Leistungsbeziehungen bei nichtiger und nicht zurechenbarer Anweisung (Überweisungsfälle)
BGH, Urt. v. 20.6.1990
Fundstellen:

BGHZ 111, 382
NJW 1990, 3194
S. auch die Anmerkung zu
BGH v. 21.1.2010 - IX ZR 226/08


Amtl. Leitsatz:

Eine Bank, welche eine wegen Geschäftsunfähigkeit des Anweisenden nichtige Anweisung ausführt, erwirbt damit keinen Bereicherungsanspruch gegen den Anweisenden.


Sachverhalt:

Der Kläger nahm in den Jahren 1982 und 1983 bei der B.T.Bank (BTB) zwei Darlehen über insgesamt 20000 DM auf. Hiervon zahlte die BTB 13.000 DM an den Kläger persönlich und 7.000 DM auf dessen Anweisung an die N.-B. aus. Der Kläger zahlte in der Folgezeit auf diese Darlehen teils persönlich teils über einen Kreditverein 33922,66 DM an die BTB.
Im Jahre 1986 erhielt der Kläger für die Vertretung bei der Vermögenssorge einen Gebrechlichkeitspfleger, der die Rückzahlung von 21291,26 DM von der BTB verlangte. Mit ihm kam die Beklagte überein, etwaige Verbindlichkeiten der BTB aus den beiden Kreditverträgen zu übernehmen. Sie zahlte im Oktober 1988 an den Kläger 11383,36 DM.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug zuletzt die Rückzahlung weiterer 9907,90 DM verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger zuletzt noch die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 7000 DM begehrt. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zur Zahlung dieses Betrages verurteilt. Die zugelassene Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg.

Aus den Gründen:

1. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Kläger schon geschäftsunfähig war, als er die Darlehen aufnahm. Diese Feststellung ist von der Revision innerhalb der Frist des § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen worden. Sie ist deshalb für den Senat bindend. Auf die von der Revision in der Revisionsverhandlung geäußerten Zweifel an der Geschäftsunfähigkeit des Klägers kann es dabei nicht mehr ankommen.
2. Die Darlehensverträge sind wegen der Geschäftsunfähigkeit des Klägers nichtig (§§ 104 Nr. 2,105 Abs. 1 BGB). Daher haben sowohl der Kläger die an ihn ausgezahlten Darlehensbeträge als auch die BTB die auf die Darlehen geleisteten Zahlungen ohne rechtlichen Grund erlangt. Sie haben sich deshalb das Empfangene nach den Vorschriften über ungerechtfertigte Bereicherung zurückzugewähren.
Hier hat der Kläger saldiert. Der Bereicherungsanspruch geht in diesem Fall auf Herausgabe des Überschusses der Aktiv- über die Passivposten (BGH, Urteil vom 11. März 1988 - V ZR 27/87 - NJW 1988,3011). Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob die Beklagte dem Bereicherungsanspruch des Klägers entgegenhalten kann, daß die BTB mit der Zahlung der 7000 DM an die N.-B. eine Leistung an ihn erbracht hat, die er als ungerechtfertigte Bereicherung zurückzuzahlen hat. Das Oberlandesgericht führt hierzu aus: Die BTB habe die Zahlung in der Annahme einer Anweisung des Klägers geleistet. Bei einem Anweisungsverhältnis sei die tatsächliche Zahlung des Angewiesenen an den Dritten rechtlich eine Leistung des Angewiesenen an den Anweisenden und eine Leistung des Anweisenden an den Dritten. Es gebe daher an sich das Deckungsverhältnis zwischen dem Kläger als Anweisendem und der BTB als Angewiesenen sowie das Valutaverhältnis zwischen dem Kläger und der N.-B. als Zahlungsempfängerin. Grundsätzlich fänden Rückabwicklungen lediglich innerhalb des jeweiligen Verhältnisses statt. Anderes müsse jedoch dann gelten, wenn es von vornherein an einer wirksamen Anweisung sowie an einer wirksamen Zweckbestimmung des Anweisenden fehle. Dann liege keine »Leistung« des Anweisenden an den Zahlungsempfänger vor. Da mangels Zweckvereinbarung keine Erfüllung eintrete, sei unerheblich, ob der Zahlungsempfänger eine Forderung gegenüber dem Bankkunden habe. Die Rückabwicklung habe dann ausschließlich zwischen Zahlungsempfänger und Bank zu erfolgen.
So liege es hier: Zwar liege eine Anweisung des Klägers vor. Diese sei jedoch wegen seiner Geschäftsunfähigkeit nichtig. Die nichtige Handlung eines Geschäftsunfähigen werde diesem überhaupt nicht zugerechnet. Sie sei daher dem Fehlen einer Anweisung gleichzusetzen.
Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
Der Bundesgerichtshof hat es bisher offengelassen, wie der Bereicherungsausgleich vorzunehmen ist, wenn von vornherein eine wirksame Anweisung fehlt (vgl. BGHZ 89,376,379,380).
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß sich ein Bereicherungsausgleich in Fällen der Leistung kraft Anweisung grundsätzlich innerhalb des jeweiligen Leistungsverhältnisses vollzieht. Bei Fehlern im Deckungsverhältnis zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen ist der Bereicherungsausgleich deshalb in diesem Verhältnis vorzunehmen. Weist dagegen das Valutaverhältnis zwischen dem Anweisenden und dem Anweisungsempfänger Fehler auf, ist der Ausgleich der Bereicherung in diesem Verhältnis abzuwickeln.
Allerdings hat der Bundesgerichtshof wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß sich bei der bereicherungsrechtlichen Behandlung von Vorgängen, an denen mehr als zwei Personen beteiligt sind, jede schematische Lösung verbietet. Es komme stets auf die Besonderheiten des Einzelfalles an, die für die sachgerechte bereicherungsrechtliche Abwicklung derartiger Vorgänge zu beachten sind (BGH aaO S. 378 m. w.Nachw.). So hat der Bundesgerichtshof in einem Fall, in dem eine Anweisung zunächst wirksam erteilt und dem Empfänger durch Übergabe eines Schecks bekannt gemacht, dann aber noch vor Gutschrift oder Auszahlung ohne Kenntnis des Empfängers widerrufen worden war, entschieden, daß die Bank, die den Scheck gleichwohl eingelöst hat, keinen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen den Scheckinhaber hat, sondern einen etwaigen Bereicherungsausgleich bei ihrem Kunden suchen muß (BGHZ 61,289; vgl. auch BGHZ 87,246). Ebenso hat der Bundesgerichtshof angenommen, daß einer Bank, die einen ihr erteilten, vom Auftraggeber später widerrufenen oder geänderten Dauerauftrag versehentlich unverändert weiter ausführt, kein unmittelbarer Bereicherungsanspruch gegen den Zahlungsempfänger zusteht, wenn dieser den Widerruf oder die Änderung des Dauerauftrages nicht kannte (BGHZ 89,376; Urteil vom 3. Mai 1984 - VII ZR 166/83 - NJW 1984,2205). Andererseits hat der Bundesgerichtshof in Fällen, in denen der Anweisungsempfänger bei Empfang der Zahlung das Fehlen einer wirksamen Anweisung oder den Widerruf der Anweisung kannte, einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch des Angewiesenen gegen den Anweisungsempfänger bejaht (BGHZ 66,362; 66,372; 67,75; 87,393; 88,232,235; vgl. auch BGH NJW 1987,185). Maßgebend für diese Rechtsprechung war, daß sich in derartigen Fällen die Zahlung des Angewiesenen aus der Sicht des Zahlungsempfängers nicht als Leistung des Anweisenden darstellte (BGHZ 88,232,236).
