Schuldbeitritt zum Verbraucherkreditvertrag: Anwendbarkeit des VerbrKrG, (keine) Heilung durch Darlehensempfang nach § 6 II 1 VerbrKrG 

BGH, Urteil v. 12.11.1996 

Amtliche Leitsätze:

1. Das Verbraucherkreditgesetz ist auf den Schuldbeitritt zu einem Kreditvertrag entsprechend anwendbar.
2. Ist der Schuldbeitritt zu einem Kreditvertrag in entsprechender Anwendung des § 6 I VerbrKrG nichtig, so tritt eine Heilung nach § 6 II 1 VerbrKrG nicht dadurch ein, daß der Kreditnehmer das Darlehen empfängt oder den Kredit in Anspruch nimmt.
3. Eine Heilung nach § 6 II 1 VerbrKrG findet auch dann nicht statt, wenn der Beitretende aus der Auszahlung des Darlehens an den Kreditnehmer mittelbar Vorteile erlangt. 



Fundstellen:

BGHZ 134, 94
NJW 1997, 654
WM 1997, 158


Zentrale Probleme:

s. Anm. zu BGH NJW 2000, 3496



Zum Sachverhalt:

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde wegen Ansprüchen der bekl. Sparkasse aus einer Mithaftungserklärung der Kl. für Kreditverbindlichkeiten ihres Ehemanns. Im Januar 1992 gewährte die Bekl. dem Ehemann der Kl. für dessen seit 1989 bestehenden Garten- und Landschaftsbaubetrieb zwei Investitionskredite über insgesamt 200000 DM. Dafür übernahm die Kl., die neben ihrem Studium an einer Fachhochschule im Betrieb ihres Ehemanns mithalf, am 21. 1. 1992 in einer gesonderten, von der Bekl. vorbereiteten Urkunde die Mithaftung. Angaben über die Art und Weise der Kreditrückzahlung, die Vertragsbeendigung und zu den Zinsen und Kosten des Kredits enthält die Urkunde nicht. Aus Anlaß der Aufnahme eines eigenen Darlehens bestellte die Kl. im September 1993 der Bekl. eine Grundschuld über 350000 DM an ihrer Eigentumswohnung, gab ein Schuldanerkenntnis in gleicher Höhe ab und unterwarf sich in einer notariellen Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Nach der getroffenen Sicherungsabrede sichern die Grundschuld und das Schuldanerkenntnis alle bestehenden und künftigen, auch bedingten und befristeten Ansprüche der Bekl. aus ihrer Geschäftsverbindung mit der Kl. Als der Ehemann der Kl. seinen Verpflichtungen aus den Investitionskrediten nicht mehr nachkam, ließ die Bekl. der Kl., die inzwischen von ihrem Ehemann getrennt lebt, eine vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde zustellen und kündigte die Zwangsvollstreckung daraus an. Mit ihrer Vollstreckungsabwehrklage begehrt die Kl., die Vollstreckung der Bekl. aus der notariellen Urkunde wegen aller Ansprüche aus ihrer Mithaftungserklärung vom 21. 1. 1992 für unzulässig zu erklären. Sie ist der Ansicht, die Sicherungsabrede erfasse Ansprüche der Bekl. aus der Mithaftungserklärung nicht. Überdies sei die Mithaftung nach dem Verbraucherkreditgesetz und nach § 138 BGB unwirksam. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. ist erfolglos geblieben (BB 1995, 2081). Mit der Revision verfolgte die Kl. ihr Klagebegehren weiter. Die Revision hatte Erfolg und führte zur antragsgemäßen Abänderung des landgerichtlichen Urteils.

