BGHZ 66, 208
Amtl. Leitsätze:
a) Zur Frage, welche Sorgfalt der Verkäufer
geladener und gefüllter Batterien bei ihrer Versendung im öffentlichen
Straßenverkehr zu beachten hat
b) Hat der Verkäufer bei Lieferung einer
mangelhaften Ware oder eines aliud zugleich eine vertragliche Nebenpflicht
verletzt (hier durch Auslieferung geladener und gefüllter Batterien
ohne Verpackung), so werden die auf dieser Verletzung beruhenden Schadensersatzansprüche
nicht durch eine rügelose Annahme ausgeschlossen. Sie unterliegen
auch nicht der kurzen Verjährung (§ 477 BGB).
Ansprüche auf Ersatz von Mangelfolgeschäden
kann ein Käufer aus § 463 BGB herleiten, wenn der eingetretene
Schaden von der Reichweite der Zusicherung umfaßt ist, was durch
Auslegung zu ermitteln ist. Liegt keine Zusicherung vor, haftet der Verkäufer
für Mangelfolgeschäden aus pVV. Darauf finden aber grundsätzlich
§ 477 BGB und § 377 HGB entsprechende Anwendung (vgl. BGHZ
101, 337 = NJW 1988, 52, BGHZ 77, 215; Verjährungsbeginn mit "Ablieferung").
Argument: Der Verkäufer darf nicht schlechter stehen, als habe er
die Eigenschaft zugesichert. Wenn sich allerdings die Nebenpflichtverletzung
nicht auf eine mangelbegründende Eigenschaft bezieht, sondern auf
sonstige (Nebenpflichten), finden §§ 477 BGB und § 377 HGB
keine Anwendung. Dies war vorliegend der Fall, weil die Verletzung einer
mangelunabhängigen Pflicht (Pflicht zu ordnungsgenäßer
Verpackung) vorlag.
Die Klägerin ist Haftpflichtversicherer der
Spedition L. in K. Ende Juni 1968 kaufte diese bei der Beklagten zu 1 einen
für ihre Zweigniederlassung in Le. bestimmten Gabelstapler, der dorthin
- und zwar zunächst ohne Batterien - ausgeliefert wurde. Im Juli 1968
bestellte die Firma L. alsdann bei der Beklagten zu l zwei geladene, aber
ungefüllte Batterien, die sie selbst in betriebsbereiten Zustand setzen
wollte. Die Beklagte zu 1 gab die Bestellung an die Beklagte zu 2 - ein
Akkumulatorenwerk - weiter, bestellte dabei jedoch versehentlich gefüllte
Batterien. Die Beklagte zu 2 lieferte diese Batterien entsprechend der
ihr erteilten Bestellung, aber ohne Verpackung und ohne äußerlich
sichtbaren Hinweis auf den Ladungszustand an die Vertragsspedition der
Firme L. aus, die die Batterien mit dem Lkw nach K. brachte. Dort wurden
sie von dem Lademeister der Firma L. zusammen mit anderem Stückgut
auf den Anhäger eines Lastzuges dieser Firma geladen, der sie am 12./13.
Juli 1968 zur Zweigniederlassung Le. bringen sollte. Unterwegs brach auf
dem Anhänger ein Brand aus, weil Bedienstete der Firma L. ein mit
Metallbändern verschnürtes Zeitungspaket auf die freiliegenden
Pole einer der Batterien gepackt und die Metallbänder einen Kurzschluß
ausgelöst hatten. Anhänger und Ladung brannten aus.
Mit der Begründung, die Beklagte zu 2 habe
als Erfüllungsgehilfin der Beklagten zu 1 durch die Auslieferung der
ungesicherten Batterien ohne äußerlich sichtbaren Hinweis auf
den Ladungszustand den Brand verschuldet, hat die Klägerin aus übergegangenem
Recht u. a. die Beklagte zu 1 auf Schadensersatz in Höhe von 94 272,35
DM in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat festgestellt, daß der
Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten zu 1 mit Rücksicht
auf das ganz überwiegende Mitverschulden der Firma L. dem Grunde nach
zu 1/5 gerechtfertigt sei, während das Berufungsgericht den Anspruch
zu 2/3 für gerechtfertigt erklärt hat. Die Revisionen der Beklagten
zu 1 und der dieser im Revisionsrechtszug als Streithelferin bei getretenen
Beklagten zu 2 hatten keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
I. . .
II. 1. Ohne Rechtsfehler stellt das Berufungsgericht
fest, daß die Beklagte zu 2 sich bei der Auslieferung der Batterien
an die Speditionsfirma einer fahrlässigen Verletzung der ihr obliegenden
Verkehrssicherungspflicht schuldig gemacht hat.
