(Kein) "Geschäft für den es angeht" bei der Einlösung von Anteilscheinen;
Abgrenzung des Kalkulationsirrtums zum Vertragsschluss zu einem bestimmten
Kurs BGH, Urteil vom 25.3.2003 - XI ZR 224/02 Fundstelle: NJW-RR 2003, 921 Zentrale Probleme: In der sehr lehrreichen Entscheidung geht es zentral um das sog. "(verdeckte) Geschäft, für den es angeht", d.h. um eine im Wege teleologischer Reduktion erreichte Ausnahme vom Offenkundigkeitsgrundsatz des § 164 BGB (s. dazu auch OLG Celle v. 1.11.2006 - 7 U 55/06 sowie LG Berlin NJW 2003, 3493). Der BGH verneint zu recht das Vorliegen der dafür erforderlichen Voraussetzung (zum Problem des "offenen Geschäfts für den es angeht" s. BGHZ 105, 283). Weiter geht es um die Frage des sog. (verdeckten) Kalkulationsirrtums, der nicht zur Anfechtung berechtigt (s. dazu BGHZ 139, 177, 180 f). Der BGH verneint einen solchen hier, weil die Parteien, die irrtümlicherweise einen höheren Rücknahmepreis zugrundelegten, hierüber keine vertragliche Vereinbarung getroffen hatten. Vereinbart war vielmehr die Rücknahme zu einem bestimmten (Tages)Kurs, über den die Parteien aber falsch informiert waren. Damit bestand gar nicht das Bedürfnis nach einer Irrtumsanfechtung. Es lag also nicht einmal die Situation eines "Kurswertirrtums" vor, in welchem man im Wege der Vertragsauslegung zum Vertragsschluß zum tatsächlichen Kurs gelangen kann (s. dazu die Anm. zum "Rubel-Fall" RGZ 105, 406 ff), sondern schlicht eine Überbezahlung, die nach § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB zurückgefordert werden kann. Amtl. Leitsätze: a) Die als Tafelgeschäft
abgewickelte Auszahlung des Rücknahmepreises an den Inhaber von
Investmentanteilen gegen Rückgabe seiner Anteilscheine ist für die
einlösende Depotbank oder inländische Zahlstelle eines ausländischen
Investmentfonds grundsätzlich kein Geschäft mit dem, den es angeht. Tatbestand: Die klagende Bank nimmt die
Beklagten als Erben des Ho. O. B. auf Ausgleich einer angeblichen
Überzahlung im Zusammenhang mit der Rücknahme von
Investment-Anteilscheinen in Anspruch. Die Klägerin hat den Beklagten auf Ausgleich einer Überzahlung in Anspruch genommen, da der Rücknahmepreis lediglich 47,33 € je Anteil betragen habe. Der Beklagte hat geltend gemacht, er sei der Klägerin gegenüber als Vertreter einer Frau H. U. aufgetreten, die ihn bevollmächtigt habe, ihre Investment-Anteile einzulösen, und habe auch eine entsprechende Vollmachtsurkunde vorgelegt. Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 2.558,29 DM nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Entscheidungsgründe: Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. I. Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage - soweit für die Revisionsinstanz von Interesse - im wesentlichen wie folgt begründet: Der von der Klägerin geltend gemachte Rückzahlungsanspruch komme auf der Grundlage des § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB in Betracht. Dabei könne offenbleiben, ob bei der Rückgabe der Investmentanteile ein Geschäftsbesorgungs- oder aber ein Kaufvertrag geschlossen worden sei. Auch wenn ein Kaufvertrag gegeben sei, liege kein bloßer Kalkulationsirrtum der Klägerin vor. Bereits beim Erwerb der Fondsanteile sei eine Rückkaufvereinbarung geschlossen und aufgrund von Art. 9 Abs. 1 und Art. 18 Abs. 3 des Verwaltungsreglements des Investmentfonds als Kaufpreis der Anteilwert am Rückgabetag festgelegt worden. Eine gesonderte Einigung über den konkreten Rückgabepreis habe deshalb anläßlich des Rückkaufs nicht mehr stattgefunden. Der tatsächliche, nicht aber der von der Klägerin fehlerhaft ermittelte Kurswert stelle danach den vereinbarten Kaufpreis dar. Der von der Klägerin geltend gemachte Bereicherungsanspruch richte sich jedoch gegen die vom Beklagten vertretene Person, nicht aber gegen ihn selbst. Es sei davon auszugehen, daß der Beklagte bei der Rückgabe der Investmentanteile in Vollmacht der Zeugin U. tätig geworden sei. Ob er dies offengelegt habe, müsse nicht geklärt werden. Bei fehlender Offenlegung sei von einem verdeckten oder echten Geschäft für den, den es angeht, auszugehen, und zwar nicht nur in Bezug auf den Eigentumserwerb an den Papieren, sondern auch hinsichtlich des zugrunde liegenden Kausalgeschäfts. Denn es sei anzunehmen, daß es dem Inhaber eines Wertpapiers beim Verkauf gleichgültig sei, wer letztlich Eigentum daran erwerbe. Außerdem sei davon auszugehen, daß es die Bank gerade im Tafelgeschäft nicht interessiere, von wem die Wertpapiere stammten und an wen das Geld letztlich fließe. Das gelte jedenfalls dann, wenn der Austausch der Papiere gegen Bargeld wie beim klassischen Tafelgeschäft ohne Identitätsfeststellung des Vorlegers, also anonym, erfolge. Soweit die Bank mit Rücksicht auf das Geldwäschegesetz die Identität des Kunden bzw. Handelnden festhalte, geschehe dies nicht im eigenen, sondern allein im öffentlichen Interesse. Ein eigenes privatwirtschaftliches Interesse an dieser Feststellung habe und verfolge die Klägerin nicht. II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. 1. Revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden ist allerdings, daß das Berufungsgericht deutsches Recht
angewendet hat. Da es sich bei dem Erwerb ausländischer Investmentanteile
um ein Rechtsverhältnis mit Auslandsbezug handelt, ist zwar grundsätzlich
das Recht am Sitz der Investmentgesellschaft anzuwenden (Baur in:
Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts 2. Aufl. § 19 Rdn. 56).