Aus den Gründen:

I. Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings dagegen, daß das BerGer. den Einwand der Kl., die Sicherungsabrede erfasse die Verpflichtungen aus der Mithaftungserklärung vom 21. 1. 1992 nicht, für nicht durchgreifend erachtet hat. Im Berufungsurteil wird dazu ausgeführt, unbeschadet dessen, daß Auslegungsdivergenzen ohnehin nicht zu den von § 767 ZPO erfaßten Einwendungen gehörten, seien Forderungen aus dem Schuldbeitritt der Kl. als "Ansprüche aus der Geschäftsverbindung" im Sinne der Sicherungsabrede anzusehen. Der Senat teilt zwar nicht die Bedenken des BerGer. gegen die Zulässigkeit des Einwands der Kl. im Rahmen des Verfahrens nach § 767 ZPO. Es geht vorliegend nicht um die Auslegung des vollstreckungsfähigen Inhalts der Grundschuldbestellungsurkunde, sondern um die Geltendmachung eines materiellen Einwands aus der Sicherungsabrede. Dem BerGer. ist aber darin zu folgen, daß die Ansprüche aus der Mithaftungserklärung der Kl. vom 21. 1. 1992, deretwegen die Bekl. die Vollstreckung aus der Grundschuldbestellungsurkunde betreibt, von der Sicherungsabrede erfaßt werden. Durch die Mithaftungserklärung war bereits eine Geschäftsverbindung zwischen den Parteien begründet worden. Dementsprechend stellen auch die Ansprüche aus dieser Mithaftungserklärung "Ansprüche aus der Geschäftsverbindung" im Sinne der Sicherungsabrede dar.
II. Mit Erfolg wendet die Revision sich aber dagegen, daß das BerGer. die Mithaftungserklärung der Kl. nach den Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes als wirksam angesehen hat.
1. Im Berufungsurteil wird dazu im wesentlichen ausgeführt: Für den Schuldbeitritt der Kl. vom 21. 1. 1992 gelte das Verbraucherkreditgesetz. Dieses knüpfe hinsichtlich seiner Anwendbarkeit allein an die Person des Verpflichteten sowie die Art der von ihm eingegangenen Verbindlichkeit an. Deshalb seien auch im Falle der Schuldmitverpflichtung die tatbestandlichen Voraussetzungen des Verbraucherkreditgesetzes in der Person des Mitverpflichteten zu prüfen. Denn das Schutzbedürfnis desjenigen, der keinen eigenen Anspruch auf Kreditgewährung erwerbe, sondern das Risiko der Belastung mit einer längerfristigen Rückzahlungsverpflichtung eingehe, sei mindestens so hoch einzuschätzen, wie das Risiko des Kreditnehmers selbst. Als Studentin sei die Kl. zum Zeitpunkt des Schuldbeitritts Verbraucherin i.S. des § 1 I VerbrKrG gewesen. Die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes habe zur Folge, daß der Schuldbeitritt als zunächst nichtig angesehen werden müsse. Die Beitrittserklärung sei nicht auf dem Finanzierungsangebot der Bekl. abgegeben worden. Die erforderlichen Hinweise nach § 4 I 2 Nr. 1c und d VerbrKrG fehlten. Durch die Auszahlung der Darlehensmittel an den Ehemann der Kl. sei aber gem. § 6 II VerbrKrG Heilung eingetreten. Formal betrachtet habe die Bekl. zwar nur an den Ehemann der Kl. als den alleinigen Darlehensnehmer geleistet. Diese formale Sicht werde aber den Gegebenheiten des Streitfalls nicht gerecht. Schon die eindeutige und unmißverständliche Bedingung der Bekl., daß die Kl. für die Darlehensrückzahlung mit einstehen müsse, zeige, daß die Kl. in das Finanzierungskonzept so maßgebend mit einbezogen gewesen sei, daß sie nicht nur habe mithaften sollen, sondern auch mitempfangsberechtigt gewesen sei. Zwar möge es vertretbar sein, den Mithaftenden und den formellen Darlehensnehmer hinsichtlich der Wirkungen von § 6 II VerbrKrG unterschiedlich zu behandeln, wenn die ausgezahlte Kreditsumme ausschließlich dem Darlehensnehmer zugute komme. Davon könne im vorliegenden Fall aber keine Rede sein. Hier liege ein Investitionskredit für den Betrieb des Ehemanns der Kl. vor, der die Existenz der Familie sicherstelle. Unter diesen Umständen sei der Kredit zumindest mittelbar auch der Kl. zugeflossen und von ihr in Anspruch genommen worden.
