Staatshaftung für Nicht-Umsetzung von Richtlinien - Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen
EuGH, Urteil v. 15. Juni 1999, Rs. C-140/97 - Rechberger
Fundstellen:
EuGH Slg. 1999, I-3499
NJW 1999, 3181
Leitsätze
1 Artikel 7 der Richtlinie 90/314, der den Schutz gegen das Risiko der
Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Veranstalters betrifft, gilt für
Reisen, die eine Tageszeitung im Rahmen einer gegen das nationale
Wettbewerbsrecht verstossenden Werbeaktion ausschließlich ihren Abonnenten
als Geschenk anbietet und für die der Hauptkontrahent als Einzelreisender
die Flughafengebühren und den Einzelzimmerzuschlag oder, wenn er von
mindestens einer Person begleitet wird, die den vollen Preis bezahlt,
lediglich die Flughafengebühren zahlt.
Diese Vorschrift findet nämlich zum einen auch dann Anwendung, wenn die
Gegenleistung, die der Käufer zu erbringen hat, nicht zur Abdeckung des
Gesamtwerts der Reise oder nur zur Abdeckung eines einzigen Bestandteils der
Reise bestimmt ist. Zum anderen findet eine Beschränkung des
Anwendungsbereichs der Richtlinie auf Pauschalreisen, die einem potentiell
unbestimmten Kreis von Verbrauchern angeboten werden, keine Grundlage in der
Richtlinie und würde deren Ziel entgegenstehen. Schließlich steht der
Umstand, daß die Werbeaktion in Form von Reisen, die als Geschenk angeboten
wurden, durch gerichtliche Entscheidung für dem nationalen Wettbewerbsrecht
zuwiderlaufend erklärt wurde, der Qualifizierung dieser Reisen als
Pauschalreisen im Sinne der Richtlinie nicht entgegen.
2 Ein Mitgliedstaat, der der Europäischen Union am 1. Januar 1995
beigetreten ist und der die Richtlinie 90/314 über Pauschalreisen spätestens
bis zu diesem Zeitpunkt umsetzen musste, hat Artikel 7 der Richtlinie, der
den Schutz gegen das Risiko der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des
Veranstalters betrifft, nicht ordnungsgemäß umgesetzt, wenn er eine Regelung
erlassen hat, die Reisende schützt, die nach dem 1. Januar 1995
Pauschalreisen gebucht haben, und den Schutz auf Reisen beschränkt, deren
Abreisetermin frühestens auf den 1. Mai 1995 festgesetzt war. Die durch
Artikel 7 eingeführten Sicherheiten müssen nämlich alle
Pauschalreiseverträge erfassen, die nach dem 1. Januar 1995 für nach diesem
Zeitpunkt durchzuführende Reisen geschlossen wurden.
Artikel 7 ist ferner nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden, wenn eine
nationale Regelung zur Abdeckung des Risikos nur einen Versicherungsvertrag
oder eine Bankgarantie über einen Betrag von mindestens 5 % des Umsatzes aus
der Veranstaltertätigkeit im entsprechenden Vierteljahr des vorangegangenen
Kalenderjahrs vorschreibt und einen Veranstalter, der seine Tätigkeit
aufnimmt, nur verpflichtet, vom geschätzten Umsatz aus der beabsichtigten
Veranstaltertätigkeit auszugehen, und dabei auf Umsatzsteigerungen des
Veranstalters im laufenden Jahr nicht Bedacht nimmt. Eine solche Regelung
ist nämlich von ihrer Struktur her nicht fähig, einem in dem betreffenden
Wirtschaftssektor eintretenden Ereignis Rechnung zu tragen und kann nicht
die Erstattung aller vom Verbraucher gezahlten Beträge und seine Rückreise
im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Reiseveranstalters
für den Verbraucher sicherstellen.
Die Beschränkung des in Artikel 7 vorgeschriebenen Schutzes auf Reisen, die
frühestens am 1. Mai 1995 angetreten werden, ist offensichtlich mit den
Verpflichtungen aus der Richtlinie unvereinbar und stellt somit einen
hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dar, auch
wenn der Mitgliedstaat alle anderen Vorschriften der Richtlinie durchgeführt
hat. Im übrigen kann die Haftung des Mitgliedstaats wegen Verstosses gegen
Artikel 7 der Richtlinie, wenn ein unmittelbarer Kausalzusammenhang
nachgewiesen ist, nicht durch fahrlässiges Verhalten des Reiseveranstalters
oder Eintritt aussergewöhnlicher oder unvorhersehbarer Ereignisse
ausgeschlossen werden, da solche Umstände nicht geeignet sind, einen
unmittelbaren Kausalzusammenhang auszuschließen.
Sachverhalt und Gründe
1 Das Landesgericht Linz hat dem Gerichtshof mit Beschluß vom 26. März 1997,
beim Gerichtshof eingegangen am 15. April 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag
(jetzt Artikel 234 EG) sechs Fragen nach der Auslegung des Artikels 7 der
Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (ABl.
L 158, S. 59; im folgenden: Richtlinie) sowie nach den Voraussetzungen für
die Haftung des Staates für Schäden, die dem einzelnen durch Verstösse gegen
das Gemeinschaftsrecht entstanden sind, zur Vorabentscheidung
vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Walter Rechberger
und Renate Greindl sowie Hermann Hofmeister u. a. (im folgenden: Kläger) und
der Republik Österreich über deren Haftung für die nicht ordnungsgemässe
Umsetzung der Richtlinie, durch die die Kläger daran gehindert wurden, die
Erstattung der von ihnen an den zahlungsunfähig gewordenen Veranstalter
gezahlten Beträge zu erlangen.
3 Die Richtlinie bezweckt nach ihrem Artikel 1 die Angleichung der Rechts-
und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Pauschalreisen
(einschließlich Pauschalurlaubsreisen und Pauschalrundreisen), die in der
Gemeinschaft verkauft oder zum Kauf angeboten werden.
4 Artikel 2 der Richtlinie bestimmt:
"Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:
1. Pauschalreise: die im voraus festgelegte Verbindung von mindestens zwei
der folgenden Dienstleistungen, die zu einem Gesamtpreis verkauft oder zum
Verkauf angeboten wird, wenn diese Leistung länger als 24 Stunden dauert
oder eine Übernachtung einschließt:
a) Beförderung,
b) Unterbringung,
c) andere touristische Dienstleistungen, die nicht Nebenleistungen von
Beförderung oder Unterbringung sind und einen beträchtlichen Teil der
Gesamtleistung ausmachen.