Ob dies auch bei der Rückgabe von Investment-Anteilscheinen bei der
inländischen Depotbank oder Zahlstelle eines ausländischen Investmentfonds
gilt, bedarf keiner Entscheidung. Die Parteien sind im Verfahren nämlich
übereinstimmend von der Anwendbarkeit deutschen Rechts ausgegangen und
haben damit zumindest eine stillschweigende Einigung dahingehend
getroffen, daß für ihr Rechtsverhältnis deutsches Recht anwendbar sein
soll (vgl. Senat, Urteil vom 23. April 2002 - XI ZR 136/01, WM 2002, 1186,
1188 m.w.Nachw.). a) Ein solches Geschäft ist
dadurch gekennzeichnet, daß der handelnde Bevollmächtigte nicht zu
erkennen gibt, ob er für sich oder einen anderen handelt, aber für einen
anderen aufgrund einer erteilten Vollmacht handeln will und es dem
Geschäftsgegner gleichgültig ist, mit wem das Geschäft zustande kommt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1991 - VIII ZR 212/90, WM 1991, 1678, 1680; MünchKomm/Schramm, BGB 4. Aufl. § 164 Rdn. 47).
Anerkannt ist dieses durch
teleologische Reduktion des Offenheitsgrundsatzes (§ 164 Abs. 2 BGB)
entwickelte Rechtsinstitut insbesondere bei Bargeschäften des täglichen
Lebens, und zwar vor allem beim dinglichen Rechtserwerb. Bei
schuldrechtlichen Geschäften finden die Grundsätze des Geschäfts für den,
den es angeht, nur in Ausnahmefällen Anwendung (vgl. Staudinger/Schilken,
BGB 13. Aufl. Bearb. 2001 Vorbem. zu § 164 ff. Rdn. 54; Soergel/Leptin,
BGB 13. Aufl. § 164 Rdn. 31; Erman/Palm, BGB 10. Aufl. § 164 Rdn. 9), da
dem Vertragschließenden die Person seines Geschäftsgegners in der Regel
nicht gleichgültig ist. III. Die Abweisung der Klage stellt
sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Anders
als die Revisionserwiderung meint, ist der Klägerin bei der angeblich
unzutreffenden Ermittlung des Rückgabepreises nicht lediglich ein
unbeachtlicher interner Kalkulationsirrtum unterlaufen. Ein solcher
bereits im Stadium der Willensbildung unterlaufener, nicht zur Anfechtung
nach § 119 Abs. 1 BGB berechtigender Motivirrtum liegt vor, wenn ein
Vertragspartner dem Geschäftsgegner im Rahmen einer Willenserklärung
lediglich den geforderten Preis als Ergebnis einer Berechnung, nicht aber
die Kalkulation mitteilt (vgl. BGHZ 139, 177, 180 f.). Hier fehlt es für
einen solchen Kalkulationsirrtum bereits an einem Vertragsantrag der
Klägerin an den Beklagten zur Einigung über den Rücknahmepreis der
Investment-Anteile. IV. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird nunmehr Feststellungen zu treffen haben, ob der Beklagte bei der Rückgabe der Anteilscheine gegenüber der Klägerin als Vertreter der Zeugin U. aufgetreten ist und gegebenenfalls ob er ausreichend bevollmächtigt war und der Klägerin bei der Berechnung des Rücknahmepreises ein Fehler unterlaufen ist. |