Der Rücktritt vom Vertrag steht dem Anspruch auf Ersatz des bis zum Rücktritt entstandenen Verzugsschadens nicht entgegen.
BGHZ 88, 46 ff
s.auch BGH NJW 1998,
3268 ff
Der Kläger und seine geschiedene Ehefrau sind
Eigentümer einer Eigentumswohnung in S. Mit notariellem Vertrag vom
15. Januar 1980 verkauften sie die Wohnung an die Beklagten zum Barkaufpreis
von 70 000 DM, zahlbar bis zum 29. Februar 1980 au ein Anderkonto des beurkundenden
Notars. Als weitere Gegenleistung übernahmen die Beklagten zugunsten
der Voreigentümer eingetraegene Rentenreallasten sowie für den
Fall des Rücktritts der Voreigentümer eingetragene Rückauflassungsvormerkungen
einschließlich der durch diese Rechte abgesicherten schuldrechtlichen
Verbindlichkeiten, und zwar ab 1. März 1980. Von diesem Tag an sollten
Besitz, Nutzung, Lasten und Gefahr auf die Beklagten übergehen. Die
Beklagten zahlten die übernommene Rente für die Monate März
bis August 1980. Den Betrag von 70 000 DM hinterlegten sie nicht. Mit Anwaltsschreiben
vom 23. April 1980 ließ der Kläger die Beklagten zur Hinterlegung
von 70 000 DM mahnen.
Nachdem die Beklagten Ende August 1980 die Wohnungsschlüssel
an die Verkäufer zurückgegeben hatten, erklärten diese mit
Schreiben vom 18. September 1980 den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Der Kläger verlangt von den Beklagten u.
a. Zahlung von Mahnkosten in Höhe von 1 006,43 DM und von Verzugszinsen
in Höhe von 1,24 DM für die verspätete Rentenzahlung.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; die
Berufung führte zur Klageabweisung. Die Revision des Klägers
hatte Erfolg.
Aus den Gründen:
I. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, die vom Kläger erhobenen Zahlungsansprüche könnten nach dem gemäß § 326 BGB wirksam erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag nicht mehr geltend gemacht werden. Der Rücktritt habe den Kaufvertrag in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis verwandelt, wodurch sowohl die primären Erfüllungsansprüche als auch die damit zusammenhängenden sekundären Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verzuges mit der Vertragserfüllung erloschen seien. Die Beklagten seien daher weder zur Zahlung der Kosten des Mahnschreibens noch der Zinsen für verspätete Rentenzahlungen verpflichtet.
II. Die Revision hat Erfolg
1. Was den vom Kläger geltend gemachten Anspruch
auf Zahlung von 1 006,43 DM (Kosten des anwaltlichen Mahnschreibens) und
1,24 DM (Zinsen wegen verspäteter Rentenzahlung) anbetrifft, so handelt
es sich um die Geltendmachung von Verzugsschaden. Die Beklagten haben die
im Kaufvertrag übernommenen Leistungspflichten (nämlich: Zahlung
von 70 000 DM Barkaufpreis und Zahlung von Renten an die Reallastgläubiger)
nicht rechtzeitig erfüllt. Aufgrund dessen sind Mahnkosten und Verzugszinsen
entstanden.
Dieser Verzugsschaden kann - entgegen der Auffassung
des Berufungsgerichts - auch noch nach einem auf § 326 BGB gestützten
Rücktritt vom Kaufvertrag geltend gemacht werden:
a) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei einen
wirksamen Rücktritt der Verkäufer vom Kaufvertrag gemäß
§ 326 BGB bejaht. Hiergegen werden vom Revisionskläger auch keine
Einwendungen erhoben.
b) Durch den Rücktritt ist das ursprüngliche
Vertragsverhältnis in ein Abwicklungsverhältnis nach Maßgabe
der §§ 327,346 BGB umgewandelt worden (vgl. Senatsurteil vom
27. Mai 1981, V ZR 184/78, WM 1981,792,794 li. Sp. unten). Damit entfallen
- unabhängig vom Meinungsstreit über die Rechtsnatur des Abwicklungsverhältnisses
(vgl. hierzu MünchKomm/Janßen vor § 346 Rdn. 29 und 30;
BGB-RGRK 12. Aufl. § 346 Rdn. 10) - alle primären Leistungspflichten.
