Qualifikation im IPR:
lege fori-Qualifikation dem inländischen Recht unbekannter
Rechtsinstitute (Trennung von Tisch und Bett)
BGH, Urt. v. 22.3.1967, IV ZR 148/65
Fundstelle:
BGHZ 47, 324
Amtl. Leitsatz:
Unter den Begriff der Scheidung im Sinne des Art. 17 EGBGB fällt auch die
in ausländischen Rechten vorgesehene Trennung ohne Auflösung des
Ehebandes. Deutsche Gerichte können auf Trennung unter Aufrechterhaltung
des Ehebandes erkennen, wenn diese nach dem maßgebenden ausländischen
Recht zulässig ist und nach den deutschen Gesetzen die Scheidung der Ehe
dem Bande nach zulässig wäre.
Zentrales Problem:
Im Mittelpunkt der Entscheidung steht das
Problem der "Qualifikation" im Internationalen Privatrecht. Dahinter
verbirgt sich folgendes:
Der erste Schritt bei der Ermittlung des auf einen Sachverhalt mit
Auslandsbezug anwendbaren Rechts ist die Bestimmung der hierfür
maßgeblichen Kollisionsnorm. Da es ein "Kollisionsrecht für das
Kollisionsrecht" grundsätzlich nicht gibt, entstammt diese zwangsläufig
dem Recht des jeweiligen Gerichtsorts (lex fori): Der Rechtsanwender geht
stets von der maßgeblichen Kollisionsnorm des eigenen Rechts aus, ein
deutsches Gericht wendet also primär das "eigene", deutsche
Kollisionsrecht an (lex fori-Maxime). Zur Bestimmung der maßgeblichen
Kollisionsnorm muß zunächst gefragt werden, in den sachlichen
Anwendungsbereich welcher Kollisionsnorm der zu beurteilende Sachverhalt
fällt. So wird etwa das auf die Erbfolge nach einer Person anwendbare
Recht nach Art. 25 EGBGB ermittelt, weil dessen Tatbestand von der
"Rechtsnachfolge von Todes wegen" spricht, das auf den ehelichen
Güterstand anwendbare Recht ergibt sich aus Art. 15 EGBGB, weil im
Tatbestand dieser Norm von den "güterrechtlichen Wirkungen der Ehe" die
Rede ist. Dieser Subsumtionsvorgang der Zuordnung einer Rechtsfrage zu
einem bestimmten kollisionsrechtlichen Sachbereich, den man im IPR als
Qualifikation bezeichnet, ist aber nicht immer so unproblematisch wie in
diesen Beispielen. Dies kann sich einerseits aus der Notwendigkeit
ergeben, auslandsrechtliche Phänomene kollisionsrechtlich zu beurteilen,
die das deutsche materielle Recht nicht (oder nicht mehr) kennt.
Nach der in Rechtsprechung und wohl auch in der Literatur herrschenden
Ansicht gilt zutreffenderweise grundsätzlich folgendes: Da der Gesetzgeber
bei Schaffung der Kollisionsnormen von den Systembegriffen des
eigenen Rechts ausgeht bzw. ausgehen muß und selbst die
Reichweite der eigenen Kollisionsnormen bestimmt, sind die
Tatbestandsmerkmale einer Kollisionsnorm stets nach den Systembegriffen
derjenigen Rechtsordnung auszulegen, der die Kollisionsnorm entstammt. Das
führt dazu, daß auf der ersten Stufe, dh. bei der Anwendung einer
Kollisionsnorm des deutschen Rechts durch einen deutschen Rechtsanwender,
nach den Systembegriffen des eigenen Rechts zu qualifizieren ist (sog.
lex fori-Qualifikation):
"Das fremde Recht soll angewendet werden, wenn unser Gesetzgeber
will, daß es angewandt werde. Ob er es will, können wir, wenn er
ausdrücklich nicht gesprochen hat, nur seinen sonst erkennbaren
Intentionen entnehmen. Niemals aber kann ein fremdes Gesetz uns sagen,
welcher Art diese Intentionen sind" (F. Kahn).
Bei jeder anderen Art der Qualifikation würde der Gesetzgeber die
Entscheidung über Inhalt und Reichweite der selbst geschaffenen
Kollisionsnorm gleichsam "aus der Hand geben". Dies gilt sowohl
hinsichtlich der Qualifikation fremder Rechtsbegriffe als
auch bei der Frage der Reichweite einer Verweisung.
Die Qualifikation setzt damit eine Analyse des fremden
Rechtsinstituts voraus, dh. dieses ist zunächst vom Standpunkt
des ausländischen Rechts nach seinem Sinn und Zweck zu erfassen. Erst
eine solche Analyse erlaubt eine Antwort auf die Frage des Charakters der
Regelung nach inländischen Rechtsvorstellungen. Sie erfolgt durch einen
Vergleich der betreffenden Sachnormen des ausländischen Rechts mit den
Rechtsinstituten des deutschen Rechts. Findet sich dort ein funktionell
entsprechendes Rechtsinstitut, so ist die hierfür
maßgebliche Kollisionsnorm anzuwenden. Gibt es im deutschen Recht
überhaupt keine Entsprechung, so kann die Frage weiterhelfen, in welchem
systematischen Zusammenhang der deutsche Gesetzgeber eine entsprechende
Regelung angesiedelt hätte.
Im vorliegenden Fall geht es um die Frage des auf die im
romanischen Rechtskreis bekannte "Trennung von Tisch und Bett"
anwendbaren Rechts. Maßgeblich ist, ob es sich nach den
Systemvorstellungen des deutschen Rechts um eine Frage der allgemeinen
Ehewirkungen oder um eine scheidungsrechtliche Frage handelt. Danach
entscheidet sich, ob das anwendbare Recht nach Art. 14 EGBGB oder nach
Art. 17 EGBGB ermittelt wird.