a) Daß die Versendung von geladenen und
gefüllten, also betriebsbereiten Batterien im öffentlichen Straßenverkehr
ohne Verpackung und insbesondere ohne Sicherung der freiliegenden Pole
eine besondere Gefährdung für andere Rechtsgüter mit sich
bringt, ziehen auch die Beklagten nicht mehr ernsthaft in Zweifel. Die
Gefahr eines Schadenseintritts liegt insbesondere dann nahe, wenn - wie
hier - die als Stückgut verladenen Batterien mit anderen metallischen
Gegenständen durch unsachgemäße Stapelung oder durch Verrutschen
der Ladung während des Transports in Berührung kommen und dadurch
ein Kurzschluß ausgelöst wird. Zwar finden die »Vorschriften
über die von der Beförderung aus geschlossenen oder bedingungsweise
zur Beförderung zugelassenen Stoffe und Gegenstände« (Deutscher
Eisenbahn-Gütertarif Teil I Abteilung A Klasse V unter Nr. 500 ff)
auf den Transport mit Kraftfahrzeugen keine unmittelbare Anwendung; auch
fehlte es jedenfalls im Juli 1968 noch an gesetzlichen Vorschriften über
den Transport von Akkumulatoren und Batterien im Straßenverkehr.
Die vorgenannten Bestimmungen über den Eisenbahn-Güterverkehr
machen jedoch die entscheidende Bedeutung deutlich, die einer Sicherung
der Batterien vor Kurzschluß - gleichgültig, welche Transportform
gewählt wird und aus welchem Material die Batterien hergestellt sind
- zukommt (aaO Nr. 504). So bezeichnet es auch der im Verfahren gehörte
Sachverständige als unüblich, im Straßenverkehr Akkumulatoren
als Beiladung über längere Strecken »ohne Verpackung bzw.
entsprechend bemessene Abdeckung als Sicherheit gegen... Kurzschluß
zu befördern«.
b) Wollte die Beklagte, die als namhafte Herstellerin
von Akkumulatoren auch für die Frage des Transportes über besondere
Erfahrung und Sachkunde verfügte, gleichwohl die hier streitigen Batterien
ohne Verpackung in den Verkehr geben, so hätte sie zumindest durch
deutliche und unübersehbare Hinweise an den Batterien selbst auf den
gefährlichen Ladezustand hinweisen müssen. Daß die bloße
Eintragung dieser Batterien auf den Lieferschein in der Spalte »gef.
und gel.« als Warnung schon deswegen nicht ausreichte, weil die mit
dem Transport befaßten Personen den Lieferschein und die in ihm enthaltenen,
ohnehin kaum verständlichen Eintragungen nicht immer vor Augen hatten,
hat das Berufungsgericht überzeugend dargelegt. Die Beklagte zu 2
kann sich auch nicht darauf berufen, sie habe im Hinblick auf die bei ihr
eingegangene Bestellung darauf vertraut, daß die Firma L. ebenfalls
betriebsbereite Batterien erwarte und daher selbst die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen
treffen werde; da es sich um eine Weiterbestellung durch die Beklagte zu
1 handelte, die Beklagte zu 2 mithin mit der Möglichkeit einer Fehlbestellung
rechnen mußte und sie zudem wußte, daß die Batterien
nicht sofort eingebaut, sondern zunächst durch eine zwischengeschaltete
Spedition im Straßenverkehr transportiert werden sollten, wäre
es in erster Linie ihre Sache gewesen, gegen die Gefahr eines Kurzschlusses
während des Transportes Vorsorge zu treffen. Der lediglich mündliche
Hinweis an den Fahrer der Spedition über den Ladezustand reichte dabei
schon deswegen nicht aus, weil nicht feststand, daß nur er den Transport
bis zum endgültigen Bestimmungsort durchführen werde.