2. Diese Ausführungen halten, soweit sie die Frage einer Heilung gem. § 6 II VerbrKrG betreffen, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Schuldbeitritt der Kl. vom 21. 1. 1992 ist gem. § 6 I VerbrKrG nichtig.
a) Nicht zu beanstanden und von der Revision als ihr günstig auch nicht angegriffen ist allerdings der Ausgangspunkt des BerGer., auf den Schuldbeitritt der Kl. sei das Verbraucherkreditgesetz anwendbar. Der BGH hat bereits entschieden, daß das Verbraucherkreditgesetz auf den Schuldbeitritt zu einem Kreditvertrag entsprechend anwendbar ist und die entsprechende Anwendung nicht voraussetzt, daß neben dem Beitretenden auch der Kreditnehmer Verbraucher ist (vgl. BGH, NJW 1996, 2156 = WM 1996, 1258, m. zust. Anm. Bülow, EWiR 1996, 813f., und Pfeiffer, LM H. 10/1996 § 1 VerbrKrG Nr. 5, sowie BGH, NJW 1996, 2865 = LM H. 1/1997 § 1 VerbrKrG Nr. 6 = WM 1996, 1781 (1782), beide z. Veröff. in BGHZ vorgesehen). Danach ist das Verbraucherkreditgesetz auf den hier in Rede stehenden Schuldbeitritt entsprechend anzuwenden, da die persönlichen Voraussetzungen des § 1 I VerbrKrG nach den Feststellungen des BerGer. bei der Kl. erfüllt sind.
b) Das BerGer. hat daher zu Recht die Beitrittsvereinbarung vom 21. 1. 1992 an den Voraussetzungen dieser Bestimmung gemessen und ist auch zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß sie dem Formerfordernis des § 4 I 1 VerbrKrG in der damals gültigen Fassung vom 17. 12. 1990 (BGBl I, 2840) nicht genügt. Denn nach § 4 I 1 VerbrKrG a.F. war die Schriftform i.S. des § 126 BGB einzuhalten. Gem. § 126 II BGB muß bei einem Vertrag die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen; bei Aufnahme mehrerer gleichlautender Vertragsurkunden genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet. Schon diesen Anforderungen ist hier nicht genügt. Überdies enthält die von der Kl. unterzeichnete Mithaftungserklärung nicht alle in § 4 I 2 Nr. 1 VerbrKrG a.F. geforderten Angaben. Insbesondere fehlen die Angaben nach Nr. 12c zur Art und Weise der Kreditrückzahlung oder zur Regelung der Vertragsbeendigung und die Angaben nach Nr. 1d zu Zinsen und Kosten des Kredits. Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob bei einem Schuldbeitritt, auf den das Verbraucherkreditgesetz entsprechende Anwendung findet, von den in § 4 I VerbrKrG genannten Angaben alle oder nur diejenigen erforderlich sind, die geeignet sind, dem Beitretenden über die Höhe seiner Mitverpflichtung und über die Zahlungsweise Aufschluß zu geben (für eine solche Einschränkung Ulmer/Timmann, in: Festschr. f. Heinz Rowedder, S. 503 (520f.); Ulmer, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 4 VerbrKrG Rdnr. 16; a.M. etwa Scholz, Verbraucherkreditverträge, 2. Aufl., Rdnr. 258; Münstermann/Hannes, VerbrKrG, Rdnr. 201; Hagena, Drittschutz im VerbraucherkreditR, S. 39ff.).
c) Rechtsfolge der Nichteinhaltung der Form des § 4 I VerbrKrG ist nach dem entsprechend anzuwendenden § 6 I VerbrKrG die Nichtigkeit des Schuldbeitritts. Entgegen der Auffassung des BerGer. ist der Formfehler nicht durch Auszahlung der Darlehensmittel an den Ehemann der Kl. nach § 6 II VerbrKrG geheilt worden.
