BGHZ 107, 142
NJW 1989, 1934
LM § 307 ZPO Nr. 8
MDR 1989, 803
DB 1989, 1670
WM 1989, 1106
ZIP 1989, 736
FamRZ 1989, 847
Zur Wirksamkeit und zum Widerruf eines Anerkenntnisses "Zug um Zug"
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Aus dem
Versteigerungserlös eines ihnen zu je hälftigem Miteigentum gehörenden
Einfamilienhauses sind zu ihren Gunsten bei der Hinterlegungsstelle des
AG U. noch insgesamt 126754,99 DM hinterlegt. Die Kl., die den Auszahlungsanspruch
des Bekl. gegen die Hinterlegungsstelle bereits aufgrund eines beim LG
E. (16 O 545/84) erwirkten Arrestes gepfändet hatte, hat von ihm die
Zustimmung zur Auszahlung eines Betrages von 98217,56 DM nebst Zinsen verlangt.
In der mündlichen Verhandlung des LG vom 24. 4. 1986 hat der Bekl.
den Anspruch in Höhe von insgesamt 82785,23 DM anerkannt, und zwar
Zug um Zug gegen den Verzicht der Kl. auf ihre Rechte aus den Arrestbeschlüssen
des LG E., sowie gegen die Zustimmung der Kl. in die Auszahlung eines weiteren
bei der Hinterlegungsstelle des AG U. zu 7 HL 47/85 hinterlegten Betrages
von 2742,51 DM nebst Zinsen an ihn. Im übrigen hat er die Abweisung
der Klage beantragt.
Das LG hat der Klage in Höhe von 90279,33
DM nebst Zinsen stattgegeben. Die vom Bekl. geltend gemachten Zurückbehaltungsrechte
hat es im Hinblick auf die von der Kl. ausgebrachte Pfändung verneint.
Hiergegen hat der Bekl. Berufung eingelegt, mit der er die Herabsetzung
seiner Verurteilung auf einen Betrag von 83219,62 DM erstrebt hat, die
in Höhe eines Teilbetrages von 43535,37 DM nur Zug um Zug gegen die
Zustimmung der Kl. in die Auszahlung des gleichhohen Restbetrages der Hinterlegung
an ihn zu erfolgen habe, hilfsweise Zug um Zug gegen den Verzicht der Kl.
auf ihre Rechte aus den Arrestbeschlüssen des LG E. Das OLG hat das
Urteil erster Instanz dahin geändert, daß der Bekl. der Auszahlung
eines Betrages von lediglich 87795,83 DM ohne Zinsen an die Kl. zuzustimmen
hat. Die vom Bekl. geltend gemachten Zurückbehaltungsrechte hat es
im Hinblick auf sein erstinstanzliches Anerkenntnis verneint. Der Bekl.
hat Revision eingelegt, soweit zu seinem Nachteil erkannt worden ist.
Der Senat hat die Revision nur insoweit angenommen,
als mit ihr (a) hinsichtlich des erstinstanzlich anerkannten Betrages von
82785,23 DM ein Zurückbehaltungsrecht bis zum Verzicht der Kl. auf
ihre Rechte aus den Arrestbeschlüssen des LG E. im Verfahren 16 O
545/84, und (b) hinsichtlich des darüber hinaus vom OLG zuerkannten
Betrages von 5010,60 DM ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Einwilligung
der Kl. (vorbehaltlich ihrer Rechte aus der Pfändung) in die Auszahlung
des hinterlegten Restbetrages von 38959,16 DM an den Bekl. weiterverfolgt
wird. In der Revisionsverhandlung hat die Kl. auf ihre Rechte aus den Arrestbeschlüssen
des LG E. verzichtet. Die Parteien haben daraufhin die Hauptsache hinsichtlich
des Zurückbehaltungsrechtes zu a) der Annahmeentscheidung für
erledigt erklärt. Die Revision des Bekl. hatte in dem im Streit verbliebenen
Teil Erfolg.
Aus den Gründen:
1. Da der Senat die Revision insoweit nicht angenommen
hat, ist rechtskräftig entschieden, daß von den zugunsten der
Parteien noch hinterlegten 126754,99 DM der Kl. 87795,83 DM zustehen, dem
Bekl. der Rest von 38959,16 DM. Ferner ist das vom Bekl. geltend gemachte
Zurückbehaltungsrecht zu a) der Annahmeentscheidung infolge der übereinstimmenden
Erledigungserklärungen der Parteien außer Streit; insoweit ist
gem. § 91a ZPO nur noch über die Kosten zu entscheiden. In der
Sache ist daher lediglich über das Zurückbehaltungsrecht zu b)
der Annahmeentscheidung zu befinden.
