Qualifikation im IPR: lege fori-Qualifikation dem inländischen Recht unbekannter Rechtsinstitute (Trennung von Tisch und Bett)

BGH, Urt. v. 22.3.1967, IV ZR 148/65


Fundstelle:

BGHZ 47, 324


Amtl. Leitsatz:

Unter den Begriff der Scheidung im Sinne des Art. 17 EGBGB fällt auch die in ausländischen Rechten vorgesehene Trennung ohne Auflösung des Ehebandes. Deutsche Gerichte können auf Trennung unter Aufrechterhaltung des Ehebandes erkennen, wenn diese nach dem maßgebenden ausländischen Recht zulässig ist und nach den deutschen Gesetzen die Scheidung der Ehe dem Bande nach zulässig wäre.


Zentrales Problem:

Im Mittelpunkt der Entscheidung steht das Problem der "Qualifikation" im Internationalen Privatrecht. Dahinter verbirgt sich folgendes:
Der erste Schritt bei der Ermittlung des auf einen Sachverhalt mit Auslandsbezug anwendbaren Rechts ist die Bestimmung der hierfür maßgeblichen Kollisionsnorm. Da es ein "Kollisionsrecht für das Kollisionsrecht" grundsätzlich nicht gibt, entstammt diese zwangsläufig dem Recht des jeweiligen Gerichtsorts (lex fori): Der Rechtsanwender geht stets von der maßgeblichen Kollisionsnorm des eigenen Rechts aus, ein deutsches Gericht wendet also primär das "eigene", deutsche Kollisionsrecht an (lex fori-Maxime). Zur Bestimmung der maßgeblichen Kollisionsnorm muß zunächst gefragt werden, in den sachlichen Anwendungsbereich welcher Kollisionsnorm der zu beurteilende Sachverhalt fällt. So wird etwa das auf die Erbfolge nach einer Person anwendbare Recht nach Art. 25 EGBGB ermittelt, weil dessen Tatbestand von der "Rechtsnachfolge von Todes wegen" spricht, das auf den ehelichen Güterstand anwendbare Recht ergibt sich aus Art. 15 EGBGB, weil im Tatbestand dieser Norm von den "güterrechtlichen Wirkungen der Ehe" die Rede ist. Dieser Subsumtionsvorgang der Zuordnung einer Rechtsfrage zu einem bestimmten kollisionsrechtlichen Sachbereich, den man im IPR als Qualifikation bezeichnet, ist aber nicht immer so unproblematisch wie in diesen Beispielen. Dies kann sich einerseits aus der Notwendigkeit ergeben, auslandsrechtliche Phänomene kollisionsrechtlich zu beurteilen, die das deutsche materielle Recht nicht (oder nicht mehr) kennt.
Nach der in Rechtsprechung und wohl auch in der Literatur herrschenden Ansicht gilt zutreffenderweise grundsätzlich folgendes: Da der Gesetzgeber bei Schaffung der Kollisionsnormen von den Systembegriffen des eigenen Rechts ausgeht bzw. ausgehen muß und selbst die Reichweite der eigenen Kollisionsnormen bestimmt, sind die Tatbestandsmerkmale einer Kollisionsnorm stets nach den Systembegriffen derjenigen Rechtsordnung auszulegen, der die Kollisionsnorm entstammt. Das führt dazu, daß auf der ersten Stufe, dh. bei der Anwendung einer Kollisionsnorm des deutschen Rechts durch einen deutschen Rechtsanwender, nach den Systembegriffen des eigenen Rechts zu qualifizieren ist (sog. lex fori-Qualifikation):

"Das fremde Recht soll angewendet werden, wenn unser Gesetzgeber will, daß es angewandt werde. Ob er es will, können wir, wenn er ausdrücklich nicht gesprochen hat, nur seinen sonst erkennbaren Intentionen entnehmen. Niemals aber kann ein fremdes Gesetz uns sagen, welcher Art diese Intentionen sind" (F. Kahn).

Bei jeder anderen Art der Qualifikation würde der Gesetzgeber die Entscheidung über Inhalt und Reichweite der selbst geschaffenen Kollisionsnorm gleichsam "aus der Hand geben". Dies gilt sowohl hinsichtlich der Qualifikation fremder Rechtsbegriffe als auch bei der Frage der Reichweite einer Verweisung.