Wenn hierbei von den "Systembegriffen des eigenen Rechts" die Rede ist,
so sind damit freilich die Systembegriffe des (eigenen) Internationalen
Privatrechts gemeint, die von denjenigen des (eigenen) materiellen Rechts
durchaus abweichen können: Wegen der speziellen Funktion des
Internationalen Privatrechts, auch unbekannten, ausländischen Regelungen
gerecht zu werden, sind die von ihm verwendeten Rechtsbegriffe oft weiter
auszulegen als der entsprechende materiellrechtliche Begriff.
Dies betont etwa v. Bar IPR I Rn. 600, wenn er deshalb von "autonomer
Qualifikation nach dem IPR des Forums" spricht.
So beinhaltet etwa der Begriff der Ehescheidung im deutschen
materiellen Recht ausschließlich die endgültige Aufhebung der Ehe dem
Bande nach (§ 1564 BGB). Das hindert jedoch nicht, unter den Begriff der
"Ehescheidung" in Art. 17 EGBGB auch fremde Rechtsinstitute wie die
Trennung von Tisch und Bett zu subsumieren und das darauf anwendbare Recht
nach dieser Norm zu ermitteln.
S. dazu auch:
RGZ
7, 21 ff |
Qualifikation im IPR bei
Systemunterschieden ("Nachfrage"): Die "unsterbliche Blamage" des
Reichsgerichts ("Tennessee-Wechsel-Fall") |
BayObLGZ 1999, 163 |
Qualifikation im IPR: Anknüpfung dem
eigenen materiellen Recht nicht (mehr) bekannter Rechtsinstitute
(Legitimation des nichtehelichen Kindes) |
OLG Karlsruhe NJW 1990, 1420 |
Qualifikation von § 1371 BGB |
LG Mosbach ZEV 1998, 498 = JuS 1999, 296 =
IPRspr. 1997, 119 |
Qualifikation von § 1371 BGB, Angleichung bei Normenhäufung |
BGHZ 24, 352
und
BGHZ 144, 251 |
Rück- und Weiterverweisung,
Qualifikationsverweisung: Bewegliches und unbewegliches Vermögen |
BGHZ 29, 137 |
Qualifikation im
Internationalen Privatrecht: Stellvertretung bei der Eheschließung als Formfrage
("Handschuhehe") |
BGH NJW 1987, 2161 |
Qualifikation im
Internationalen Privatrecht: Islamisch-rechtliche Morgengabe |
OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 1627 |
Qualifikation, Vorfrage
und Substitution im Internationalen Privatrecht: Das Erbrecht des
Adoptivkindes |
OLG Frankfurt/Main FamRZ
2001, 293 |
Prozeßrechtliche Qualifikation
eines obligatorischen Versöhnungsversuchs vor der Ehescheidung (Kroatien) |
Zum Sachverhalt:
Der Beklagte besitzt seit seiner Geburt die italienische
Staatsangehörigkeit. Die Klägerin war früher deutsche Staatsangehörige. Im
Jahre 1949 haben die Parteien die Ehe geschlossen.
Die Klägerin hat beantragt, die Ehe der Parteien nach den Vorschriften des
italienischen Rechts zu trennen und den Beklagten für schuldig an der
Trennung zu erklären.
Sie hat behauptet, der Beklagte trinke häufig und viel und gebe dafür so
viel Geld aus, daß der Rest zum Unterhalt der Familie nicht ausreiche. Er
habe sie wiederholt, auch vor den Kindern, beleidigt, so durch den
Vorwurf, sie treibe sich mit ihrem Kostgänger herum. Die Sylvesternacht
1963/64 habe er mit anderen Frauen verbracht. Im Februar 1964 habe der
Beklagte einen Selbstmordversuch unternommen.
Der Beklagte will an der Ehe festhalten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Verfehlungen des
Beklagten, soweit sie festgestellt seien, nicht ausreichten, um die
Trennung nach italienischem Recht zu rechtfertigen.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klagerin mit der Maßgabe
zurückgewiesen, daß die Klage als unzulässig abgewiesen werde.
Auf die Revision der Klägerin ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht
zurückverwiesen worden.
Aus den Gründen:
1. Über die Klage, die auf Trennung der Ehe der Parteien nach
ausländischem Recht gerichtet ist, ist im Eheverfahren nach den
Vorschriften des 1. Abschnitts des 6. Buches der Zivilprozeßordnung zu
entscheiden. In § 606 ZPO ist zwar eine derartige Klage nicht ausdrücklich
vorgesehen; es ergibt sich aber aus der Natur der Sache, daß über die
Klage nur im Eheverfahren verhandelt und erkannt werden kann.
2. ...
3. Die Klägerin hat durch ihre Eheschließung mit dem Beklagten die
italienische Staatsangehörigkeit erworben. Gleichzeitig hat sie, da die
Eheschließung vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes und auch vor dem
Inkrafttreten des Grundsatzes der Gleichberechtigung der Geschlechter
erfolgte, nach § 17 Nr. 6 RuStAG aF die deutsche Staatsangehörigkeit
verloren.
Keine Partei besitzt also die deutsche Staatsangehörigkeit, und beide sind
italienische Staatsangehörige.
Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte für den vorliegenden Rechtsstreit
bestimmt sich demnach nach § 606b Nr. 1 ZPO. Die Voraussetzungen dieser
Vorschrift liegen vor.
Die Parteien haben ihren Wohnsitz und ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort im
Inland. Es ist auch davon auszugehen, daß eine von den deutschen Gerichten
nach italienischem Recht ausgesprochene Trennung der Ehe nach Art. 1, 3, 4
des deutsch-italienischen Abkommens die Anerkennung und Vollstreckung
gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 9. März 1936
(RGBl 1937 II 145), das nach Nr. I der Bekanntmachung vom 23. Dezember
1952 (BGBl II 986) wieder angewendet wird, in Italien anerkannt würde...
