Rücktritt und Verzugsschaden


BGH, Urteil v. 10.7.1998, V ZR 360/96


Amtl. Leitsätze:

1. Bei der interessengerechten Auslegung ist das Interesse der Parteien zum Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärungen, nicht zum Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung maßgeblich; eine zwischenzeitlich überholte Rechtsprechung kann daher für den objektiven Wert der abgegebenen Erklärungen bestimmend sein.
2. Das Revisionsgericht prüft, ohne daß es hierzu einer Rüge bedarf, nach, ob das Berufungsgericht bei der Auslegung einer Willenserklärung aus unzutreffender rechtlicher Sicht Tatsachen (Auslegungsstoff) unberücksichtigt gelassen hat, deren Vortrag sich aus dem Inhalt des Sitzungsprotokolls oder dem Tatbestand des Berufungsurteils ergibt.
3. Macht der Verkäufer von einem ihm im Vertrag eingeräumten Rücktrittsrecht Gebrauch, so entfällt sein Anspruch auf Ersatz der Zinsen, die er zufolge des Verzugs des Käufers nicht erwirtschaftet oder nicht erspart hat.



Fundstelle:

NJW 1998, 3268 ff



Zentralproblem des Falles:

Seit BGHZ 88, 46 ff ist in Rechtsprechung und Literatur streitig, ob eine Vertragspartei, die nach § 326 I BGB vom Vertrag zurücktritt, weiterhin den bereits eingetretenen Verzugsschaden nach § 286 I BGB verlangen kann. Der BGH hat dies früher bejaht, was zu Recht auf Kritik gestoßen ist. Insbesondere wurde eingewendet, daß eine Leistung, auf die keine Anspruch mehr besteht und die, wäre sie schon erbracht worden, einschließlich der Nutzungen zurückerstattet werden muß (§§ 327 I, 346, 347 S. 2, 3, 987 BGB). Der Gläubiger könne daher damit nach dem Rücktritt deshalb keine Verzugszinsen für den Zeitraum vor dem Rücktritt erlangen, weil er den Gebrauchsvorteil, dessen Verlust er ja geltend macht, nach Rücktritt ohnehin zurückerstatten müßte (vgl. Larenz, SchuldR I S. 404 Fn. 6).
Der BGH schließt sich dieser Argumentation jetzt für den Fall eines vertraglichen Rücktrittsrechts grundsätzlich an, läßt aber offen, ob gleiches auch beim gesetzlichen Rücktrittsrecht anzunehmen wäre. Das Abrücken von BGHZ 88, 46 ff ist dennoch deutlich.
Im Ergebnis kommt der BGH durch einen "Kunstgriff" dennoch zur Ersatzfähigkeit des bereits eingetretenen Verzugsschadens: Er gründet diese auf die Abrede der Parteien, die sich bei der Vereinbarung des Rücktrittsrechts (und seiner Folgen) an der bisherigen Rspr. orientiert hätten.
Beachte: Tritt der Gl. nicht zurück, sondern verlangt er nach § 326 I BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung, so bleibt der bis zum Ablauf der Nachfrist bereits eingetretene Verzugsschaden erstattungsfähig. Str. ist, ob man das weiter auf § 286 I BGB stützt oder den Schaden in den Nichterfüllungsschaden nach § 326 I BGB einbezieht.
Daraus folgt: Rücktritt ist i.d.R. der wirtschaftlich ungünstigere Rechtsbehelf!


