IPR/IZPR: Qualifikation einer "Trennung von Tisch und Bett" (separazione personale); anwendbares Recht und internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte


AG Leverkusen, Urteil vom 14.09.2006 - 33 F 123/06


Fundstelle:

FamRZ 2007, 565


(Eigener) Leitsatz:

Die gerichtliche Bestätigung einer einverständlichen Trennung nach italienischem Recht kann auch durch ein deutsches Gericht erfolgen.


Zentrale Probleme:

Es geht um das auf eine "Trennung von Tisch und Bett" anwendbare Recht. Ein solches Rechtsinstitut, welches die Ehe nicht dem Bande nach aufhebt, aber Auswirkungen auf die sich aus der Ehe ergebenden Pflichten haben kann, ist in vielen romanischen Rechtsordnungen zusätzlich eine Scheidungsvoraussetzung (früher ersetzte das Rechtsinstitut die Ehescheidung in Rechtsordnungen, welche die Ehescheidung nicht kannten). Anders als zB im deutschen Recht, das ja ebenfalls Trennungsfristen als Scheidungsvoraussetzung enthält (s. §§ 1565 - 1568 BGB) geht es bei der separazione nicht lediglich um ein tatsächliches Getrenntleben, sondern um eine gerichtliche Trennung oder - so hier - um eine gerichtlich bestätigte einverständliche Trennung. Soll eine solche vor deutschen Gerichten vorgenommen werden, stellt sich die Frage des anwendbaren Rechts. Dabei handelt es sich, weil das deutsche Recht ein solches Rechtsinstitut nicht kennt, um ein Qualifikationsproblem, d.h. es muß die maßgebende Kollisionsnorm des deutschen Rechts ermittelt werden (s. dazu die umfangreiche Anm. zu BGHZ 47, 324). Das AG wendet hier Art. 14 EGBGB (allgemeine Ehewirkungen) an. Die hM qualifiziert das Rechtsinstitut dagegen zutreffend scheidungsrechtlich, würde also Art. 17 EGBGB anwenden, s. dazu BGHZ 47, 324 (was aber ebenfalls zur Anwendung von Art. 14 EGBGB führt). Zu prüfen wäre dann noch - was das AG hier ebenfalls unterläßt - die Frage, ob das italienische Recht die Verweisung annimmt, da die Verweisung gem. Art. 4 Abs. 1 EGBGB Gesamtverweisung ist. Die ist allerdings der Fall (Art. 31 ital. IPR-Gesetz).
Zutreffend bejaht das AG seine Zuständigkeit nach Art. 3 der Brüssel II-VO.

©sl 2007


Tatbestand:

Die Parteien sind italienische Staatsbürger, welche am 16.7.1998 in Leverkusen geheiratet und seitdem hier zusammen gelebt haben. Aus der Ehe stammen die Kinder XXX geboren am 23.6.1999 und XXX geboren am 7.9.2001. Am 25.6.2006 haben sich die Parteien einvernehmlich getrennt. Der Antragsteller ist ausgezogen. Die Antragstellerin blieb mit den Kindern in der bisherigen Ehewohnung.

Der Antragsteller beantragt,

zu bestätigen, dass die Parteien von Tisch und Bett getrennt leben. Die Antragsgegnerin hat diesem Antrag zugestimmt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.9.2006 wurde ein Versöhnungsversuch durchgeführt, welcher gescheitert ist. Beide Parteien haben bestätigt, dass sie seit dem 25.6.2005 getrennt leben.

