Vertragliche Verpflichtung des Mieters
zu "Schönheitsreparaturen" als synallagmatische Hauptpflicht und ergänzende
Vertragsauslegung
BGH, Urteil vom 25.6.1980
- VIII ZR 260/79
Fundstelle:
BGHZ 77, 301
Zentrale Probleme (s. auch Lorenz/Riehm,
JuS Lern-CD ZivilR I Rn. 329):
Im Mittelpunkt der Entscheidung steht
der Charakter der vertraglich in (zulässiger) Abweichung von §
536 BGB vom Mieter übernommenen Pflicht zu Schönheitsreparaturen.
Dies ist grundsätzlich auch nach § 9 AGBG unbedenklich, sofern
der Pflicht nach der Ausgestaltung des Mietvertrages eine Entgeltfunktion
zukommt (vgl. z.B. BGHZ 101, 253). Hierfür ist erforderlich, daß
der Rhythmus der Schönheitsreparaturen angemessen ist und der Aufwand
für die Schönheitsreparaturen der tatsächlichen Abnutzung
entsprechen (s. etwa BGH NJW 1998, 3114). Nach ständiger Rechtsprechung
ist diese Pflicht - jedenfalls nach dem Auszug des Mieters, da dann das
Interesse des Vermieters nur noch auf die Vornahme dieser Reparaturen gerichtet
ist - Hauptflicht mit der Folge, daß bei Unterlassen Schadensersatzansprüche
des Vermieters aus §§ 325, 326 BGB in Betracht kommen. Daher
hat der Vermieter die Rechte aus § 326 I 2, kann also Schadensersatz
wegen Nichterfüllung verlangen, wobei eine Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung
in aller Regel entbehrlich ist, da im Auszug des Mieters in der Regel eine
konkludente ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung
zu sehen ist (vgl. dazu etwa BGH NJW 1991, 2416). Str. dabei aber, ob ein
Schaden des Vermieters vorliegt, wenn er die Schönheitsreparaturen
auf den Nachmieter abwälzen konnte. Nach hM entlastet dies den Mieter
nicht (Arg.: Vermieter mußte dafür bei Nachmieter einen geringeren
Mietzins in Kauf nehmen; jedenfalls aber muß nach den Regeln der
Vorteilsausgleichung eine Anrechnung der Leistung des Nachmieters unterbleiben,
da die Übernahme der Reparaturen überobligationsmäßig
ist, vgl. hierzu Medicus, BR, Rn. 858).
Im vorliegenden Fall war die
Schönheitsreparatur aber nicht aufgrund eines vom Mieter/Pächter zu vertretenden
Umstands unmöglich geworden (§ 325 BGB), sondern, weil der Vermieter die
Mietsache umbaute und daher Schönheitsreparaturen gegenstandslos wurde. In
ergänzender Auslegung des Vertrages schließt der BGH aus dem Entgeltcharakter
der Schönheitsreparatur auf eine Zahlungspflicht (s. nunmehr auch
BGH NJW 2005, 425 sowie
BGH v. 12.2.2014 - XII ZR 76/13)
Amtl. Leitsatz:
Die ergänzende Auslegung eines Pachtvertrages
kann ergeben, daß der Pächter anstelle seiner Verpflichtung
aus dem Pachtvertrag, Schönheitsreparaturen vornehmen zu lassen, bei
Beendigung des Vertrages dem Verpächter einen Ausgleich in Geld zahlen
muß, wenn der Verpächter die Pachtsache umbaut und dadurch die
Schönheitsreparaturen zerstört würden.
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der Eheleute
K., die den Beklagten am 1. Februar 1966 ab 16. Februar 1966 eine Gaststätte
mit Wohnung verpachteten. In dem Vertrag ist u. a. vereinbart:
»Das Pachtobjekt nebst Inventar wird in
dem beiden Teilen bekannten Zustand übergeben und ist darin von den
Pächtern zu erhalten und beim Auszug an den Verpächter zurückzugeben.
