Anfechtung
der Erbschaftsannahme wegen Eigenschaftsirrtums nach § 119 II BGB (Irrtum
über die Zusammensetzung des Nachlasses)
BGH, Urteil vom 08.02.1989
- IVa ZR 98/87
Fundstelle:
BGHZ 106, 359
NJW 1989, 2885
Zur Abgrenzung (Irrtum über den Wert des Nachlasses) s.
BayObLGZ 1995, 120.
Amtl. Leitsätze:
1. Die Verbindung von
Erbverzicht und einem Vermächtnis zugunsten des Verzichtenden in einem und
demselben notariellen Vertrag spricht für einen (kausalen) Zusammenhang
zwischen beidem und damit für ein vertragsmäßiges Vermächtnis.
2. Die Anfechtung eines Vermächtnisses ist nicht i. S. von § 2083 BGB „nach
§ 2082 BGB ausgeschlossen“, wenn dem Anfechtungsrecht bereits § 2285 BGB
entgegensteht.
3. Die Annahme einer Erbschaft kann wegen Irrtums über eine
verkehrswesentliche Eigenschaft der Sache „Nachlaß" anfechtbar sein, wenn es
um die Belastung des Nachlasses mit wesentlichen Verbindlichkeiten geht,
deren Bestand ungeklärt ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Irrtum ein
Vermächtnis betrifft, das den Nachlaß derart belastet, daß der Pflichtteil
des Erben gefährdet wäre.
4. Die Ausschlagung einer Erbschaft, auch diejenige gem. § 1957 I BGB,
bewirkt keine Rechtsnachfolge i. S. von § 265 ZPO vom „vorläufigen“ auf den
„endgültigen“ Erben. Einer so weit gehenden Ausdehnung des § 265 ZPO steht
auch § 2306 I 2 BGB entgegen.
5. Hält der Kläger sein Begehren aufrecht, obwohl der eingeklagte Anspruch
im Laufe des Rechtsstreits unbegründet geworden ist, und erklärt er die
Hauptsache nur hilfweise (einseitig) für erledigt, dann muß die Klage
abgewiesen werden; für einen zusätzlichen Urteilsausspruch des Gerichts, die
Hauptsache sei (auch) erledigt, ist daneben kein Raum.
Zum
Sachverhalt:
Der am 13. 8. 1983 verstorbene Ehemann der Kl. und Vater der Bekl.
(Erblasser) hinterließ ein Hausgrundstück in O. Aufgrund Erbvertrages des
Erblassers mit der Bekl. vom 17. 9. 1980 wurde er von dieser allein beerbt.
Nach dem Erbfall ließ sie sich als Eigentümerin im Grundbuch eintragen. Die
Kl. beansprucht das Grundstück für sich und stützt sich dabei auf ihren
notariellen Vertrag mit dem Erblasser vom 18. 4. 1951, in dem dieser ihr das
Grundstück „unentgeltlich zu Alleineigentum vermacht" hatte. Die Bekl. hält
dem u. a. entgegen, bei dem Vermächtnis handele es sich nicht um eine
vertragsmäßige, sondern um eine einseitige Verfügung des Erblassers, die
dieser in dem Erbvertrag vom 17. 9. 1980 wirksam widerrufen habe. Dort hatte
der Erblasser erklärt, er habe in dem Erbvertrag von 1951 „erst keine
Bindung eingehen und Herr seines Vermögens bleiben wollen, und zwar so, daß
er immer noch frei unter Lebenden habe verfügen können“. Überdies beruft
sich die Bekl. auf ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 2083 BGB. Der Kl.
hätte nämlich der Pflichtteil entzogen werden können, weil sie den Erblasser
grausam mißhandelt und ihn auch daran gehindert habe, sich mit einem Notar
zu beraten. Inzwischen hat die Bekl. in öffentlich beglaubigter Erklärung
vom 21. 12. 1984 „die Versäumung der Ausschlagungsfrist“ gegenüber dem
NachlaßGer. angefochten und die Erbschaft ausgeschlagen.
LG und OLG haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Bekl. blieb
erfolglos.
