Offenkundigkeitsgrundsatz im Stellvertretungsrecht, "Geschäft für den es
angeht"
OLG Celle v. 1.11.2006 - 7
U 55/06
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Erfolgt der Verkauf
eines PKWs durch Auswahl und Vertragsschluß vor Ort gegen eine nur geringe
Anzahlung in bar, ist in der Regel davon auszugehen, dass der Verkäufer Wert
auf die Kenntnis seines Vertragspartners legt. Ein Geschäft für den, den es
angeht, ist in diesem Fall nicht mit der alleinigen Begründung zu bejahen,
dass auch der Restkaufpreis später bei Abholung des Fahrzeugs in bar
übergeben wurde.
Zentrale Probleme:
S. die Anm. zu BGH NJW-RR 2003,
921 = BGHZ 154, 267 sowie
LG Berlin NJW 2003, 3493. Zum
"offenen" Geschäft, für den es angeht s. BGHZ
105, 283.
©sl 2006
Zum Sachverhalt:
Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrags
über einen VW Polo Automatic.
Der Beklagte ist gewerbsmäßiger Gebrauchtwagenhändler. Er bot das Fahrzeug
im Internet zu einem Preis von 6.350 EUR ohne Hinweis auf einen
Unfallschaden an. Der Sohn des Klägers, der Zeuge T. B. begab sich am 1.
Oktober 2004 zu dem Beklagten. Bei dieser Gelegenheit wies der Beklagte den
Zeugen darauf hin, dass der Wagen vorne links einen Unfallschaden erlitten
habe. Der Zeuge B. zahlte an diesem Tag einen Betrag von 200 EUR an.
Hierüber stellte der Beklagte eine Quittung auf den Namen B. aus. Auf dieser
Quittung findet sich folgender Vermerk: „auf Unfallschaden links wurde
hingewiesen“. Am 6. Oktober 2004 holte der Zeuge B. in Begleitung des
Klägers den Wagen beim Beklagten ab und zahlte den Restkaufpreis von 5.800
EUR. Hierüber stellte der Beklagte wiederum eine Quittung aus, diesmal auf
den vollständigen Namen des Klägers.
Noch im Oktober 2004 stellte sich heraus, dass das Fahrzeug nicht nur einen
leichten Unfallschaden erlitten hatte, sondern der Schaden (Delle im
Längsträger; Stauchung in der Halterung des Motorträgers) mit größerem
Reparaturaufwand beseitigt worden war. Der Kläger erklärte am 20. Oktober
2004 den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Er hat behauptet, sein Sohn habe gegenüber dem Beklagten zum Ausdruck
gebracht, er - der Sohn - kaufe das Fahrzeug für seinen Vater. Der Kläger
hat beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 5.950 EUR Zug um Zug gegen
Rückgabe des Fahrzeugs zu verurteilen sowie festzustellen, dass sich der
Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet. Der
Beklagte hat die Aktivlegitimation des Klägers gerügt.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage im Wesentlichen
stattgegeben und eine Nutzungsentschädigung in Abzug gebracht. Zur
Begründung hat es u.a. ausgeführt, dass sich der Kläger wirksam von seinem
Sohn habe vertreten lassen. Zwar habe der Kläger den ihm obliegenden Beweis,
der Zeuge B. habe in seinem Namen gehandelt, nicht zu führen vermocht. Der
Zeuge habe bei Abschluss des Kaufvertrags am 1. Oktober 2004 nach seinen
eigenen Angaben den Beklagten nicht darauf hingewiesen, dass er im Namen des
Klägers gehandelt habe. Dies sei allerdings unschädlich gewesen, da es sich
bei dem Kauf um ein Bargeschäft des täglichen Lebens gehandelt habe, ein
sog. Geschäft für den den es angeht. Der Zeuge B. habe nämlich dem Beklagten
den Betrag in bar übergeben.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Er rügt im wesentlichen
die Annahme des Landgerichts, es habe sich um ein Bargeschäft des täglichen
Lebens gehandelt.
Aus den Gründen::
...
II. Die Berufung des Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Der
Kläger ist nicht aktivlegitimiert.
1. Entscheidend ist bei der Feststellung der Aktivlegitimation auf den
Zeitpunkt abzustellen, in dem der Vertrag zwischen den Vertragsparteien
abgeschlossen wird.
a) Diesen hat das Landgericht zutreffend mit dem 1. Oktober 2004 angenommen.
Hierfür spricht die vom Zeugen B. geleistete Anzahlung, insbesondere aber
der Hinweis auf den Unfallschaden und der Quittung. Dieser wäre - wenn es
sich um eine Reservierung handelte - unüblich.
b) Eine Aufhebung dieses am 1. Oktober 2004 abgeschlossenen Vertrags und ein
Neuabschluss eines Vertrags am 6. Oktober 2004 sind nicht ersichtlich. Es
fehlt an zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten, dass die
Vertragsparteien des 1. Oktober 2004 diesen Kaufvertrag aufheben und einen
neuen, dann ggf. für den Kläger als Vertretenen abschließen wollten. Es kann
demnach dahinstehen, ob der Zeuge T. B. im zweiten Termin eine
Stellvertretung offengelegt hat.