c) Für diese als leichtfertig zu bezeichnende
Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte zu 2 hat die
Beklagte zu 1, die sich ihrer bei Erfüllung des mit der Firma L. abgeschlossenen
Kaufvertrages als Erfüllungsgehilfin bedient hat, einzustehen (§
278 BGB). Dabei ist es unerheblich, ob die Speditionsfirma im Auftrage
der Firma L. tätig geworden ist und aus diesem Grunde kein Versendungskauf
im Sinne des § 447 BGB vorlag; denn auch wenn die Beklagte zu 1 ihre
Verkäuferpflicht zur Übergabe und Eigentumsverschaffung bereits
mit Aushändigung der Batterien durch die Beklagte zu 2 an die Speditionsfirma
erfüllt hatte und für den Weitertransport nicht mehr verantwortlich
war, stellte sie dieser Umstand doch nicht von der Verpflichtung frei,
die Batterien in ordnungsgemäß verpacktem und gesichertem Zustand
zu übergeben; sie haftet für diese Pflichtverletzung auch dann,
wenn der Schaden selbst erst nach der Übergabe eintrat (Senatsurteil
vom 14. Oktober 1964 - VIII ZR 40/63 = Betrieb 1964,1697 = MDR 1965,38;
BGH Urteil vom 18. Juni 1968 - VI ZR 120/67 = WM 1968,1302 = NJW 1968,1929;
Staudinger/Ostler, BGB, 11. Aufl. § 447 Anm. 15; Ballerstedt bei Soergel/Siebert,
BGB, 10. Aufl. § 447 Anm. 20).
d) Daß der Schadenseintritt bei sachgemäßer
Verpackung verhindert worden wäre, liegt auf der Hand. (Wird ausgeführt).
2. Soweit die Beklagte zu 1 unter Hinweis auf
§ 377 Abs. 2 HGB meint, die Firma L. habe die Batterien rügelos«entgegengenommen
und könne damit aus der mangelhaften Lieferung Schadensersatzansprüche
nicht mehr herleiten, verkennt sie Anwendungsbereich und Bedeutung dieser
Bestimmung.
a) Zwar kann ein Käufer u. U. auch aus einer
schadhaften, unvollständigen oder fehlenden Verpackung der Kaufsache
Gewährleistungsansprüche herleiten, - und zwar etwa dann, wenn
die Mängel der Verpackung die Möglichkeit der Weiterverwendung
oder des Weiterverkaufs erschweren und damit auch der Wert oder die Tauglichkeit
der Sache selbst zu dem vertraglich vereinbarten Gebrauch aufgehoben und
gemindert ist (vgl. Senatsurteil vom 24. Juni 1958 - VIII ZR 95/57 = Betrieb
1958,868; Brüggemann in HGB-RGRK, 3. Aufl. § 377 Anm. 9). Ein
solcher Fehler lag hier jedoch nicht vor. Die Abdeckung der Pole sollte
vielmehr lediglich für die Dauer des Transportes einen Kurzschluß
oder sonstige Beschädigungen verhindern; ihr Fehlen minderte dagegen
die Gebrauchstauglichkeit der Batterien selbst nicht.
b) Richtig ist, daß die Beklagten statt
der bestellten ungefüllten Batterien gefüllte geliefert haben.
Dabei kann zu ihren Gunsten davon ausgegangen werden, daß die Firma
L. jedenfalls bei Entgegennahme der Batterien in der Hauptniederlassung
K. mit zumutbaren Mitteln zu einer Überprüfung des Ladezustandes
in der Lage und damit zur unverzüglichen Rüge der von der Bestellung
abweichenden Lieferung verpflichtet gewesen wäre. Ob es sich dabei
um einen Mangel im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB oder nicht vielmehr
um die Lieferung einer anderen als der bedungenen Ware handelte, kann im
vorliegenden Zusammenhang auf sich beruhen, da die Rügepflicht beide
Fälle gleichermaßen erfaßt (§§ 377,378 HGB).
Es ist den Beklagten auch einzuräumen, daß die rügelose
Entgegennahme als Genehmigung gilt und damit neben den Gewährleistungsansprüchen
im eigentlichen Sinne (§§ 462f BGB) auch Ansprüche aus positiver
Vertragsverletzung wegen eines nicht rechtzeitig gerügten Fehlers
verloren gehen (Senatsurteil vom 3. Februar 1959 - VIII ZR 14/58 = LM HGB
§ 377 Nr. 5; Baumbach/Duden, HGB, 21. Aufl. §§ 377,378 Anm.
l C; Brüggemann aaO § 377 Anm. 8).
c) Stets muß es sich aber um Schadensersatzansprüche
handeln, die auf einem Mangel der Sache oder auf einer Falschlieferung
beruhen, sich mithin als Gewährleistungsansprüche im weiteren
Sinne darstellen. Das ist hier ersichtlich nicht der Fall. Zwar wäre
der Schaden nicht entstanden, wenn die Beklagten - der Bestellung entsprechend
- ungefüllte Batterien geliefert hätten. Gleichwohl wurzelt die
Schadensersatzpflicht in erster Linie nicht in dieser fehlerhaften Lieferung,
sondern in der unsachgemäßen Versendung gefüllter Batterien
und damit in der Verletzung einer kaufvertraglichen Nebenpflicht. Das erhellt
auch die Erwägung, daß die Beklagten, hätte die Firma L.