Ins besondere sind die Wirtschafts- und Personalräume sauber zu halten
und pfleglich zu behandeln. Das gleiche gilt für den Anstrich, der
mindestens alljährlich in der Küche und mindestens alle 2 Jahre
in den übrigen Pachträumen zu erneuern ist. Wertminderungen aus
natürlichem Verschleiß haben die Pächter nicht zu vertreten.
Durch natürlichen Verschleiß notwendige
Reparaturen und Erneuerungen an und in den Pachträumlichkeiten - mit
Ausnahme von Schönheitsreparaturen - sind vom Verpächter auf
seine Kosten vorzunehmen; desgleichen notwendige Neuanschaffungen unbrauchbarer
Stücke des Mobiliars, Inventars und der sonstigen Anlagen. Die Unterhaltung
und notwendige Reparaturen der mitverpachteten Anlagen und Maschinen sowie
des Mobiliars und Inventars ist Sache des Pächters.«
Der Pachtvertrag endete am 14. März 1976.
An diesem Tag räumten die Beklagten die Pachtsache. Zwei Tage später
erhielten die Verpächter die Baugenehmigung für Umbauarbeiten,
die bis 1978 ausgeführt wurden. Während der Umbauten wurde das
Haus neu verpachtet.
Nach dem Auszug der Beklagten wurde auf Antrag
der Verpächter ein Beweissicherungsverfahren durchgeführt. In
diesem wurde ein Sachverständigengutachten darüber eingeholt,
welche Aufwendungen erforderlich sind, um die Pachtsache in einen gebrauchsfähigen
Zustand zu versetzen. Der Sachverständige schätzte die notwendigen
Kosten auf 21 790 DM. Diesen Betrag forderte die Klägerin von den
Beklagten. Sie rechnete in Höhe des Teilbetrages von 4 000 DM gegen
den Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der von diesen gezahlten
Kaution auf. Den Restbetrag von 17 790 DM macht sie mit der Klage geltend.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage
abgewiesen. Die zugelassene Revision der Klägerin führte zur
Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I. Das Berufungsgericht nimmt an, der Klägerin
stehe ein Schadensersatzanspruch, der über den Betrag der verrechneten
Kaution hinausgehe, nicht zu. Es unterstellt, die Beklagten hätten
am 16. April 1976 die Aufforderung der Verpächter zur Beseitigung
von Schäden der Pachtsache und zur Durchführung von Schönheitsreparaturen
endgültig abgelehnt. Zur Erlangung eines Schadensersatzanspruchs nach
§ 326 BGB habe es, so meint das Berufungsgericht, deshalb einer Fristsetzung
nicht bedurft. Der Ersatzanspruch erfasse aber nicht die Beträge für
Schönheitsreparaturen, die durch den Umbau der Gaststätte, welchen
die Verpächter vorgenommen und mit dem sie möglicherweise schon
vor dem Auszug der Beklagten begonnen hätten, wieder zerstört
worden wären. Durch die Unterlassung der Beklagten sei ihnen insoweit
nämlich kein Nachteil entstanden. Es handele sich dabei mit Ausnahme
der für das Streichen der Fenster und Heizkörper angesetzten
Beträge um alle Kosten, welche die Klägerin für das Unterlassen
von Schönheitsreparaturen im ersten und zweiten Obergeschoß
in ihrer Schadensberechnung ansetze.
2. Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
a) Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und
Schrifttum lehnt einen Schadensersatzanspruch des Vermieters, der damit
begründet wird, daß der Mieter ihm obliegende Schönheitsreparaturen
nicht durchgeführt habe, insoweit ab, als diese wegen eines vom Vermieter
durchgeführten Umbaus der Mietsache wertlos geworden wären (vgl.
OLG Köln MDR 1971,665; EG Köln WuM 1977,253; LG Düsseldorf
WuM 1973,160; LG Düsseldorf ZMR 1978,266 - nur Leitsatz -; Erman/Sirp,
BGB 6. Aufl. § 249 Rdn. 45; Palandt/Heinrichs, BGB 39. Aufl. Vorbem.