2. Dieses Zurückbehaltungsrecht macht der
Bekl. zu Recht geltend, so daß seine Revision Erfolg hat. Stehen
jedem von mehreren Hinterlegungsbeteiligten hinterlegte Beträge zu,
so kann jeder die Zustimmung zur Auszahlung an einen anderen verweigern,
bis er von diesem die Freigabe des ihm selbst zustehenden Betrages erhält
(BGHZ 90, 194 (196) = NJW 1984, 2526 = LM § 273 BGB Nr. 39; Senat,
NJW 1989, 451 = LM § 571 BGB Nr. 30 = FamRZ 1989, 166 (168)). Von
diesem Recht macht der Bekl. mit dem in Rede stehenden Zurückbehaltungsrecht
Gebrauch. Ihm steht nicht entgegen, daß die Kl. seinen Auszahlungsanspruch
gegen die Hinterlegungsstelle gepfändet hat. Denn diese Pfändung
berührt nicht sein Recht, als Hinterlegungsbeteiligter von der Kl.
- vorbehaltlich ihrer Rechte aus der Pfändung - schon jetzt zu verlangen,
daß sie der Auszahlung seines Anteils zustimmt (BGHZ 90, 194 (197)
= NJW 1984, 2526 = LM § 273 BGB Nr. 39).
Entgegen der Ansicht des OLG scheitert das Zurückbehaltungsrecht
des Bekl. auch nicht an seinem vor dem LG erklärten Anerkenntnis.
Dieses betraf nur den Anspruch der Kl. auf Freigabe von 82785,23 DM, nicht
aber den hier allein in Rede stehenden weiteren Betrag von 5010,60 DM,
in dessen Auszahlung er nach dem Berufungsurteil darüber hinaus einzuwilligen
hat. In Höhe dieses Betrages wird er daher durch sein Anerkenntnis
nicht gehindert, dem Klagebegehren ein Zurückbehaltungsrecht entgegenzusetzen,
das er bei dem Anerkenntnis noch nicht geltend gemacht hatte. Das hat das
BerGer. verkannt.
Mithin ist das angefochtene Urteil dahin abzuändern,
daß die Kl. (vorbehaltlich ihrer Rechte aus der Pfändung) in
Höhe eines Teilbetrages von 5010,60 DM der ihr zustehenden 87795,83
DM die Freigabe nur Zug um Zug gegen ihre eigene Zustimmung zur Auszahlung
des hinterlegten Restbetrages von 38959,16 DM an den Bekl. verlangen kann.
3. Bei der Entscheidung über die Verfahrenskosten
erscheint es aufgrund des Sach- und Streitstandes vor der Erledigung angemessen
(§ 91a ZPO), mit dem auf das erledigte Zurückbehaltungsrecht
zua) der Annahmeentscheidung entfallenden Kostenteil die Kl. zu belasten.
Der Bekl. hat in erster Instanz ihren Freigabeanspruch
in Höhe von 82785,23 DM anerkannt, u. a. mit der Einschränkung,
daß er nur Zug um Zug gegen den Verzicht der Kl. auf ihre Rechte
aus den Arrestbeschlüssen des LG E. zu verurteilen sei. Das Anerkenntnis
ist im Sitzungsprotokoll unter Beachtung von § 160 III Nr. 1 ZPO festgestellt
worden; entgegen § 162 I ZPO fehlt allerdings der Vermerk, daß
die vorläufigen Aufzeichnungen insoweit vorgelesen und genehmigt worden
sind. Dieser Verstoß stellt die Wirksamkeit des Anerkenntnisses aber
nicht in Frage. Wie der Senat bereits zu dem in dieser Hinsicht ebenso
geregelten Rechtsmittelverzicht entschieden hat (NJW 1984, 1465 = LM §
160 ZPO Nr. 5 = FamRZ 1984,372), berührt ein Verstoß gegen §
162 I ZPO nicht die Wirksamkeit der Prozeßerklärung, wenn deren
Abgabe und Inhalt anderweitig festgestellt werden können. Dies gilt
auch für das prozessuale Anerkenntnis (ebenso etwa Stein-Jonas-Leipold,
ZPO, 20. Aufl., § 307 Rdnr. 19). Hier stehen Abgabe und Inhalt des
Anerkenntnisses des Bekl. außer Streit.