gefüllte Batterien bestellt, ebenfalls für die durch die unsachgemäße
Versendung verursachten Schäden einzustehen hätten, obwohl die
Kaufsache dann vertragsgemäß gewesen wäre.
d) Auch der rechtspolitische Zweck der Untersuchungs-
und Rügepflicht beim Handelskauf verbietet eine entsprechende Anwendung
der §§ 377f HGB auf Fälle der vorliegenden Art. Wie der
Senat in mehreren Entscheidungen ausgeführt hat, dient die Obliegenheit
zur unverzüglichen Mängelrüge nicht nur dem allgemeinen
Interesse des Handelsverkehrs an einer raschen und endgültigen Abwicklung
von Rechtsgeschäften, sondern zugleich einer sachgerechten Risikoverteilung
zwischen Käufer und Verkäufer. Dem Interesse des Käufers
an einer ordnungsgemäßen Erfüllung steht das ebenfalls
schutzwürdige Interesse des Verkäufers gegenüber, von den
bei zumutbarer Prüfung zutage tretenden Mängeln der von ihm gelieferten
Sache möglichst rasch zu erfahren und dadurch einen drohenden Schaden
noch rechtzeitig abwenden zu können (zuletzt Senatsurteil vom 30.
April 1975 - VIII ZR 164/73 = WM 1975,562 = NJW 1975,2011 m. w. Nachw.).
Die an die unterbliebene Rüge geknüpfte Folge, daß damit
die Kaufsache uneingeschränkt als genehmigt gilt (§ 377 Abs.
2 HGB), kann den Käufer insbesondere dann hart treffen, wenn die Schlecht-
oder Falschlieferung durch den Verkäufer auf dessen grobfahrlässigem
oder leichtfertigem Verhalten beruht, während er selbst lediglich
durch Nachlässigkeit eine rechtzeitige Untersuchung und Rüge
versäumt hat. Im Interesse einer reibungslosen und raschen Abwicklung
des Handelsverkehrs muß der Käufer diese Nachteile im Bereich
der Gewährleistung deswegen hinnehmen, weil typischerweise die Feststellung
von Mängeln mit zunehmendem Zeitablauf unvertretbar erschwert würde.
Für eine entsprechende Anwendung der §§ 377f HGB über
die Mängelhaftung hinaus fehlt es aber an einem zwingenden Bedürfnis,
zumal die Berücksichtigung des Mitverschuldens (§ 254 BGB) -
anders als die auf dem Grundsatz des »alles oder nichts« aufbauende
Genehmigung nicht gerügter Mängel - einen sachgerecht abgestuften
Ausgleich zwischen den beiderseitigen Interessen ermöglicht.
3. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Verjährung.
Dabei bedarf es keiner Vertiefung der Frage, in welchem Umfang überhaupt
Schadensersatzansprüche wegen Lieferung einer anderen als der bedungenen
Ware (§ 378 HGB) innerhalb der kurzen Frist des § 477 BGB verjähren
(vgl. dazu Senatsurteile vom 22. März 1961 - VIII ZR 52/60 = LM BGB
§ 477 Nr. 5 und vom 20. November 1967 - VIII ZR 126/65 = LM BGB §
477 Nr. 10 = NJW 1968,640); denn wenn überhaupt, so werden von der
kurzen Verjährung nur Ansprüche erfaßt, die in einer mangelhaften
Leistung oder der Lieferung eines aliud ihren Grund haben (BGHZ 47,312,319),
- und das ist, wie oben dargelegt, bei den hier streitigen Ansprüchen
nicht der Fall.
4. Schließlich geht auch die Ansicht der
Revision der Beklagten zu 1 fehl, die geltendgemachten Schadensersatzansprüche
scheiterten gemäß § 464 BGB daran, daß der Fahrer
der Speditionsfirma - obwohl ausdrücklich auf den Ladezustand der
Batterien hingewiesen - diese für die Firma L. vorbehaltlos angenommen
habe. Ganz abgesehen von der Frage, ob § 464 BGB überhaupt auf
Lieferungen eines aliud Anwendung findet und ob die Kenntnis des Fahrers
einer die Ware abholenden Vertragsspedition bereits dem Käufer zuzurechnen
ist (vgl. dazu RGZ 64,236; Ballerstedt aaO § 464 Anm. 3), verkennt
die Beklagte zu 1, daß die vorbehaltlose Annahme schon nach dem Wortlaut
und der rechtssystematischen Einordnung dieser Vorschrift lediglich den
Verlust von Gewährleistungsansprüchen im weitesten Sinne, nicht
dagegen von Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung einer kaufvertraglichen
Nebenpflicht zur Folge hat.