Zum Sachverhalt:

Die Kl. verkauften der Bekl. und einer Treuhandgesellschaft mbH als Gesellschaftern bürgerlichen Rechts mit notariellem Vertrag vom 10.11.1992 30 Eigentumswohnungen und das Teileigentum an 29 Garagen-Stellplätzen. Die Finanzierung des Kaufpreises war durch Treugeber vorgesehen, auf deren Rechnung die Treuhandgesellschaft Anteile an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts erwerben sollte. Die einzeln ausgewiesenen Kaufpreise sollten nach Vorlage verschiedener Voraussetzungen, nicht aber vor dem 31.3.1993, fällig werden. Ab dem 31. Tag nach Fälligkeit war die Zahlung eines Verzugszinses von 10% jährlich vereinbart (vertraglicher Verzugszins). In Abschnitt XIV war ein "besonderes Rücktrittsrecht beider Vertragsteile" vorgesehen, das ab 1.4.1993 ausgeübt werden konnte und auf die Einheiten beschränkt war, für die bis dahin der Kaufpreis nicht entrichtet wurde. Mit Nachtrag vom 10.2.1994 trafen die Vertragsparteien, was den Zeitpunkt der Ausübung des Rücktrittsrechts angeht, eine abändernde Vereinbarung. Ein zweiter Vertragsnachtrag vom 9.11.1994 beschränkte den Vertragsgegenstand auf vier Eigentumswohnungen und drei Stellplätze, für die nur noch eine Restsumme von 51888.- DM zu entrichten war. Die Kl. haben aus einem Teil der ursprünglich vereinbarten Kaufpreise vertraglichen Verzugszins in Höhe von 1 057 079,13 DM für die Zeit vom 31.3.1993 bis 9.11.1994 sowie Zahlung des Restkaufpreises verlangt. Das LG hat die Bekl. gemäß ihrem Anerkenntnis zur Zahlung eines Teiles des Restkaufpreises (nebst hierauf entfallenden Zinsen) und durch Schlußurteil zur Zahlung vertraglicher Verzugszinsen, allerdings nur in Höhe von 689 463,21 DM (sowie weiterer Zinsen auf den Kaufpreisrest) verurteilt. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Bekl. hat das OLG vertraglichen Verzugszins nur im Umfang des zweiten Vertragsnachtrags, nämlich in Hohe von 27766,16 DM. zuerkannt, ihn im übrigen aber abgesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Kl., mit der sie die Wiederherstellung des Urteils des LG  anstreben. Sie beantragen, gegen die in der Revisionsinstanz nicht vertretene Bekl. durch Versäumnisurteil zu erkennen. Die Revision war erfolgreich.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. stellt fest, die Preise für die ursprünglich verkauften Wohnungs- und Teileigentumseinheiten seien am 1.9.1993 fällig geworden. Schuldnerverzug sei am 1.10.1993 eingetreten. Der Anspruch auf den vertraglichen Verzugszins beschränke sich indessen auf die nach dem zweiten Vertragsnachtrag noch bestehenden Kaufpreisforderungen. Zwar habe der Nachtrag nicht zur Aufhebung des ursprünglichen Kaufs, sondern nur zu dessen Abänderung geführt. Aufgrund der Abänderung hätten sich indessen die beiderseitigen Pflichten von Anfang an auf den Bestand von vier Eigentumswohnungen und drei Stellplätzen beschränkt. Hierbei stützt sich das BerGer. auf die Überlegung, daß die Käufer ohnehin in der Lage gewesen seien, den Anspruch auf Verzugszins durch den in Abschnitt XIV des Kaufvertrags vereinbarten Rücktritt zum Erlöschen zu bringen. Ob die Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts nach § 326 BGB den Anspruch auf Verzugszinsen, wie der BGH entschieden habe (BGHZ 88,46 = NJW 1984,42 = LM § 286 BGB Nr. 20 [L]), unberührt lasse, könne dahinstehen. Bei einem vertraglichen Rücktrittsrecht, wie es in Abschnitt XIV gegeben sei, gelte dies jedenfalls nicht. Trete der Gläubiger zurück, könne er nicht Schadensersatz wegen Verzugs mit einer Leistung verlangen, die er nicht mehr wolle. Der Schuldner habe mit dem Rücktritt von seinem Recht Gebrauch gemacht, sich von seiner Pflicht zur Erfüllung zu lösen. Im Streitfalle sei es danach ausgeschlossen, daß die Käufer beim zweiten Vertragsnachtrag die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen auf den Kaufpreis, der nicht mehr Vertragsgegenstand gewesen sei, hätten aufrechterhalten wollen. Andernfalls hätten sie den Vorteil, die verbliebenen Einheiten für insgesamt 922 705 DM zu erwerben, mit der Aufrechterhaltung eines nach der Berechnung der Kl. diesen Betrag übersteigenden Verzugszinses erkauft.
 Die Revision hat Erfolg. Aufgrund der Säumnis der Bekl. ist durch Versäumnisurteil zu erkennen, obwohl die Entscheidung inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge beruht (BGHZ 37, 79 [82] = NJW 1962, 1149 = LM § 331 ZPO Nr. 2).