Auch bei getrennter Berechnung einzelner Leistungen, die im Rahmen ein und
derselben Pauschalreise erbracht werden, bleibt der Veranstalter oder
Vermittler den Verpflichtungen nach dieser Richtlinie unterworfen.
2. Veranstalter: die Person, die nicht nur gelegentlich Pauschalreisen
organisiert und sie direkt oder über einen Vermittler verkauft oder zum
Verkauf anbietet.
...
4. Verbraucher: die Person, welche die Pauschalreise bucht oder zu buchen
sich verpflichtet ($der Hauptkontrahent`), oder jede Person, in deren Namen
der Hauptkontrahent sich zur Buchung der Pauschalreise verpflichtet ($die
übrigen Begünstigten`), oder jede Person, der der Hauptkontrahent oder einer
der übrigen Begünstigten die Pauschalreise abtritt ($der Erwerber`).
..."
5 Die Artikel 3 bis 6 der Richtlinie enthalten Vorschriften über den Schutz
der Verbraucher gegen bestimmte mit Pauschalreisen verbundene Risiken, d. h.
irreführende Angaben in der Reisebeschreibung, die Bedingungen für die
Zahlung des Preises der Pauschalreise, die ungeklärte Aufteilung der Haftung
zwischen dem Veranstalter und/oder Vermittler der Pauschalreise und den
verschiedenen Leistungsträgern, aus deren Dienstleistungen sich diese Reise
zusammensetzt.
6 Nach Artikel 7 der Richtlinie muß der Reiseveranstalter nachweisen, "daß
im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses die Erstattung gezahlter
Beträge und die Rückreise des Verbrauchers sichergestellt sind".
7 Gemäß Artikel 9 hatten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu
treffen, um der Richtlinie spätestens am 31. Dezember 1992 nachzukommen.
Nach der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich,
der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der
die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 1994, C 241, S. 21, und
ABl. 1995, L 1, S. 1) musste die Österreichische Republik die Richtlinie
spätestens am 1. Januar 1995 durchführen.
8 Die Richtlinie wurde durch verschiedene gesetzgeberische Maßnahmen in die
österreichische Rechtsordnung umgesetzt. In bezug auf Artikel 7 der
Richtlinie erließ die österreichische Regierung am 15. November 1994 die
Reisebüro-Sicherungsverordnung (BGBl 1994/881 vom 15. November 1994; im
folgenden: RSV). § 3 Absatz 1 RSV sieht vor, daß der Reiseveranstalter durch
Abschluß eines Versicherungsvertrags bei einem zum Geschäftsbetrieb in
Österreich berechtigten Versicherungsunternehmen sicherzustellen hat, daß
dem Reisenden die bereits entrichteten Zahlungen, soweit die Reiseleistungen
gänzlich oder teilweise infolge Insolvenz des Reiseveranstalters nicht
erbracht wurden, und notwendige Aufwendungen für die Rückreise, die infolge
Insolvenz des Reiseveranstalters entstanden sind, erstattet werden. Nach § 4
RSV kann der Reiseveranstalter die Erbringung der genannten Leistungen an
den Reisenden auch durch eine unwiderrufliche und abstrakte Bankgarantie
eines zum Geschäftsbetrieb in Österreich berechtigten Kreditinstituts oder
durch eine ebensolche Garantieerklärung einer Körperschaft öffentlichen
Rechts sicherstellen.
9 Gemäß § 3 Absatz 2 RSV hat die Versicherungssumme mindestens 5 v. H. des
Umsatzes aus der Veranstaltertätigkeit im entsprechenden Quartal des
vorangegangenen Kalenderjahres zu betragen. Im ersten Jahr einer
Veranstaltertätigkeit ist vom geschätzten Umsatz aus der beabsichtigten
Veranstaltertätigkeit auszugehen. Übernimmt der Reiseveranstalter
Kundengelder als Anzahlung von mehr als 10 v. H. des Reisepreises oder als
Restzahlung früher als zehn Tage vor Reiseantritt, so hat die
Versicherungssumme mindestens 10 v. H. des im ersten Satz genannten
Richtwerts zu betragen.
10 Nach § 6 RSV ist diese auf alle Pauschalreisen anwendbar, die nach dem 1.
Januar 1995 gebucht wurden und deren Abreisetermin frühestens am 1. Mai 1995
festgesetzt ist.
11 Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind Abonnenten der "Neuen
Kronenzeitung" (im folgenden: Kronenzeitung), der auflagenstärksten
Tageszeitung Österreichs. Sie erhielten im November 1994 ein Schreiben der
Verlagsgesellschaft, in dem mitgeteilt wurde, daß die Kronenzeitung es als
Dank für ihre Treue ermöglicht habe, daß ihnen der Reiseveranstalter
Arena-Club-Reisen eine Flugreise von vier oder sieben Tagen zu vier
verschiedenen Zielen in Europa (ohne Flughafengebühren) schenke.
12 Das Angebot beinhaltete u. a. folgende Leistungen: Flug mit
Bordverpflegung, drei bzw. sechs Übernachtungen im Doppelzimmer mit
Frühstück in einem Vier-Sterne-Hotel sowie Ausflüge mit Reiseleitung.
Begleitpersonen hatten den vollen im Reiseprospekt angegebenen Preis zu
zahlen. Wurde die Reise ohne Begleitperson gebucht, war ein
Einzelzimmerzuschlag in Höhe von 500 ÖS zu zahlen.
13 Der Abonnent, der das Angebot annahm, erhielt vom Reiseveranstalter eine
Buchungsbestätigung und musste an diesen eine Anzahlung von 10 % der zu
seinen Lasten gehenden Kosten zahlen; der Restbetrag war bis spätestens 10
Tage vor Reiseantritt zu zahlen.
14 Das Angebot fand einen weit grösseren Anklang, als ihn der
Reiseveranstalter erwartet hatte, wodurch er in operationelle und
finanzielle Schwierigkeiten kam. Am 4. Juli 1995 stellte er daher den
Antrag, gegen ihn den Konkurs zu eröffnen. Der Oberste Gerichtshof stellte
später fest, daß die Werbeaktion der Kronenzeitung gegen das nationale
Wettbewerbsrecht verstieß.