Bereits erbrachte Leistungen sind zurückzugewähren. Der Wegfall
der primären Leistungspflichten führt zwangsläufig auch
dazu, daß alle auf Befriedigung des Erfüllungsinteresses gerichteten
Schadensersatzansprüche, die etwa vor Ausübung des Rücktrittsrechtes
entstanden sind, erlöschen. Hierüber besteht in Rechtsprechung
und Literatur allgemein Übereinstimmung (wegen der Behandlung von
Deliktsansprüchen, die auf das Erfüllungsinteresse gerichtet
sind, vgl. BGH Urteil vom 20. Oktober 1983, I ZR 125/52, LM BGB §
252 Nr. 2 und die voneinander abweichenden Auffassungen in MünchKomm/Janßen
vor § 346 Rdn. 31 und MünchKomm/Emmerich § 325 Rdn. 60).
Unterschiedliche Auffassungen bestehen jedoch
darüber, wie sich der Rücktritt auf einen vorher entstandenen
Schadensersatzanspruch wegen Verzuges auswirkt, der nicht auf Ersatz des
Erfüllungsinteresses, sondern des bloßen Verzugsschadens gerichtet
ist (vgl. hierzu: einen Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens bejahend:
Staudinger/Otto, BGB 12. Aufl. § 327 Rdn. 19; MünchKomm/Janßen
vor § 346 Rdn. 33; Palandt/Heinrichs, BGB 42. Aufl. Einf. vor §
346 Anm. 1 b; einen Anspruch verneinend: Staudinger/Kaduk, BGB 10./11.
Aufl. Vorbem. § 346 Rdn. 17 und § 346 Rdn. 35; Leser, Der Rücktritt
vom Vertrag, 1975, S. 173; Larenz, Schuldrecht 113. Aufl. § 26 S.
374 - entgegen Vorauflage -; OLG Düsseldorf WM 1979,1220 mit kritischer
Anmerkung von Körner).
Nach Auffassung des Senats ist im Falle der Ausübung
des Rücktrittsrechts aus § 326 BGB ein Verzugsschaden, der dadurch
entstanden ist, daß der Vertragspartner bis zum Rücktritt bestehende
primäre Leistungspflichten nicht rechtzeitig erfüllt hat, neben
den sich aus dem Abwicklungsverhältnis ergebenden Ansprüchen
nach § 286 Abs. 1 BGB zu ersetzen.
Der Anspruch auf Ersatz des reinen Verzugsschadens
ergibt sich auch beim gegenseitigen Vertrag aus § 286 Abs. 1 BGB.
Er kann - wie der Senat im Urteil vom 13. Juni 1975, V ZR 171/73, NJW 1975,1740
klargestellt hat - geltend gemacht werden, ohne daß die Voraussetzungen
des § 326 Abs. 1 BGB vorliegen. Dementsprechend kann der Gläubiger,
der nach § 326 Abs. 1 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung
verlangt, zusätzlich den Anspruch aus § 286 Abs. 1 BGB geltend
machen. Das Erlöschen des Erfüllungsanspruches nach § 326
Abs. 1 Satz 2,2. Halbsatz BGB steht dem Anspruch auf Ersatz des vorher
entstandenen Verzugsschadens aus § 286 Abs. 1 BGB nicht entgegen.
Für den Fall des auf § 326 Abs. 1 BGB
gestützten Rücktritts gilt nichts anderes. Die Umwandlung des
ursprünglichen Vertragsverhältnisses in ein Rückabwicklungsverhältnis
hat wie beim Schadensersatz wegen Nichterfüllung das Erlöschen
der primären Leistungspflichten zur Folge. Die empfangenen Leistungen
sind nach Maßgabe der §§ 327,346 ff. BGB zurückzugewähren.