Aus
den Gründen:
I. Unbegründet ist die Klage entgegen der Auffassung der Revision allerdings
nicht schon deshalb, weil der Erblasser die Zuwendung des Grundstücks an die
Kl. in dem Vertrag von 1951 durch seine spätere Verfügung von Todes wegen
vom 17. 9. 1980 aufgehoben hätte oder weil die Zuwendung sonst unwirksam
wäre.
1. Mit Recht sieht das BerGer. den Vertrag des Erblassers mit der Kl. vom
18. 4. 1951 als Erbvertrag und die darin ausgesprochene Zuwendung des
Grundstücks an die Kl. als vertragsmäßiges Vermächtnis und nicht als
Erbeinsetzung an. Dabei ist das BerGer., wie die Revision zutreffend
ausführt, zwar nicht näher darauf eingegangen, daß der Erblasser in dem
späteren Erbvertrag von 1980 angegeben hat, er habe in dem Erbvertrag von
1951 „(zu-) erst keine Bindung eingehen und Herr seines Vermögens bleiben
wollen". Das ist aber unschädlich. Denn diese nachträgliche und einseitige
Erklärung des Erblassers bietet für die Auslegung in dem von der Bekl.
gewünschten Sinne keinerlei Hilfe. Maßgebend für die Auslegung eines
Vertrages - auch eines Erbvertrages - ist das, was die Vertragsteile erklärt
haben und wie das Erklärte aus der Sicht des anderen Teiles zu verstehen war
(§ 157 BGB). Was der Erblasser - einseitig - gewollt (und nicht auch
geäußert) hat, fällt dagegen, solange es dem anderen Teil verborgen bleibt,
bei der Auslegung hier nicht ins Gewicht.
Daß es sich bei dem Grundstücksvermächtnis um eine vertragsmäßige Verfügung
(§ 2278 BGB) und nicht nur um eine einseitige Verfügung von Todes wegen (§
2299 I BGB) handelt, hat das BerGer. rechtsfehlerfrei angenommen. Soweit in
einem notariellen Vertrag einer Person etwas durch Verfügung von Todes wegen
zugewendet wird, die an dem Vertrag selbst beteiligt ist, ist die Annahme
einer vertragsmäßigen Zuwendung besonders nahegelegt (BGHZ 26, 204 (208) =
NJW 1958, 498 = LM § 2289 BGB m. Anm. Johannsen; vgl. auch BGHZ 36, 115
(120) = NJW 1962, 343 = LM § 2048 BGB m. Anm. Mattern). Daß der Vertrag
zugleich einen gegenseitigen Erbverzicht enthält, steht dem nicht entgegen.
Vielmehr spricht die Verbindung von Erbverzicht und Zuwendung an die Kl. in
einem und demselben notariellen Vertrag umgekehrt für einen Zusammenhang
zwischen dem Vermächtnis zugunsten der Kl. und ihrem Verzicht auf jedes
weitere Erbrecht nach dem zwanzig Jahre älteren Erblasser und damit
ebenfalls für ein vertragsmäßiges Vermächtnis.
2. Das hat zur Folge, daß der Erblasser das Vermächtnis zugunsten der Kl.
nicht einseitig, nämlich ohne deren förmliche Zustimmung (§§ 2290 ff. BGB)
aufheben konnte. Die entsprechende einseitige Verfügung von Todes wegen des
Erblassers in dem Erbvertrag von 1980 ist vielmehr gem. § 2289 I 2 BGB
ihrerseits unwirksam.
3. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Erblasser von dem
Vermächtnis auch nicht wirksam zurückgetreten (§§ 2294, 2335 Nr. 2 BGB).
Soweit die Revision den Erbvertrag vom 17. 9. 1980 zugleich als eine
Rücktrittserklärung ansehen will, kann sie damit schon deshalb keinen Erfolg
haben, weil diese Erklärung entgegen § 2296 II 1 BGB nicht der Kl. gegenüber
erfolgt und ihr auch, wie diese mit Recht betont, bei Lebzeiten des
Erblassers weder zugegangen noch auch nur i. S. von § 130 II BGB abgegeben
worden ist (RGZ 65, 270 (274); vgl. BGHZ 48, 374 (379 f.) = NJW 1968, 496 =
LM § 130 BGB m. Anm. Kreft).