15 Die Kläger des Ausgangsverfahrens buchten ihre Reise zwischen dem 19.
November 1994 und dem 12. April 1995, zum Teil als Einzelreisende, zum Teil
mit ein bis drei Begleitpersonen. Sämtliche Reisekosten wurden von ihnen im
voraus gezahlt. Die Reisen, die für die Zeit zwischen dem 10. April und dem
23. Juli 1995 gebucht worden waren, wurden aus unterschiedlichen Gründen vor
Reiseantritt abgesagt.
16 Drei Kläger, die im Jahr 1994 gebucht hatten, erhielten keine Sicherheit,
da die RSV nur für Pauschalreisen gilt, die nach dem 1. Januar 1995 gebucht
wurden. Zwei von ihnen meldeten ihre Ansprüche zwar als Konkursforderung
gegen den Veranstalter an, erhielten jedoch, obwohl die Forderungen
anerkannt wurden, keine Befriedigung aus der Konkursmasse. Die Zahlungen der
drei Kläger, die ihre Reisen nach dem 1. Januar 1995 gebucht hatten und
diese nach dem 1. Mai 1995 hätten antreten sollen, waren zwar grundsätzlich
durch eine entsprechend der RSV gewährte Garantie abgesichert. Die vom
Reiseveranstalter erbrachte Bankgarantie über 4 000 000 ÖS reichte jedoch
zur Erstattung der von ihnen gezahlten Reisekosten nicht aus, so daß die
Deckungsquote sich schließlich auf 25,38 % des gezahlten Betrages belief.
17 Die Kläger haben beim vorlegenden Gericht Klage gegen die Republik
Österreich erhoben, mit der sie geltend machen, diese hafte für die
verspätete und unvollständige Umsetzung des Artikels 7 der Richtlinie, und
Erstattung sämtlicher von ihnen geleisteter Zahlungen verlangen, soweit
diese nicht erstattet worden sind. Die Republik Österreich bestreitet ihre
Haftung u. a. mit der Begründung, die Abonnenten, die als Einzelreisende
gebucht hätten, fielen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie, im
Hinblick auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der RSV und die anderen zur
Umsetzung der Richtlinie getroffenen Maßnahmen liege kein qualifizierter
Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vor, und es mangle im vorliegenden Fall
am Kausalzusammenhang, da neben ein allfälliges Verschulden des Staates
Umstände träten, die für den Schaden auf seiten der Reisenden von
maßgeblichem Einfluß gewesen seien und mit denen normalerweise nicht habe
gerechnet werden können.
18 Aufgrund dessen hat das vorlegende Gericht das Verfahren ausgesetzt und
dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Erstreckt sich der Schutzzweck von Artikel 7 der Richtlinie 90/314/EWG
des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen auch auf Reisen, für die der
Hauptkontrahent aufgrund des Vertrages
a) als Einzelreisender neben der Flughafen-Sicherheitsgebühr
(Ausreisesteuer) nur den Einzelzimmerzuschlag oder
b) in Begleitung mindestens einer weiteren voll zahlenden Person nur die
Flughafen-Sicherheitsgebühr (Ausreisesteuer) zu zahlen hat,
während für den Flug und die Nächtigung in einem Mehrbettzimmer vom
Hauptkontrahenten kein Entgelt zu leisten ist?
2. Fallen in den Geltungsbereich der Richtlinie derartige Reisen auch dann,
wenn sie von der auflagenstärksten Tageszeitung eines Mitgliedstaats
exklusiv für deren Abonnenten im Rahmen einer wettbewerbswidrigen
Werbeaktion als "Geschenk" angeboten werden?
Falls die Fragen 1 und 2 bejaht werden:
3. Stellt es eine fristgemässe Umsetzung von Artikel 7 der Richtlinie dar,
wenn die am 15. November 1994 kundgemachte nationale Regelung nur auf
Pauschalreisen anzuwenden war, die nach dem 1. Januar 1995 gebucht wurden
und deren Abreisetermin frühestens mit 1. Mai 1995 festgesetzt war, und zwar
a) im Hinblick auf die Teilnahme Österreichs am Europäischen Wirtschaftsraum
ab 1. Januar 1994 und
b) im Hinblick auf den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union mit 1.
Januar 1995?
Falls die Frage 3 verneint wird:
4. Begründet die nicht fristgerechte Umsetzung lediglich des Artikels 7 der
Richtlinie für sich allein bereits einen qualifizierten Verstoß gegen das
Gemeinschaftsrecht und damit einen Entschädigungsanspruch für die
Geschädigten, wenn der Mitgliedstaat innerhalb der Frist zielführende
Maßnahmen zur Umsetzung aller anderen Richtlinienbestimmungen getroffen hat?
5. Ist Artikel 7 der Richtlinie so auszulegen, daß die damit verfolgten
Ziele nicht erfüllt werden, wenn eine nationale Regelung
a) zur Abdeckung des Risikos nur einen Versicherungsvertrag oder eine
Bankgarantie mit einer Versicherungssumme (Deckung) von mindestens 5 % des
Umsatzes aus der Veranstaltertätigkeit im entsprechenden Vierteljahr des
vorangegangenen Kalenderjahres vorschreibt,
b) den Veranstalter im ersten Jahr seiner Tätigkeit nur verpflichtet, zur
Festlegung der Versicherungssumme (Deckung) vom geschätzten Umsatz aus der
beabsichtigten Veranstaltertätigkeit auszugehen,
c) dabei auf Umsatzsteigerungen des Veranstalters im laufenden Jahr nicht
Bedacht nimmt und
d) keine Kontrollpflicht des Mitgliedstaats zur Überwachung der nötigen
Sicherungssummen vorschreibt?
6. Besteht zwischen einer nicht fristgerechten oder nicht vollständigen
Umsetzung des Artikels 7 der Richtlinie und einem dadurch auf
Verbraucherseite entstandenen Schaden auch dann ein unmittelbarer
Kausalzusammenhang, der zur Haftung des Mitgliedstaats für die gänzliche
Erstattung der nicht sichergestellten Zahlungen führt, wenn der Staat
rechtswidrige Handlungen des Veranstalters (Dritter) oder eine ganz
aussergewöhnliche und unvorhersehbare Risikörhöhung als Ursache (wesentliche
Mitursache) des Schadensfalles nachweist?
Vorbemerkungen
19 Mit diesen Fragen möchte das nationale Gericht im wesentlichen wissen, ob
es den Klagen, mit denen die Haftung der Republik Österreich nach
Gemeinschaftsrecht für durch die angeblich verspätete und unvollständige
Umsetzung des Artikels 7 der Richtlinie entstandene Schäden geltend gemacht
wird, stattgeben muß.