Das BerGer. hat aus dem Anerkenntnis eine Bindung
des Inhalts gefolgert, daß der Bekl. seine Zustimmung zur Auszahlung
an die Kl. nicht mehr von einer weiteren Gegenleistung, als im Anerkenntnis
vorbehalten, abhängig machen könne. Das erstmals mit dem Hauptantrag
der Berufung geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht bis zur Einwilligung
der Kl. in die Auszahlung des ihm zustehenden Restbetrages sei daher nicht
zu berücksichtigen.
Dem tritt der Senat bei, soweit das Anerkenntnis
des Bekl. reicht, es also um seine Zustimmung zur Auszahlung von 82785,23
DM geht. Ein prozessuales Anerkenntnis kann nicht nur den Inhalt haben,
daß der Bekl. den Klageanspruch ganz oder teilweise vorbehaltlos
anerkennt, sondern auch den, daß er vorbehaltlich einer Gegenleistung
des Kl. anerkennt und sich nur einer entsprechenden Zug-um-Zug-Verurteilung
beugt. Dies entspricht fast einhelliger Auffassung im neueren Schrifttum,
der der Senat folgt (vgl. Stein-Jonas-Leipold, ZPO, § 307 Rdnr. 6;
Wieczorek, ZPO, 2. Aufl. § 306 Anm. B II b 3; Baumbach-Lauterbach-Hartmann,
ZPO, 47. Aufl., § 307 Anm. 2 A; Rosenberg-Schwab, ZPR, 14. Aufl.,
§ 134 IV 2, S. 841; M. Wolf, Anerkenntnis im ProzeßR, 1969,
S. 11, 94 f.; Arens, ZZP 83, 360 f.; Schilken, ZZP 90, 182; offengelassen
noch in BGH, NJW 1962, 628 = LM § 322 BGB Nr. 1). Es handelt sich
um ein inhaltlich eindeutiges Anerkenntnis, das lediglich eingeschränkt
ist. Zwar kann darauf ein Anerkenntnisurteil i. S. von § 307 ZPO nur
ergehen, wenn der Kl. seinen Sachantrag der Einschränkung anpaßt
und auf diese Weise seinerseits das Gegenrecht anerkennt (Wolf, S. 95);
auch wenn dies nicht geschieht, ist der Bekl. aber an sein Anerkenntnis
gebunden und kann das Gericht sein Urteil ohne Sachprüfung auf die
anerkannte Rechtsfolge gründen. Denn das Anerkenntnis ist nach richtiger
Ansicht eine prozessuale Ergänzung der rechtsgeschäftlichen Verfügungsbefugnis
des Anerkennenden (Wolf, S. 65 f.). Diese Ansicht liegt bereits
der Entscheidung des BGH in BGHZ 10, 333 =
NJW 1953, 1830 = LM § 307 ZPO Nr. 1 zugrunde, wo der Kl. es abgelehnt
hatte, den Prozeßantrag nach § 307 ZPO zu stellen. Wenn der
Kl. auf einer einschränkungslosen Verurteilung besteht, entscheidet
das Gericht streitmäßig lediglich über die Durchsetzbarkeit
des Anspruchs im Hinblick auf das geltend gemachte Gegenrecht. Wird dieses
bejaht, wird eine entsprechende Verurteilung Zug um Zug ausgesprochen;
wird es verneint, wird der Bekl. einschränkungslos verurteilt. In
beiden Fällen ist das Urteil zwar kein Anerkenntnisurteil i. S. von
§ 307 ZPO, hat aber ein wirksames Anerkenntnis zur Entscheidungsgrundlage
(vgl. Arens, S. 361).
Im vorliegenden Fall kommt es vornehmlich darauf
an, ob der Bekl. an sein - nach dem Vorangegangenen wirksames - Anerkenntnis
gebunden ist. Eine solche Bindung folgt allgemein aus dem Charakter des
Anerkenntnisses als grundsätzlich unwiderruflicher Prozeßhandlung
(vgl. Senat, BGHZ 80, 389 = NJW 1981, 2193 = LM § 323 ZPO Nr. 20 L).
Bei einem eingeschränkten Anerkenntnis der vorliegenden Art gilt insoweit
nichts besonderes. Macht der Bekl. die von ihm anerkannte Leistung nachträglich
von einer weiteren oder einer anderen Gegenleistung abhängig als derjenigen,
von der er sie bei Abgabe des Anerkenntnisses abhängig gemacht hat,
so liegt darin ein - wie das BerGer. zutreffend erkannt hat - grundsätzlich
unbeachtlicher Widerruf seines Anerkenntnisses. Denn er nimmt das Zugeständnis,
den Klageanspruch gegen eine bestimmte Gegenleistung erfüllen zu wollen,
jedenfalls teilweise wieder zurück, wenn er später andere, dem
Kl. möglicherweise lästigere, oder zusätzliche Gegenleistungen
verlangt. Ob danach ein Widerruf vorliegt, ist im Einzelfall eine Frage
der Auslegung des Anerkenntnisses. Dem BerGer. ist darin beizustimmen,
daß das mit dem Hauptantrag der Berufung geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht
größtenteils zu dem Anerkenntnis des Bekl. vom 24. 4. 1986 in
Widerspruch steht und daher einen unbeachtlichen Widerruf darstellt. Gründe,
die diesen ausnahmsweise rechtfertigen könnten (BGHZ 80, 389 (394)
= NJW 1981, 2193 = LM § 323 ZPO Nr. 20 L), sind nicht geltend gemacht
und nicht ersichtlich.