4. Mit Recht hat das BerGer. die Klage auch nicht an § 2083 BGB scheitern
lassen. Nach dieser Vorschrift kann der Erbe die Erfüllung eines
anfechtbaren Vermächtnisses auch dann verweigern, wenn er die
Anfechtungsfrist des § 2082 BGB versäumt hat. Darauf kann die Bekl. sich
schon deshalb nicht stützen, weil die - nicht erklärte - Anfechtung hier
nicht „nach § 2082 BGB ausgeschlossen“ ist. Ein solcher Fall liegt nicht
vor, weil nicht die Bekl. die Anfechtungsfrist hat verstreichen lassen,
sondern weil bereits der Erblasser innerhalb der Frist des § 2283 BGB nicht
angefochten hat (§ 2281 BGB) und der Bekl. schon deshalb gem. § 2285 BGB
kein Anfechtungsrecht zustehen konnte.
Die Voraussetzungen der Vermächtnisunwürdigkeit gem. §§ 2345 I , 2339 I BGB
und eines daraus folgenden Leistungsverweigerungsrechts entsprechend § 2083
BGB hat das BerGer. rechtsfehlerfrei verneint.
II. Jedoch richtet sich der Vermächtnisanspruch der Kl. nicht (mehr) gegen
die Bekl., nachdem diese die Erbschaft ausgeschlagen hat. Das hat das BerGer.
im Ergebnis zutreffend erkannt.
1. Das BerGer. meint, die Bekl. habe die Erbschaft am 21. 12. 1984
rechtzeitig ausgeschlagen, weil sie die in § 1944 BGB (§ 2306 I 2 BGB)
vorausgesetzte Kenntnis erst seit einem Hinweis des LG in der mündlichen
Verhandlung vom 11. 12. 1984 gehabt habe. Bei dieser Überlegung ist nicht
berücksichtigt, daß die Bekl. die Erbschaft spätestens durch ihr
Prozeßverhalten angenommen hat. Eine schlichte Ausschlagung der Erbschaft
war daher nicht ausreichend (§ 1943 Alt. 1 BGB). Die von der Bekl.
ausdrücklich erklärte Anfechtung der „Versäumung der Ausschlagungsfrist“ (§
1956 BGB) genügte ebensowenig. Vielmehr bedurfte es einer Anfechtung der
Annahme (§§ 1954 , 1955 BGB). Wie den Umständen, insbesondere dem
erstinstanzlichen Schriftsatz der Bekl. vom 16. 11. 1984 einwandfrei zu
entnehmen ist, war die Anfechtung der (etwaigen) Annahme der Erbschaft in
der Erklärung der Bekl. vom 21. 12. 1984 jedoch mit gemeint. Die Anfechtung
war gem. § 119 II BGB begründet. Wie dem Zusammenhang der Urteilsgründe
(noch) zu entnehmen ist, will das BerGer. der Bekl. darin folgen, daß sie
sich - bis zu dem angeführten Hinweis des LG - auf den Erbvertrag von 1980
und darauf verlassen (und geglaubt) habe, daß das Vermächtnis zugunsten der
Kl. keinen Bestand habe. Das ist rechtlich einwandfrei und begründet einen
Eigenschaftsirrtum i. S. von § 119 II BGB in bezug auf die Erbschaft. Eine
verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses i. S. von § 119 II BGB (vgl.
RGZ 158, 50; BGH, NJW 1952, 778 L = LM § 779 BGB Nr. 2) wird weithin bejaht,
wenn es sich um die Überschuldung des Nachlasses handelt. Eine solche kann
aber auch dann anzunehmen sein, wenn es um die Belastung des Nachlasses mit
wesentlichen Verbindlichkeiten geht, deren rechtlicher Bestand ungeklärt
ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - der Irrtum ein Vermächtnis
betrifft, das den Nachlaß derart belastet, daß der Pflichtteil des
(vorläufigen) Erben gefährdet wäre. Dafür spricht auch § 2306 I 2 BGB, der
dem zum Erben berufenen nächsten Angehörigen die Möglichkeit eröffnen will,
seinen Pflichtteil durch Ausschlagung zu sichern, wenn er von den ihm
lästigen Beschränkungen und Beschwerungen Kenntnis erlangt. Eine Annahme der
Erbschaft, die der Erlangung der Kenntnis vorangegangen ist und insofern auf
unzutreffenden rechtlichen Vorstellungen beruht, kann dem im allgemeinen
nicht entgegenstehen.