Die Qualifikation setzt damit eine Analyse des fremden Rechtsinstituts voraus, dh. dieses ist zunächst vom Standpunkt des ausländischen Rechts nach seinem Sinn und Zweck zu erfassen. Erst eine solche Analyse erlaubt eine Antwort auf die Frage des Charakters der Regelung nach inländischen Rechtsvorstellungen. Sie erfolgt durch einen Vergleich der betreffenden Sachnormen des ausländischen Rechts mit den Rechtsinstituten des deutschen Rechts. Findet sich dort ein funktionell entsprechendes Rechtsinstitut, so ist die hierfür maßgebliche Kollisionsnorm anzuwenden. Gibt es im deutschen Recht überhaupt keine Entsprechung, so kann die Frage weiterhelfen, in welchem systematischen Zusammenhang der deutsche Gesetzgeber eine entsprechende Regelung angesiedelt hätte.

Im vorliegenden Fall geht es um die Frage des auf die im romanischen Rechtskreis bekannte "Trennung von Tisch und Bett" anwendbaren Rechts. Maßgeblich ist, ob es sich nach den Systemvorstellungen des deutschen Rechts um eine Frage der allgemeinen Ehewirkungen oder um eine scheidungsrechtliche Frage handelt. Danach entscheidet sich, ob das anwendbare Recht nach Art. 14 EGBGB oder nach Art. 17 EGBGB ermittelt wird.

Wenn hierbei von den "Systembegriffen des eigenen Rechts" die Rede ist, so sind damit freilich die Systembegriffe des (eigenen) Internationalen Privatrechts gemeint, die von denjenigen des (eigenen) materiellen Rechts durchaus abweichen können: Wegen der speziellen Funktion des Internationalen Privatrechts, auch unbekannten, ausländischen Regelungen gerecht zu werden, sind die von ihm verwendeten Rechtsbegriffe oft weiter auszulegen als der entsprechende materiellrechtliche Begriff.

Dies betont etwa v. Bar IPR I Rn. 600, wenn er deshalb von "autonomer Qualifikation nach dem IPR des Forums" spricht.

So beinhaltet etwa der Begriff der Ehescheidung im deutschen materiellen Recht ausschließlich die endgültige Aufhebung der Ehe dem Bande nach (§ 1564 BGB). Das hindert jedoch nicht, unter den Begriff der "Ehescheidung" in Art. 17 EGBGB auch fremde Rechtsinstitute wie die Trennung von Tisch und Bett zu subsumieren und das darauf anwendbare Recht nach dieser Norm zu ermitteln.

S. dazu auch:

RGZ 7, 21 ff Qualifikation im IPR bei Systemunterschieden ("Nachfrage"): Die "unsterbliche Blamage" des Reichsgerichts ("Tennessee-Wechsel-Fall")
BayObLGZ 1999, 163 Qualifikation im IPR: Anknüpfung dem eigenen materiellen Recht nicht (mehr) bekannter Rechtsinstitute (Legitimation des nichtehelichen Kindes)
OLG Karlsruhe NJW 1990, 1420 Qualifikation von § 1371 BGB
LG Mosbach ZEV 1998, 498 = JuS 1999, 296 = IPRspr. 1997, 119 Qualifikation von § 1371 BGB, Angleichung bei Normenhäufung
BGHZ 24, 352 und BGHZ 144, 251 Rück- und Weiterverweisung, Qualifikationsverweisung: Bewegliches und unbewegliches Vermögen
BGHZ 29, 137 Qualifikation im Internationalen Privatrecht: Stellvertretung bei der Eheschließung als Formfrage ("Handschuhehe")
BGH NJW 1987, 2161 Qualifikation im Internationalen Privatrecht: Islamisch-rechtliche Morgengabe
OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 1627 Qualifikation, Vorfrage und Substitution im Internationalen Privatrecht: Das Erbrecht des Adoptivkindes
OLG Frankfurt/Main FamRZ 2001, 293 Prozeßrechtliche Qualifikation eines obligatorischen Versöhnungsversuchs vor der Ehescheidung (Kroatien)

Zum Sachverhalt:


Der Beklagte besitzt seit seiner Geburt die italienische Staatsangehörigkeit. Die Klägerin war früher deutsche Staatsangehörige. Im Jahre 1949 haben die Parteien die Ehe geschlossen.
Die Klägerin hat beantragt, die Ehe der Parteien nach den Vorschriften des italienischen Rechts zu trennen und den Beklagten für schuldig an der Trennung zu erklären.
Sie hat behauptet, der Beklagte trinke häufig und viel und gebe dafür so viel Geld aus, daß der Rest zum Unterhalt der Familie nicht ausreiche. Er habe sie wiederholt, auch vor den Kindern, beleidigt, so durch den Vorwurf, sie treibe sich mit ihrem Kostgänger herum. Die Sylvesternacht 1963/64 habe er mit anderen Frauen verbracht. Im Februar 1964 habe der Beklagte einen Selbstmordversuch unternommen.

