Wahrung der notariellen Form des deutschen Rechts bei Beurkundung durch
einen ausländischen Notar, Gleichwertigkeit einer Auslandsbeurkundung
(Substitution)
BGH, Beschl. v. 16.2.1981 - II ZB 8/80
Fundstellen:
BGHZ 80, 76
NJW 1981, 1160
s. auch die Anm. zu
BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - II ZB 6/13 sowie zu
BGH
v. 13.2.2020 - V ZB 3/16.
Amtl. Leitsatz:
Zur Frage, ob die Änderung der Satzung einer GmbH im Ausland wirksam
beurkundet werden kann.
Aus den Gründen:
I. Einzige Gesellschafterin der
Antragstellerin, einer GmbH, ist die A. H. AG mit Sitz in Zürich. Am 9.
Mai 1979 beschloß diese Gesellschaft, vertreten durch ihren
Verwaltungsrat, in Zürich die Änderung der §§ 9 und 10 der Satzung der
GmbH, soweit sie die Zahl der Mitglieder des Aufsichtsrats betrafen. Ein
öffentlicher Urkundsbeamter des Notariats Zürich (Altstadt) beurkundete
den Beschluß.
Der Geschäftsführer der Antragstellerin hat die Änderung zur Eintragung
ins Handelsregister angemeldet, Amts- und Landgericht haben die Eintragung
abgelehnt, weil die Gesellschafterversammlung nicht am Sitz der GmbH in
Deutschland stattgefunden (Amtsgericht) bzw. den Beschluß kein deutscher
Notar beurkundet hat (Landgericht). Das Oberlandesgericht Stuttgart hält
die Beurkundung für wirksam und möchte deshalb der weiteren Beschwerde
stattgeben. Es sieht sich hieran jedoch durch Beschlüsse der
Oberlandesgerichte Hamm vom 1. Februar 1974 (NJW 1974,1057) und Karlsruhe
vom 10. April 1979 (RIW 7 AWD 1979,567) gehindert und hat deshalb die
Sache gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung
vorgelegt.
II. Die Vorlage ist zulässig. Die Oberlandesgerichte Hamm und Karlsruhe
haben in den genannten Beschlüssen die Auffassung vertreten, für die Form
im Ausland gefaßter Beschlüsse der Gesellschaftsversammlung einer GmbH
gelte nicht das Ortsstatut (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EGBGB), sondern
ausschließlich das Wirkungsstatut (Art. 11 Abs. 1 Satz 1 EGBGB); die
danach erforderliche notarielle Beurkundung (§ 53 Abs. 2 GmbHG) könne nur
der deutsche Notar vornehmen, denn die ausländische Beurkundung sei der
deutschen nicht gleichwertig: Ausländische Notare seien insbesondere mit
dem deutschen Recht zu wenig vertraut, um - wie nach deutschem Recht
vorgeschrieben (§ 17 BeurkundungsG) - die zu beurkundenden Erklärungen
sachgerecht zu prüfen und die Beteiligten fachkundig zu belehren. Von
diesen Entscheidungen müßte das vorlegende Gericht abweichen, weil es Art.
11 Abs. 1 Satz 2 EGBGB für anwendbar, mithin die notarielle Beurkundung
als dem Ortsstatut entsprechend für wirksam hält.
III. Die weitere Beschwerde ist zulässig und sachlich begründet.
Es spricht viel für die Richtigkeit der Ansicht des Oberlandesgericht
Stuttgart, Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EGBGB gelte generell, also auch für
gesellschaftsrechtliche Vorgänge. Doch braucht der Senat die streitige
Rechtsfrage nicht zu entscheiden. Die weitere Beschwerde hat schon deshalb
Erfolg, weil auch dem Formerfordernis des gemäß Art. 11 Abs. 1 Satz 1
EGBGB als Wirkungsstatut geltenden deutschen Rechts genügt worden ist. Das
im § 53 Abs. 2 GmbHG vorgeschriebene Beurkundungserfordernis kann
grundsätzlich auch ein ausländischer Notar erfüllen. Voraussetzung ist
nur, daß die ausländische Beurkundung der deutschen gleichwertig ist.
