Internationales
Sachenrecht (Art. 43 ff EGBGB): Anerkennung dinglicher Rechte nach
Statutenwechsel und Unvereinbarkeit mit inländischem Sachenrecht (heute:
Art. 43 II EGBGB)
BGH, Urt. v. 20.3.1963, VIII ZR 130/61
Fundstelle:
BGHZ 39,173
NJW 1963, 1200
Anmerkung:
Im Mittelpunkt des Falles steht die
Anerkennung unter einem anderen Statut abgeschlossener Erwerbstatbestände
(hier: Erwerb eines besitzlosen Pfandrechts an einer Sache in Frankreich,
die anschließend ins Inland verbracht wurde.
Das internationale Sachenrecht ist seit dem 1.6.1999 gesetzlich in den
Artt. 43 - 46 EGBGB geregelt. Sachlich ergeben sich freilich zumindest für
den vorliegenden Fall keine Unterschied zum vorherigen (ungeschriebenen)
Recht. Das zentrale Problem der vorliegenden Entscheidung ist
kodifikatorisch nunmehr in Art. 43 II EGBGB verankert. Vgl. hierzu sowie
weiterführend zur sog. "Transpositionslehre" auch
BGH NJW 1991, 1415 ("Autohypothek-Fall").
Amtl. Leitsatz:
Wird ein Kraftfahrzeug, das mit einem nach französischem Recht wirksam
entstandenen Registerpfandrecht belastet ist, nach Deutschland gebracht,
so kann der Pfandgläubiger vorzugsweise Befriedigung gemäß § 805 ZPO
verlangen, wenn das Fahrzeug in Deutschland gepfändet wird.
Zum Sachverhalt:
Die Beklagte, eine saarländische Firma,
erwirkte im Jahre 1960 gegen ihre Schuldnerin Frau F.-B., Schrotthändlerin
in R. (Lothringen), mit der sie in Geschäftsbeziehungen gestanden hatte,
ein rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Saarbrücken über rd. 133 000
DM und vollstreckte in Deutschland in einen Lastkraftwagen der
Schuldnerin. Die Klägerin, ein Kreditinstitut in Frankreich, hatte den
Kauf dieses Fahrzeugs (in Frankreich) finanziert und sich von der Käuferin
durch schriftlichen Vertrag vom 6. Juni 1958 gemäß den Bestimmungen des
Gesetzes vom 29. Dezember 1934 und des Dekretes vom 30. September 1953 ein
Pfandrecht wegen ihrer Forderung einräumen lassen; das Pfandrecht ist in
dem Register der zuständigen Präfektur (Straßburg) eingetragen. Auf Grund
dieses Registerpfandrechts beansprucht die Klägerin gemäß § 805 ZPO
vorzugsweise Befriedigung aus dem Fahrzeug, das die Schuldnerin nach dem
Kauf nach Deutschland gebracht und dort in ihrem Gewerbe eingesetzt hatte.
Die Vorinstanzen haben der Klage unter Herabsetzung des Zinsanspruchs der
Klägerin stattgegeben. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.
Aus den Gründen:
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, das nach französischem Recht
entstandene Registerpfandrecht sei auch in Deutschland wirksam. Die
Revision der Beklagten greift diesen Standpunkt vergeblich an.
Es ist allgemein anerkannt, daß nach deutschem internationalem Privatrecht
auch für bewegliche Sachen kraft Gewohnheitsrecht die lex rei sitae, das
Statut der Belegenheit gilt [Anm.: s. nunmehr Art. 43 I EGBGB] .
Dabei werden sachenrechtliche Tatbestände nach der lex rei sitae des
Zeitpunktes beurteilt, in dem sie eintreten (Kegel, Internationales
Privatrecht, 1960 § 19 III; Zitelmann, Internationales Privatrecht Bd. I
S. 151). Im vorliegenden Fall entscheidet demnach das französische Recht
darüber, ob das Pfandrecht der Klägerin entstanden ist. Dies hat das
Berufungsgericht - für das Revisionsgericht bindend (§ 549 ZPO) - bejaht.
Das Fahrzeug war demnach, als die Schuldnerin es in das Gebiet der
Bundesrepublik verbrachte, mit dem französischen Registerpfandrecht
belastet. Von diesem Zeitpunkt ab galt aber für die sachenrechtlichen
Verhältnisse des Fahrzeugs das deutsche Sachenrecht. Denn im
Geltungsbereich des Belegenheitsstatuts zieht ein Wechsel des Gebiets nach
allgemeiner Meinung den Wechsel des Statuts nach sich; dabei bestimmt der
Zeitpunkt des Gebietswechsels auch den Zeitpunkt des Statutenwechsels. Das
neue Statut übernimmt aber die Sache mit der sachenrechtlichen Prägung,
die ihr das bisherige Statut verliehen hatte (Lewald, Das deutsche
internationale Privatrecht auf Grundlage der Rechtsprechung S. 184).