Der Beklagte will an der Ehe festhalten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Verfehlungen des Beklagten, soweit sie festgestellt seien, nicht ausreichten, um die Trennung nach italienischem Recht zu rechtfertigen.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klagerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage als unzulässig abgewiesen werde.
Auf die Revision der Klägerin ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden.

Aus den Gründen:

1. Über die Klage, die auf Trennung der Ehe der Parteien nach ausländischem Recht gerichtet ist, ist im Eheverfahren nach den Vorschriften des 1. Abschnitts des 6. Buches der Zivilprozeßordnung zu entscheiden. In § 606 ZPO ist zwar eine derartige Klage nicht ausdrücklich vorgesehen; es ergibt sich aber aus der Natur der Sache, daß über die Klage nur im Eheverfahren verhandelt und erkannt werden kann.
2. ...

3. Die Klägerin hat durch ihre Eheschließung mit dem Beklagten die italienische Staatsangehörigkeit erworben. Gleichzeitig hat sie, da die Eheschließung vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes und auch vor dem Inkrafttreten des Grundsatzes der Gleichberechtigung der Geschlechter erfolgte, nach § 17 Nr. 6 RuStAG aF die deutsche Staatsangehörigkeit verloren.
Keine Partei besitzt also die deutsche Staatsangehörigkeit, und beide sind italienische Staatsangehörige.
Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte für den vorliegenden Rechtsstreit bestimmt sich demnach nach § 606b Nr. 1 ZPO. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.
Die Parteien haben ihren Wohnsitz und ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort im Inland. Es ist auch davon auszugehen, daß eine von den deutschen Gerichten nach italienischem Recht ausgesprochene Trennung der Ehe nach Art. 1, 3, 4 des deutsch-italienischen Abkommens die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 9. März 1936 (RGBl 1937 II 145), das nach Nr. I der Bekanntmachung vom 23. Dezember 1952 (BGBl II 986) wieder angewendet wird, in Italien anerkannt würde...