4. a) Die von der Klägerin erhobene Klage, ihre Ehe mit dem Beklagten zu
trennen und diesen für schuldig an der Trennung zu erklären, beruht auf
den Vorschriften des italienischen Rechts, das keine Ehescheidung, wohl
aber eine durch Gerichtsurteil auszusprechende, mit bestimmten
Rechtswirkungen ausgestattete Trennung der Ehe, die deren Band bestehen
läßt, kennt (Art. 149-158 des italienischen Bürgerlichen Gesetzbuchs;
Bergmann Internationales Ehe und Kindschaftsrecht, 3. Aufl., 2. Band
Italien, 19, 20).
Da die Vorschriften des deutschen internationalen Privatrechts keine
eindeutigen Bestimmungen darüber enthalten, ob und wann ausländische
Vorschriften, die die Trennung einer Ehe vorsehen, anzuwenden sind, und ob
die deutschen Gerichte auf die Trennung einer Ehe nach ausländischem Recht
erkennen können, kommt es darauf an, was sich für diese Fragen aus der
einzigen die Auflösung der Ehe behandelnden internationalprivatrechtlichen
Bestimmung des Art. 17 EGBGB ergibt.
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist Art. 17 Abs. 1 EGBGB
durch das Außerkrafttreten des der Gleichberechtigung der Geschlechter
entgegenstehenden Rechts in seinem Inhalt nicht berührt worden (LM EGBGB
Art. 17 Nr. 1).
Soweit diese Vorschrift eingreift, kann für die Parteien des vorliegenden
Rechtsstreits die Anwendung des italienischen Rechts schon deshalb nicht
in Frage gestellt werden, weil beide die italienische Staatsangehörigkeit
besitzen. Das italienische Recht verweist nicht auf das deutsche Recht
zurück (Art. 27 EGBGB).
b) Nach der Auffassung des Berufungsgerichts ist die von der Klägerin
erhobene Klage auf Trennung unzulässig, da ein deutsches Gericht nicht auf
Trennung erkennen könne.
c) Das Berufungsgericht hat sich für seine Auffassung auf die
Rechtsprechung des Reichsgerichts und die überwiegende Meinung des
Schrifttums berufen.
Das Reichsgericht nahm zunächst in Anwendung des § 77 des
Personenstandsgesetzes vom 6. Februar 1875 (RGBl 23) an, daß es in
Deutschland auch gegenüber Ausländern den in deren maßgebendem Heimatrecht
vorgesehenen Ausspruch der beständigen Trennung von Tisch und Bett nicht
mehr gebe, sondern stattdessen auf die Auflösung des Bandes der Ehe
erkannt werden könne (RGZ 3, 27; 11, 29). Nach dem Inkrafttreten des
Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen
Gesetzbuch sprach das Reichsgericht dagegen aus, daß nach Art. 17 EGBGB
eine Scheidung dem Bande nach nicht in Betracht komme, wenn sie nach dem
maßgebenden ausländischen Recht nicht zulässig sei (RGZ 48, 144; RG JW
1901, 30).
Alsdann vertrat der IV. Zivilsenat des Reichsgerichts in einem eingehend
begründeten Urteil vom 23. Oktober 1902 die Ansicht, daß die deutschen
Gerichte bei Ehen von Ausländern auf beständige Trennung von Tisch und
Bett erkennen könnten (RG NiemeyersZ 1903, 160; ähnlich RG Recht 1903 Nr.
69, OLG Jena OLGRspr 2, 18, und OLG Dresden OLG Rspr 2, 413).
Der Senat begründete seine Auffassung mit der Entstehungsgeschichte des
Art. 17 EGBGB und mit dem Hinweis darauf, daß andernfalls bei einer
Ausländerehe, die nach den Gesetzen des Heimatstaates einer gerichtlichen
Auflösung nur in der Form einer Trennung von Tisch und Bett unterliege,
der unschuldige Ehegatte, wenn der Wohnsitz des Ehemannes in Deutschland
gelegen sei, keine Mittel habe, einen sowohl nach seinem eigenen als nach
deutschem Recht begründeten Scheidungs- oder Trennungsgrund geltend zu
machen. Es sei die Aufgabe des internationalen Privatrechts, dergleichen
Übelständen in dem modernen Völkerverkehr tunlichst vorzubeugen.
Es erging jedoch am 12. Oktober 1903 eine Entscheidung der Vereinigten
Zivilsenate des Reichsgerichts, in der es als unzulässig bezeichnet wurde,
daß ein deutsches Gericht in einem Eheprozeß unter Eheleuten fremder
Staatsangehörigkeit auf beständige Trennung von Tisch und Bett erkenne (RGZ
55, 345). Nunmehr wurde die Entstehungsgeschichte des Art. 17 EGBGB zur
Begründung dieser Auffassung herangezogen. Das Reichsgericht berief sich
ferner darauf, daß die Zivilprozeßordnung in der Fassung, die sie durch
die Novelle vom 17. Mai 1898 (RGBl 256, 410) erhalten habe, keine
Vorschriften enthalte, die für eine Klage auf Trennung einen Gerichtsstand
bestimmten oder ein besonderes Verfahren regelten. Demgegenüber könne
inneren Gründen, die etwa für die Zulässigkeit einer Trennung von Tisch
und Bett bei Ehen von Ausländern sprechen würden, ausschlaggebende
Bedeutung nicht beigelegt werden. Die außerhalb ihres Heimatlandes
lebenden Ausländer hätten meist in ihrem Heimatstaat einen Gerichtsstand,
seien also nicht rechtlos. Die gegenteilige Ansicht hätte nach der Meinung
der Vereinigten Zivilsenate des Reichsgerichts zur Folge, daß für die
Trennung von Tisch und Bett lediglich das ausländische Recht maßgebend,
der deutsche Richter also verpflichtet wäre, wegen jenes von dem
ausländischen Staat statuierten Grundes, abgesehen von dem Vorbehalt des
Art. 30 EGBGB, die Trennung auszusprechen ohne Rücksicht darauf, ob dieser
Grund nach deutschem Recht die Scheidung rechtfertigen würde. Schon seit
dem Personenstandsgesetz habe der deutsche Gesetzgeber den durch eine
Trennung von Tisch und Bett herbeigeführten Zustand als mit dem Wesen der
Ehe nicht vereinbar angesehen und im Bürgerlichen Gesetzbuch dem Institut
der Trennung von Tisch und Bett die Anerkennung aus ethischen,
sozialpolitischen und volkswirtschaftlichen Gründen versagt. Wenn die
einheimischen Gerichte bei der Begründung eines Rechtszustandes
mitzuwirken hätten, den das deutsche Gesetz für unzulässig erachte, so
würde darin eine durch nichts zu rechtfertigende Bevorzugung der Ausländer
liegen. Der Gesetzgeber habe es abgelehnt, den Gewissensbedenken der
deutschen Katholiken Rechnung zu tragen; es könne nicht angenommen werden,
daß er auf die Ausländer mehr Rücksicht habe nehmen wollen als auf die
konfessionellen Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung.