20 Das vorlegende Gericht verweist insoweit auf das Urteil vom 8. Oktober
1996 in den verbundenen Rechtssachen C-178/94, C-179/94, C-188/94, C-189/94
und C-190/94 (Dillenkofer u. a., Slg. 1996, I-4845), in dem der Gerichtshof
im Zusammenhang mit der vor ihm erhobenen Rüge der mangelnden Umsetzung des
Artikels 7 der Richtlinie zu prüfen hatte, unter welchen Voraussetzungen
nach Gemeinschaftsrecht die Haftung eines Mitgliedstaats für Schäden zu
bejahen ist, die dem einzelnen durch die nicht fristgerechte Umsetzung einer
Richtlinie entstehen.
21 In diesem Urteil stellte der Gerichtshof in Randnummer 20 fest, daß der
Grundsatz der Haftung des Staates für Schäden, die dem einzelnen durch dem
Staat zuzurechnende Verstösse gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, aus
dem Wesen der mit dem Vertrag geschaffenen Rechtsordnung folgt und daß die
Voraussetzungen, unter denen die Haftung des Staates einen
Entschädigungsanspruch eröffnet, von der Art des Verstosses gegen das
Gemeinschaftsrecht abhängen, der dem verursachten Schaden zugrunde liegt.
Der Gerichtshof entschied ferner in Randnummer 21, daß die Geschädigten
einen Entschädigungsanspruch haben, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind:
Die gemeinschaftsrechtliche Norm, gegen die verstossen worden ist, bezweckt
die Verleihung von Rechten an die Geschädigten, der Verstoß ist hinreichend
qualifiziert, und zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten
entstandenen Schaden besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang.
22 Zur ersten Voraussetzung stellte der Gerichtshof in Randnummer 42 des
genannten Urteils fest, daß das durch Artikel 7 der Richtlinie
vorgeschriebene Ziel die Verleihung eines Rechts an den Pauschalreisenden
umfasst, mit dem die Erstattung der von diesem gezahlten Beträge und seine
Rückreise im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des
Veranstalters sichergestellt werden. In Randnummer 44 stellte er zweitens
fest, daß die Inhaber des aus Artikel 7 folgenden Rechts als Verbraucher im
Sinne der Definition des Artikels 2 der Richtlinie hinreichend bestimmt sind
und daß das gleiche für den Inhalt dieses Rechts gilt, das in der
Sicherstellung der Erstattung von den Pauschalreisenden gezahlter Beträge
und ihrer Rückreise im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des
Veranstalters besteht. Unter diesen Umständen ging der Gerichtshof davon
aus, daß Artikel 7 der Richtlinie bezweckt, dem einzelnen ein Recht zu
verleihen, dessen Inhalt mit hinreichender Genauigkeit bestimmt werden kann.
23 Da der Gerichtshof im Urteil Dillenkofer bereits für Recht erkannt hat,
daß Artikel 7 dem einzelnen ein Recht verleiht, dessen Inhalt mit
hinreichender Genauigkeit bestimmt werden kann, ist somit festzustellen, daß
die hier vorgelegten Fragen gestellt worden sind, um dem vorlegenden Gericht
die Entscheidung zu ermöglichen, ob die Republik Österreich in bezug auf die
Kläger gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 7 der Richtlinie verstossen
hat, ob, bejahendenfalls, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und ob
schließlich ein Kausalzusammenhang besteht.
Zur ersten und zur zweiten Frage
24 Die erste und die zweite Frage des vorlegenden Gerichts, die gemeinsam zu
prüfen sind, gehen im wesentlichen dahin, ob Artikel 7 der Richtlinie für
Reisen gilt, die eine Tageszeitung im Rahmen einer gegen das nationale
Wettbewerbsrecht verstossenden Werbeaktion ausschließlich ihren Abonnenten
als Geschenk anbietet und für die der Hauptkontrahent als Einzelreisender
die Flughafengebühren und den Einzelzimmerzuschlag oder, wenn er von
mindestens einer Person begleitet wird, die den vollen Preis bezahlt,
lediglich die Flughafengebühren zahlt.
25 Nach Auffassung der Kläger, der französischen Regierung und der Regierung
des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission ist diese Frage zu bejahen.
26 Die östereichische Regierung macht demgegenüber u. a. geltend, eine
Pauschalreise liege nur dann vor, wenn vom Verbraucher in Abgeltung der vom
Reisevertrag umfassten Gesamtleistung ein Entgelt zu erbringen sei, das zur
Abdeckung der Gesamtleistung bestimmt und danach kalkuliert sein müsse. Habe
ein Reisender im Rahmen einer - im wesentlich geschenkten - Reise lediglich
ausser allfälligen, nicht relevanten Nebenleistungen anstelle eines
Gesamtpreises den Einzelzimmerzuschlag zu bezahlen, so handele es sich um
keine Pauschalreise im Sinne der Richtlinie. Der Anwendungsbereich der
Richtlinie erstrecke sich im übrigen nicht auf Reisen, die nicht auf dem
freien Markt einem unbestimmten Kreis potentieller Konsumenten verkauft oder
zum Verkauf angeboten, sondern einem von vornherein beschränkten
Personenkreis als Geschenk gewährt würden.
27 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß das Ziel des Artikels 7 der Richtlinie
im Schutz der Verbraucher gegen Risiken besteht, die sich aus der
Zahlungsunfähigkeit oder dem Konkurs des Veranstalters ergeben. Diese mit
dem Vertrag zwischen dem Verbraucher und dem Veranstalter der Pauschalreise
verbundenen Risiken folgen aus der Vorauszahlung des Pauschalreisepreises
und aus der ungeklärten Aufteilung der Haftung zwischen dem Veranstalter und
den verschiedenen Leistungsträgern, aus deren Dienstleistungen sich diese
Pauschalreise zusammensetzt. Somit schließt das in Artikel 7 der Richtlinie
vorgegebene Ziel das Recht des Pauschalreisenden ein, daß im Fall der
Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Veranstalters die Erstattung der
von ihm gezahlten Beträge und seine Rückreise sichergestellt werden (Urteil
vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache C-364/96, Verein für
Konsumenteninformation, Slg. 1998, I-2949, Randnr. 18).