II. Entgegen der Auffassung der Revision hat das BerGer. allerdings bei der Auslegung des zweiten Vertragsnachtrags die von der Rechtsprechung entwickelte Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der über das Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden nicht außer acht gelassen. Das Berufungsurteil ist, was der Beurteilung des RevGer. unterliegt (BGHZ 32,60 [63] =NJW 1960,959 = LM § 1967 BGB Nr. 1; BGH, WM 1981, 362 f.), rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß der Vertragsnachtrag in dem streitigen Punkte nicht eindeutig ist. Die beurkundete Einigkeit der Vertragsparteien darüber, daß "Kaufgegenstand der Haupturkunde (scil. Kaufvertrag vom 10.11.1992) nicht mehr die gesamten dort näher beschriebenen Sondereinheiten sind", sowie die weiter getroffene Bestimmung, "Nrn. V bis XI der Haupturkunde (mithin auch der die Verzugsfolgen regelnde Abschnitt IX) soll(t)en bestehen bleiben und hierher wiederholt" werden, läßt auch die Deutung zu, die vertraglichen Verzugszinsen beschränkten sich auf die Kaufpreise, die weiterhin geschuldet werden. Dem BerGer. war mithin die Möglichkeit eröffnet, das Vereinbarte durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln (BGHZ 25, 318 [319] = NJW 1957, 1873 = LM § 765 BGB Nr. 2; BGHZ 80, 246 [249 f.] = NJW 1981, 1736 = LM § 133BGBNr. 45 [L]).Gegenstand der Richtigkeitsvermutung ist der Vertragsinhalt, von dem sich das Gericht auf diese Weise überzeugt hat (BGH, NJW 1980, 1680 = LM § 286 [A] ZPO Nr. 33). Das war hier die Abbedingung des Verzugszinses.

