BGHZ 87,150
s. auch BGH NJW 2002, 1038 sowie
BGH v. 18.1.2008 - V ZR 174/06.
Zur Frage der Behandlung einer irrtümlichen Falschbezeichnung des Kaufgegenstandes (falsa demonstratio) bei einem nach § 313 Satz 1 BGB beurkundungspflichtigen Rechtsgeschäft.
Im Kaufvertrag vom 27. Februar 1975 ist der Verkauf
des im Grundbuch von Pf. Blatt 0914 verzeichneten Grundbesitzes der Beklagten
Flur 39 Flurstücke Nr. 32 und 31 an den Kläger notariell beurkundet
worden. Der Kläger ist inzwischen als Eigentümer im Grundbuch
eingetragen.
Im Grundbuch von Sch. ist die Beklagte als Eigentümerin
des auf Blatt 037, Flurstück 30 verzeichneten Grundbesitzes eingetragen,
welcher an das oben näher bezeichnete Flurstück Nr. 32 angrenzt.
Die Parteien streiten darüber, ob das Grundstück in Sch. am 27.
Februar 1975 an den Kläger mit- verkauft worden ist.
Mit seiner Klage hat der Kläger in erster
Instanz die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe einer den Kaufvertrag
vom 27. Februar 1975 ergänzenden Erklärung, derzufolge sie das
im Grundbuch von Sch. eingetragene Grundstück an den Kläger verkaufe,
beantragt. Das Landgericht hat dem Antrag stattgegeben.
Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der
Beklagten die Klage abgewiesen und die Anschlußberufung des Klägers,
mit der er hilfsweise die Feststellung begehrt, das fragliche Grundstück
sei bereits an ihn verkauft und aufgelassen worden, zurückgewiesen.
Die - zugelassene - Revision des Klägers
hatte Erfolg.
Aus den Gründen:
I. Das Berufungsgericht hat der Klage den Erfolg
versagt, weil hinsichtlich des im Grundbuch von Sch. Blatt 037 eingetragenen
Grundstückes Flur 28, Flurstück 30 ein nach § 313 Satz 1
BGB formwirksamer Kaufvertrag mangels Beurkundung des Kaufgegenstandes
nicht vorliege. Auch wenn die Parteien bei der Beurkundung des Kaufvertrages
übereinstimmend davon ausgegangen seien, der in der notariellen Urkunde
bezeichnete Grundbesitz umfasse auch die im Grundbuch von Sch. eingetragene
Parzelle Nr. 30, könne eine irrtümliche Falschbezeichnung der
verkauften Flurstücke nicht zu einem wirksamen Kaufvertrag über
die Parzelle Nr. 30 führen.
II. Soweit sich die Revision gegen die vom Berufungsgericht
ausgesprochene Abweisung des Hauptantrages auf Abgabe einer Willenserklärung
richtet, ist sie unbegründet.
Die Beklagte ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt
verpflichtet, eine Erklärung abzugeben, derzufolge sie die Parzelle
Nr. 30 an den Kläger verkaufe.
Ist der Kaufvertrag - wie das Berufungsgericht
meint - mangels Beurkundung des Kaufgegenstandes nichtig, so besteht eine
Verkaufsverpflichtung der Beklagten nicht. Sie braucht dementsprechend
keine Verkaufserklärung abzugeben.
Ist der Kaufvertrag aber - wie der Kläger
meint - auch hinsichtlich der Parzelle Nr. 30 wirksam zustande gekommen,
so bedarf es keiner erneuten Willenserklärungen der Beklagten mehr,
und der Kläger hat darauf auch keinen Anspruch.
III. Soweit sich die Revision gegen die Zurückweisung
der Anschlußberufung durch das Berufungsgericht wehrt, ist das Rechtsmittel
dagegen begründet:
Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen,
hinsichtlich der Parzelle Nr. 30 liege mangels Beurkundung des Kaufgegenstandes
ein wirksamer Kaufvertrag zwischen den Parteien nicht vor.
Zwar ist die Parzelle Nr. 30 nicht als Kaufgegenstand
im notariellen Vertrag vom 27. Februar 1975 aufgeführt. Andererseits
haben die Vertragspartner aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
am 27. Februar 1975 einen Kaufvertrag nicht nur über die im Grundbuch
von Pf. Blatt 0914 verzeichneten Grundstücke Flurstücke 31 und
32, sondern auch über das dem Flurstück 32 benachbarte und im
Grundbuch von Sch. , Blatt 037 Flurstück 30 eingetragene Grundstück
schließen wollen. Nach dem übereinstimmenden Vortrag beider
Parteien ist die Aufnahme des Flurstückes Nr. 30 in die Vertragsurkunde
nur versehentlich unterblieben.
Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten
hat im Termin vom 9. März 1981 vor dem Landgericht im Beisein der
Beklagten ausdrücklich erklärt, zwischen den Parteien sei unstreitig,
daß die Beklagte den gesamten ihr gehörenden Grundbesitz an
der K.straße zu dem im Kaufvertrag aufgeführten Preis an den
Kläger habe verkaufen wollen. Zu diesem Zwecke hätten die Parteien
auch den Notar aufgesucht. Durch ein Versehen sei die eine Parzelle, die
nicht mit den beiden anderen im Grundbuch von Pf. eingetragen gewesen sei,
nicht in den Vertrag aufgenommen worden. Soweit die Beklagte im Berufungsrechtszug
vorgetragen hat, sie habe - wie im Kaufvertrag beurkundet - lediglich die
Flurstücke Nr. 31 und Nr. 32 an den Kläger verkaufen wollen,
ist dieser Vortrag gemäß § 288 ZPO ohne Bedeutung. Die
Voraussetzungen des § 290 ZPO für den erfolgreichen Widerruf
eines Geständnisses hat die Beklagte nicht einmal vorgetragen. In
der Revisionsinstanz hat die Beklagte zur Frage eines wirksamen Geständnisses
ausdrücklich keine Stellungnahme abgegeben.
Haben die Vertragspartner aber entgegen dem beurkundeten
Vertragswortlaut neben den Parzellen 31 und 32 zugleich die Parzelle 30
mitverkaufen wollen, so hängt die Entscheidung des Rechtsstreits von
der Frage ab, ob eine derart unrichtige Bezeichnung des von den Beteiligten
übereinstimmend Gewollten (falsa demonstratio) für die Wirksamkeit
des Kaufvertrages unschädlich ist. Der Senat hat diese Frage in Übereinstimmung
mit der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts stets bejaht,
wenn das objektiv Erklärte dem Formerfordernis des § 313 BGB
genügte (vgl. hierzu RGZ 46,225,227; RG JW 1904,58 Nr. 13; RGZ 60,338,340;
61,264,265; 66,21,23; 73,154,157; 109,334,336; 133,279,281; BGHZ 74,116,119
m. w. Nachw. über die Rechtsprechung des Senats). Das Urteil des Senats
vom 23. März 1979 (BGHZ 74,116) weicht von dieser ständigen Rechtsprechung
nicht ab. Es läßt vielmehr ausdrücklich die Frage offen,
ob eine unschädliche Falschbezeichnung im Bereich des § 313 BGB
generell nicht mehr zuzulassen sei, da in dem seinerzeit zu entscheidenden
Fall selbst bei Beurkundung des übereinstimmenden Willens (Teilveräußerung
eines Grundstückes ohne ausreichende Teilflächenbezeichnung anstatt
der beurkundeten Veräußerung eines Gesamtgrundstückes)
der Vertrag mangels genügender Bezeichnung des zu verkaufenden Grundstücksteils
im Anschluß an die Senatsentscheidung vom 8. November 1968, V ZR
58/65, NJW 1969,131, unwirksam gewesen wäre.
Der Senat sieht nach erneuter Überprüfung
keine Veranlassung, von der bisherigen Rechtsprechung zur Unschädlichkeit
einer versehentlichen Falschbezeichnung im Rahmen des § 313 Satz 1
BGB abzuweichen.
Dabei wird nicht verkannt, daß der für
formfreie Rechtsgeschäfte unproblematische Vorrang des übereinstimmenden
Parteiwillens gegenüber dem objektiv Erklärten im Bereich beurkundungspflichtiger
Rechtsgeschäfte im Widerspruch zu den Formzwecken des § 313 BGB
stehen kann (vgl. hierzu auch Wieling in AcP 1972,297,308 ff.). Die Form
soll einmal Veräußerer und Erwerber vor übereilten Verträgen
bewahren, sie auf die Wichtigkeit des Geschäftes hinweisen und ihnen
die Möglichkeit rechtskundiger Belehrung und Beratung eröffnen
(vgl. BGHZ 83,395,397). Diese Warn- und Schutzfunktion wird durch die Anerkennung
der Unschädlichkeit der irrtümlichen Falschbezeichnung nicht
entscheidend in Frage gestellt, denn die Notwendigkeit der Beurkundung
bleibt bestehen (Warnfunktion), Belehrung und Beratung durch den Notar
(Schutzfunktion) bleiben erhalten, wenn sie sich auch nicht ausdrücklich
auf das wirklich verkaufte Grundstück beziehen.
Durch die Beachtung der Formvorschrift des §
313 BGB sollen aber auch der Inhalt der Vereinbarung klar und genau festgestellt
und die Beweisführung gesichert werden (vgl. BGHZ 25,6,11; Staudinger/Wufka,
BGB 12. Aufl. § 313 Rdn. 3). Dieser Zweck wird im Falle der Anerkennung
der Unschädlichkeit der irrtümlichen Falschbezeichnung außer
acht gelassen; denn das, was wirklich von den Vertragspartnern gewollt
ist, ist gerade nicht oder nicht vollständig beurkundet und kann daher
aus der Urkunde weder entnommen noch bewiesen werden.