5 f aa zu § 249; Staudinger/Emmerich, BGB 12. Aufl. §§ 535,536
Rdn. 149; Bronsch JR 1970,125,126; Tondorf WuM 1975,237,239; a. A. KG JW
1935,2240).
Die Begründungen sind unterschiedlich. Das
Landgericht Köln und Bronsch nehmen an, der Vermieter, der einen Umbau
der Mieträume beabsichtige, sei nach Treu und Glauben gehindert, die
Erfüllung der Verpflichtung des Mieters zu verlangen, so daß
ein Schadensersatzanspruch nicht entstehen könne. Emmerich beruft
sich auf das zitierte Urteil des Landgerichts Köln. Das Landgericht
Düsseldorf (WuM 1973,160), das Oberlandesgericht Köln sowie ihm
folgend Heinrichs, Sirp und Tondorf verneinen unter dem Gesichtspunkt der
überholenden Kausalität einen Schaden des Vermieters. Seine andere
Ansicht hat das Kammergericht in JW 1935,2240 damit begründet, daß
der Schaden in dem von ihm entschiedenen Fall bereits in dem Zeitpunkt,
in welchem der Mieter mit seiner vertraglichen Verpflichtung in Verzug
geraten sei, entstanden sei und ein Rechtsgrund für ein Erlöschen
der Verbindlichkeit alleine deshalb, weil die Wohnung später umgebaut
worden sei, nicht bestehe.
b) Für eine unterschiedliche Beantwortung
der Streitfrage, je nachdem ob ein Miet- oder ein Pachtverhältnis
vorliegt, besteht kein Anlaß.
c) Das Berufungsgericht geht davon aus, daß
der Klägerin der von ihr wegen Unterlassens der Schönheitsreparaturen
geltend gemachte Anspruch nur als Schadensersatzanspruch zustehen könne.
Diese Auffassung vermag der Senat nicht zu teilen. Die Forderung der Klägerin
kann nämlich dann begründet sein, wenn eine ergänzende
Auslegung des Vertrages ergibt, daß es dem mutmaßlichen Willen
der Vertragsteile entspricht, der Klägerin für den Fall des Umbaus
der Pachtsache anstelle eines fälligen Erfüllungsanspruchs eine
Geldforderung zuzubilligen. Ist eine entsprechende Vertragsauslegung
geboten, geht diese dem dispositiven Recht vor und ist für eine Prüfung,
ob ein Schadensersatzanspruch des Verpächters besteht, kein Raum.
aa) Die Parteien haben vereinbart, daß die
Pächter die Schönheitsreparaturen auszuführen haben. Eine
ausdrückliche Abrede darüber, ob die Verpächterin, wenn
bei Beendigung des Pachtvertrages fällige Schönheitsreparaturen
nicht ausgeführt sind, einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung
hat, wenn sie - wie vom Berufungsgericht festgestellt - entsprechend ihrem
bereits bei Beendigung des Pachtvertrages gefaßten Entschluß
die Pachtsache alsbald umbaut und durch den Umbau etwaige Schönheitsreparaturen
wieder zerstört würden, enthält der Vertrag nicht. Insoweit
weist er eine Lücke auf.
bb) Allerdings kann nicht alles, worüber
im Vertrag eine Regelung fehlt, durch Auslegung ergänzt werden. Falls
die Vertragschließenden zu einem bestimmten Punkt keine Regelung
treffen, kann meist angenommen werden, daß sie die Ausgestaltung
ihrer vertraglichen Beziehungen den Gesetzesvorschriften überlassen
(vgl. die Senatsurteile BGHZ 40,91,103 und NJW 1975,1116 = WM 1975,419,421).