28 Im vorliegenden Fall waren die Kläger den Risiken ausgesetzt, denen
Artikel 7 der Richtlinie gerade begegnen soll. Sie haben sich nämlich
erstens durch Zahlung von Beträgen vor Reiseantritt dem Risiko des Verlustes
dieser Beträge und zweitens im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des
Konkurses des Reiseveranstalters während der Reise dem Risiko ausgesetzt, am
Aufenthaltsort festzusitzen, wenn der Beförderer es aufgrund dieser
Zahlungsunfähigkeit oder dieses Konkurses ablehnt, die aus der Rückreise
bestehende Leistung zu erbringen.
29 Nach Artikel 2 Nummer 1 der Richtlinie liegt eine Pauschalreise bereits
dann vor, wenn es sich um eine im voraus festgelegte Verbindung von
mindestens zwei der dort genannten Dienstleistungen handelt, die zu einem
Gesamtpreis verkauft oder zum Verkauf angeboten wird.
30 Im Hinblick auf das Ziel des Artikels 7 und unter Berücksichtigung dieser
Definition des Begriffes der "Pauschalreise" ist festzustellen, daß Artikel
7 auch dann Anwendung findet, wenn die Gegenleistung, die der Käufer zu
erbringen hat, nicht zur Abdeckung des Gesamtwerts der Reise oder nur zur
Abdeckung eines einzigen Bestandteils der Reise bestimmt ist.
31 Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Richtlinie auf
Pauschalreisen, die einem potentiell unbestimmten Kreis von Verbrauchern
angeboten werden, findet keine Grundlage in der Richtlinie und würde deren
Ziel entgegenstehen. Für eine Anwendung der Richtlinie genügt nämlich zum
einen, daß die Reisen in der Gemeinschaft zu einem Pauschalpreis verkauft
oder zum Kauf angeboten werden, und zum anderen, daß die Pauschalreise
mindestens zwei der in Artikel 2 Nummer 1 der Richtlinie genannten
Bestandteile aufweist.
32 Schließlich ist festzustellen, daß der Umstand, daß die Werbeaktion in
Form von Reisen, die von der Kronenzeitung als Geschenk angeboten wurden,
durch gerichtliche Entscheidung für dem nationalen Wettbewerbsrecht
zuwiderlaufend erklärt wurde, der Qualifizierung dieser Reisen als
Pauschalreisen im Sinne der Richtlinie nicht entgegensteht.
33 Aufgrund dessen ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, daß
Artikel 7 der Richtlinie für Reisen gilt, die eine Tageszeitung im Rahmen
einer gegen das nationale Wettbewerbsrecht verstossenden Werbeaktion
ausschließlich ihren Abonnenten als Geschenk anbietet und für die der
Hauptkontrahent als Einzelreisender die Flughafengebühren und den
Einzelzimmerzuschlag oder, wenn er von mindestens einer Person begleitet
wird, die den vollen Preis bezahlt, lediglich die Flughafengebühren zahlt.
Zur dritten Frage
34 Die dritte Frage des vorlegenden Gerichts betrifft die Verpflichtungen
der Republik Österreich im Zusammenhang mit der Frist für die Einführung der
in Artikel 7 der Richtlinie vorgesehenen Sicherheit.
35 Das vorlegende Gericht verweist darauf, daß die RSV nur für nach dem 1.
Januar 1995 gebuchte Pauschalreisen gilt, deren Abreisetermin frühestens auf
den 1. Mai 1995 festgesetzt war, und stellt insbesondere die Frage, welche
Bedeutung in diesem Zusammenhang der Teilnahme der Republik Österreich am
Europäischen Wirtschaftsraum ab 1. Januar 1994 zukommen könnte.
36 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Republik Österreich die
Richtlinie nach Artikel 7 des am 2. Mai 1992 in Porto unterzeichneten
Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zwischen den Europäischen
Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten sowie der Republik Finnland, der
Republik Island, dem Fürstentum Liechtenstein, dem Königreich Norwegen, der
Republik Österreich, dem Königreich Schweden und der Schweizerischen
Eidgenossenschaft (ABl. 1994, L 1, S. 3; im folgenden: EWR-Abkommen) in
Verbindung mit Nummer 11 des Protokolls Nr. 1 zu diesem Abkommen mit dem
Inkrafttreten dieses Abkommens, d. h. am 1. Januar 1994, umzusetzen hatte.
37 Das vorlegende Gericht fragt sich daher, ob die Republik Österreich
möglicherweise nach dem EWR-Abkommen aufgrund eines etwaigen Verstosses
gegen diese Verpflichtung für die dem einzelnen hierdurch entstandenen
Schäden haftet.
38 Hierzu genügt die Feststellung, daß, wie die schwedische Regierung und
die Kommission ausgeführt haben und wie sich aus dem Urteil des
Gerichtshofes vom heutigen Tag in der Rechtssache C-321/97 (Andersson,
Randnrn. 28 bis 31) ergibt, der Gerichtshof weder aufgrund von Artikel 177
EG-Vertrag noch aufgrund des EWR-Abkommens für eine Entscheidung über die
Auslegung des EWR-Abkommens betreffend seine Anwendung auf die Republik
Österreich in der Zeit vor deren Beitritt zur Europäischen Union zuständig
ist.
39 Unter Berücksichtigung des dem EWR-Abkommen zugrunde liegenden Zieles
einer einheitlichen Auslegung und Anwendung ist im übrigen darauf
hinzuweisen, daß die für die Haftung eines EFTA-Staates wegen Verstosses
gegen eine Richtlinie, auf die im EWR-Abkommen Bezug genommen wird,
geltenden Grundsätze Gegenstand des Urteils des EFTA-Gerichtshofes vom 10.
Dezember 1998 in der Rechtssache E-9/97 (Sveinbjörnsdóttir, noch nicht in
den EFTA Court Reports veröffentlicht) waren.
40 Der Gerichtshof kann sich somit nur zu der Frage äussern, ob ein
Mitgliedstaat, der der Europäischen Union am 1. Januar 1995 beigetreten ist
und der eine Regelung erlassen hat, die Reisende schützt, die nach dem 1.
Januar 1995 Pauschalreisen gebucht haben, den Schutz aber auf Reisen
beschränkt, deren Abreisetermin frühestens auf den 1. Mai 1995 festgesetzt
war, Artikel 7 der Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt hat.
41 Die Kläger tragen vor, Artikel 7 der Richtlinie sei verspätet umgesetzt
worden, da der Mitgliedstaat dafür hätte sorgen müssen, daß diese Vorschrift
ab 1. Januar 1995 vollständige Wirkungen entfalte.