4. a) Die von der Klägerin erhobene Klage, ihre Ehe mit dem Beklagten zu trennen und diesen für schuldig an der Trennung zu erklären, beruht auf den Vorschriften des italienischen Rechts, das keine Ehescheidung, wohl aber eine durch Gerichtsurteil auszusprechende, mit bestimmten Rechtswirkungen ausgestattete Trennung der Ehe, die deren Band bestehen läßt, kennt (Art. 149-158 des italienischen Bürgerlichen Gesetzbuchs; Bergmann Internationales Ehe und Kindschaftsrecht, 3. Aufl., 2. Band Italien, 19, 20).
Da die Vorschriften des deutschen internationalen Privatrechts keine eindeutigen Bestimmungen darüber enthalten, ob und wann ausländische Vorschriften, die die Trennung einer Ehe vorsehen, anzuwenden sind, und ob die deutschen Gerichte auf die Trennung einer Ehe nach ausländischem Recht erkennen können, kommt es darauf an, was sich für diese Fragen aus der einzigen die Auflösung der Ehe behandelnden internationalprivatrechtlichen Bestimmung des Art. 17 EGBGB ergibt.
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist Art. 17 Abs. 1 EGBGB durch das Außerkrafttreten des der Gleichberechtigung der Geschlechter entgegenstehenden Rechts in seinem Inhalt nicht berührt worden (LM EGBGB Art. 17 Nr. 1).
Soweit diese Vorschrift eingreift, kann für die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits die Anwendung des italienischen Rechts schon deshalb nicht in Frage gestellt werden, weil beide die italienische Staatsangehörigkeit besitzen. Das italienische Recht verweist nicht auf das deutsche Recht zurück (Art. 27 EGBGB).
b) Nach der Auffassung des Berufungsgerichts ist die von der Klägerin erhobene Klage auf Trennung unzulässig, da ein deutsches Gericht nicht auf Trennung erkennen könne.
c) Das Berufungsgericht hat sich für seine Auffassung auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts und die überwiegende Meinung des Schrifttums berufen.
Das Reichsgericht nahm zunächst in Anwendung des § 77 des Personenstandsgesetzes vom 6. Februar 1875 (RGBl 23) an, daß es in Deutschland auch gegenüber Ausländern den in deren maßgebendem Heimatrecht vorgesehenen Ausspruch der beständigen Trennung von Tisch und Bett nicht mehr gebe, sondern stattdessen auf die Auflösung des Bandes der Ehe erkannt werden könne (RGZ 3, 27; 11, 29). Nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch sprach das Reichsgericht dagegen aus, daß nach Art. 17 EGBGB eine Scheidung dem Bande nach nicht in Betracht komme, wenn sie nach dem maßgebenden ausländischen Recht nicht zulässig sei (RGZ 48, 144; RG JW 1901, 30).
Alsdann vertrat der IV. Zivilsenat des Reichsgerichts in einem eingehend begründeten Urteil vom 23. Oktober 1902 die Ansicht, daß die deutschen Gerichte bei Ehen von Ausländern auf beständige Trennung von Tisch und Bett erkennen könnten (RG NiemeyersZ 1903, 160; ähnlich RG Recht 1903 Nr. 69, OLG Jena OLGRspr 2, 18, und OLG Dresden OLG Rspr 2, 413).
Der Senat begründete seine Auffassung mit der Entstehungsgeschichte des Art. 17 EGBGB und mit dem Hinweis darauf, daß andernfalls bei einer Ausländerehe, die nach den Gesetzen des Heimatstaates einer gerichtlichen Auflösung nur in der Form einer Trennung von Tisch und Bett unterliege, der unschuldige Ehegatte, wenn der Wohnsitz des Ehemannes in Deutschland gelegen sei, keine Mittel habe, einen sowohl nach seinem eigenen als nach deutschem Recht begründeten Scheidungs- oder Trennungsgrund geltend zu machen. Es sei die Aufgabe des internationalen Privatrechts, dergleichen Übelständen in dem modernen Völkerverkehr tunlichst vorzubeugen.
Es erging jedoch am 12. Oktober 1903 eine Entscheidung der Vereinigten Zivilsenate des Reichsgerichts, in der es als unzulässig bezeichnet wurde, daß ein deutsches Gericht in einem Eheprozeß unter Eheleuten fremder Staatsangehörigkeit auf beständige Trennung von Tisch und Bett erkenne (RGZ 55, 345). Nunmehr wurde die Entstehungsgeschichte des Art. 17 EGBGB zur Begründung dieser Auffassung herangezogen. Das Reichsgericht berief sich ferner darauf, daß die Zivilprozeßordnung in der Fassung, die sie durch die Novelle vom 17. Mai 1898 (RGBl 256, 410) erhalten habe, keine Vorschriften enthalte, die für eine Klage auf Trennung einen Gerichtsstand bestimmten oder ein besonderes Verfahren