III. Die Auslegung selbst hält indessen der rechtlichen Überprüfung nicht in jedem Punkt stand.
1. Allerdings ist das BerGer. bei der Würdigung der Interessenlage der Parteien im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß die Ausübung des vertraglichen Rücktrittsrechts nach Abschnitt XIV des Kaufs den Zinsanspruch zu Fall gebracht hätte.
a) In seiner - zum gesetzlichen Rücktrittsrecht nach §§ 326, 327 BGB ergangenen - Entscheidung vom 24.6.1983 (BGHZ 88,46= NJW 1984,42 = LM § 286 BGB Nr. 20 [L]) hatte der Senat noch offen gelassen, ob die Rücktrittserklärung, wie es das RG vertreten hatte (RGZ 50,226 f.; 75,201), zur rückwirkenden Aufhebung des Vertragsverhältnisses führt. Die dem zugrunde liegende Sicht, wonach an die Stelle der erloschenen Leistungspflichten ein gesetzliches Schuldverhältnis mit dem Inhalt der §§ 346 ff. BGB tritt, das durch die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung ergänzt wird, ist indessen überholt. Nach der im Schrifttum annähernd einhellig vertretenen Meinung besteht der Vertrag in umgewandelter Form mit der sich aus §§ 346, 347 BGB ergebenden Grundregel fort, daß die noch ausstehenden Leistungen nicht erbracht und die bereits bewirkten Leistungen zu rückgewährt werden müssen (Janßen, in: MünchKomm, 3. Aufl., Vorb. § 346 Rdnr. 46; Palandt/ Heinrichs, BGB, 57. Aufl., Vorb. § 346 Rdnr. 2; Soergel/Hadding, BGB, 12. Aufl., Vorb. § 346 Rdnr. 4; Staudinger/Kaiser, BGB, 13. Bearb., Vorb. §§ 346 ff. Rdnr. 53, jew. m. w. Nachw.; a. A. Canaris, NJW 1982, 305 [310]). Daß der Senat dieser Vorstellung den Vorzug gab, hat er schon in der Entscheidung vom 24.6.1983 zum Ausdruck gebracht. Von ihr ist er auch im folgenden ausgegangen (BGH, NJW 1990, 2068 [2069]; NJW 1994, 1161 [1162] = LM H. 7/1994 § 767 ZPO Nr. 91). Sie hat zur Folge, daß die Ausübung des Rücktrittsrechts dem bis dahin bestehenden Schadensersatzanspruch wegen Verzugs nicht deshalb die Grundlage entzieht, weil die Begründung der Leistungspflicht, ihre Fälligkeit und der Verzugseintritt nunmehr mit begrifflicher Zwangsläufigkeit entfallen wären. Mit dieser Auffassung, die die Möglichkeit, Verzugsschaden auch im Rücktrittsfalle zu liquidieren, offen hält, befindet sich der Senat in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung im Schrifttum (Janßen, in: MünchKomm, Vorb. § 346 Rdnrn. 51 ff.; Palandt/Heinrichs, Vorb. § 346 Rdnr. 2; Soerge!/Hadding, Vorb. § 346 Rdnr. 4; Staudinger/Kaiser, Vorb. §§ 346 ff. Rdnrn. 57 ff.; Hagen/Brambring, Der Grundstückskauf; Huber, JZ 1984, 409; Mischeler, AcP 187, 343 [384]; Tiedtke, NJW 1984, 767; a. A. Wunner, NJW 1985, 825). Ein Unterschied zwischen vertraglichem und gesetzlichem Rücktrittsrecht besteht insoweit nicht.
b) In der Entscheidung vom 24.6.1983 ist der Senat davon ausgegangen, daß der Rücktritt auf den einmal entstandenen Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens ohne Einfluß bleibt. Dies ist auf Kritik gestoßen (Huber, JZ 1984, 409; Tiedtke, NJW 1984, 767; Wunner, NJW 1985, 825; Frhr. v. Spiegel, MDR 1985, 114; vermittelnd: Hagen/Brambring, Der Grundstückskauf, 6. Aufl. [1994], Rdnr. 240). Ob der Senat an seiner Rechtsprechung für den Fall des gesetzlichen Rücktritts festhält, braucht hier nicht entschieden zu werden. Für den Fall des vertraglichen Rücktritts läßt er sich von folgenden Überlegungen leiten: Ob und inwieweit der Rücktritt dem Schadensersatzanspruch aus § 286 I BGB entgegensteht, ist nicht aus der Sicht des Schadensersatzrechts, etwa mit der begrifflichen Erwägung, die Ansprüche aus § 286 I und § 326 erwüchsen aus derselben Verletzung des Erfüllungsanspruchs (Wunner, NJW 1985, 827), zu klären. Die maßgeblichen Wertungen, ob ein durch den Rücktritt ausgeschlossenes Erfüllungsinteresse vorliegt, sind vielmehr den Anordnungen zu entnehmen, die § 346 und § 347 BGB für den Fall des Rücktritts selbst treffen. Diese unterscheiden, wie die Vorschriften über die Störung