aa) Nach dieser Vorschrift tritt Heilung ein, "soweit der Verbraucher das Darlehen empfängt oder den Kredit in Anspruch nimmt". Die als Verbraucherin zu schützende Kl. hat das Darlehen nicht empfangen oder in Anspruch genommen. Sie hatte als lediglich Mithaftende auch keinen Anspruch auf Gewährung des Darlehens. Die Auffassung der BerGer., die Kl. habe als mittelbar Begünstigte das Darlehen empfangen und in Anspruch genommen, schafft Feststellungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten, die vom Verbraucherkreditgesetz vermieden werden sollen.
bb) Eine entsprechende Anwendung des § 6 II VerbrKrG auf den Schuldbeitritt in der Weise, daß mit Auszahlung der Darlehensmittel an den Darlehensnehmer Heilung eintritt (dafür Ulmer/Timman, 503 (523f.); Ulmer, in: MünchKomm § 6 VerbrKrG Rdnr. 15), ist vom Sinn und Zweck dieser Vorschrift her nicht gerechtfertigt. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Dr 11/5462, S. 21) soll § 6 II VerbrKrG (§ 5 II) den Verbraucherkreditnehmer, der sich auf die Nutzung des Darlehenskapitals eingestellt hat, davor schützen, gem. § 812 BGB das Darlehenskapital sofort zurückzahlen zu müssen. Dem Kreditgeber soll dabei - anders als bei einer Lösung nach dem Modell des § 1a III AbzG - nicht auferlegt werden, das Darlehen für die vereinbarte Laufzeit zinslos zur Verfügung zu stellen; vielmehr soll auch seinem Interesse an dem Erhalt von Zinsen und sonstigen Kreditkosten angemessen Rechnung getragen werden. Dieser Gesetzeszweck paßt für Fälle der vorliegenden Art nicht. Der Mithaftende soll nach den vertraglichen Vereinbarungen kein Darlehen erhalten. Für ihn kommt im Falle der Formnichtigkeit seines Schuldbeitritts eine Verpflichtung zur Rückzahlung der an den Darlehensnehmer ausgezahlten Darlehensmittel nicht in Betracht.
cc) Schließlich würde dem mithaftenden Verbraucher der Schutz, den man ihm durch die entsprechende Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes auf seinen Schuldbeitritt gewähren will, weitgehend wieder entzogen, wenn man davon ausginge, Formfehler i.S. des § 6 I VerbrKrG würden entsprechend § 6 II VerbrKrG durch Auszahlung der Darlehensmittel an den Darlehensnehmer geheilt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß dann konsequenterweise bei Auszahlung des Darlehens an den Darlehensnehmer auch die in § 7 III VerbrKrG getroffene, das Widerrufsrecht nach § 7 VerbrKrG einschränkende Regelung auf den Beitretenden entsprechend angewandt werden müßte. Die Wirksamkeit des Widerrufs wäre danach von der Rückzahlung des Darlehens binnen einer zweiwöchigen Frist abhängig, so daß der Beitretende sein Widerrufsrecht praktisch kaum durchsetzen könnte.
III. Nach alledem kann die Bekl. aus der Mithaftungserklärung der Kl. vom 21. 1. 1992 keinerlei Ansprüche herleiten. Da es insoweit an einer durch die Grundschuld und das in der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde enthaltene Schuldanerkenntnis gesicherten Forderung fehlt, ist die Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde unzulässig, soweit sie von der Bekl. zur Befriedigung von Ansprüchen aus der vorgenannten Mithaftungserklärung betrieben wird. Dementsprechend waren auf die Revision der Kl. das Berufungsurteil aufzuheben und das landgerichtliche Urteil antragsgemäß abzuändern. 



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