Andererseits darf aber - wie Bernard, in Formbedürftige
Rechtsgeschäfte, Schriften zum Bürgerlichen Recht, Band 55 Seite
63 ff.; hier Seite 71 ff. , zutreffend hervorhebt - nicht überschätzt
werden, was die Beurkundung wirklich zu leisten vermag. Entsteht zwischen
den Vertragspartnern Streit über den Inhalt des beurkundeten Vertrages,
so kann er, da auch ausdrückliche Formulierungen unklar, mißverständlich
und mehrdeutig sein können, nicht aus der Urkunde allein entschieden
werden. Es müssen vielmehr auch außerhalb der Urkunde liegende,
zur Erforschung des Vertragsinhalts geeignete Umstände herangezogen
werden. Dieser Notwendigkeit trägt die für die Auslegung von
beurkundeten Willenserklärungen entwickelte sogenannte Andeutungsformel
Rechnung. Nach ihr sind auch Urkunden über formbedürftige Rechtsgeschäfte
nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen. Dabei dürfen aber außerhalb
der Urkunde liegende Umstände nur berücksichtigt werden, wenn
der einschlägige rechts geschäftliche Wille der Parteien in der
formgerechten Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen
Ausdruck gefunden hat (vgl. BGHZ 63,359,362 m. w. Nachw. und BGHZ 74,116,119
sowie auch kritisch gegenüber der Andeutungsformel: Lüderitz,
Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966, Seite 186 ff. und Häsemeyer,
Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte, 1971, Seite 140 ff.). Müssen
aber im Falle von Unstimmigkeiten zwischen den Parteien zur Erforschung
des wirklichen Inhalts der Vereinbarung auch außerhalb der Urkunde
liegende Umstände herangezogen und berücksichtigt werden, und
kommt damit der ausdrücklichen Urkundenerklärung nur eine Indizwirkung
zu, so kann der Beweiszweck der Urkunde der Anerkennung der Unschädlichkeit
der irrtümlichen Falschbezeichnung nicht entscheidend entgegengehalten
werden. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn zum Beweis des
Urkundeninhalts jedes außerurkundliche Beweismittel unzulässig
wäre, also nur das objektiv Erklärte als Urkundeninhalt in Betracht
käme. Eine solche Konsequenz würde aber der allgemeinen Auslegungsregel,
wonach der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen ist (§ 133 BGB),
in nicht vertretbarer Weise widersprechen und zudem die Problematik in
sich unverständlicher und widersprüchlicher Urkundenerklärungen
nicht in überzeugender Weise lösen.
Der denkbare Widerspruch zwischen den Beurkundungszwecken
einerseits und der Forderung nach Geltung des übereinstimmenden, aber
nicht beurkundeten Parteiwillens andererseits, hat vom Beginn der Rechtsprechung
zur Unschädlichkeit der irrtümlichen Falschbezeichnung an bestanden
und ist auch nicht übersehen worden. § 313 BGB ist dennoch von
Anfang an so angewendet worden, daß nicht das objektiv Erklärte,
sondern das übereinstimmend Gewollte gelte, wenn nur das objektiv
Erklärte dem Formerfordernis genüge.
Da der Richter nach dem Grundgesetz nicht darauf
verwiesen ist, gesetzgeberische Weisungen in den Grenzen des möglichen
Wortsinns auf den Einzelfall anzuwenden (BVerfGE 34,269,287), kommt der
Auslegung insbesondere älterer Gesetzesbestimmungen, die im Laufe
der Zeit durch eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung aus-
geformt worden ist, eine besondere Bedeutung zu. Wie der Große Senat
für Zivilsachen des Bundesgerichtshofes im Beschluß vom 4. Oktober
1982 - GSZ 1/82 - BGHZ 85,64ausdrücklich hervorgehoben hat, treten
im Falle der durch gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung gefundenen
Gesetzesauslegung die Rechtswerte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes
in den Vordergrund und verlangen im allgemeinen ein Festhalten an der einmal
eingeschlagenen Rechtsentwicklung. Ein Abgehen von der Kontinuität
der Rechtsprechung kann nur ausnahmsweise hingenommen werden, wenn deutlich
überwiegende oder sogar schlechtin zwingende Gründe dafür
sprechen. Derartige Gründe, die jetzt eine Abweichung von der bisherigen
Rechtsprechung unumgänglich machen und damit dem übereinstimmenden
Parteiwillen bei beurkundungsbedürftigen Geschäften gegenüber
dem davon abweichenden objektiv Erklärten keine Geltung mehr verschaffen
können, sind dem Senat aber nicht ersichtlich.
Ist daher im notariellen Vertrag vom 27. Februar
1975 die Parzelle 30 mitverkauft worden und umfaßt die gleichzeitig
erklärte Auflassung den gesamten verkauften Grundbesitz (vgl. hierzu
BGH Urteil vom 23. Juni 1967, V ZR 4/66, MDR 1967,701), so mußte
dem vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei zugelassenen Hilfsantrag auf
Feststellung stattgegeben werden.
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