IPR und Europarecht:
Internationales Namensrecht (Art. 10 EGBGB) und Freizügigkeit (Art. 18 EGV)
EuGH, Urteil vom
14.10.2008, Rs. C-353/06 (Grunkin-Paul)
Fundstelle:
NJW 2009, 135
s. auch OLG München v. 19.1.2010 - 31
Wx 152/09 sowie
EuGH v. 22.12.2010 - C-208/09 „Sayn-Wittgenstein“
Tenor:
Art. 18 EG steht unter
Bedingungen wie denen des Ausgangsverfahrens dem entgegen, dass die Behörden
eines Mitgliedstaats es unter Anwendung des nationalen Rechts ablehnen, den
Nachnamen eines Kindes anzuerkennen, der in einem anderen Mitgliedstaat
bestimmt und eingetragen wurde, in dem dieses Kind – das wie seine Eltern
nur die Staatsangehörigkeit des erstgenannten Mitgliedstaats besitzt –
geboren wurde und seitdem wohnt.
Entscheidungsgründe:
1 Das Vorabentscheidungsersuchen
betrifft die Auslegung der Art. 12 EG und 18 EG.
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den Herr Grunkin und Frau Paul
gegen das Standesamt Niebüll führen, weil dieses es ablehnt, den in Dänemark
bestimmten und eingetragenen Nachnamen ihres Sohnes Leonhard Matthias
anzuerkennen und in das für sie bei diesem Standesamt angelegte Familienbuch
einzutragen.
Deutsches Recht
Internationales Privatrecht
3 Art. 10 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB)
bestimmt:
„Der Name einer Person unterliegt dem Recht des Staates, dem die Person
angehört.“
Bürgerliches Recht
4 Zur Bestimmung des Nachnamens eines Kindes, dessen Eltern unterschiedliche
Namen führen, heißt es in § 1617 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB):
„(1) Führen die Eltern keinen Ehenamen und steht ihnen die Sorge gemeinsam
zu, so bestimmen sie durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten den Namen,
den der Vater oder die Mutter zur Zeit der Erklärung führt, zum Geburtsnamen
des Kindes. …
(2) Treffen die Eltern binnen eines Monats nach der Geburt des Kindes keine
Bestimmung, überträgt das Familiengericht das Bestimmungsrecht einem
Elternteil. Absatz 1 gilt entsprechend. Das Gericht kann dem Elternteil für
die Ausübung des Bestimmungsrechts eine Frist setzen. Ist nach Ablauf der
Frist das Bestimmungsrecht nicht ausgeübt worden, so erhält das Kind den
Namen des Elternteils, dem das Bestimmungsrecht übertragen ist.
(3) Ist ein Kind nicht im Inland geboren, so überträgt das Gericht einem
Elternteil das Bestimmungsrecht nach Absatz 2 nur dann, wenn ein Elternteil
oder das Kind dies beantragt oder die Eintragung des Namens des Kindes in
ein deutsches Personenstandsbuch oder in ein amtliches deutsches
Identitätspapier erforderlich wird.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
5 Am 27. Juni 1998 wurde in Dänemark Leonhard Matthias Grunkin-Paul als Kind
von Frau Paul und Herrn Grunkin geboren, die damals miteinander verheiratet
waren und beide die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Das Kind besitzt
ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit und lebt seit seiner Geburt in
Dänemark.
6 Ausweislich einer von der zuständigen dänischen Behörde ausgestellten
Namensurkunde („navnebevis“) erhielt das Kind nach dänischem Recht den Namen
Grunkin-Paul, der auch in die dänische Geburtsurkunde eingetragen wurde.
7 Die deutschen Standesämter lehnten die Anerkennung des in Dänemark für das
Kind bestimmten Namens mit der Begründung ab, nach Art. 10 EGBGB unterliege
der Nachname einer Person dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit
sie besitze, und nach deutschem Recht dürfe ein Kind keinen Doppelnamen,
bestehend aus den Namen seines Vaters und seiner Mutter, führen. Die von den
Eltern des Kindes Leonhard Matthias gegen diese ablehnende Entscheidung
eingelegten Rechtsbehelfe blieben ohne Erfolg
8 Die Eltern des Kindes, deren Ehe zwischenzeitlich geschieden wurde, hatten
keinen gemeinsamen Familiennamen geführt und hatten es abgelehnt, eine
Geburtsnamensbestimmung für das Kind nach § 1617 Abs. 1 BGB zu treffen.