Eine durch Auslegung zu schließende Vertragslücke liegt nur
dann vor, wenn der Vertrag innerhalb des durch ihn gesteckten Rahmens oder
innerhalb der wirklich gewollten Vereinbarungen ergänzungsbedürftig
ist. Die richterliche Auslegung darf nicht zu einer Erweiterung des Vertragsgegenstandes
führen und sie muß in dem Vertrag auch eine Stütze finden
(vgl. BGHZ 9,273; BGH 40,91,103; WM 1960,696,698). Sie muß sich als
zwingende selbstverständliche Folge aus dem ganzen Zusammenhang des
Vereinbarten ergeben, so daß ohne die vorgenommene Ergänzung
das Ergebnis in offenbarem Widerspruch mit dem nach dem Inhalt des Vertrages
tatsächlich Vereinbarten stehen würde (BGHZ 12,337,343; 29,107,110;
40,91,104).
So ist es möglicherweise hier. Es wäre
widersinnig, den zum Umbau entschlossenen Verpächter an dem Anspruch
auf Erfüllung der vom Pächter im Vertrag übernommenen Verpflichtung
zur Ausführung der Schönheitsreparaturen festzuhalten, obwohl
bei Erfüllung dieser Pflicht das hierdurch Geschaffene alsbald wieder
zerstört würde. Andererseits würde es aber - jedenfalls
im Regelfall - in offenbarem Widerspruch zu dem Inhalt des Vertrages stehen,
wenn der Pächter von seiner Verpflichtung befreit würde, ohne
hierfür einen Ausgleich entrichten zu müssen; denn die im Vertrag
übernommene Verpflichtung des Pächters zur Vornahme der Schönheitsreparaturen
stellt sich jedenfalls im Regelfall als Teil des Entgelts das das der Pächter
als Gegenleistung für die Leistungen des Verpächters zu entrichten
hat. Der erkennende Senat hat deshalb in seinem Urteil vom 20. Oktober
1976 (VIII ZR 51/75 = WM 1976,1277) ausgeführt, daß die Verpflichtung
zur Vornahme von Schönheitsreparaturen Hauptpflicht des Mieters ist
und nicht nur eine Nebenpflicht. Nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte
entspricht es deshalb dem mutmaßlichen Willen der Vertragsteile,
dem Verpächter anstelle des wirtschaftlich sinnlos gewordenen Anspruchs
auf Durchführung von Schönheitsreparaturen einen entsprechenden
Geldanspruch zu geben (§ 157 BGB). Dieser besteht im Wert dessen,
was der Pächter bei Durchführung der erforderlichen Schönheitsreparaturen
hätte aufwenden müssen. Den entsprechenden Betrag hat der Pächter
dem Verpächter zu entrichten.
Die Höhe des Geldanspruchs hängt
von den Umständen des Einzelfalles ab. Insbesondere kann es von Bedeutung
sein, ob der Verpächter sich nach dem mutmaßlichen Parteiwillen
auf die Durchführung der Schönheitsreparaturen durch den Pächter
persönlich oder Verwandte oder Bekannte des Pächters hätte
einlassen müssen. Hätte er das hinnehmen müssen, ist der
ihm zustehende Geldbetrag möglicherweise geringer als wenn er die
Ausführung der Schönheitsreparaturen durch einen Handwerker hätte
verlangen können.
...
Eine Entscheidung in der Sache selbst ist dem
Senat nicht möglich, weil es zu einer abschließenden Entscheidung
noch weiterer Feststellungen bedarf.
Das Berufungsgericht wird die Ausführungen
zu I 2c zu achten haben. Insbesondere wird es gegebenenfalls berücksichtigen
müssen, daß die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß
die Klägerin die Durchführung der Schönheitsreparaturen
durch die Beklagten persönlich oder ihre Verwandten oder Bekannten
hätte hinnehmen müssen, den Beklagten obliegt und daß unter
den Voraussetzungen des § 287 Abs. 2 ZPO eine Schätzung des der
Klägerin zustehenden Betrages in Betracht kommen kann. Soweit die
Beklagten geltend machen, die Pachtsache habe sich bei der Übernahme
durch sie in keinem besseren Erhaltungszustand befunden als bei Beendigung
des Pachtvertrages, wird es die vom erkennenden Senat in dem Urteil vom
30. November 1977 - VIII ZR 186/76 (WM 1978,227) vertretene Rechtsansicht
beachten müssen.
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