An dieser Auffassung hat das Reichsgericht festgehalten (RGZ 150, 283;
151, 226; RG WarnRspr 1927 Nr. 95). In einem nach der Einführung des
Ehegesetzes von 1938 ergangenen Urteil vom 11. Juni 1941 bestätigte das
Reichsgericht die Erwägungen der erwähnten Plenarentscheidung (RGZ 167,
193). Ergänzend wird in dem Urteil auf das im Jahre 1904 von Deutschland
ratifizierte Haager Ehescheidungsabkommen vom 12. Juni 1902 (RGBl 1904,
231) hingewiesen, aus dessen Art. 1 und 2 sich ergebe, daß gegenüber
Angehörigen der Vertragsstaaten in Deutschland nicht auf Trennung von
Tisch und Bett habe erkannt werden können, weil diese Rechtseinrichtung
dem deutschen Recht unbekannt sei; die spätere Kündigung des Abkommens
durch Deutschland habe mit der Frage der Zulässigkeit der Trennung von
Tisch und Bett nichts zu tun gehabt. Vor allem wird betont, daß mit der
Wiederzulassung der seit Jahrzehnten nach feststehendem Gerichtsgebrauch
auch gegenüber Ausländern in Deutschland nicht mehr ausgesprochenen
beständigen Trennung von Tisch und Bett den deutschen Gerichten eine mehr
denn je wesensfremde Aufgabe aufgebürdet würde. Wenn ein Auslandsrecht
seinen außerhalb des Heimatlandes wohnenden Staatsangehörigen für die
Herbeiführung der Trennung von Tisch und Bett keinen Gerichtsstand zur
Verfügung stelle, oder wenn nach der Gestaltung des heimatlichen
Verfahrensrechts die Anrufung eines Heimatgerichts aus tatsächlichen
Gründen unmöglich sei, so gehe diese Rechtlosigkeit ausschließlich zu
Lasten des Heimatrechts der Ehegatten. In Deutschland seien sie aber auch
in diesen Fällen nicht rechtlos, da sie dort beim Vorliegen eines
Trennungsgrundes die Herstellung der ehelichen Gemeinschaft selbst dann
verweigern könnten, wenn ihr Heimatrecht die Berechtigung dazu von der
Erwirkung eines Trennungsurteils abhängig mache.
Der durch den Plenarbeschluß vom 12. Oktober 1903 eingeleiteten
Rechtsprechung des Reichsgerichts sind die anderen deutschen Gerichte
durchweg gefolgt (OLG Dresden SeuffArch 73 Nr. 192; OLG Düsseldorf DJZ
1926, 376; OLG Kiel SchlHA 1926, 73; OLG Frankfurt/Main JW 1933, 183 mir
Anm. Melchior; OLG Breslau JW 1933, 2400 mit Anm. von Zwehl und
ablehnender Anm. Bergmann StAZ 1934, 12; OLG Hamburg SeuffArch 71 Nr. 175,
HansRGZ 1934 B, 682; LG Karlsruhe BadRechtspraxis 1924/25, 142). Diese
Rechtsprechung ist auch nach 1945 fortgesetzt worden (BayObLGZ 1960, 370,
376; OLG Hessen IPRspr 1950/51 Nr. 133; OLG Celle MDR 1953, 488; LG
Göttingen MDR 1948, 361).
Das Schrifttum vertritt weitgehend denselben Standpunkt (Staudinger/Raape,
BGB, 9. Aufl. , Art. 17 EG Anm. B IV 3 a); Raape, Internationales
Privatrecht, 5. Aufl. , 282; Kahn, Abhandlungen zum Internationalen
Privatrecht, 2. Band, 303, 338; Kipp/Wolff, Familienrecht, 7. Bearbeitung,
150; Wolff, Internationales Privatrecht Deutschlands, 3. Aufl. , 209;
Palandt/Lauterbach, BGB, 26. Aufl. , Art. 17 EG Anm. 2b bb; Erman/Marquord,
BGB, 3. Aufl. , Art. 17 EG Anm. 5 b; Stein/Jonas/Schönke, Vorbem. vor §
606 Anm. III 1; Wieczorek, ZPO § 606 Anm. B I a 4; Baumbach/Lauterbach,
ZPO, 29. Aufl. , Üb vor § 606 Anm. 1 A; Frantz, NiemeyersZ 1902, 345;
Niemeyer, Internationales Privatrecht, 153; Habicht, Internationales
Privatrecht, 138).
Doch hat es nicht an Außerungen gefehlt, die dem Reichsgericht
entgegengetreten sind (Klein, ArchBürgR 1906, 311, 345 Fußnote 57, und
Zeitschrift für Völkerrecht 1917, 586, 605; Kohler, Bürgerliches Recht, 1.