Grundsätzlich erkennt deshalb das neue Sachstatut ein Recht an der Sache,
das nach den Vorschriften des früheren Statuts wirksam entstanden ist,
auch in seinem Herrschaftsbereich an. So unbestritten dieser Grundsatz
ist (vgl. außer den bereits genannten: Raape, Internationales Privatrecht,
5. Aufl. § 56 III; Gutzwiller, Internationalprivatrecht, Berlin 1931 in:
Das gesamte deutsche Recht in systematischer Darstellung, herausgegeben
von Rudolf Stammler, Teil VIII S. 1601; Frankenstein, Internationales
Privatrecht (Grenzrecht) Bd. II 1929 S. 87; Martin Wolff, Das
Internationale Privatrecht Deutschlands, 3. Aufl. S. 176), so
umstritten ist seine Anwendbarkeit für den Fall, daß die Sache, an der ein
besitzloses Pfandrecht wirksam entstanden ist, in ein Gebiet verbracht
wird, in dem das Prinzip des Faustpfandes gilt. Die Rechtslehre lehnt
für diesen Fall überwiegend ein Fortbestehen oder jedenfalls ein
Fortwirken des Pfandrechts im Gebiet des neuen Statuts ab. Die gleiche
Ansicht hat das Reichsgericht in einem Urteil vom 28. Februar 1893 (JW
1893, 207) vertreten. Dagegen sind Wolff aaO und Raiser (Wolff/Raiser,
Sachenrecht, 10. Bearb. § 178) der Meinung, das besitzlos entstandene
Pfandrecht behalte seine Wirksamkeit auch unter der Herrschaft des Statuts
mit dem Prinzip des Faustpfandes. Der Senat schließt sich hinsichtlich des
hier in Frage stehenden französischen Registerpfandrechts der letzteren
Meinung jedenfalls für den Fall an, daß die mit diesem Pfandrecht
belastete Sache nach Deutschland verbracht wird.
Dem steht das deutsche Kollisionsrecht nicht entgegen. Das Kollisionsrecht
kann - an sich zum Zuge kommendes - ausländisches Recht in zweierlei Weise
ausschalten: einmal so, daß es einer bestimmten eigenen Sachnorm im
Verhältnis zum ausländischen Recht immer den Vorzug gibt, also
international zwingendes Recht schafft (a), oder so, daß es im Einzelfall
die Anwendung ausländischen Rechts mißbilligt, wenn dadurch wesentliche
Grundsätze des inländischen Rechts verletzt und die Anwendung deshalb im
Einzelfall als stoßend empfunden würde (Neuhaus, Die Grundbegriffe des
internationalen Privatrechts S. 257) (b).
a) Als international zwingendes Recht käme hier nur das Faustpfandprinzip
des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Frage. Unter diesem Gesichtspunkt spielt
die Tatsache eine Rolle, daß das deutsche Recht in einer größeren Anzahl
von Sonderregelungen selbst dieses Prinzip aufgegeben hat (so: Gesetz über
Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken vom 15. November
1940; Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen vom 25. Februar 1959;
Kabelpfandgesetz vom 31. März 1925; Pachtkreditgesetz vom 5. August 1951;
Gesetz zur Sicherung der Düngemittel und Saatgutversorgung vom 19. Januar
1949). Das ist immerhin ein Indiz dafür, daß die deutsche
Gesamtrechtsordnung das Prinzip des Faustpfandrechtes nicht als ein
unverzichtbares Grundprinzip des deutschen Rechts ansieht. Eine praktisch
noch größere Bedeutung als diese Sonderregelungen hat das von der
deutschen Rechtsprechung an Stelle des Pfandrechts zugelassene Institut
der Sicherungsübereignung mittels Besitzkonstituts erlangt. Die
Rechtsprechung trug dabei der Tatsache Rechnung, daß das Bürgerliche
Gesetzbuch mit seinem Prinzip des Faustpfandrechts ein berechtigtes
Kreditsicherungsbedürfnis weiter Wirtschaftskreise unbefriedigt gelassen
hatte. Sie hat auf diese Weise das Prinzip des Faustpfandrechts praktisch
außer Kraft gesetzt und den entsprechenden Bestimmungen des Bürgerlichen
Gesetzbuchs nur noch einen verhältnismäßig unbedeutenden Anwendungsbereich
belassen. Unter diesen Umständen kann nicht mehr davon gesprochen werden,
das deutsche Recht lege den Pfandrechtsbestimmungen des Bürgerlichen
Gesetzbuchs im Verhältnis zum ausländischen Recht zwingenden Charakter
bei.