b) Fehlen von vornherein eine wirksame Anweisung sowie eine wirksame Zweckbestimmung wegen Geschäftsunfähigkeit des Anweisenden, so kommt es nicht zu einer »Leistung« des Anweisenden, da ihm die Zahlung des Angewiesenen nicht zugerechnet werden kann. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist unter einer Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB eine bewußte und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zu verstehen (BGH, Urteil vom
24. Februar 1972 - VII ZR 207/70 - BGHZ 58,184,188 m. w.Nachw.). Besteht diese Vermehrung fremden Vermögens in der Überweisung von Geld, so ist dazu wegen des rechtsgeschäftlichen Charakters der Anweisung sowie des zumindest rechtsgeschäftsähnlichen Charakters der Zweckbestimmung (vgl. zu letzterer BGH, Urteil vom 6. Dezember 1988  BGHZ 106,163,166) Geschäftsfähigkeit des Anweisenden erforderlich. Fehlt diese, so ist die Zahlung des Angewiesenen an den Dritten keine Leistung des Anweisenden. Der Anweisende kann daher durch die Zahlung weder wegen Erfüllung einer im Valutaverhältnis etwa bestehenden Verbindlichkeit bereichert werden, noch einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Dritten erwerben. Der bereicherungsrechtliche Ausgleich ist hier vielmehr im Verhältnis zwischen Angewiesenem und Zahlungsempfänger zu suchen.
Diese Auffassung wird auch im Schrifttum geteilt (E. Ulmer AcP 126,129,163; v. Caemmerer JZ 1962,385,387; Lorenz JuS 1968,441,448; Mühl NJW 1968,1868,1869; Schwark WM 1970,1334,1335; Canaris BB 1972,774,778; Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung als Grundlagen und Grenzen des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung [1973] S. 158 ff.; Meyer, Bereicherungsausgleich in Dreiecksverhältnissen [1979] S. 117 ff.; Hassold, Zur Leistung im Dreipersonenverhältnis [1981] S. 187 f.; Reuter/Martinek; Ungerechtfertigte Bereicherung [1983] S. 429 ff.; Erman/Westermann, BGB 8. Aufl. § 812 Rdn. 22,22 a; Heimann-Trosien in BGB-RGRK 12. Aufl. § 812 Rdn. 27; Soergel/Mühl, BGB 11. Aufl. § 812 Rdn. 72; Staudinger/Lorenz, BGB 12. Aufl. § 812 Rdn. 51; MünchKomm/Lieb 2. Aufl. § 812 Rdn. 74; Canaris in Großkommentar HGB 4. Aufl. Bankvertragsrecht Erster Teil Rdn. 433).
Soweit hiervon abweichend die Meinung vertreten wird, auch in Fällen fehlender Geschäftsfähigkeit des Anweisenden sei der Ausgleich nur im Verhältnis zwischen Anweisendem und Angewiesenem zu suchen (Möschel JuS 1972,297,301; E.- L. Putzo, Erfüllung mit Buchgeld und die Haftung der Beteiligten wegen ungerechtfertigter Bereicherung [1977] S. 161; Palandt/ Thomas, BGB 49. Aufl. § 812 Anm. 5 B c cc; differenzierend Wieling JuS 1978,801,809 f.), kann sich der Senat dieser Auffassung nicht anschließen. Sie läßt sich mit dem vom Gesetz vorgesehenen Schutz des Geschäftsunfähigen nicht vereinbaren. Aus demselben Grund kann es in diesen Fällen nicht auf die Sicht des Empfängers ankommen. Ein etwaiger Vertrauensschutz des Zahlungsempfängers muß hier dem Schutz des Geschäftsunfähigen weichen.
Da der Kläger geschäftsunfähig war, als er die Anweisung zur Zahlung von 7000 DM an die N.-B. erteilte, wurde er nach der aufgezeigten Rechtslage durch die Ausführung der Anweisung nicht bereichert. Die Beklagte kann sich deshalb gegenüber dem Rückgewährsanspruch des Klägers nicht ihrerseits auf einen Gegenanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung berufen. Das von der Revision angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. März 1988 (V ZR 27/87 - NJW 1988,3011) steht diesem Ergebnis nicht entgegen. In jenem Fall ging es um die Rückgewähr von Zahlungen, die ein Notar aufgrund eines wegen Geschäftsunfähigkeit der Grundstücksverkäuferin unwirksamen Auftrags an deren Grundpfandgläubigerin aus einem hinterlegten Kaufpreis geleistet hatte. Die Zahlung des Notars kam somit unmittelbar aus dem Vermögen der Verkäuferin, so daß ein Abwicklungsverhältnis nur zwischen Verkäuferin bzw. deren Erben und der Gläubigerin bestand. Dieser Sachverhalt ist jedoch mit dem vorliegenden, der durch eine Dreierbeziehung gekennzeichnet ist, nicht vergleichbar.