Band, 52 Fußnote 2, 3. Band 1. Teil 176; Neumeyer, Internationales
Privatrecht 21; Lewald, Deutsches internationales Privatrecht, 122;
Nußbaum, Deutsches internationales Privatrecht, 159; Frankenstein,
Internationales Privatrecht, 3. Band 460; Rabel, RabelsZ 1931, 241, 256;
Bergmann, StAZ 1934, 12; Reu, Staatliche Zuständigkeit im Internationalen
Privatrecht, 186; Süß, JW 1938, 833, 836). Soweit dabei hervorgehoben
worden ist, daß dar deutsche Recht die Aufhebung der ehelichen
Gemeinschaft und damit ein der beständigen Trennung von Tisch und Bett
ähnliches Rechtsinstitut kenne (§§ 1575, 1576, 1586 BGB aF), sind solche
Überlegungen hinfällig geworden, seitdem die Aufhebung der ehelichen
Gemeinschaft durch das Ehegesetz vom 6. Juli 1938 beseitigt und auch durch
das Ehegesetz vom 20. Februar 1946 nicht wieder eingeführt worden ist.
Bisweilen ist daraus ausdrücklich die Folgerung gezogen worden, daß zwar
die Auffassung des Reichsgerichts nach dem früher bestehenden
Rechtszustand angreifbar gewesen, daß sie aber zutreffend sei, seitdem es
die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft nicht mehr gebe (Riezler,
Internationales Zivilprozeßrecht, 236). Es ist aber auch weiterhin für das
geltende Recht die Meinung vertreten worden, daß die deutschen Gerichte
bei ausländischen Ehegatten entsprechend deren maßgebendem Heimatrecht
gegebenenfalls auf beständige Trennung von Tisch und Bett zu erkennen
hätten (Soergel/Siebert/Kegel, BGB, 9. Aufl. , Art. 17 EG Anm. 10, 64;
Kegel, Internationales Privatrecht, 2. Aufl. , 291; Neuhaus, Grundbegriffe
des Internationalen Privatrechts, 234; Gamillscheg in Festschrift für
Dölle, Band II 289, 293; Booß, Fragen der »wesenseigenen Zuständigkeit« im
internationalen Familienrecht, Diss. , 127; Bosch, FamRZ 1959, 118). Von
einer einhelligen Meinung in dieser Frage läßt sich demnach nicht
sprechen.
d) Die Überprüfung der Ergebnisse der Rechtsprechung, die schon wegen der
Fortentwicklung der internationalrechtlichen Beziehungen und des Wandels
der Wertvorstellungen auf diesem Gebiet unerläßlich ist, ergibt, daß sich
die bisherige Rechtsprechung nicht aufrechterhalten läßt. Dabei ist es
unerheblich, daß, als sie eingeleitet wurde, das deutsche Recht noch die
Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft und damit eine Rechtseinrichtung
kannte, die nach der allerdings vom Reichsgericht nicht geteilten Meinung
mancher Schriftsteller eine gewisse Verwandtschaft zu der nach
ausländischen Rechten möglichen Trennung von Tisch und Bett hatte. Obwohl
es eine solche Parallele zwischen einem deutschen und dem hier in Rede
stehenden ausländischen Rechtsinstitut keinesfalls mehr gibt, sind die
deutschen internationalprivatrechtlichen Vorschriften unter
Berücksichtigung der dieses Rechtsgebiet beherrschenden Rechtsanschauungen
dahin zu verstehen, daß ein deutsches Gericht, wenn das maßgebende
Auslandsrecht eine Trennung von Tisch und Bett ohne Lösung der Ehe dem
Bande nach kennt, gegebenenfalls dementsprechend zu entscheiden hat, außer
wenn die Vorbehaltsklausel des Art. 17 Abs. 4 EGBGB, die einen besonderen
Anwendungsfall des Art. 30 EGBGB darstellt (Senatsurteil BGHZ 42,7), oder
die Vorbehaltsklausel des Art. 30 EGBGB selbst der Anwendung des
ausländischen Gesetzes entgegen steht.
Da das Rechtsinstitut der Trennung von Tisch und Bett dem deutschen
Recht unbekannt ist, kommt es dafür, wie es den deutschen
Kollisionsvorschriften einzuordnen ist, darauf an, diese Rechtseinrichtung
nach ihrem Sinn und Zweck zu erfassen, ihre Bedeutung vom Standpunkt des
ausländischen Rechts zu würdigen und sie mit Einrichtungen der deutschen
Rechtsordnung zu vergleichen; auf der so gewonnenen Grundlage ist sie den
aus den Begriffen und Abgrenzungen der deutschen Rechtsordnung aufgebauten
Merkmalen der deutschen Kollisionsnormen zuzuweisen (Urteil des Senats
BGHZ 29,137).
Die Trennung der Ehe durch Richterspruch unter ihrer Aufrechterhaltung
dem Bande nach gibt es in ausländischen Rechtsordnungen in
unterschiedlicher Ausgestaltung und mit unterschiedlichen Zielsetzungen.
Während manche Rechte wie das italienische den Grundsatz der
Unauflöslichkeit der Ehe bis zum Tode eines Ehegatten festhalten und
allein die gerichtlich bewilligte Trennung der Eheleute zulassen, sehen
andere die Möglichkeit der durch das Gericht verfügten Trennung neben der
Möglichkeit der Scheidung der Ehe auch dem Bande nach vor. Regelmäßig aber
wird, indem den Eheleuten die Trennung erlaubt wird, eine Folgerung aus
der Tatsache gezogen, daß die Ehe sich nicht so verwirklicht hat, wie es
vom Wesen der Ehe herhätte sein sollen, und die Eheleute werden mehr oder
weniger von den Pflichten freigestellt, die mit der Ehe verbunden sind.