Die Bekl. hat die Anfechtung innerhalb der Frist des § 1954 I BGB erklärt.
Wenn das BerGer. davon ausgeht, daß diese an das NachlaßGer. gerichtete
öffentlich beglaubigte Erklärung dort rechtzeitig eingegangen ist, dann ist
das rechtlich nicht zu beanstanden. Diese Anfechtung gilt gem. § 1957 I BGB
als rechtzeitige Ausschlagung, so daß die Erbschaft gem. § 1953 I BGB als
der Bekl. nicht angefallen anzusehen ist. Die Kl. kann von der Bekl. daher
nicht (mehr) die Erfüllung des Vermächtnisses verlangen. Schuldner des
Vermächtnisses sind vielmehr diejenigen Personen, die infolge der während
des Rechtsstreits erklärten Anfechtung rückwirkend Erben geworden sind (§
2147 S. 2 BGB); nach dem Vortrag der Bekl. im Revisionsverfahren handelt es
sich dabei um deren beide Kinder.
2. Was die Revisionserwiderung gegen die Wirksamkeit der Anfechtung
vorbringt, kann ihr nicht zum Erfolg verhelfen. Daß die Bekl. sich auf ihre
„Unkenntnis“ von dem rechtlichen Bestand des Vermächtnisses nicht berufen
habe, trifft ausweislich des in Bezug genommenen Schriftsatzes vom 26. 11.
1984 ... nicht zu. Die Bekl. zu diesem Punkt gem. § 448 ZPO von Amts wegen
zu vernehmen, war entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht
geboten.
III. Obwohl die Kl. auch nach der Auffassung des BerGer. keinen
materiellrechtlichen Anspruch gegen die Bekl. (mehr) hat, der ihren
Klageantrag stützen könnte, gibt es der Klage statt. Dabei stützt es sich
auf § 265 ZPO, der hier zumindest sinngemäß anzuwenden sei. Die Vorschrift
greife bei jeder Rechtsnachfolge ein, soweit nicht ein Fall von §§ 239 ff.
ZPO vorliege. Ihr Sinn treffe auch hier zu, wo die Bekl. durch ihre
Ausschlagung den Übergang der Erbschaft einschließlich des Grundstücks auf
Dritte bewirkt habe. Diese Ausführungen halten dem Angriff der Revision
nicht stand.
Entgegen der Auffassung des BerGer. findet bei der Ausschlagung einer
Erbschaft keine Rechtsnachfolge i. S. von § 265 ZPO (vom vorläufigen auf den
endgültigen Erben) statt. § 1953 I BGB nötigt vielmehr dazu, den
„vorläufigen Erben", der wirksam ausgeschlagen hat, materiellrechtlich von
Anfang an als Nichterben anzusehen. Statt dessen fällt die Erbschaft gem. §
1953 II BGB dem Nächstberufenen an. Dieser gilt vom Erbfall an (rückwirkend)
als Erbe; er ist der unmittelbare Rechtsnachfolger des Erblassers.
Geschäfte, die der scheinbare Erbe in der Zwischenzeit in bezug auf die
Erbschaft geführt hat, berühren die Rechtsstellung des endgültigen Erben,
soweit nicht Gutglaubensvorschriften eingreifen, daher nur nach Maßgabe des
§ 1959 BGB. Dementsprechend können auch rechtskräftige Urteile, die in
Rechtsstreitigkeiten des „Scheinerben“, seien es nun Aktiv- oder
Passivprozesse, ergangen sind, den endgültigen Erben grundsätzlich nicht
binden (vgl. z. B. Leipold, in: MünchKomm, § 1959 Rdnr. 12; § 1958 Rdnr. 9).