b) Ob das Kollisionsrecht im Einzelfall die Anwendung ausländischen Rechts
verbietet, weil es das Ergebnis einer solchen Rechtsanwendung für
untragbar hält, ist die Frage nach dem ordre public. Sie wird für das
deutsche Recht durch Art. 30 EGBGB [Anm.: nunmehr Art. 6 EGBGB]
geregelt, der die Anwendung eines ausländischen Gesetzes unter anderem
ausschließt, wenn die Anwendung gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes
verstoßen würde. Das ausländische Gesetz, dessen Anwendung hier
ausgeschlossen sein könnte, ist die französische gesetzliche Regelung des
Registerpfandrechts an Kraftfahrzeugen; das deutsche Gesetz, gegen dessen
Zweck die Anwendung des ausländischen Gesetzes verstoßen könnte, ist die
Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuchs über das Pfandrecht an beweglichen
Sachen. Für Art. 30 EGBGB kommt es aber, wie sich schon aus seinem
Wortlaut ergibt, nicht darauf an, ob das ausländische und das inländische
Gesetz auf widerstreitenden Prinzipien beruhen, ob also unter diesem
Gesichtspunkt das ausländische Gesetz selbst (vom Standpunkt des
inländischen aus) Mißbilligung verdient, sondern nur darauf, ob das
konkrete Ergebnis seiner Anwendung zu mißbilligen ist (so Wolff aaO S. 62;
Neuhaus aaO S. 257). Die Frage stellt sich demnach hier so, ob es vom
Standpunkt der Pfandrechtsregelung des Bürgerlichen Gesetzbuchs aus
untragbar ist, wenn das früher entstandene vertragliche Registerpfandrecht
der Klägerin gemäß § 805 ZPO vor dem späteren Pfändungspfandrecht der
Beklagten berücksichtigt wird. Das ist mit dem Berufungsgericht zu
verneinen.
Das französische Recht hat beim Kreditkauf von Kraftfahrzeugen das
Registerpfandrecht eingeführt, weil es - anders als das deutsche Recht -
weder einen im Konkurs des Käufers vollwirksamen Eigentumsvorbehalt noch
eine Sicherungsübereignung mittels Besitzkonstituts kennt (vgl. dazu:
Féblot/Mezger in Zeitschrift für ausländisches und internationales
Privatrecht 1955, 662; Mezger in Zeitschrift für das gesamte Handels- und
Konkursrecht 1952, 150 ff). Ein an Stelle der Klägerin stehendes deutsches
Finanzierungsinstitut hätte sich zweifellos das von ihm bezahlte
Kraftfahrzeug vom Käufer mittels Besitzkonstituts übereignen lassen.
Dieser Weg war der Klägerin nach dem zur Zeit der Anschaffung für das
Fahrzeug geltenden französischen Sachenrecht verschlossen. Da aber das
französische und das deutsche Sachenrecht für einen Fall der vorliegenden
Art dem Finanzierungsinstitut gleicherweise ein besitzloses
Sicherungsrecht zur Verfügung stellen, kann es nicht gegen den Zweck der
Pfandrechtsbestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches verstoßen, wenn in
diesem Fall das besitzlose französische Registerpfandrecht anerkannt wird.
Denn die Pfandrechtsbestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches mit ihrem
Prinzip des Faustpfandrechts wären auch nicht zum Zuge gekommen, wenn der
Sachverhalt sich ganz unter der Herrschaft des deutschen Sachstatuts
ereignet hätte. Das deutsche Recht hätte sich vielmehr (bei der
Sicherungsübereignung mittels Besitzkonstituts) mit einem Sicherungsrecht
ohne jede Publizität begnügt, während das französische Registerpfandrecht
immerhin die Register-Publizität hat. Das in Frankreich rechtswirksam
begründete Pfandrecht ist demnach wirksam geblieben, als das Fahrzeug nach
Deutschland verbracht wurde.
c) Das Pfandrecht ist dort auch nicht, wie schon das Berufungsgericht
zutreffend ausgeführt hat, nach den Pfandrechtsbestimmungen des
Bürgerlichen Gesetzbuchs untergegangen. Anders als der code civil (vgl.
Art. 2076 code civil: »dans tous les cas, le privilège ne subsiste sur le
gage qu'autant que ce gage a été mis et est resté en la possession du
créancier...«) knüpft das Bürgerliche Gesetzbuch den Fortbestand des
Pfandrechts nicht an das Fortbestehen des Besitzes des Pfandgläubigers.
Vielmehr erlischt nach § 1253 BGB das Pfandrecht erst, wenn der Gläubiger
das Pfand dem Verpfänder oder dem Eigentümer zurückgibt. Die Klägerin hat
das Fahrzeug, nachdem es auf deutsches Gebiet verbracht war, der
Eigentümerin Frau F.-B. nicht zurückgegeben; sie hat ihr allenfalls den
unmittelbaren Besitz belassen. Das steht der Rückgabe im Sinne des § 1253
BGB aber schon deshalb nicht gleich, weil die Rückgabe im Sinne dieser
Bestimmung einen Teil des Entstehungstatbestandes des Pfandrechts, die
Übergabe, rückgängig macht; im vorliegenden Fall war aber nach dem
maßgeblichen französischen Recht die Übergabe gerade nicht eine
gesetzliche Voraussetzung für die Entstehung des Pfandrechts.
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