regelten. Demgegenüber könne inneren Gründen, die etwa für die Zulässigkeit einer Trennung von Tisch und Bett bei Ehen von Ausländern sprechen würden, ausschlaggebende Bedeutung nicht beigelegt werden. Die außerhalb ihres Heimatlandes lebenden Ausländer hätten meist in ihrem Heimatstaat einen Gerichtsstand, seien also nicht rechtlos. Die gegenteilige Ansicht hätte nach der Meinung der Vereinigten Zivilsenate des Reichsgerichts zur Folge, daß für die Trennung von Tisch und Bett lediglich das ausländische Recht maßgebend, der deutsche Richter also verpflichtet wäre, wegen jenes von dem ausländischen Staat statuierten Grundes, abgesehen von dem Vorbehalt des Art. 30 EGBGB, die Trennung auszusprechen ohne Rücksicht darauf, ob dieser Grund nach deutschem Recht die Scheidung rechtfertigen würde. Schon seit dem Personenstandsgesetz habe der deutsche Gesetzgeber den durch eine Trennung von Tisch und Bett herbeigeführten Zustand als mit dem Wesen der Ehe nicht vereinbar angesehen und im Bürgerlichen Gesetzbuch dem Institut der Trennung von Tisch und Bett die Anerkennung aus ethischen, sozialpolitischen und volkswirtschaftlichen Gründen versagt. Wenn die einheimischen Gerichte bei der Begründung eines Rechtszustandes mitzuwirken hätten, den das deutsche Gesetz für unzulässig erachte, so würde darin eine durch nichts zu rechtfertigende Bevorzugung der Ausländer liegen. Der Gesetzgeber habe es abgelehnt, den Gewissensbedenken der deutschen Katholiken Rechnung zu tragen; es könne nicht angenommen werden, daß er auf die Ausländer mehr Rücksicht habe nehmen wollen als auf die konfessionellen Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung.
An dieser Auffassung hat das Reichsgericht festgehalten (RGZ 150, 283; 151, 226; RG WarnRspr 1927 Nr. 95). In einem nach der Einführung des Ehegesetzes von 1938 ergangenen Urteil vom 11. Juni 1941 bestätigte das Reichsgericht die Erwägungen der erwähnten Plenarentscheidung (RGZ 167, 193). Ergänzend wird in dem Urteil auf das im Jahre 1904 von Deutschland ratifizierte Haager Ehescheidungsabkommen vom 12. Juni 1902 (RGBl 1904, 231) hingewiesen, aus dessen Art. 1 und 2 sich ergebe, daß gegenüber Angehörigen der Vertragsstaaten in Deutschland nicht auf Trennung von Tisch und Bett habe erkannt werden können, weil diese Rechtseinrichtung dem deutschen Recht unbekannt sei; die spätere Kündigung des Abkommens durch Deutschland habe mit der Frage der Zulässigkeit der Trennung von Tisch und Bett nichts zu tun gehabt. Vor allem wird betont, daß mit der Wiederzulassung der seit Jahrzehnten nach feststehendem Gerichtsgebrauch auch gegenüber Ausländern in Deutschland nicht mehr ausgesprochenen beständigen Trennung von Tisch und Bett den deutschen Gerichten eine mehr denn je wesensfremde Aufgabe aufgebürdet würde. Wenn ein Auslandsrecht seinen außerhalb des Heimatlandes wohnenden Staatsangehörigen für die Herbeiführung der Trennung von Tisch und Bett keinen Gerichtsstand zur Verfügung stelle, oder wenn nach der Gestaltung des heimatlichen Verfahrensrechts die Anrufung eines Heimatgerichts aus tatsächlichen Gründen unmöglich sei, so gehe diese Rechtlosigkeit ausschließlich zu Lasten des Heimatrechts der Ehegatten. In Deutschland seien sie aber auch in diesen Fällen nicht rechtlos, da sie dort beim Vorliegen eines Trennungsgrundes die Herstellung der ehelichen Gemeinschaft selbst dann verweigern könnten, wenn ihr Heimatrecht die Berechtigung dazu von der Erwirkung eines Trennungsurteils abhängig mache.
Der durch den Plenarbeschluß vom 12. Oktober 1903 eingeleiteten Rechtsprechung des Reichsgerichts sind die anderen deutschen Gerichte durchweg gefolgt (OLG Dresden SeuffArch 73 Nr. 192; OLG Düsseldorf DJZ 1926, 376; OLG Kiel SchlHA 1926, 73; OLG Frankfurt/Main JW 1933, 183 mir Anm. Melchior; OLG Breslau JW 1933, 2400 mit Anm. von Zwehl und ablehnender Anm. Bergmann StAZ 1934, 12; OLG Hamburg SeuffArch 71 Nr. 175, HansRGZ 1934 B, 682; LG Karlsruhe BadRechtspraxis 1924/25, 142). Diese Rechtsprechung ist auch nach 1945 fortgesetzt worden (BayObLGZ 1960, 370, 376; OLG Hessen IPRspr 1950/51 Nr. 133; OLG Celle MDR 1953, 488; LG Göttingen MDR 1948, 361).