Insbesondere wenn eine Rechtsordnung nur die Trennung, nicht aber die
Scheidung zuläßt, wird ganz deutlich, daß die Trennung in dem dortigen
Rechtsbereich, wenn auch nur eingeschränkt, die Funktionen hat, die in
Deutschland der Scheidung zufallen. Es kann deshalb nicht der Auffassung
zugestimmt werden, daß die Trennung mit der Scheidung des deutschen Rechts
überhaupt nicht vergleichbar sei. Die Tatsache, daß die beständige
Trennung von Tisch und Bett in dieselbe Richtung wie die Scheidung dem
Bande nach geht und ähnliche soziale Aufgaben zu erfüllen hat, wenn sie
auch schwächere Wirkungen entfaltet, spricht dafür, auf sie die einzige
Kollisionsnorm des deutschen Rechts, die sich mit der Auflösung der Ehe
befaßt, nämlich den Art. 17 EGBGB anzuwenden. Das hat zur Folge, daß,
soweit nach Art. 17 EGBGB ausländisches Scheidungsrecht anzuwenden ist,
darunter auch diejenigen ausländischen Vorschriften fallen, die den
Ausspruch der Trennung von Tisch und Bett vorsehen, und daß nach Maßgabe
der Vorschriften des anzuwendenden ausländischen Rechts deutsche Gerichte
auf Trennung der Ehe von Tisch und Bett erkennen können.
Die Annahme, daß unter Art. 17 EGBGB auch das ausländische Rechtsinstitut
der Trennung von Tisch und Bett fällt, entspricht den Anschauungen und
Wertvorstellungen der Gegenwart. Die zunehmenden internationalen
Verflechtungen und die umfangreicher werdende Fluktuation der Bevölkerung
der verschiedenen Länder, die Achtung fremder Rechtsanschauungen und die
Anerkennung der Notwendigkeit, im eigenen Rechtsbereich Ausländern den
notwendigen Rechtsschutz nicht vorzuenthalten, verlangen es, ihnen im
Inland ihre eigenen Rechtseinrichtungen in größerem Umfang, als es früher
geschah, zur Verfügung zu stellen. Die Grenze liegt dort, wo solche
Rechtseinrichtungen den deutschen Rechtsvorstellungen so fremd sind, daß
durch deren Anerkennung oder Verwirklichung als untragbar empfundene
Zustände rechtlich sanktioniert würden (Art. 30 EGBGB), oder wo die damit
deutschen Gerichten aufgegebene Tätigkeit von den sonstigen richterlichen
Aufgaben so wesensverschieden wäre, daß sie völlig aus dem in Deutschland
dem Richter obliegenden Aufgabenbereich herausfiele. Diese Grenze ist
nicht überschritten, wenn deutsche Gerichte auf Trennung von Tisch und
Bett erkennen. Kein Gewicht sollte demgegenüber dem Argument beigemessen
werden, daß Länder, die die Scheidung der Ehe dem Bande nach nicht kennen,
durch ihre Gerichte deutschen Staatsangehörigen diese Scheidung
verweigern. Wenn manche Länder noch in weiterem Umfang, als es gegenwärtig
deutschen Auffassungen entspricht, eigene Rechtsgrundsätze auch für
Ausländer verbindlich erklären, so ist das kein Grund, ebenso zu
verfahren.
Es ist richtig, daß das deutsche Recht das ständige Getrenntleben der
Eheleute bei fortbestehendem Eheband als einen unerwünschten Zustand
betrachtet; aber daraus ergibt sich nicht, daß es die Grundlagen der
staatlichen Rechtsund Sittenordnung verletzt, wenn nach ausländischen
Vorschriften, auf die das deutsche internationale Privatrecht verweist,
auf Trennung von Tisch und Bett erkannt wird. Insbesondere läßt sich aus
der innerdeutschen Regelung nicht ableiten, daß einem Getrenntleben auch
dort niemals die Wege geebnet werden dürften, wo die Eheleute nach der für
sie maßgebenden Rechtsordnung gar nicht die Wahl zwischen der Scheidung
dem Bande nach und der Herstellung der ehelichen Gemeinschaft haben.
Bei einer Sachlage, wie sie hier vorliegt und in derartigen Fällen oft
gegeben ist, ist von Bedeutung, daß für die persönlichen Rechtsbeziehungen
der Eheleute deren Heimatrecht maßgebend ist (Art. 14 EGBGB; Art. 1 des
Haager Ehewirkungsabkommens vom 17. Juli 1905, RGBl 453, das zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und Italien wieder angewendet wird,
Bekanntmachung vom 14. Februar 1955 BGBl II, 188). Nach Art. 158 des
italienischen Bürgerlichen Gesetzbuchs hat aber eine Trennung auf Grund
bloßen Einverständnisses der Ehegatten ohne Bestätigung durch das Gericht
keine Wirkung (Bergmann 20). Zwar kann unter Umständen dem nach
italienischem Recht zu beurteilenden Verlangen eines Ehegatten auf
Verurteilung des anderen zur Herstellung der häuslichen Gemeinschaft, wenn
dieser trotz Vorliegens eines Trennungsgrundes kein Trennungsurteil zu
erwirken in der Lage ist, entgegengehalten werden, daß Art. 30 EGBGB die
Anwendung des ausländischen Gesetzes verbiete (RGZ 150, 283). Aber damit
wird nicht ausgeschlossen, daß der Ehegatte, dem nach seinem Heimatrecht
ein Trennungsgrund zur Seite steht, ein dringendes Interesse daran haben
kann, daß die Trennung gerichtlich ausgesprochen wird und damit alle mit
dieser nach dem maßgebenden ausländischen Recht verbundenen
Rechtswirkungen eintreten. Es ist die Aufgabe des internationalen
Privatrechts, derartigen Interessen soweit wie möglich Rechnung zu tragen,
und es kann nicht als richtig gelten, daß dem überwiegende andere Belange
entgegenständen und deshalb die betroffenen Personen darauf verwiesen
werden müßten, ihre Rechte in ihrem Heimatland wahrzunehmen, auch wenn sie
sie dort aus rechtlichen oder praktischen Gründen nicht durchsetzen
können. Bemerkt sei, daß auch die Eherechtskommission des deutschen Rats
für internationales Privatrecht für das Kollisionsrecht die Gleichstellung
der Trennung von Tisch und Bett mit der Scheidung vorgeschlagen hat
(Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen
Eherechts, Kegel 101, 104). Sie ist bereits für das geltende Recht
anzunehmen.