9 Das Amtsgericht Niebüll wurde vom Standesamt Niebüll wegen der Übertragung
des Rechts zur Bestimmung des Nachnamens des jungen Leonhard Matthias auf
einen seiner Elternteile gemäß § 1617 Abs. 2 und 3 BGB angerufen. Das
Amtsgericht setzte das Verfahren aus und ersuchte den Gerichtshof gemäß Art.
234 EG um Vorabentscheidung. In seinem Urteil vom 27. April 2006, Standesamt
Stadt Niebüll (C‑96/04, Slg. 2006, I‑3561), stellte der Gerichtshof fest,
dass das Amtsgericht Niebüll, welches in einem Verfahren der freiwilligen
Gerichtsbarkeit angerufen worden war, als Verwaltungsbehörde handelte, ohne
dass es gleichzeitig einen Rechtsstreit zu entscheiden hatte, so dass nicht
davon ausgegangen werden konnte, dass es eine Rechtsprechungstätigkeit
ausübte. Aus diesem Grund erklärte sich der Gerichtshof für nicht zuständig,
die gestellte Frage zu beantworten.
10 Am 30. April 2006 beantragten die Eltern des Kindes Leonhard Matthias bei
der zuständigen Behörde, ihren Sohn unter dem Namen Grunkin-Paul in das in
Niebüll geführte Familienbuch einzutragen. Mit Bescheid vom 4. Mai 2006
lehnte das Standesamt Niebüll diese Eintragung mit der Begründung ab, dass
nach dem deutschen Recht zur Regelung der Nachnamen eine solche Eintragung
nicht möglich sei.
11 Am 6. Mai 2006 ging beim Amtsgericht Flensburg ein Antrag der Eltern ein,
das Standesamt Niebüll anzuweisen, den in Dänemark bestimmten und
eingetragenen Nachnamen ihres Sohnes anzuerkennen und diesen unter dem Namen
Leonhard Matthias Grunkin-Paul in das Familienbuch einzutragen.
12 Das vorlegende Gericht stellt fest, dass eine Anweisung des
Standesamts Niebüll zur Eintragung eines nach deutschem Recht unzulässigen
Namens nicht möglich sei, äußert jedoch Zweifel, ob es mit dem
Gemeinschaftsrecht vereinbar sei, einen Unionsbürger zu zwingen, in
unterschiedlichen Mitgliedstaaten unterschiedliche Nachnamen zu führen.
13 Das Amtsgericht Flensburg hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem
Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Kann im Hinblick auf das in Art. 12 EG enthaltene Diskriminierungsverbot
bzw. im Hinblick auf die in Art. 18 EG für jeden Unionsbürger verbürgte
Freizügigkeit das in Art. 10 EGBGB verankerte deutsche Kollisionsrecht
Bestand haben, soweit es hinsichtlich des Namensrechts allein eine
Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit vornimmt?
Zur Vorlagefrage
14 Das vorlegende Gericht möchte mit seiner Frage im Wesentlichen wissen, ob
die Art. 12 EG und 18 EG dem entgegenstehen, dass die zuständigen Behörden
eines Mitgliedstaats es ablehnen, den Nachnamen eines Kindes anzuerkennen,
der in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt und eingetragen wurde, in dem
das Kind – das wie seine Eltern nur die Staatsangehörigkeit des
erstgenannten Mitgliedstaats besitzt – geboren wurde und seitdem wohnt.
Anwendungsbereich des EG-Vertrags
15 Zunächst ist festzustellen, dass die Situation des Kindes Leonhard
Matthias vom sachlichen Anwendungsbereich des EG-Vertrags erfasst wird.
16 Zwar fällt das Recht zur Regelung der Nachnamen beim gegenwärtigen
Stand des Gemeinschaftsrechts in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, doch
müssen diese bei der Ausübung dieser Zuständigkeit gleichwohl das
Gemeinschaftsrecht beachten, sofern es sich nicht um einen internen
Sachverhalt handelt, der keinerlei Bezug zum Gemeinschaftsrecht aufweist
(vgl. Urteil vom 2. Oktober 2003, Garcia Avello, C‑148/02, Slg. 2003,
I‑11613, Randnrn. 25 und 26 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
17 Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass ein solcher Bezug zum
Gemeinschaftsrecht bei Kindern besteht, die Angehörige eines Mitgliedstaats
sind und sich zugleich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen
Mitgliedstaats aufhalten (vgl. Urteil Garcia Avello, Randnr. 27).