Das Schrifttum vertritt weitgehend denselben Standpunkt (Staudinger/Raape, BGB, 9. Aufl. , Art. 17 EG Anm. B IV 3 a); Raape, Internationales Privatrecht, 5. Aufl. , 282; Kahn, Abhandlungen zum Internationalen Privatrecht, 2. Band, 303, 338; Kipp/Wolff, Familienrecht, 7. Bearbeitung, 150; Wolff, Internationales Privatrecht Deutschlands, 3. Aufl. , 209; Palandt/Lauterbach, BGB, 26. Aufl. , Art. 17 EG Anm. 2b bb; Erman/Marquord, BGB, 3. Aufl. , Art. 17 EG Anm. 5 b; Stein/Jonas/Schönke, Vorbem. vor § 606 Anm. III 1; Wieczorek, ZPO § 606 Anm. B I a 4; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 29. Aufl. , Üb vor § 606 Anm. 1 A; Frantz, NiemeyersZ 1902, 345; Niemeyer, Internationales Privatrecht, 153; Habicht, Internationales Privatrecht, 138).
Doch hat es nicht an Außerungen gefehlt, die dem Reichsgericht entgegengetreten sind (Klein, ArchBürgR 1906, 311, 345 Fußnote 57, und Zeitschrift für Völkerrecht 1917, 586, 605; Kohler, Bürgerliches Recht, 1. Band, 52 Fußnote 2, 3. Band 1. Teil 176; Neumeyer, Internationales Privatrecht 21; Lewald, Deutsches internationales Privatrecht, 122; Nußbaum, Deutsches internationales Privatrecht, 159; Frankenstein, Internationales Privatrecht, 3. Band 460; Rabel, RabelsZ 1931, 241, 256; Bergmann, StAZ 1934, 12; Reu, Staatliche Zuständigkeit im Internationalen Privatrecht, 186; Süß, JW 1938, 833, 836). Soweit dabei hervorgehoben worden ist, daß dar deutsche Recht die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft und damit ein der beständigen Trennung von Tisch und Bett ähnliches Rechtsinstitut kenne (§§ 1575, 1576, 1586 BGB aF), sind solche Überlegungen hinfällig geworden, seitdem die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft durch das Ehegesetz vom 6. Juli 1938 beseitigt und auch durch das Ehegesetz vom 20. Februar 1946 nicht wieder eingeführt worden ist. Bisweilen ist daraus ausdrücklich die Folgerung gezogen worden, daß zwar die Auffassung des Reichsgerichts nach dem früher bestehenden Rechtszustand angreifbar gewesen, daß sie aber zutreffend sei, seitdem es die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft nicht mehr gebe (Riezler, Internationales Zivilprozeßrecht, 236). Es ist aber auch weiterhin für das geltende Recht die Meinung vertreten worden, daß die deutschen Gerichte bei ausländischen Ehegatten entsprechend deren maßgebendem Heimatrecht gegebenenfalls auf beständige Trennung von Tisch und Bett zu erkennen hätten (Soergel/Siebert/Kegel, BGB, 9. Aufl. , Art. 17 EG Anm. 10, 64; Kegel, Internationales Privatrecht, 2. Aufl. , 291; Neuhaus, Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts, 234; Gamillscheg in Festschrift für Dölle, Band II 289, 293; Booß, Fragen der »wesenseigenen Zuständigkeit« im internationalen Familienrecht, Diss. , 127; Bosch, FamRZ 1959, 118). Von einer einhelligen Meinung in dieser Frage läßt sich demnach nicht sprechen.
d) Die Überprüfung der Ergebnisse der Rechtsprechung, die schon wegen der Fortentwicklung der internationalrechtlichen Beziehungen und des Wandels der Wertvorstellungen auf diesem Gebiet unerläßlich ist, ergibt, daß sich die bisherige Rechtsprechung nicht aufrechterhalten läßt. Dabei ist es unerheblich, daß, als sie eingeleitet wurde, das deutsche Recht noch die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft und damit eine Rechtseinrichtung kannte, die nach der allerdings vom Reichsgericht nicht geteilten Meinung mancher Schriftsteller eine gewisse Verwandtschaft zu der nach ausländischen Rechten möglichen Trennung von Tisch und Bett hatte. Obwohl es eine solche Parallele zwischen einem deutschen und dem hier in Rede stehenden ausländischen Rechtsinstitut keinesfalls mehr gibt, sind die deutschen internationalprivatrechtlichen Vorschriften unter Berücksichtigung der dieses Rechtsgebiet beherrschenden Rechtsanschauungen dahin zu verstehen, daß ein deutsches Gericht, wenn das maßgebende Auslandsrecht eine Trennung von Tisch und Bett ohne Lösung der Ehe dem Bande nach kennt, gegebenenfalls dementsprechend zu entscheiden hat, außer wenn die Vorbehaltsklausel des Art. 17 Abs. 4 EGBGB, die einen besonderen Anwendungsfall des Art. 30 EGBGB darstellt (Senatsurteil BGHZ 42,7), oder die Vorbehaltsklausel des Art. 30 EGBGB selbst der Anwendung des ausländischen Gesetzes entgegen steht.