Zwar mag die Entstehungsgeschichte der Vorschrift in die entgegengesetzte
Richtung weisen. Die Gegenmeinung könnte sich auch auf die Art. 1, 2 des
Haager Ehescheidungsabkommens vom 12. Juni 1902 (RGBl 904, 231) berufen;
aus der Vollziehung des Abkommens läßt sich folgern, daß der Gesetzgeber
es seinerzeit für unzulässig hielt, daß deutsche Gerichte auf Trennung von
Tisch und Bett erkannten. Aber das Abkommen ist von Deutschland, wenn auch
aus Gründen, die mit der hier zu entscheidenden Frage nicht
zusammenhängen, mit Wirkung vom 1. Juni 1934 gekündigt worden und seitdem
nicht mehr verbindlich (Bekanntmachung vom 26. Januar 1934, RGBl II, 26);
der im Zusammenhang mit der Vollziehung des Abkommens kundgewordenen
Ansicht des damaligen Gesetzgebers kann deshalb kein besonderes Gewicht
mehr beigemessen werden. Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes muß
notwendig ihre Bedeutung verlieren, wenn sich auf Grund geschichtlicher
Erfahrungen und Erkenntnisse im Zuge der allgemeinen geschichtlichen
Entwicklung auch im Bereich des internationalen Privatrechts so
grundlegende Wandlungen in den Auffassungen und Bewertungen nationaler
Abgrenzungen und internationaler Verbundenheit vollzogen haben, wie es vor
allem in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg geschehen ist. Verbindlich
ist der objektivierte Wille des Gesetzes, für dessen Feststellung unter
den gegebenen Umständen der Wille des historischen Gesetzgebers
zurücktritt, während dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang sowie dem
Umstand, inwieweit objektive Rechtsgedanken und Prinzipien in dem Gesetz
ihren Ausdruck gefunden haben, besondere Bedeutung zukommt.
Da, wie es ausgeführt worden ist, die Trennung von Tisch und Bett als eine
dem deutschen Recht fremde Rechtseinrichtung nach ihrer sozialen Funktion
der Auflösung der Ehe dem Bande nach nahesteht und es deshalb geboten ist,
sie kollisionsrechtlich den für die Scheidung geltenden Vorschriften
einzuordnen, läßt sich die Tatsache, daß in Art. 17 Abs. 1 EGBGB nur von
der Scheidung gesprochen wird, nicht oder jedenfalls nicht mehr zugunsten
der bisher von der Rechtsprechung vertretenen Ansicht anführen. Es gehört
zu den Eigentümlichkeiten des internationalen Privatrechts, daß die in ihm
verwendeten Rechtsbegriffe oft weit ausgelegt werden müssen, um
ausländischen Regelungen gerecht werden zu können.
Es läßt sich zwar nicht leugnen, daß sich, wenn der Begriff der Scheidung
und des Scheidungsgrundes in dem erläuterten Sinn verstanden wird, eine
gewisse Unstimmigkeit in dem Gesetzestext des Art. 17 Abs. 2 EGBGB ergibt,
da dort ausdrücklich der Scheidungsgrund einerseits dem Scheidungsgrund
und dem Trennungsgrund andererseits gegenübergestellt wird. Aber das läßt
doch nur erkennen, daß der Gesetzgeber ursprünglich zwischen der Scheidung
und der Trennung der Ehe unterschieden hat und in Anwendung ausländischen
Rechts nur die Scheidung der Ehe dem Bande nach zulassen wollte. Wenn das
Gesetz auch in seiner geltenden Fassung in dem Sonderfall des
Statutenwechsels des Ehemannes noch ausdrücklich die Möglichkeit bedacht
hat, daß nach dem früheren Mannesstatut nur die Trennung von Tisch und
Bett vorgesehen war, so kann dem keine entscheidende Bedeutung dafür
beigemessen werden, wie das Gesetz unter Berücksichtigung der in der
Gegenwart bestehenden Rechtsanschauungen auszulegen ist.
Unzuträglichkeiten für die Gesetzesanwendung ergeben sich nicht daraus,
daß unter der Scheidung und dem Scheidungsgrund im Sinne des Art. 17 EGBGB
jeweils auch die Trennung und der Trennungsgrund mitzuverstehen sind,
obwohl der Trennungsgrund an einer Stelle des Absatzes 2 dieser Vorschrift
besonders genannt wird.
Auch die Anwendung des Art. 17 Abs. 4 EGBGB, dessen geltende Fassung auf §
29 der 1. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz vom 27. Juli 1938 (RGBl I
923) zurückgeht, bereitet keine Schwierigkeiten, wenn unter die Scheidung
nach ausländischem Recht auch die dort vorgesehene Trennung von Tisch und
Bett fällt. Da in der Vorschrift des Art. 17 Abs. 4 EGBGB der Begriff der
Scheidung nicht anders als in Art. 17 Abs. 1 EGBGB verstanden werden kann,
ergibt sich aus ihr, daß auch auf Trennung auf Grund eines ausländischen
Gesetzes im Inland nur erkannt werden kann, wenn nach dem ausländischen
Gesetz die Trennung und nach dem inländischen Gesetz die Scheidung dem
Bande nach zulässig wäre. Daraus, daß es nach deutschem Recht die Trennung
von Tisch und Bett nicht gibt, ist nicht zu schließen, daß auf sie erkannt
werden könnte, ohne daß es auf das deutsche Eheauflösungsrecht überhaupt
ankäme. Da der Ausspruch der Trennung eine dem Ausspruch der Scheidung dem
Bande nach ähnliche Funktion hat und weitreichende Rechtswirkungen haben
kann, wie sie auch bei einer Scheidung dem Bande nach eintreten können,
und da die Vorschrift des Art. 17 Abs. 4 EGBGB eine besondere
Ausgestaltung des in Art. 30 EGBGB enthaltenen Rechtsgrundsatzes für den
Fall der Eheauflösung darstellt, kann ihre Anwendung in den Fällen der
hier in Rede stehenden Art nicht unterbleiben. Nur wenn die Ehe nach
deutschem Recht geschieden werden könnte, dürfen deutsche Gerichte sie
nach ausländischem Recht trennen; das ergibt sich aus dem Wortlaut und
Sinn des Art. 17 Abs. 4 EGBGB (ebenso Soergel/Kegel, Art. 17 EG Anm. 64).
