, welche zwei der vom Berufungsgericht nur zu den beiden von den
Klägern behaupteten Unfällen vernommenen Zeugen, über die ihnen gestellten
Beweisfragen hinausgehend, zu der grundsätzlichen Eignung von "Mistral"
gemacht haben. Diese Äußerungen sind nicht aussagekräftig genug. Die Zeugin
L. , die geschrieben hat, daß sie "Mistral" vor und nach dem Unfall des
Erblassers erlebt und keinen Hinweis auf seine Unzuverlässigkeit gefunden
habe, war, worauf die Revision zutreffend hinweist, selbst nur Feriengast
und konnte deshalb mangels ausreichend langer Beobachtungsdauer keine
hinreichend überzeugungskräftige Aussage über die Zuverlässigkeit des
Pferdes treffen. Der Zeuge H. , der "Mistral" als geeignet beurteilt hat,
hat zum einen, worauf die Revision ebenfalls zu Recht hinweist, selbst die
Einschränkung gemacht, der Hengst sei "für die meisten Reiter" angenehm und
zuverlässig gewesen. Das läßt die Möglichkeit offen, daß er für nicht wenige
Reiter ungeeignet war. Zum anderen hat das Berufungsgericht Bedenken gegen
die Glaubwürdigkeit des Zeugen H. erwogen und deshalb seiner Aussage keinen
großen Beweiswert zugemessen.
Gegebenenfalls müßte das Berufungsgericht auch die Vernehmung der Zeugen
nachholen, welche die Kläger gegenbeweislich für ihre Behauptung benannt
haben, das Pferd "Mistral" sei als ein problematisches, aggressives Pferd
bekannt gewesen, mit dem es schon häufiger zu Reitunfällen gekommen sei.
Soweit das Berufungsgericht gemeint hat, die Kläger hätten hierfür keinen
weiteren Beweis angetreten, hat es rechtsfehlerhaft den Beweisantrag der
Kläger auf Vernehmung der Zeugen S. , We. , Hö. , B. und W. übergangen. Auch
dies rügt die Revision zu Recht. Der Beweisantrag ist nicht etwa
unbeachtlich, weil die Behauptung der Kläger nicht substantiiert genug wäre.
Bei einem Reisemangel, der, wie hier, aus dem Verantwortungsbereich des
Reiseveranstalters stammt, in den der Reisende in der Regel keinen Einblick
hat, kann der Reisende regelmäßig kaum mehr tun, als zur Widerlegung des
Entlastungsvortrags des Reiseveranstalters auf anderweit Gehörtes, etwa auf
unter den Mitreisenden umlaufende Gerüchte zurückzugreifen, auch wenn diese
wenig konkret sein mögen.
b) Hinsichtlich des Vorwurfs der Kläger, es hätten nicht nur Hengste für den
Ausritt eingesetzt werden dürfen, weil deren Verhalten untereinander äußerst
problematisch sei, hat das Berufungsgericht ebenfalls die Darlegungs- und
Beweislast der Beklagten verkannt. Diese hat nichts dazu vorgetragen, ob und
weshalb der Einsatz mehrerer Hengste für einen Reitausflug für die
Reisegäste nicht gefährlich war. Die gegenteilige Behauptung der Kläger war,
anders als das Berufungsgericht angenommen hat, nicht wegen fehlenden
Bezuges zum konkreten Fall unbeachtlich. Die Kläger haben die Existenz einer
allgemeinen Regel des Reitsports - daß der Betreiber eines Reitstalls keine
Gruppenausflüge mit mehreren oder nur mit Hengsten anbieten darf -
behauptet, die gegebenenfalls im konkreten Fall verletzt wurde. Die
Feststellung des Berufungsgerichts, die Behauptung einer solchen Regel sei
abwegig und deshalb unbeachtlich, läßt wiederum die Darlegung der eigenen
Sachkunde des Berufungsgerichts vermissen.
c) Für den Fall einer erneuten Beweisaufnahme gibt der Senat schließlich
noch folgenden Hinweis: Falls es auf die Behauptung der Beklagten ankommen
sollte, "Mistral" sei vorher nicht auffällig geworden, hat das
Berufungsgericht die bisher unterbliebene Beweisaufnahme hierzu durch
Vernehmung der drei von der Beklagten benannten Zeugen nachzuholen. Sollte
es erneut eine schriftliche Beantwortung von Beweisfragen in Erwägung
ziehen, wird es prüfen müssen, ob es dies im Hinblick auf den Inhalt der
Beweisfrage und die Person der Zeugen für ausreichend erachten darf (§ 377
Abs. 3 ZPO). Bei Mitarbeitern einer Partei sowie bei Bedenken gegen die
Vertrauenswürdigkeit eines Zeugen wird die schriftliche Befragung in der
Regel ausscheiden (Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 377 Rdn. 8).
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