Da das Rechtsinstitut der Trennung von Tisch und Bett dem deutschen Recht unbekannt ist, kommt es dafür, wie es den deutschen Kollisionsvorschriften einzuordnen ist, darauf an, diese Rechtseinrichtung nach ihrem Sinn und Zweck zu erfassen, ihre Bedeutung vom Standpunkt des ausländischen Rechts zu würdigen und sie mit Einrichtungen der deutschen Rechtsordnung zu vergleichen; auf der so gewonnenen Grundlage ist sie den aus den Begriffen und Abgrenzungen der deutschen Rechtsordnung aufgebauten Merkmalen der deutschen Kollisionsnormen zuzuweisen (Urteil des Senats BGHZ 29,137).
Die Trennung der Ehe durch Richterspruch unter ihrer Aufrechterhaltung dem Bande nach gibt es in ausländischen Rechtsordnungen in unterschiedlicher Ausgestaltung und mit unterschiedlichen Zielsetzungen. Während manche Rechte wie das italienische den Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe bis zum Tode eines Ehegatten festhalten und allein die gerichtlich bewilligte Trennung der Eheleute zulassen, sehen andere die Möglichkeit der durch das Gericht verfügten Trennung neben der Möglichkeit der Scheidung der Ehe auch dem Bande nach vor. Regelmäßig aber wird, indem den Eheleuten die Trennung erlaubt wird, eine Folgerung aus der Tatsache gezogen, daß die Ehe sich nicht so verwirklicht hat, wie es vom Wesen der Ehe herhätte sein sollen, und die Eheleute werden mehr oder weniger von den Pflichten freigestellt, die mit der Ehe verbunden sind. Insbesondere wenn eine Rechtsordnung nur die Trennung, nicht aber die Scheidung zuläßt, wird ganz deutlich, daß die Trennung in dem dortigen Rechtsbereich, wenn auch nur eingeschränkt, die Funktionen hat, die in Deutschland der Scheidung zufallen. Es kann deshalb nicht der Auffassung zugestimmt werden, daß die Trennung mit der Scheidung des deutschen Rechts überhaupt nicht vergleichbar sei. Die Tatsache, daß die beständige Trennung von Tisch und Bett in dieselbe Richtung wie die Scheidung dem Bande nach geht und ähnliche soziale Aufgaben zu erfüllen hat, wenn sie auch schwächere Wirkungen entfaltet, spricht dafür, auf sie die einzige Kollisionsnorm des deutschen Rechts, die sich mit der Auflösung der Ehe befaßt, nämlich den Art. 17 EGBGB anzuwenden. Das hat zur Folge, daß, soweit nach Art. 17 EGBGB ausländisches Scheidungsrecht anzuwenden ist, darunter auch diejenigen ausländischen Vorschriften fallen, die den Ausspruch der Trennung von Tisch und Bett vorsehen, und daß nach Maßgabe der Vorschriften des anzuwendenden ausländischen Rechts deutsche Gerichte auf Trennung der Ehe von Tisch und Bett erkennen können.
Die Annahme, daß unter Art. 17 EGBGB auch das ausländische Rechtsinstitut der Trennung von Tisch und Bett fällt, entspricht den Anschauungen und Wertvorstellungen der Gegenwart. Die zunehmenden internationalen Verflechtungen und die umfangreicher werdende Fluktuation der Bevölkerung der verschiedenen Länder, die Achtung fremder Rechtsanschauungen und die Anerkennung der Notwendigkeit, im eigenen Rechtsbereich Ausländern den notwendigen Rechtsschutz nicht vorzuenthalten, verlangen es, ihnen im Inland ihre eigenen Rechtseinrichtungen in größerem Umfang, als es früher geschah, zur Verfügung zu stellen. Die Grenze liegt dort, wo solche Rechtseinrichtungen den deutschen Rechtsvorstellungen so fremd sind, daß durch deren Anerkennung oder Verwirklichung als untragbar empfundene Zustände rechtlich sanktioniert würden (Art. 30 EGBGB), oder wo die damit deutschen Gerichten aufgegebene Tätigkeit von den sonstigen richterlichen Aufgaben so wesensverschieden wäre, daß sie völlig aus dem in Deutschland dem Richter obliegenden Aufgabenbereich herausfiele. Diese Grenze ist nicht überschritten, wenn deutsche Gerichte auf Trennung von Tisch und Bett erkennen. Kein Gewicht sollte demgegenüber dem Argument beigemessen werden, daß Länder, die die Scheidung der Ehe dem Bande nach nicht kennen, durch ihre Gerichte deutschen Staatsangehörigen diese Scheidung verweigern. Wenn manche Länder noch in weiterem Umfang, als es gegenwärtig deutschen Auffassungen entspricht, eigene Rechtsgrundsätze auch für Ausländer verbindlich erklären, so ist das kein Grund, ebenso zu verfahren.