Entscheidungsgründe:


Das Familiengericht des Amtsgerichts Leverkusen ist örtlich und international zuständig, den vorliegenden Antrag zu entscheiden. Die örtliche Zuständigkeit beruht auf § 606 Abs. 1 Satz 1 ZPO, weil die Parteien beide im Gerichtsbezirk wohnen. Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 3 der EU-VO 2201/2003 vom 27.11.2003, welche seit dem 1.3.2005 in Kraft ist und die Zuständigkeit für Ehesachen u.a. den Gerichten des Staates zuweist, in dessen Hoheitsgebiet beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Das ist im vorliegenden Fall Deutschland. Das gegenständliche Verfahren ist eine Ehesache im Sinne der VO. Der Begriff der Ehesache ist weit auszulegen. Die EU-VO 2201/2003 möchte eine lückenlose Zuständigkeit in Ehesachen herstellen. Damit gibt es keinen Grund, das Trennungsverfahren ohne Lösung des Ehebandes anders als eine Scheidung zu behandeln, zumal das Trennungsverfahren hier offenbar der Vorbereitung einer Scheidung dient. Die besonderen Voraussetzungen des italienischen Verfahrensrechts sind erfüllt. Die nach dem Heimatrecht der Parteien dem Staatsanwalt zugewiesenen Aufgaben werden vom Familiengericht wahrgenommen. Der erforderliche Versöhnungsversuch ist gescheitert. In der Sache selbst gilt nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 EGBGB das gemeinsame Heimatrecht der Parteien also italienisches Recht. Gemäß Art. 150 und 158 codice civile ist der Antrag des Antragstellers begründet. Nach diesen Vorschriften kann die gerichtliche Bestätigung der Trennung erfolgen. Die Parteien haben ausweislich ihrer anwaltlichen Schriftsätze übereinstimmend ihre Trennung vereinbart. An der Wirksamkeit dieser Verabredung gibt es keinen vernünftigen Zweifel. Die Vereinbarung ist formfrei möglich. Hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit der Eheleute bestehen keine Bedenken. Unschädlich ist auch, dass die Trennungsvereinbarung seitens der Anwälte, also von Vertretern geschlossen wurde, auch wenn eine Trennungsvereinbarung wegen ihres höchstpersönlichen Charakters nur von den Parteien selbst geschlossen werden kann. Dieses Problem kann dahinstehen, nachdem die Eheleute ihre Trennungsvereinbarung vor dem erkennenden Gericht im Termin zur mündlichen Verhandlung wiederholt haben. Dies genügt. Eine Trennungsvereinbarung kann mündlich vor dem Gericht geschlossen werden. Auch materielle Wirksamkeitsbedenken sind nicht erkennbar. Die Verhältnisse zwischen den Ehegatten sind ordnungsgemäß geregelt. Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die guten Sitten fehlen vollständig. Die Vereinbarung ist auch dann unbedenklich, wenn man berücksichtigt, dass nach dem Heimatrecht der Eheleute Streit darüber besteht, ob es ausreicht, wenn wie hier lediglich Einvernehmen zur Änderung des Personenstandes durch das Eintreten der Trennung hergestellt ist. Grundsätzlich sollten nämlich auch die Rechtsverhältnisse hinsichtlich möglicher Unterhaltsansprüche, bezüglich der ehelichen Wohnung und gemeinschaftlicher Kinder geklärt sein. Sofern dies fehlt wird in der italienischen Lehre teilweise Nichtigkeit der Vereinbarung angenommen. Davon kann jedoch zur Überzeugung des Gerichts hier nicht ausgegangen werden. Der mindestens notwendige Inhalt der Vereinbarung, nämlich der Wille, die eheliche Lebensgemeinschaft zu beendigen ist geäußert. Die Bestimmungen über Unterhaltsansprüche und über die Kinder sind kein unverzichtbarer Bestandteil der Vereinbarung, dessen Fehlen ihre Nichtigkeit zur Folge hätte. Fehlt nämlich eine Bestimmung über die Unterhaltsansprüche, kann eine entsprechende Regelung auch nach Bestätigung der Vereinbarung nach Art. 156 Abs. 7 c.c. nachgeholt werden. Dem Fehlen einer Regelung hinsichtlich der Kinder wird durch die richterliche Kontrolle der Vereinbarung begegnet. Diese Kontrolle führt hier nicht zu einer Beanstandung der Vereinbarung, da sich die Parteien im Termin insoweit verständigt haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 93 a ZPO.