der ursprünglich geschuldeten Leistung, zwischen dem Empfang der Leistung an sich und dem Zeitpunkt, zu dem dieser geschieht. Die erste Frage behandelt § 346 BGB. Danach sind die Parteien verpflichtet, einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Ein Schadensersatzanspruch, der das Interesse an der Leistung selbst abgilt. ist hiermit nicht zu vereinbaren. An den Leistungszeitpunkt knüpfen § 347 S. 2 und 3 BGB an. Nach Satz 2 ist der Rückgewährschuldner vom Empfang des Leistungsgegenstandes an wie ein verklagter unberechtigter Besitzer gem. § 987 I BGB zur Herausgabe gezogener und aufgrund § 987 II BGB zum Ersatz schuldhaft nicht gezogener Nutzungen verpflichtet. Hat der Geldgläubiger, im Streitfalle die Kl. als Inhaber der Kaufpreisforderungen, die Leistung empfangen, hat er von diesem Zeitpunkt an die tatsächlich gezogenen Zinsen herauszugeben und, wenn er die Zinsziehung sorgfaltswidrig unterlassen hat, Ersatz zu leisten (Senat, NJW 1983, 929 [930] = LM § 346 BGB Nr. 10; Staudinger/Kaiser, § 347 Rdnr. 82). § 347 S. 3,wonach eine Geldsumme von der Zeit des Empfanges an (in gesetzlicher Höhe, § 246 BGB) zu verzinsen ist, legt hierfür eine Mindestpauschale fest (Huber, JZ 1984, 490 [411]); dies knüpft an die einer verklagten Partei gleichgestellte Haftung des Rückgewährschuldners an, § 291 BGB.
aa) Mit der Entscheidung. dem Schuldner der ursprünglichen Leistung als Rückgewährgläubiger die Nutzungen der erbrachten Leistung (wieder) zuzuordnen, ist es nicht zu vereinbaren, ihn weiterhin für die Nutzungen. haften zu lassen, die dem Gläubiger zufolge der verzögerten Tilgung der Ursprungsschuld entgangen sind. Anderenfalls würden dem Gläubiger Ansprüche wegen der Vorenthaltung von Nutzungen eingeräumt, die ihm nach dem Rücktrittsrecht nicht gebühren, die er mithin, wenn er sie rechtzeitig  empfangen hätte, nach § 347 S. 2 und 3 BGB herausgeben müßte. Für den Verkäufer; hier die Kl., bedeutet dies, daß er für den wegen des Schuldnerverzugs entgangenen Gewinn aus der Wiederanlage des Kaufpreises keinen Ersatz fordern kann. Denn dieser ist aus der Sicht des Rücktrittsrechts den herauszugebenden Nutzungen (§ 987 I BGB) zuzuordnen.
bb) Nichts anderes gilt für die bei rechtzeitiger Tilgung der Kaufpreisschuld ersparten Zinsen des Verkäufers, um die es, nach allerdings streitigem Parteivortrag, hier geht. Der Senat hat für den Fall der ungerechtfertigten Bereicherung entschieden, daß der Schuldner, der das erlangte Geld zur Tilgung von Verbindlichkeiten verwandt hat, die dadurch ersparten Zinszahlungen an den Gläubiger herauszugeben hat (BGH, NJW 1998, 2354, für BGHZ bestimmt). Er hat dies aus einer entsprechenden Anwendung des § 818 I BGB hergeleitet. Wenn die Kondiktion die ganze Bereicherung abschöpfen solle, habe sie sich auch auf die Vorteile zu erstrecken, die im Vermögendes Bereicherten als Folge der Bereicherung und deren zweckgerechter Verwendung eingetreten sind. Die ersparten Zinsen seien danach wie ein Gebrauchsvorteil herauszugeben. Diese Überlegungen treffen im Ergebnis auch auf die Herausgabepflicht nach § 987 I BGB im Falle der Ausübung des vertraglichen Rücktrittsrechts zu. Die Pflicht der Parteien, einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren, erstreckt sich auch auf die bei zweckgerechter Verwendung der Geldleistung beim Verkäufer eingetretene Zinsentlastung. Sie ist, wenn man den Überlegungen Flumes (Gedächtnisschrift f. Knobbe-Keuk, 1997, S. 128 [129]), denen sich der Senat in der Entscheidung vom 6.3.1998 angenähert hat, folgt, "aus dem Geleisteten erworben". Jedenfalls ist die Einbuße der Zinsentlastung eine gemeinsame Folge beider rechtlicher Ausgangspunkte, der Abschöpfung der Bereicherung und der Rückgewähr des Empfangenen. Aus dieser Sicht kommt der in § 987 II BGB getroffenen Anordnung, daß nicht gezogene Nutzungen nur unter eingeschränkten Voraussetzungen zu erstatten sind, keine Bedeutung zu. Sie hat, wovon der Senat auch für den Bereicherungsfall (§ 818 IV i. V. mit §§ 292, 987 II BGB) ausgegangen ist, einen anderen Gegenstand.