18 Das Kind Leonhard Matthias kann sich daher gegenüber dem
Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger es ist, grundsätzlich auf das Recht
aus Art. 12 EG, nicht aufgrund seiner Staatsangehörigkeit diskriminiert zu
werden, sowie auf das Recht aus Art. 18 EG, sich im Hoheitsgebiet der
Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, berufen.
Art. 12 EG
19 Zu Art. 12 EG ist jedoch ohne Weiteres festzustellen, dass das Kind
Leonhard Matthias – wie dies auch alle Mitgliedstaaten, die beim Gerichtshof
Erklärungen eingereicht haben, und die Kommission der Europäischen
Gemeinschaften vorgetragen haben – in Deutschland nicht aufgrund seiner
Staatsangehörigkeit diskriminiert wird.
20 Da das Kind und seine Eltern nämlich nur die deutsche Staatsangehörigkeit
besitzen und die deutsche Kollisionsnorm, die im Ausgangsverfahren in Frage
steht, für die Erteilung des Nachnamens auf das deutsche Sachrecht zur
Regelung der Namen verweist, kann darin, dass der Name dieses Kindes in
Deutschland nach deutschem Recht bestimmt wird, keine Diskriminierung
aufgrund der Staatsangehörigkeit liegen.
Art. 18 EG
21 Eine nationale Regelung, die bestimmte eigene Staatsangehörige allein
deswegen benachteiligt, weil sie von ihrer Freiheit, sich in einen anderen
Mitgliedstaat zu begeben und sich dort aufzuhalten, Gebrauch gemacht haben,
stellt eine Beschränkung der Freiheiten dar, die Art. 18 Abs. 1 EG jedem
Unionsbürger verleiht (vgl. Urteile vom 18. Juli 2006, De Cuyper,
C‑406/04, Slg. 2006, I‑6947, Randnr. 39, und vom 22. Mai 2008, Nerkowska,
C‑499/06, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 32).
22 Die Verpflichtung, in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit
der Betroffene besitzt, einen anderen Namen als den zu führen, der bereits
im Geburts- und Wohnsitzmitgliedstaat erteilt und eingetragen wurde, kann
aber die Ausübung des Rechts aus Art. 18 EG behindern, sich im Hoheitsgebiet
der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.
23 Wie der Gerichtshof in Bezug auf Kinder mit der Staatsangehörigkeit
zweier Mitgliedstaaten bereits festgestellt hat, können unterschiedliche
Familiennamen für die Betroffenen zu schwerwiegenden Nachteilen beruflicher
wie auch privater Art führen, die insbesondere aus den Schwierigkeiten
resultieren können, in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörige diese
Kinder sind, rechtliche Wirkungen von Urkunden oder Schriftstücken in
Anspruch zu nehmen, die auf den Namen ausgestellt wurden, der in einem
anderen Mitgliedstaat anerkannt ist, dessen Staatsangehörigkeit sie
ebenfalls besitzen (Urteil Garcia Avello, Randnr. 36).
24 Solch schwerwiegende Nachteile können sich in gleicher Weise in einem
Fall wie dem des Ausgangsverfahrens ergeben. Es kommt nämlich in diesem
Zusammenhang nicht darauf an, ob die Unterschiedlichkeit der Nachnamen aus
der doppelten Staatsangehörigkeit der Betroffenen oder aus dem Umstand
folgt, dass die Namensbestimmung im Geburts‑ und Wohnsitzstaat an den
Wohnsitz geknüpft ist, während sie in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit
die Betroffenen besitzen, an die Staatsangehörigkeit geknüpft ist.
25 Wie die Kommission ausführt, erfordern viele alltägliche Handlungen im
öffentlichen wie im privaten Bereich den Nachweis der Identität, der in der
Regel durch den Reisepass erbracht wird. Da das Kind Leonhard Matthias nur
die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, liegt die Ausstellung dieses
Dokuments allein in der Zuständigkeit der deutschen Behörden. Sollten diese
es aber ablehnen, den in Dänemark bestimmten und eingetragenen Nachnamen
anzuerkennen, werden sie dem Kind einen Reisepass ausstellen, der auf einen
anderen Namen als den lautet, den es im letztgenannten Mitgliedstaat
erhalten hat.