2. Der Kläger hat die von ihm behauptete Vertretung durch seinen Sohn am 1.
Oktober 2004 weder ausreichend dargelegt noch bewiesen.
a) An diesem Tag hat der Sohn des Klägers nicht auf das
Vertretungsverhältnis hingewiesen. Die anderslautende Behauptung in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat war neu und ist gem. § 531 Abs. 2 Nr. 3
ZPO zurückzuweisen. Etwas anderes ergibt sich entgegen dem Vorbringen des
Klägers in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 12. Oktober 2006 auch
nicht aus der Beweisaufnahme vom 8. August 2006. Zwar hat der Zeuge B.
bekundet, er hätte im Rahmen der Vertragsverhandlungen darauf hingewiesen,
dass der Wagen für den Kläger sein soll; dies hat er im Verlauf seiner
Aussage jedoch wie folgt konkretisiert: „Beim ersten Besuch hatte ich noch
nicht darauf hingewiesen, dass ich den Wagen für meinen Vater kaufen
wollte.“ Der erste Besuch fand am 1. Oktober 2004 statt. In erster Instanz
ist diese Behauptung auch nicht schriftsätzlich vorgetragen.
Ausreichende Anhaltspunkte für einen Hinweis auf eine Stellvertretung bietet
auch die Quittung vom 1. Oktober 2004 nicht. Auf dieser steht nur der
Familienname B.
b) Der Senat teilt nicht die Annahme des Landgerichts, vorliegend hätte
es sich um ein „Geschäft für den, den es angeht“ gehandelt.
aa) Dieses liegt vor, wenn der Bevollmächtigte nicht zu erkennen gibt, ob er
für sich oder einen anderen handelt, aber für einen anderen aufgrund einer
erteilten Vollmacht handeln will und es dem Geschäftsgegner gleichgültig
ist, mit wem das Geschäft zustande kommt. Anerkannt ist dieses
Rechtsinstitut insbesondere bei Bargeschäften des täglichen Lebens, und zwar
vor allem beim dinglichen Rechtserwerb. Bei schuldrechtlichen Geschäften
finden die Grundsätze des Geschäfts für den, den es angeht, nur in
Ausnahmefällen Anwendung (BGH NJW-RR 2003, 921ff.
unter II 2 a der Entscheidungsgründe - nach juris). Ein solcher Ausnahmefall
liegt hier nicht vor.
(1) Erfolgt der Verkauf eines PKWs durch Auswahl und Vertragsschluß vor Ort,
ist entsprechend des o.a. Grundsatzes in der Regel davon auszugehen, dass
der Verkäufer Wert auf die Kenntnis seines Vertragspartners legt. Ein
Geschäft für den, den es angeht ist in diesem Fall nicht mit der alleinigen
Begründung zu bejahen, dass der Zahlbetrag in bar übergeben wurde. Bei
dem Kauf eines Pkws ist der Verkäufer - anders z.B. als beim Kauf eines
Radios - in der Regel daran interessiert, wer dieses Auto kauft. Der
Eigentumsübergang hat Folgen im Hinblick auf die Ummeldung und Neuzulassung
des Fahrzeugs, also für Versicherungen und Steuern. Der Name des Käufers war
dem Beklagten auch bekannt, wie sich aus der Quittung vom 1. Oktober 2004
ergibt. Er hatte mit einem Herrn namens B. verhandelt und den Vertrag
geschlossen. Ein weitergehender Anlaß zu Erkundigungen über die Person
seines Vertragspartners ist nicht ersichtlich.
(2) Zwar mag ein Ausnahmefall bei Vorliegen eines einaktigen Geschäfts
anzunehmen sein. Dies bedarf jedoch für diesen Fall keiner Entscheidung.
Vorliegend handelt es sich um ein zweiaktiges Geschäft, da Vertragsschluss
einerseits
und Übergabe des Fahrzeugs sowie Zahlung des wesentlichen Teils des
Kaufpreises auseinander fallen.
(3) Das LG Berlin (Urteil vom 16. Oktober 2003, Az: 30 O 340/03 - aus juris)
hat zwar bei einem Autokauf ein Geschäft für den, den es angeht bejaht. Dies
hat es aber damit begründet, dass es sich angesichts der besonderen
Vertragsabwicklung (Verkauf über das Internet) um einen Ausnahmefall
gehandelt hat, da es dem Verkäufer bei dieser Art des Verkaufs egal ist, wer
sein Vertragspartner wird. Dies ist auf den vorliegenden Fall nicht
übertragbar, da der Abschluss des Vertrags vor Ort und nicht über das
Internet erfolgte; nur die Anzeige war im Internet veröffentlicht.
3. Es kommt deswegen nicht darauf an, ob der Hinweis des Beklagten auf den
Unfallschaden des Fahrzeugs in der Quittung vom 1. Oktober 2004 ausreicht
oder lediglich eine Bagatellisierung darstellt.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Regelung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO
lagen in diesem konkreten Einzelfall nicht vor. |