Gleichwertigkeit ist gegeben, wenn die ausländische Urkundsperson nach
Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen
Notars entsprechende Funktion ausübt und für die Errichtung der Urkunde
ein Verfahrensrecht zu beachten hat, das den tragenden Grundsätzen des
deutschen Beurkundungsrechts entspricht. Das ist hier der Fall. In Zürich
liegt das Beurkundungswesen in den Händen eines gut ausgebildeten
Beamtennotariats, dessen Mitglieder nach Vorbildung und Stellung im
Rechtsleben dem deutschen Notar gleichwertig sind (vgl. Gutachten zum
internationalen und ausländischen Privatrecht [IPG] 1971 Nr. 41, [Köln]).
Auch das Beurkundungsverfahrensrecht entspricht in wesentlichen Punkten
dem deutschen Recht. Es kennt die Prüfungs- und Belehrungspflicht des
Notars, die Identitätsfeststellung der Beteiligten, die
Verhandlungsniederschrift, das Vorlesen, Genehmigen und Unterzeichnen der
Urkunde durch die Beteiligten sowie Siegeln und Unterzeichnen durch den
Notar (vgl. IPG 1971 Nr. 41, Köln). Damit sind zugleich alle Pflichten des
deutschen Notars umrissen.
Dennoch haben die Oberlandesgerichte Hamm und Karlsruhe in Anlehnung an
zahlreiche Stimmen in der Literatur die Gleichwertigkeit mit der
Begründung abgelehnt, die Prüfungs- und Belehrungspflicht des deutschen
Notars erfordere eine genaue Kenntnis des deutschen Gesellschaftsrechts,
die der ausländische Notar regelmäßig nicht besitze, so daß von einer
Gleichwertigkeit der Beurkundungsvorgänge nicht gesprochen werden könne.
Die zwangsläufige Folge dieser Begründung wäre, daß die Urkunden
ausländischer Notare niemals deutschen Anforderungen genügen würden,
vielmehr die inländischen Notare allein zur Beurkundung berufen wären.
Denn die genaue Kenntnis deutschen Rechts wird der ausländische Notar
regelmäßig auch auf anderen Rechtsgebieten nicht besitzen, wie umgekehrt
vom deutschen Notar die Kenntnis des Inhalts ausländischer Rechtsordnungen
nicht erwartet wird (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 2 BeurkundungsG).
Es ist richtig, daß die im § 53 Abs. 2 GmbHG geforderte notarielle
Beurkundung nicht nur Warn- und Beweiszwecken dient. Es geht auch um die
im § 17 BeurkundungsG vorgesehene Prüfungs- und Belehrungsfunktion des
Formerfordernisse s. Nur ist diese nicht Wirksamkeitsvoraussetzung der
Beurkundung, sondern verzichtbar (vgl. Scholz/Fischer, GmbHG 8. Aufl. ,
1977, § 53 Anm. 4; Rothoeft, Festschr. f. Esser, 1975, S. 113,126;
Kropholler ZHR 140 (1976), § 394,409; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I,
1980, S. 822; Bokelmann NJW 1975,1627; BGB-RGRK 12. Aufl. Bd. VI 2 S. 1101
Anm. 34). Zwar wird durch die Sollvorschrift des § 17 BeurkundungsG eine
Amtspflicht des Notars begründet, von der dieser nicht abweichen darf; von
den »Mußvorschriften« des Beurkundungsgesetzes unterscheidet sie sich aber
gerade dadurch, daß von ihrer Beachtung die Wirksamkeit der Beurkundung
nicht abhängt (BTDrucks V 73282 Einl. III 1). Das gilt nicht nur, wenn der
Notar von sich aus die Beteiligten nicht belehrt, sondern auch, wenn diese
auf seine Belehrung verzichten. Einem solchen Verzicht kommt es praktisch
gleich, wenn die Beteiligten einen ausländischen Notar aufsuchen, von dem
sie regelmäßig eine genaue Kenntnis des deutschen Gesellschaftsrechts und
deshalb eine umfassende Belehrung von vornherein nicht erwarten können.
Haben Urkunden, weil sie dem Registergericht vorzulegen sind,
Publizitätswirkung für Dritte, so gewährleistet die inhaltliche Prüfung
durch das Gericht, daß die Urkunde eine sichere Grundlage für den
Rechtsverkehr darstellt.
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