26 Folglich läuft der Betroffene Gefahr, jedes Mal, wenn er in Dänemark –
dem Mitgliedstaat, in dem er geboren wurde und seitdem wohnt – den Nachweis
seiner Identität erbringen muss, Zweifel an dieser Identität und den
Verdacht von Falschangaben ausräumen zu müssen, die durch die Divergenz
zwischen dem Namen, den er schon immer im täglichen Leben benutzt hat und
der sowohl in den Registern der dänischen Behörden als auch in allen in
Dänemark in Bezug auf ihn ausgestellten amtlichen Dokumenten wie
insbesondere der Geburtsurkunde steht, und dem Namen in seinem deutschen
Reisepass hervorgerufen werden.
27 Zudem wird die Zahl der Dokumente, insbesondere der Bescheinigungen,
Zeugnisse und Diplome, die eine Divergenz bezüglich des Nachnamens des
Betroffenen erkennen lassen, im Laufe der Jahre vermutlich wachsen, da das
Kind sowohl zu Dänemark als auch zu Deutschland einen engen Bezug hat. Nach
den Verfahrensakten hält es sich nämlich, auch wenn es hauptsächlich bei
seiner Mutter in Dänemark lebt, regelmäßig in Deutschland auf, um seinen
Vater zu besuchen, der sich dort nach der Scheidung der Ehe niedergelassen
hat.
28 Jedes Mal, wenn der in einer konkreten Situation benutzte Name nicht
dem Namen entspricht, der in dem Dokument steht, das zum Nachweis der
Identität einer Person vorgelegt wird, um insbesondere entweder eine
Leistung oder ein Recht gleich welcher Art zu erlangen oder aber das
Bestehen von Prüfungen bzw. den Erwerb von Fähigkeiten zu belegen, oder wenn
in zwei zusammen vorgelegten Dokumenten nicht derselbe Name steht, kann eine
solche Divergenz bezüglich des Nachnamens Zweifel an der Identität der
Person und an der Echtheit der Dokumente oder der Wahrheitsgemäßheit der
darin enthaltenen Angaben wecken.
29 Eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit, wie sie aus den
schwerwiegenden Nachteilen resultiert, die in den Randnrn. 23 bis 28 des
vorliegenden Urteils beschrieben sind, wäre allenfalls dann gerechtfertigt,
wenn sie auf objektiven Erwägungen beruhte und in einem angemessenen
Verhältnis zum legitimerweise verfolgten Zweck stünde (vgl. in diesem Sinne
Urteil vom 11. September 2007, Kommission/Deutschland, C‑318/05, Slg. 2007,
I‑6957, Randnr. 133 und die dort angeführte Rechtsprechung).
30 Um die ausschließliche Anknüpfung der Bestimmung des Nachnamens an die
Staatsangehörigkeit zu rechtfertigen, machen die deutsche Regierung und
einige der anderen Regierungen, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht
haben, insbesondere geltend, dass dieser Anknüpfungspunkt ein objektives
Kriterium sei, das es erlaube, den Namen einer Person so zu bestimmen, dass
Gewissheit und Kontinuität gegeben seien, die Namenseinheit unter
Geschwistern zu gewährleisten und die Beziehungen zwischen den Mitgliedern
der Familie im weiteren Sinne zu erhalten. Außerdem diene dieses Kriterium
dazu, alle Personen mit einer bestimmten Staatsangehörigkeit gleich zu
behandeln und sicherzustellen, dass die Namen von Personen mit derselben
Staatsangehörigkeit auf dieselbe Weise bestimmt würden.
31 So berechtigt diese Gründe, die für die Anknüpfung der Bestimmung des
Namens einer Person an deren Staatsangehörigkeit angeführt werden, als
solche auch sein mögen, verdient es doch keiner von ihnen, dass ihm eine
solche Bedeutung beigemessen wird, dass er unter Umständen wie denen des
Ausgangsverfahrens die Weigerung der zuständigen Behörden eines
Mitgliedstaats rechtfertigen könnte, den Nachnamen eines Kindes
anzuerkennen, der bereits in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt und
eingetragen wurde, in dem das Kind geboren wurde und seitdem wohnt.