Damit ist aber ein Erlöschen bereits entstandener Ansprüche aus
§ 286 Abs. 1 BGB auf Ersatz von Verzugsschaden nicht verbunden. Dies
gilt unabhängig von der Beantwortung der Frage nach der Rechtsnatur
des Abwicklungsverhältnisses. Das Reichsgericht, das im Rücktritt
die rückwirkende Aufhebung des Vertragsverhältnisses sah (vgl.
RGZ 50,266 f.; 75,201), hatte dessen ungeachtet keine Bedenken gegen die
Zuerkennung einer Vertragsstrafe wegen verzögerter Lieferung einer
Ware im Falle des später erklärten Rücktritts vom Vertrag
(vgl. RGZ 94,203,206 f.). Das Reichsgericht bezog sich dabei auf eine Entscheidung
des ehemaligen preußischen Obertribunals (abgedruckt in Striethorst
Arch. Bd. 46,330), derzufolge die Vertragsstrafe wegen verzögerter
Lieferung trotz eines am 1. Oktober erklärten Rücktritts zugebilligt
worden war, weil der Schuldner sie an diesem Tage neben der ordnungsgemäßen
Leistung auch hätte bezahlen müssen; die - verspätete -
Leistung könne ihn nicht nachträglich von der bereits verwirkten
Strafe befreien.
Die gleichen Überlegungen müssen für
den im Zeitpunkt des Rücktritts bereits entstandenen Verzugsschaden
gelten.
Unabhängig davon, ob das Vertragsverhältnis
durch den Rücktritt rückwirkend beseitigt oder nur für die
Zukunft in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt wird, hat der Rücktritt
das Ziel, den vor Vertragsschluß bestehenden Zustand wiederherzustellen.
Ohne den durch den Rücktritt betroffenen Vertrag hätte zwar eine
Verpflichtung zum Güteraustausch nicht bestanden, der Gläubiger
wäre aber auch nicht durch die verzögerte Erfüllung der
ursprünglich ausbedungenen Leistung geschädigt worden. Die Versagung
eines Anspruchs auf Ersatz des bis zum Rücktritt entstandenen Verzugsschadens
würde bedeuten, daß der den Rücktritt erklärende Vertragspartner
gegenüber dem Zustand ohne Vertragsschluß eine Vermögenseinbuße
erleiden könnte. Auf der anderen Seite würde der Schuldner, der
die ursprünglich vereinbarte Leistung nicht rechtzeitig erbringt und
dann infolge des Rücktritts auch nicht mehr erbringen muß, einen
Vorteil gegenüber dem Schuldner erhalten, der die Leistung im Anwendungsbereich
des § 326 Abs. 1 BGB bis zum Ablauf der Nachfrist noch erbringt. Er
müßte nämlich auf jeden Fall den bis dahin entstandenen
Verzugsschaden gemäß § 286 Abs. 1 BGB ersetzen. Die mit
dem Erlöschen des Verzugsanspruchs verbundene Besserstellung des Schuldners,
der bis zum Ablauf der Nachfrist nicht leistet, ist aber nicht gerechtfertigt.
Sie ist insbesondere mit dem Ziel der §§ 286 Abs. 1,326 Abs.
1 BGB, den Gläubiger vor vermögensschädigenden Folgen einer
verspäteten Leistung zu bewahren, nicht vereinbar.
Steht damit dem vom Kläger geltend gemachten
Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens in Höhe von 1 007,67 DM der
auf § 326 Abs. 1 BGB gestützte Rücktritt vom Vertrag nicht
entgegen, so ist das Berufungsurteil insoweit aufzuheben. Da nach dem festgestellten
Sachverhältnis der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist (§
565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), ist die Berufung der Beklagten gegen das den Verzugsschaden
zuerkennende Urteil des Landgerichts zurückzuweisen.