Ebensowenig wäre es gerechtfertigt, den Anwendungsbereich des § 265 ZPO so
weit auszudehnen, daß er sogar den Fall noch mit umfaßt, in dem kraft
Gesetzes an die Stelle des zunächst in Anspruch genommenen ein anderer
Schuldner tritt. Für die befreiende Schuldübernahme und auch für einen Fall,
in dem die Verpflichtung zur Zahlung einer Leibrente nach dem
zugrundeliegenden Vertrag zunächst den Vertragspartner A und später bei
Eintritt eines bestimmten Ereignisses den Vertragspartner B treffen sollte,
hat der BGH eine entsprechende Ausdehnung des § 265 ZPO bereits abgelehnt (BGHZ
61, 136 (142 ff.) = NJW 1973, 1749 = LM § 120 BBauG m. Anm. Arndt; LM § 265
ZPO Nr. 14). Für den vorliegenden Fall kann nichts anderes gelten. Zu den
Gründen, die zu diesen Entscheidungen geführt haben und die im wesentlichen
auch auf den vorliegenden Fall zutreffen, kommt noch hinzu, daß die
Anwendung des § 265 ZPO hier zu einer Gefährdung oder Vereitelung des
Pflichtteilsrechts der Bekl. führen könnte.
In einem Fall des § 2306 I 2 BGB, wie hier, muß der Erbe die ihn
beschwerenden Vermächtnisse voll tragen, und zwar grundsätzlich auch auf
Kosten seines eigenen Pflichtteils (vgl. BGHZ 95, 222 (227) = NJW 1985, 2828
= LM § 2818 BGB Nr. 2). Will der zum Erben Berufene dem entgehen, dann muß
er die Erbschaft ausschlagen. Dadurch sichert ihm das Gesetz die
Möglichkeit, stets in den Genuß seines vollen Pflichtteils zu kommen. Wegen
dieses Pflichtteils muß er sich dann an denjenigen halten, der infolge der
Ausschlagung Erbe ist. Dieser sieht sich zwar ebenfalls dem Vermächtnis
ausgesetzt, dem der Pflichtteilsberechtigte mit Hilfe der Ausschlagung
entgangen ist, kann dieses aber gegebenenfalls gem. § 2322 BGB soweit
kürzen, daß ihm der zur Deckung des (vorrangigen) Pflichtteils erforderliche
Betrag verbleibt (BGHZ 19, 309 (311) = NJW 1956, 507 = LM § 2322 BGB m. Anm.
Johannsen). Diese Fragen ließen sich jedoch auf dem vom BerGer. gewählten
Wege über § 265 ZPO nicht klären. Vielmehr müßte damit gerechnet werden, daß
die Kl. mit Hilfe des angefochtenen Urteils Eigentümerin des Grundstücks
würde. Dadurch würde ein etwaiges Vermächtniskürzungsrecht der neuen Erben
und dadurch zugleich auch die Durchsetzung des Pflichtteils der Bekl. ohne
Grund unnötigerweise mindestens erschwert.
IV. Hiernach ist die Klage infolge der Ausschlagung der Erbschaft durch die
Bekl. noch vor Einlegung der Berufung unbegründet geworden, d. h. sie hat
sich materiell erledigt (vgl. BGH, NJW 1986, 588 = LM § 91a ZPO Nr. 49). In
einer solchen Lage wird der Kl. den Rechtsstreit zweckmäßig in der
Hauptsache für erledigt erklären. Schließt der Bekl. sich dem
uneingeschränkt an, dann ist mit den übereinstimmenden
Erledigungserklärungen und durch sie die Rechtshängigkeit der Hauptsache
beendet (vgl. BGH, NJW 1967, 564 = LM § 91a ZPO Nr. 24) und gem. § 91a ZPO
nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden.