32 Da nämlich die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit gewährleisten soll,
dass der Name einer Person so bestimmt wird, dass Kontinuität und Stabilität
gegeben sind, ist entsprechend dem Vorbringen der Kommission festzustellen,
dass eine solche Anknüpfung unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens
zum Gegenteil des angestrebten Ergebnisses führen wird. Denn das Kind wird
jedes Mal, wenn es die Grenze zwischen Dänemark und Deutschland überquert,
einen anderen Namen führen.
33 Zum Ziel, die Einheitlichkeit des Namens unter Geschwistern zu
gewährleisten, genügt die Feststellung, dass sich dieses Problem im
Ausgangsverfahren nicht stellt.
34 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das deutsche internationale
Privatrecht für die Zwecke der Bestimmung des Nachnamens einer Person nicht
ausnahmslos an deren Staatsangehörigkeit anknüpft. Die deutschen
Kollisionsnormen über die Bestimmung des Namens eines Kindes erlauben
nämlich eine Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt eines der
Elternteile, wenn der Aufenthaltsort in Deutschland liegt. Ein Kind, das wie
seine Eltern nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, kann daher in
Deutschland dennoch einen nach deutschem Recht gebildeten Familiennamen
erhalten, wenn einer seiner Elternteile dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt
hat. Eine mit der Situation des Kindes Leonhard Matthias vergleichbare
Situation könnte sich also auch in Deutschland ergeben.
35 Die deutsche Regierung trägt ferner vor, dass das deutsche Recht die
Erteilung von zusammengesetzten Familiennamen aus praktischen Gründen nicht
zulasse. Namen sollten nicht beliebig lang sein. Der deutsche Gesetzgeber
habe Regelungen getroffen, die verhindern sollten, dass die nächste
Generation gezwungen sei, auf einen Teil des Familiennamens zu verzichten.
Was eine Generation an Gestaltungsspielraum bei der Zulassung von
Doppelnamen gewänne, ginge der folgenden Generation verloren. Diese hätte
nämlich nicht mehr die gleichen Kombinationsmöglichkeiten wie die vorherige
Generation.
36 Derartige auf Verwaltungsvereinfachung ausgerichtete Erwägungen genügen
jedoch nicht, um eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit zu rechtfertigen,
wie sie in den Randnrn. 22 bis 28 des vorliegenden Urteils festgestellt
worden ist.
37 Aus der Vorlageentscheidung geht überdies hervor, dass das deutsche Recht
die Möglichkeit, Kindern mit deutscher Staatsangehörigkeit zusammengesetzte
Familiennamen zu geben, nicht völlig ausschließt. Wie die deutsche Regierung
in der Sitzung bestätigt hat, können nämlich die Eltern, wenn einer der
Elternteile die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates besitzt, dafür
optieren, den Familiennamen des Kindes nach dem Recht dieses Staates zu
bilden.
38 Ferner ist noch festzustellen, dass ein besonderer Grund, der der
Anerkennung des in Dänemark erteilten und eingetragenen Nachnamens des
Kindes Leonhard Matthias gegebenenfalls entgegenstehen könnte, etwa dass
sein Name in Deutschland gegen den Ordre public verstoße, im Verfahren vor
dem Gerichtshof nicht geltend gemacht worden ist.
39 Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass Art. 18
EG unter Bedingungen wie denen des Ausgangsverfahrens dem entgegensteht,
dass die Behörden eines Mitgliedstaats es unter Anwendung des nationalen
Rechts ablehnen, den Nachnamen eines Kindes anzuerkennen, der in einem
anderen Mitgliedstaat bestimmt und eingetragen wurde, in dem dieses Kind –
das wie seine Eltern nur die Staatsangehörigkeit des erstgenannten
Mitgliedstaats besitzt – geboren wurde und seitdem wohnt.
Kosten
40 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein
Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit;
die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer
Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht
erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
Art. 18 EG steht unter Bedingungen wie denen des Ausgangsverfahrens dem
entgegen, dass die Behörden eines Mitgliedstaats es unter Anwendung des
nationalen Rechts ablehnen, den Nachnamen eines Kindes anzuerkennen, der in
einem anderen Mitgliedstaat bestimmt und eingetragen wurde, in dem dieses
Kind – das wie seine Eltern nur die Staatsangehörigkeit des erstgenannten
Mitgliedstaats besitzt – geboren wurde und seitdem wohnt.
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