42 Die Republik Österreich macht geltend, von einer verspäteten Umsetzung
einer Richtlinie könne keine Rede sein, wenn ein Mitgliedstaat innerhalb der
ihm gesetzten Umsetzungsfrist Maßnahmen erlassen habe, die dem Ziel dieser
Richtlinie entsprächen und die mit Ablauf dieser Frist in Kraft träten.
43 Nach Auffassung der Kommission setzt eine von einem Mitgliedstaat, der
der Europäischen Union am 1. Januar 1995 beigetreten ist, erlassene
Regelung, die lediglich die Reisenden schützt, die nach dem 1. Januar 1995
gebucht haben und deren Abreisetermin frühestens auf den 1. Mai 1995
festgesetzt war, Artikel 7 der Richtlinie nicht ordnungsgemäß um.
44 Was die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebende Verpflichtung der
Republik Österreich angeht, die Richtlinie nach ihrem Beitritt zur
Europäischen Union am 1. Januar 1995 durchzuführen, ist darauf hinzuweisen,
daß der Gerichtshof im zitierten Urteil Dillenkofer u. a., Randnummer 50,
festgestellt hat, daß die Mitgliedstaaten zur vollständigen Umsetzung des
Artikels 7 der Richtlinie innerhalb der vorgeschriebenen Frist alle
erforderlichen Maßnahmen treffen mussten, um für Pauschalreisende ab dem für
die Umsetzung der Richtlinie gesetzten Zeitpunkt die Erstattung gezahlter
Beträge und ihre Rückreise im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des
Konkurses des Veranstalters sicherzustellen.
45 Die durch Artikel 7 der Richtlinie eingeführten Sicherheiten müssen somit
alle Pauschalreiseverträge erfassen, die nach dem 1. Januar 1995 für nach
diesem Zeitpunkt durchzuführende Reisen geschlossen wurden, so daß eine
Umsetzungsvorschrift, nach der lediglich Reisende geschützt sind, deren
Abreisetermin frühestens auf den 1. Mai 1995 festgesetzt wurde, der
Richtlinie zuwiderläuft.
46 Allerdings ist festzustellen, daß die Verpflichtung der Mitgliedstaaten,
die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um den Käufern von Reisen ab dem
für die Umsetzung der Richtlinie vorgesehenen Zeitpunkt den in Artikel 7
vorgesehenen Schutz zu garantieren, nicht auf Reiseverträge ausgedehnt
werden kann, die vor dem für die Umsetzung der Richtlinie vorgeschriebenen
Zeitpunkt geschlossen wurden. Da nämlich eine Pflicht zur Ausdehnung des
Schutzes auf Verträge, die zum Zeitpunkt der Umsetzung der Richtlinie
bereits bestehen, keine Grundlage in Artikel 9 der Richtlinie findet, der
den Zeitpunkt für die Durchführung der Richtlinie festlegt, kann der in
Artikel 7 vorgesehene Schutz der Verbraucher nicht auf einen Zeitraum
ausgedehnt werden, in dem die Garantieregelung noch nicht eingeführt sein
musste.
47 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß die Regelung des
Artikels 7 den Schutz der Verbraucher im Rahmen eines Pauschalreisevertrags
vorsieht und daß diese mit dem ihnen durch diese Regelung gewährten Schutz
nicht rechnen können, bevor die Garantieregelung - für deren Kosten sie
normalerweise aufkommen müssen - eingeführt worden ist.
48 Auf die dritte Frage ist daher zu antworten, daß ein Mitgliedstaat, der
der Europäischen Union am 1. Januar 1995 beigetreten ist und der eine
Regelung erlassen hat, die Reisende schützt, die nach dem 1. Januar 1995
Pauschalreisen gebucht haben, den Schutz aber auf Reisen beschränkt, deren
Abreisetermin frühestens auf den 1. Mai 1995 festgesetzt war, Artikel 7 der
Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat.
Zur vierten Frage
49 Die vierte Frage des nationalen Gerichts geht im wesentlichen dahin, ob
eine solche nicht ordnungsgemässe Umsetzung des Artikels 7 der Richtlinie
einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht
begründet, der einen Entschädigungsanspruch eröffnet, auch wenn alle anderen
Vorschriften der Richtlinie, wie im vorliegenden Fall, durchgeführt worden
sind.
50 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist ein Verstoß als hinreichend
qualifiziert anzusehen, wenn ein Organ oder ein Mitgliedstaat bei der
Ausübung seiner Rechtsetzungsbefugnis deren Grenzen offenkundig und
erheblich überschritten hat. Insoweit gehört zu den Gesichtspunkten, die das
zuständige Gericht gegebenenfalls zu berücksichtigen hat, insbesondere das
Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift (Urteil vom 26.
März 1996 in der Rechtssache C-392/93, British Telecommunications, Slg.
1996, I-1631, Randnr. 42).
51 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, daß weder Artikel 7 noch
irgendeine andere Vorschrift der Richtlinie den Mitgliedstaaten das Recht
einräumt, die Anwendung des Artikels 7 auf Reisen zu beschränken, die zu
einem bestimmten Zeitpunkt nach Ablauf der Umsetzungsfrist durchgeführt
werden. Den Mitgliedstaaten steht kein Entscheidungsspielraum hinsichtlich
des Beginns der Anwendung des Artikels 7 in ihren Rechtsordnungen zu, so daß
die Beschränkung des in Artikel 7 vorgeschriebenen Schutzes auf Reisen, die
frühestens am 1. Mai 1995 angetreten werden, offensichtlich mit den
Verpflichtungen aus der Richtlinie unvereinbar ist und somit einen
hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht darstellt.
52 Der Umstand, daß der Mitgliedstaat alle anderen Vorschriften der
Richtlinie durchgeführt hat, ändert nichts an dieser Beurteilung.
53 Aufgrund dessen ist auf die vierte Frage zu antworten, daß eine Umsetzung
des Artikels 7 der Richtlinie, die den in diesem Artikel vorgeschriebenen
Schutz auf Reisen beschränkt, die frühestens vier Monate nach Ablauf der
Frist für die Umsetzung der Richtlinie angetreten werden, einen hinreichend
qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht darstellt, auch wenn der
Mitgliedstaat alle anderen Vorschriften der Richtlinie durchgeführt hat.