Stimmt der Bekl. der Erledigungserklärung des Kl. dagegen nicht zu, liegt
also nur eine einseitige Erledigungserklärung des Kl. vor, dann ist das
Gericht der Entscheidung über den für erledigt erklärten Klageantrag
jedenfalls insofern enthoben, als es diesem auf die einseitige
Erledigungserklärung des Kl. nicht mehr stattgeben kann (vgl. BGH, NJW 1965,
1597 = LM § 91a ZPO Nr. 22; RGZ 156, 372 (376)). Das ist der Grund, der es
rechtfertigt, den Streitwert regelmäßig auf den Betrag der bis zur
Erledigungserklärung entstandenen Kosten zu begrenzen (vgl. BGH, NJW 1986,
588 = LM § 91a ZPO Nr. 49). Vielmehr ist nach der ständigen Rechtsprechung
des BGH nur noch zu prüfen, ob die Klage bis zu dem behaupteten erledigenden
Ereignis zulässig und begründet war und ob sie durch das erledigende
Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Liegen diese
Voraussetzungen vor, dann spricht das Gericht die Erledigung durch Urteil
aus. Ist das nicht der Fall, weil die Klage ohnehin schon unzulässig oder
unbegründet war, dann weist das Gericht die Klage ab. Mit dieser
Rechtsprechung ist den Interessen beider Parteien gedient: Einerseits soll
sich der Kl. den Folgen einer von vornherein unzulässigen oder unbegründeten
Klage, wenn er deren Aussichtslosigkeit erkennt, durch seine einseitige
Erledigungserklärung nicht nachträglich entziehen können. Andererseits
sollen dem Bekl. keine prozessualen Vorteile daraus erwachsen, daß die bis
dahin zulässige und begründete Klage im Laufe des Rechtsstreits aussichtslos
geworden ist (vgl. BGH, NJW 1986, 588 = LM § 91a ZPO Nr. 49).
Nun ist die Kl. diesen Weg hier aber nicht gegangen. Sie hat vielmehr ihre
auf Leistung gerichtete Klage weiterverfolgt und auch noch im
Revisionsverfahren als Revisionsbekl. in erster Linie die Bestätigung des zu
ihren Gunsten ergangenen Berufungsurteils begehrt. Dieser trotz materieller
Erledigung aufrechterhaltene Hauptantrag kann keinen Erfolg haben; die
Zahlungsklage muß deshalb auf die Revision abgewiesen werden (BGH, NJW 1975,
163 (164) = LM - Allg. Geschäftsbedingungen - Nr. 58 m. Anm. Hiddermann).
Dem kann die Kl. durch ihre nur hilfsweise abgegebene Erledigungserklärung
nicht entgehen. Würde man der hilfsweise abgegebenen Erledigungserklärung
Bedeutung auch im Rahmen der Entscheidung über das zu Unrecht
aufrechterhaltene Leistungsbegehren beimessen, wie es der III. Zivilsenat
des BGH in einem Sonderfall mit seinem Urteil vom 7. 11. 1974 (WM 1975, 167;
teilweise abgedr. in NJW 1975, 539 = LM § 91a ZPO Nr. 33) möglicherweise
einmal für richtig gehalten hat, und die Klageabweisung zusätzlich davon
abhängig machen, daß die Klage auch bis zu dem erledigenden Ereignis schon
(unzulässig oder) unbegründet war, dann würde damit die Bekl. unangemessen
benachteiligt. Dabei würde nicht berücksichtigt, daß jeder Bekl. - wie § 269
I ZPO zeigt - grundsätzlich ein Recht auf ein Urteil über jeden gegen ihn
erhobenen prozessualen Anspruch hat (BGH, LM § 91a ZPO Nr. 39 = WM 1979,
1128). Ließe man zu, daß ein Kl. einen geltend gemachten prozessualen
Anspruch gerade für den Fall seiner Unbegründetheit mit Hilfe eines
Eventualantrages der Entscheidung des Gerichts entzieht, dann wäre dadurch
die prozessuale Stellung der Gegenpartei unangemessen beeinträchtigt. Da die
Klageforderung im vorliegenden Fall infolge der Ausschlagung tatsächlich
materiell erledigt ist, wäre im Hinblick auf § 91 ZPO außerdem das
Kostenrisiko des Rechtsstreits in unangemessener Weise von der Kl. auf die
Bekl. verlagert.
V. Erstmalig im Revisionsverfahren hat die Kl. hilfsweise den Rechtsstreit
in der Hauptsache für erledigt erklärt. Diese Erklärung, mit der die Kl. den
Ausspruch begehrt, der Rechtsstreit sei in der Hauptsache erledigt, verhilft
dieser aber nicht zu einem für sie günstigeren Ausgang des Rechtsstreits.