Nicht zuzustimmen ist der Auffassung, daß es auf die Scheidungsmöglichkeit
nach deutschem Recht nur dann ankomme, wenn nach dem Trennungsstatut die
Umwandlung der Trennung in eine Scheidung möglich sei, ohne daß eine
weitere gerichtliche Prüfung des Sachverhalts vorgenommen werde (so Süß,
JW 1938, 833, 836, und Gamillscheg, Festschrift für Dölle Band II 289,
298).
Sind mithin dem Wortlaut des Art. 17 EGBGB entscheidende Hindernisse für
eine Gesetzesauslegung, wie sie gegenwärtigen Anschauungen und
Wertvorstellungen und internationalen Bedürfnissen entspricht, nicht zu
entnehmen, bietet vielmehr der Wortlaut und der Zusammenhang der
Einzelbestimmungen der Vorschrift und deren Sinn die Möglichkeit, diesen
Bedürfnissen Rechnung zu tragen und dabei auch dem deutschen ordre public
die erforderliche Achtung zu sichern, so ist die dementsprechende
Gesetzesauslegung geboten.
e) Der gerichtliche Ausspruch der Trennung von Tisch und Bett
unterscheidet sich auch nicht so weitgehend von den nach dem deutschen
Eherecht möglichen gerichtlichen Erkenntnissen, daß er aus diesem Grunde
als unzulässig bezeichnet werden müßte. Daß er nur im Eheverfahren ergehen
kann, wenn auch eine darauf gerichtete Klage in § 606 Abs. 1 ZPO nicht
ausdrücklich vorgesehen ist, ist schon gesagt worden. Auch für den
innerdeutschen Rechtsbereich hat die Rechtsprechung die Klage auf
Feststellung des Rechts zum Getrenntleben, über die im Eheverfahren zu
entscheiden ist, zugelassen (RGZ 150, 70; Senatsurteil LM ZPO § 511 Nr.
18). Zwar sind mit einer solchen Feststellung nicht die aus der Trennung
von Tisch und Bett nach ausländischem Recht folgenden weiteren
Rechtswirkungen verbunden. Doch ist der Ausspruch der Trennung von Tisch
und Bett nicht etwas von dem Ausspruch der Scheidung oder der Feststellung
des Rechts zum Getrenntleben so grundlegend Verschiedenes, daß er dem
Ausländer, der vielleicht dringend auf ihn angewiesen ist, deshalb
vorenthalten werden müßte, weil das deutsche Prozeßrecht keine
ausdrücklichen Bestimmungen darüber enthält, in welchem Verfahren ein
solches Klagebegehren zu verfolgen ist.
Welche für das Eheverfahren geltenden Bestimmungen der Zivilprozeßordnung
im einzelnen anwendbar sind, und inwieweit eine Anwendung dieser
Bestimmungen wegen der Besonderheit des mit der Klage verfolgten Ziels
ausgeschlossen ist oder Bestimmungen des Verfahrensrechts nur sinngemäß
mit entsprechenden Veränderungen herangezogen werden können, läßt sich
nicht allgemein sagen. Wenn die für das Eheverfahren erlassenen
Vorschriften nicht sämtlich und uneingeschränkt bei einer Klage auf
Trennung von Tisch und Bett passen, so ist daraus jedenfalls nicht die
Folgerung zu ziehen, daß das deutsche Prozeßrecht für die Behandlung
derartiger Klagen überhaupt kein sachgemäßes Verfahren zur Verfügung
stelle.
5. Aus alledem ergibt sich, daß es der Prüfung bedarf, ob die Klägerin
nach italienischem Recht die Trennung von Tisch und Bett verlangen kann,
und ob die Ehe der Parteien nach deutschem Recht geschieden werden könnte.
Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls auch über den Antrag der Klägerin
befinden müssen, den Beklagten für schuldig an der Trennung zu erklären.
Es besteht derzeit keine Veranlassung, zu der in der Rechtsprechung und im
Schrifttum noch nicht abschließend geklärten Frage Stellung zu nehmen,
unter welchen Voraussetzungen es geboten ist, in ein Urteil, durch das
nach ausländischem Recht eine Ehe geschieden oder getrennt wird, einen
Schuldausspruch aufzunehmen, und in eine Auseinandersetzung mit den
darüber vertretenen Meinungen einzutreten.
Soweit nach italienischem Recht das über die Trennungsklage erkennende
Gericht noch andere Entscheidungen zu treffen hat, die sich auf die Folgen
der Trennung beziehen, etwa über die Sorge für die aus der Ehe
hervorgegangenen Kinder, kommen derartige Entscheidungen durch das
deutsche Prozeßgericht nur nach Maßgabe der §§ 627-627c ZPO in Betracht.
Im übrigen fallen solche Entscheidungen in den Verantwortungsbereich
derjenigen deutschen Gerichte, die dafür nach den deutschen
verfahrensrechtlichen Vorschriften zuständig sind.
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