Zur fünften Frage
54 Die fünfte Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob Artikel 7 der
Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt worden ist, wenn eine nationale Regelung
zur Abdeckung des Risikos nur einen Versicherungsvertrag oder eine
Bankgarantie über einen Betrag von mindestens 5 % des Umsatzes aus der
Veranstaltertätigkeit im entsprechenden Vierteljahr des vorangegangenen
Kalenderjahrs vorschreibt und einen Veranstalter, der seine Tätigkeit
aufnimmt, nur verpflichtet, vom geschätzten Umsatz aus der beabsichtigten
Veranstaltertätigkeit auszugehen, und dabei auf Umsatzsteigerungen des
Veranstalters im laufenden Jahr nicht Bedacht nimmt und keine Kontrolle der
nötigen Sicherungssummen durch den Mitgliedstaat vorschreibt.
55 Die französische Regierung und die Kommission tragen vor, Artikel 7 der
Richtlinie müsse dahin ausgelegt werden, daß er eine Erfolgspflicht
aufstelle und die mit ihm verfolgten Ziele daher nicht erreicht seien, wenn
der nationale Gesetzgeber keine geeigneten Maßnahmen treffe, um die
Erstattung aller gezahlten Beträge und die Rückreise des Verbrauchers im
Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Veranstalters
sicherzustellen.
56 Die Regierung des Vereinigten Königreichs ist der Auffassung, es sei
Sache des Mitgliedstaats, unter Berücksichtigung der besonderen in seinem
Hoheitsgebiet auf dem Reisemarkt bestehenden Verhältnisse sicherzustellen,
daß die durch seine nationale Regelung vorgeschriebene Höhe der Sicherheit
ausreiche, um die Ziele des Artikels 7 der Richtlinie zu verwirklichen.
57 Die österreichische Regierung trägt vor, die Beurteilung der Wirksamkeit
und Vollständigkeit von Maßnahmen, mit denen ein Mitgliedstaat Richtlinien
in nationales Recht umsetze, habe nach jenem Wissensstand zu erfolgen, wie
er zum Zeitpunkt der Umsetzung vorgelegen habe. Eine Ex-post-Betrachtung sei
in diesem Zusammenhang unzulässig, speziell dann, wenn hinsichtlich des zu
regelnden Sachverhalts im Umsetzungszeitpunkt kein entsprechendes
Instrumentarium existiert habe und keine Erfahrungswerte vorgelegen hätten.
Die meisten Mitgliedstaaten hätten als Sicherungsmittel ebenso wie die
Republik Österreich den Abschluß eines Versicherungsvertrags oder die
Beibringung einer Bankgarantie durch den Veranstalter gewählt. Die gewählte
rechtliche Konstruktion stelle daher jedenfalls dem Grunde nach eine
taugliche und zielführende Umsetzungsmaßnahme dar.
58 Es sei sachgemäß, die Höhe der Sicherungssumme am Umsatz des jeweiligen
Reiseveranstalters zu orientieren, zumal der Umsatz ein aussagekräftiger
Parameter für den Umfang der Geschäftstätigkeit und damit für das sich im
Insolvenzfall ergebende Risiko sei. Die Festsetzung der Höhe der
Sicherungssumme auf 5 % des Quartalsumsatzes des vorangegangenen
Kalenderjahrs habe an sich eine zielführende und ausreichende
Umsetzungsmaßnahme dargestellt, da dieses Berechnungsmodell sich bei einem
auf die Zahlungsunfähigkeit folgenden Konkurs eines ungleich grösseren und
seit Jahren auf dem Markt etablierten Reiseveranstalters als ausreichend
erwiesen habe. In gleicher Weise sei es zulässig gewesen, die Höhe der
Sicherungssumme hinsichtlich neu auf den Markt kommender Reiseveranstalter
mangels anderer Anhaltspunkte am zu erwartenden Umsatz zu orientieren. Daß
im Anlaßfall die Ansprüche der in den Anwendungsbereich der RSV fallenden
Abonnenten dennoch nur mit 25,38 % gedeckt gewesen seien, sei keine
unmittelbare Folge einer unzureichenden Richtlinienumsetzung, sondern durch
das aussergewöhnliche und nicht vorhersehbare Zusammentreffen rechtswidriger
Handlungen Dritter bedingt.
59 Insoweit ist daran zu erinnern, daß - wie bereits bei der Prüfung der
ersten und der zweiten Frage festgestellt - das Ziel des Artikels 7 der
Richtlinie im Schutz der Verbraucher gegen Risiken besteht, die sich aus der
Zahlungsunfähigkeit oder dem Konkurs des Reiseveranstalters ergeben.
60 Aus dem Wortlaut des Artikels 7 der Richtlinie ergibt sich nämlich, daß
diese Bestimmung als Ziel ihrer Umsetzung vorschreibt, den Veranstalter zu
verpflichten, für den Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses die
Erstattung gezahlter Beträge und die Rückreise des Verbrauchers
sicherzustellen (Urteil Dillenkofer u. a., Randnr. 34).
61 Artikel 7 der Richtlinie bezweckt folglich den vollständigen Schutz der
in dieser Vorschrift genannten Rechte der Verbraucher und damit den Schutz
der Verbraucher gegen sämtliche in diesem Artikel genannten Risiken, die
sich aus der Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters ergeben.
62 Wie jedoch der Generalanwalt in Nummer 48 seiner Schlussanträge
ausgeführt hat, waren die konkreten von der österreichischen Regierung
vorgesehenen Maßnahmen in Anbetracht dessen, daß die Deckungssumme nach dem
Umsatz berechnet wird, den ein bestimmtes Reisebüro im vorangegangenen Jahr
erreicht hat, bzw. bei neuen Veranstaltern nach dem von diesen selbst
geschätzten Umsatz, unzureichend, da die RSV sowohl hinsichtlich der Höhe
als auch hinsichtlich der Berechnungsgrundlage nur eine begrenzte
Absicherung verlangt. Diese Regelung ist daher von ihrer Struktur her nicht
fähig, einem in dem betreffenden Wirtschaftssektor eintretenden Ereignis wie
einem im Vergleich zum Vorjahresumsatz oder zum geschätzten Umsatz
erheblichen Anstieg der Buchungen Rechnung zu tragen.
63 Schließlich enthalten weder die Begründungserwägungen der Richtlinie noch
Artikel 7 einen Anhaltspunkt, aufgrund dessen die in dieser Vorschrift
vorgesehene Sicherheit beschränkt werden könnte, wie dies im Rahmen der
Durchführung der Garantieregelung in Österreich der Fall war. Selbst wenn es
zutrifft, daß - wie die österreichische Regierung vorgetragen hat - die
Einführung einer Garantieregelung, die sämtliche in Artikel 7 der Richtlinie
definierten Risiken erfasst, praktischen Schwierigkeiten ausgesetzt sein
kann, bleibt es doch dabei, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber ein solches
System vorgesehen hat.