Mit dem Hilfsantrag der Berufung ist der Bekl.
aber auf ein schon mit dem Anerkenntnis geltend gemachtes Gegenrecht zurückgekommen,
nämlich auf sein Zurückbehaltungsrecht bis zum Verzicht der Kl.
auf ihre Rechte aus den Arrestbeschlüssen des LG E. Insoweit lag daher
ein Widerruf seines Anerkenntnisses nicht vor, so daß eine sachliche
Prüfung veranlaßt war, wie sie das BerGer. auch vorgenommen
hat. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der Bekl. dieses Zurückbehaltungsrecht
treuwidrig ausübe und daher damit nicht durchdringen könne. Zum
einen wende er sich gegen eine im wesentlichen unbestrittene Forderung
mit einem Gegenanspruch, dessen Klärung schwierig und zeitraubend
sei. Zum anderen sei dieser Gegenanspruch im Verhältnis zur gerechtfertigten
Forderung der Kl. nur geringfügig; denn die Kl. mache den Verzicht
lediglich davon abhängig, daß der Bekl. restliche 735,40 DM
zahle.
Die Revision hat demgegenüber gem. §
286 ZPO gerügt, daß das BerGer. den Prozeßstoff nicht
zureichend ausgewertet habe. Diese Rüge war begründet. Unstreitig
haben sich die Parteien durch Prozeßvergleich vom 11. 12. 1984 dahin
geeinigt, daß die Kl. nach Zahlung von 5000 DM zu Händen von
Rechtsanwalt Z auf ihre Rechte aus den Arrestbeschlüssen verzichte.
Gegenüber der unter Beweis gestellten Behauptung des Bekl., die Kl.
habe den Vergleichsbetrag bereits erhalten, hat diese sich darauf berufen,
ein Restbetrag von 735,40 DM stehe noch offen. Wie sich aus dem Inhalt
der Akten, insbesondere einem von der Kl. selbst vorgelegten Schreiben
des Rechtsanwalts Z vom 8. 9. 1986 ergibt und von ihr in der Revisionsverhandlung
auch eingeräumt worden ist, handelte es sich bei diesem Betrag aber
um festgesetzte Kosten, die sie nicht zu beanspruchen, sondern im Gegenteil
ihrerseits dem Bekl. zu erstatten hatte. Ihrer Verpflichtung, auf die Rechte
aus den Arrestbeschlüssen zu verzichten, stand daher nichts mehr im
Wege.
Die Kl. hat denn auch in der Revisionsverhandlung
nur noch geltend gemacht, sie habe den Verzicht bereits im Jahre 1985 erklärt.
Auch damit konnte sie dem Zurückbehaltungsrecht des Bekl. aber nicht
begegnen. Abgesehen davon, daß das von ihr vorgelegte Schreiben an
das AG U. vom 25. 11. 1985 den geschuldeten Verzicht nicht ergibt, weil
dieser gegenüber dem Bekl. zu erklären war, hätte dieses
Vorbringen nach § 561 ZPO nicht berücksichtigt werden können.
Die Hauptsache hat sich daher erst dadurch erledigt, daß die Kl.
den geschuldeten Verzicht in der Revisionsverhandlung erklärt hat.
Da sie nur dadurch ihr Unterliegen in diesem Punkt vermieden hat, entspricht
es der Billigkeit, ihr die der Teilerledigung zuzurechnenden Verfahrenskosten
aufzuerlegen.
Insgesamt ist die Kl. wegen der Zurückbehaltungsrechte
des Bekl. im wesentlichen unterlegen, wobei die erheblich ins Gewicht fallende
Freigabe des hinterlegten Restbetrages allerdings erstmals in zweiter Instanz
verlangt worden ist. Danach kann die getroffene Entscheidung über
die Kosten erster Instanz bestehenbleiben, während die Kosten der
Rechtsmittelverfahren überwiegend zu Lasten der Kl. gehen.