Eine Erledigungserklärung ist grundsätzlich auch dann zu berücksichtigen,
wenn der Kl. sie erst im Revisionsverfahren abgibt, und zwar gleichgültig,
ob der Bekl. der Erledigung zustimmt (vgl. z. B. BGH, LM § 91a ZPO Nr. 34)
oder weiterhin Klageabweisung beantragt. Das gilt jedenfalls dann, wenn das
erledigende Ereignis (wie hier die Ausschlagung der Erbschaft) außer Streit
ist (z. B. BGH, NJW 1976, 799 = LM § 91a ZPO Nr. 35 = WM 1976, 481; BGH, LM
§ 256 ZPO Nr. 121 = WM 1982, 619, 620 m. w. Nachw.). Der Senat hat auch
keine Bedenken dagegen, die Erledigungserklärung der Kl. zuzulassen, obwohl
die materielle Erledigung schon vor Einlegung der Berufung eingetreten ist
und die Erklärung darüber schon im Berufungsverfahren hätte abgegeben werden
können.
Die Erledigungserklärung der Kl. ist jedoch unbegründet; denn der
Rechtsstreit kann nicht durch Urteil wegen einer lange zurückliegenden
Erbschaftsausschlagung für schon erledigt erklärt werden, wenn die trotzdem
aufrechterhaltene Klage gerade erst abgewiesen werden muß. Ein derartiges
Urteil wäre widersprüchlich und würde der entstandenen prozessualen Lage
nicht gerecht.
Demgemäß hat der VIII. Zivilsenat des BGH ausgesprochen, daß für eine
Erledigungserklärung kein Raum ist, wenn der Kl. seine Räumungsklage in
erster Linie aufrecht hält, obwohl der Räumungsanspruch bereits erfüllt ist
(NJW 1967, 564 (565) = LM § 91a ZPO Nr. 24). In die gleiche Richtung weist
es, wenn das BAG es für unzulässig erklärt hat, wenn der Bekl. einer
Erledigungserklärung des Kl. nur hilfsweise für den Fall der Unbegründetheit
seines Klageabweisungsantrages zustimmt (BAG, AP § 91a ZPO Nr. 11).
Ebensowenig könnte es einem Bekl. helfen, wenn er nach dem
Klageabweisungsantrag den Klageanspruch hilfsweise anerkennen, oder dem Kl.,
wenn er nach seinem Klageantrag hilfsweise einen Klageverzicht erklären
wollte.
Hiernach ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen. Diese
Entscheidung deckt sich nicht mit der Begründung, die der III. Zivilsenat
seinem Urteil vom 7. 11. 1974 (WM 1975, 167; teilweise abgedr. in NJW 1975,
539 = LM § 91a ZPO Nr. 33) gegeben hat. Dennoch bedarf es keiner Anrufung
des Großen Senats für Zivilsachen. Der III. Zivilsenat hat das
Berufungsurteil in der Entscheidung des ihm vorliegenden Sonderfalls nicht
etwa deshalb aufgehoben, weil das BerGer die Klage abgewiesen hatte. Der
III. Zivilsenat hat vielmehr ausdrücklich hervorgehoben, daß die vom LG
ausgesprochene Verurteilung - nach der Erfüllung der Klageforderung - nicht
bestehen bleiben konnte. Die Aufhebung beruht dementsprechend nur darauf,
daß das BerGer. in jener Sache nicht auf die hilfsweise abgegebene
Erledigungserklärung eingegangen war. Seinerzeit war anzunehmen, daß der Kl.
seinen Zahlungsantrag fallen lassen und nur noch einseitig die Erledigung
der Hauptsache erklären werde. Dementsprechend beziehen sich die Hinweise
des III. Zivilsenats für die weitere Verhandlung nur noch darauf, wie das
BerGer. in einer solchen Lage zu verfahren hatte. Wie zu entscheiden ist,
wenn der Kl. seinen Klageantrag trotz inzwischen eingetretener Erfüllung
aufrecht hält und die Hauptsache nur hilfsweise für erledigt erklärt, sagt
das Urteil dagegen nicht. Anhaltspunkte dafür, daß der III. Zivilsenat in
einer derartigen Lage - anders als der erkennende Senat - a) nicht die
Klageabweisung, sondern die Erledigung der Hauptsache oder aber b)
Klageabweisung und Erledigung nebeneinander ausgesprochen haben würde,
lassen sich der Entscheidung nicht entnehmen.
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