2. Die Vertragsauslegung hält der rechtlichen Überprüfung aber aus anderen Gründen nicht stand. Das BerGer. hat Auslegungsstoff, der für den Auslegungsgesichtspunkt des Parteiinteresses beachtlich ist, in seiner rechtlichen Bedeutung verkannt.
a) Es hat unberücksichtigt gelassen, daß der Vertrag vom 10.11.1992 neben dem von einem Vertragsverstoß unabhängigen Rücktrittsrecht beider Seiten (Abschnitt XIV) ein weiteres Rücktrittsrecht enthält, das allein den Verkäufern zustand. Nach Abschnitt VIII des Vertrags waren diese zum Rücktritt berechtigt, wenn der Kaufpreis nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit bezahlt wurde. Hiermit knüpfte der Vertrag an das gesetzliche Rücktrittsrecht im Falle des Schuldnerverzugs nach 326 BGB an, denn Verzug trat gemäß Abschnitt IX des Vertrags nach Ablauf der Tilgungsfrist ein. Das gesetzliche Rücktrittsrecht wurde nur insofern modifiziert, als von einer Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung abgesehen wurde. Bei der Interessenabwägung konnte mithin, anders als das BerGer. meint, nicht von den Folgen der Ausübung des Rücktrittsrechtes nach § 326 BGB auf bis dahin entstandene Verzugszinsen abgesehen werden. Die an der Senatsentscheidung vom 24.6.1983 (BGHZ 88,46 = NJW 1984,42 = LM § 286 BGB Nr. 20 [L]) geübte Kritik (vgl. oben 1 b) hat deren Bedeutung für die Ermittlung des Parteiinteresses nicht entfallen lassen. Bei der interessengerechten Auslegung von Willenserklärungen geht es nicht darum, dem Rechtsgeschäft zu dem Inhalt zu verhelfen, der dem Richter im Entscheidungszeitpunkt als interessengemäß erscheint. Maßgeblich ist vielmehr der Einfluß, den das Interesse der Parteien auf den objektiven Erklärungswert ihrer Äußerungen bei deren Abgabe hatte (vgl. BGH, NJW 1990, 3206 LM § 19 BNotO Nr. 47 = WM 1990, 1549 [1551]). Für das Verständnis der Erklärung der Kl. im zweiten Vertragsnachtrag war mithin deren durch die Rechtsprechung des obersten Fachgerichts gestütztes Interesse, des Zinsanspruches im Rücktrittsfalle nicht verloren zu gehen, zu beachten. Dies gilt zumal die Entscheidung des Senats auch auf Zustimmung gestoßen war (vgl. Fikentscher, SchuldR, 7. Aufl., § 48 II 2; Medicus, SchuldR I, 5. Aufl.,  48 111; Muscheler, AcP 187 [1987], 342, 384ff.; auch Staudinger/Otto, BGB, 12. Aufl., § 327 Rdnr. 19).
b) Der Auslegungsfehler unterliegt, auch ohne daß die Revision ihn gerügt hätte, der Überprüfungsbefugnis des Senats (Senat, NJW 1995, 45 = LM H. 3/1 995 § 133 [A] BGB Nr. 24 = WM 1995, 263 [264 f.]). Das BerGer. hat bei der Anwendung des sachlichen Rechts, nämlich der Subsumtion des Parteivortrags unter einen nach §§ 133, 157 BGB herangezogenen Auslegungsgesichtspunkt (Parteiinteresse), einen hierfür maßgeblichen Umstand aus rechtlich verkürzter Sicht nicht gewürdigt. Bei Verstößen gegen das sachliche Recht ist das RevGer. an die geltend gemachten Revisionsgründe aber nicht gebunden (§ 559 II ZPO). Allerdings setzt die Überprüfung voraus, daß das für unerheblich erachtete Vorbringen aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist, denn nur dann unterliegt es nach § 561 I 1 ZPO der Beurteilung des RevGer. Das ist hier aber der Fall.
Das Berufungsurteil gibt den Wortlaut des Kaufvertrags vom 10.11.1992 und seines ersten Nachtrags zwar nur auszugsweise wieder. Sein Tatbestand verweist indessen auf die von den Parteien vorgelegten Urkunden, deren Kernbestand der Kaufvertrag mit seinen Nachträgen bildet. Eine Wiedergabe des Rücktrirrsrechrs der Verkäufer im Tatbestand war nach § 543 II ZPO nicht geboten, denn die Bezugnahme auf Vortrag, der nach Auffassung des BerGer. nicht entscheidungserheblich war, konnte aus dessen, für die Beachtung der Verfahrensvorschrift maßgeblicher Sicht, die Beurteilung durch das RevGer. nicht erschweren.