64 Daraus folgt, daß eine nationale Regelung die Verpflichtungen aus Artikel
7 der Richtlinie nur dann ordnungsgemäß umsetzt, wenn sie unabhängig von
ihren Modalitäten bewirkt, daß die Erstattung aller vom Verbraucher
gezahlten Beträge und seine Rückreise im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder
des Konkurses des Reiseveranstalters für den Verbraucher sichergestellt
sind.
65 Im Zusammenhang mit der Frage, ob die Mitgliedstaaten nach Artikel 7 der
Richtlinie verpflichtet sind, ein System zur Kontrolle der Deckungssummen
einzuführen, ist mit der Regierung des Vereinigten Königreichs
festzustellen, daß die Richtlinie keine derartige Verpflichtung aufstellt.
Es ist auch nicht dargetan worden, daß die Einführung eines Systems zur
Kontrolle der Deckungssummen erforderlich wäre, um die Ziele des Artikels 7
zu erreichen.
66 Aufgrund dessen ist auf die fünfte Frage zu antworten, daß Artikel 7 der
Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden ist, wenn eine nationale
Regelung zur Abdeckung des Risikos nur einen Versicherungsvertrag oder eine
Bankgarantie über einen Betrag von mindestens 5 % des Umsatzes aus der
Veranstaltertätigkeit im entsprechenden Vierteljahr des vorangegangenen
Kalenderjahrs vorschreibt und einen Veranstalter, der seine Tätigkeit
aufnimmt, nur verpflichtet, vom geschätzten Umsatz aus der beabsichtigten
Veranstaltertätigkeit auszugehen, und dabei auf Umsatzsteigerungen des
Veranstalters im laufenden Jahr nicht Bedacht nimmt.
Zur sechsten Frage
67 Die sechste Frage des vorlegenden Gerichts geht im wesentlichen dahin, ob
im Falle eines unmittelbaren Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten des
Staates, der die Richtlinie nicht vollständig umgesetzt hat, und dem dem
einzelnen entstandenen Schaden dieser unmittelbare Kausalzusammenhang
möglicherweise nicht zur Haftung des Staates führt, wenn dieser nachweist,
daß der Reiseveranstalter fahrlässig gehandelt hat oder daß
aussergewöhnliche oder unvorhersehbare Ereignisse eingetreten sind.
68 Die Kläger tragen vor, rechtswidrige Handlungen des Veranstalters oder
sonstiger dritter Personen könnten den betreffenden Mitgliedstaat nicht
entlasten. Die Frage hinsichtlich aussergewöhnlicher unvorhersehbarer
Risikörhöhungen sei im konkreten Fall nicht relevant, da eine starke
Umsatzsteigerung in jedem Fall vorhersehbar sei und vom nationalen
Gesetzgeber hätte vorhergesehen werden müssen.
69 Die Republik Österreich macht geltend, in keinem Fall bestehe ein
unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen der nicht fristgerechten oder
unvollständigen Umsetzung des Artikels 7 der Richtlinie und dem von den
Verbrauchern erlittenen Schaden, da Zeitpunkt und Umfang der
Umsetzungsmaßnahmen nur infolge einer ganz aussergewöhnlichen und
unvorhersehbaren Verkettung von Umständen zum Schadenseintritt beigetragen
hätten.
70 Die Regierung des Vereinigten Königreichs und die schwedische Regierung
führen aus, es sei Sache des nationalen Gerichts, nach den maßgeblichen
Grundsätzen seines nationalen Rechts zu entscheiden, ob im Einzelfall ein
unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen der fehlenden oder unzureichenden
Umsetzung des Artikels 7 durch den Mitgliedstaat im Rahmen der Fristen
einerseits und dem vom Verbraucher erlittenen Schaden andererseits bestehe,
der die Haftung des Mitgliedstaats auslöse und diesen zur vollständigen
Erstattung der nicht abgesicherten Beträge verpflichte.
71 Nach Auffassung der Kommission ist davon auszugehen, daß dieser
Kausalzusammenhang auch dann besteht, wenn die Zahlungsunfähigkeit des
Veranstalters und deren Umfang ganz aussergewöhnliche und unvorhersehbare
Gründe haben.
72 Wie der Gerichtshof im Urteil vom 5. März 1996 in den verbundenen
Rechtssachen C-46/93 und C-48/93 (Brasserie du pêcheur und Factortame, Slg.
1996, I-1029, Randnr. 65) festgestellt hat, haben die vorlegenden Gerichte
zu prüfen, ob zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende
Verpflichtung und dem den geschädigten Personen entstandenen Schaden ein
unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht.
73 Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht festgestellt, daß ein
solcher unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des
Mitgliedstaats, der die Richtlinie unvollständig umgesetzt hat, und dem dem
einzelnen entstandenen Schaden vorliegt.
74 Ferner ist festzustellen, daß Artikel 7 der Richtlinie die Erfolgspflicht
aufstellt, den Pauschalreisenden für den Fall der Zahlungsunfähigkeit oder
des Konkurses des Reiseveranstalters ein Recht auf die Erstattung gezahlter
Beträge und auf Rückreise zu verleihen. Diese Garantie ist speziell dazu
bestimmt, den Verbraucher gegen die Folgen des Konkurses - unabhängig von
seinen Ursachen - zu schützen.
75 Aufgrund dessen kann die Haftung des Mitgliedstaats wegen Verstosses
gegen Artikel 7 der Richtlinie nicht durch fahrlässiges Verhalten des
Reiseveranstalters oder Eintritt aussergewöhnlicher oder unvorhersehbarer
Ereignisse ausgeschlossen werden.
76 Solche Umstände sind nämlich nicht geeignet, einen unmittelbaren
Kausalzusammenhang auszuschließen, soweit sie nicht auch dann der Erstattung
der gezahlten Beträge und der Rückreise des Verbrauchers entgegengestanden
hätten, wenn die Ausgestaltung der Garantieregelung mit Artikel 7 der
Richtlinie vereinbar gewesen wäre.
77 Auf die sechste Frage ist daher zu antworten, daß die Haftung des
Mitgliedstaats wegen Verstosses gegen Artikel 7 der Richtlinie nicht durch
fahrlässiges Verhalten des Reiseveranstalters oder Eintritt
aussergewöhnlicher oder unvorhersehbarer Ereignisse ausgeschlossen werden
kann, wenn ein unmittelbarer Kausalzusammenhang nachgewiesen ist.
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