IV. Das Berufungsurteil hat nicht unter dem Gesichtspunkt Bestand, daß die Kaufparteien, was der Auslegung vorginge (BGHZ 71, 75 [77] = NJW 1978, 1050 = LM ,§ 398 BGB Nr. 33; BGH, WM 1985, 876 [878]), beim zweiten Vertragsnachtrag übereinstimmend die Freiheit der Käufer von der streitigen Zinsforderung gewollt hätten. Nach den von der Revision als ihr günstig nicht angegriffenen Feststellungen des BerGer. waren die von den Kl. verlangten Verzugszinsen aufgrund des Kaufvertrags in seiner ursprünglichen Fassung geschuldet. Den Erlaß oder die sonstige Aufhebung des Zinsanspruchs durch den zweiten Nachtrag, mithin den Tatbestand einer rechtsvernichtenden Einwendung, hatten die Bekl. zu beweisen. Das BerGer. hält nach Zeugenvernehmung die Behauptung der Kl., "beim Abschluß des dritten Vertrages sei allen Beteiligten klar gewesen, daß eine Verpflichtung der Zahlung von Verzugszinsen aus dem ersten Vertrag habe weiterbestehen sollen, hierüber sei bei der Protokollierung des dritten Vertrags auch ausdrücklich gesprochen worden", nicht für bewiesen. Mithin geht das BerGer. von der Möglichkeit aus, daß dem doch so gewesen sei. Dies reicht für den von den Kl. als nicht beweisbelasteter Partei zu führenden Gegenbeweis, nicht aber für den Hauptbeweis aus, der der Bekl. obliegt.
V. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung (§§ 564 I,565 I ZPO) hat das BerGer. die Auswirkungen beider Rücktrittsrechte auf die Interessenlage der Vertragsparteien beim zweiten Vertragsnachtrag zu berücksichtigen. Die konkurrierenden Rücktrittsrechte können, was zu klären in erster Linie Sache des Tatrichters ist, gleichgewichtig oder auch mit unterschiedlicher Gewichtung die Interessenlage der Vertragsparteien bestimmt haben. Das BerGer. wird jedoch zu berücksichtigen haben, daß das Rücktrittsrecht nach Abschnitt XIV des Kaufvertrags, jedenfalls nach dem Wortlaut des ersten Vertragsnachtrags nicht, wovon das Berufungsurteil ausgeht, bis zum 31.12.1994 fortbestehen sollte, sondern künftig erst ab 1.1.1995 ausgeübt werden konnte. Der zweite Vertragsnachtrag, der Gegenstand der Auslegung ist, wurde vor diesem Zeitpunkt beurkundet.



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