Es ist richtig, daß das deutsche Recht das ständige Getrenntleben der Eheleute bei fortbestehendem Eheband als einen unerwünschten Zustand betrachtet; aber daraus ergibt sich nicht, daß es die Grundlagen der staatlichen Rechtsund Sittenordnung verletzt, wenn nach ausländischen Vorschriften, auf die das deutsche internationale Privatrecht verweist, auf Trennung von Tisch und Bett erkannt wird. Insbesondere läßt sich aus der innerdeutschen Regelung nicht ableiten, daß einem Getrenntleben auch dort niemals die Wege geebnet werden dürften, wo die Eheleute nach der für sie maßgebenden Rechtsordnung gar nicht die Wahl zwischen der Scheidung dem Bande nach und der Herstellung der ehelichen Gemeinschaft haben.
Bei einer Sachlage, wie sie hier vorliegt und in derartigen Fällen oft gegeben ist, ist von Bedeutung, daß für die persönlichen Rechtsbeziehungen der Eheleute deren Heimatrecht maßgebend ist (Art. 14 EGBGB; Art. 1 des Haager Ehewirkungsabkommens vom 17. Juli 1905, RGBl 453, das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Italien wieder angewendet wird, Bekanntmachung vom 14. Februar 1955 BGBl II, 188). Nach Art. 158 des italienischen Bürgerlichen Gesetzbuchs hat aber eine Trennung auf Grund bloßen Einverständnisses der Ehegatten ohne Bestätigung durch das Gericht keine Wirkung (Bergmann 20). Zwar kann unter Umständen dem nach italienischem Recht zu beurteilenden Verlangen eines Ehegatten auf Verurteilung des anderen zur Herstellung der häuslichen Gemeinschaft, wenn dieser trotz Vorliegens eines Trennungsgrundes kein Trennungsurteil zu erwirken in der Lage ist, entgegengehalten werden, daß Art. 30 EGBGB die Anwendung des ausländischen Gesetzes verbiete (RGZ 150, 283). Aber damit wird nicht ausgeschlossen, daß der Ehegatte, dem nach seinem Heimatrecht ein Trennungsgrund zur Seite steht, ein dringendes Interesse daran haben kann, daß die Trennung gerichtlich ausgesprochen wird und damit alle mit dieser nach dem maßgebenden ausländischen Recht verbundenen Rechtswirkungen eintreten. Es ist die Aufgabe des internationalen Privatrechts, derartigen Interessen soweit wie möglich Rechnung zu tragen, und es kann nicht als richtig gelten, daß dem überwiegende andere Belange entgegenständen und deshalb die betroffenen Personen darauf verwiesen werden müßten, ihre Rechte in ihrem Heimatland wahrzunehmen, auch wenn sie sie dort aus rechtlichen oder praktischen Gründen nicht durchsetzen können. Bemerkt sei, daß auch die Eherechtskommission des deutschen Rats für internationales Privatrecht für das Kollisionsrecht die Gleichstellung der Trennung von Tisch und Bett mit der Scheidung vorgeschlagen hat (Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Eherechts, Kegel 101, 104). Sie ist bereits für das geltende Recht anzunehmen.
Zwar mag die Entstehungsgeschichte der Vorschrift in die entgegengesetzte Richtung weisen. Die Gegenmeinung könnte sich auch auf die Art. 1, 2 des Haager Ehescheidungsabkommens vom 12. Juni 1902 (RGBl 904, 231) berufen; aus der Vollziehung des Abkommens läßt sich folgern, daß der Gesetzgeber es seinerzeit für unzulässig hielt, daß deutsche Gerichte auf Trennung von Tisch und Bett erkannten. Aber das Abkommen ist von Deutschland, wenn auch aus Gründen, die mit der hier zu entscheidenden Frage nicht zusammenhängen, mit Wirkung vom 1. Juni 1934 gekündigt worden und seitdem nicht mehr verbindlich (Bekanntmachung vom 26. Januar 1934, RGBl II, 26); der im Zusammenhang mit der Vollziehung des Abkommens kundgewordenen Ansicht des damaligen Gesetzgebers kann deshalb kein besonderes Gewicht mehr beigemessen werden. Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes muß notwendig ihre Bedeutung verlieren, wenn sich auf Grund geschichtlicher Erfahrungen und Erkenntnisse im Zuge der allgemeinen geschichtlichen Entwicklung auch im Bereich des internationalen Privatrechts so grundlegende Wandlungen in den Auffassungen und Bewertungen nationaler Abgrenzungen und internationaler Verbundenheit vollzogen haben, wie es vor allem in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg geschehen ist. Verbindlich ist der objektivierte Wille des Gesetzes, für dessen Feststellung unter den gegebenen Umständen der Wille des historischen Gesetzgebers zurücktritt, während dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang sowie dem Umstand, inwieweit objektive Rechtsgedanken und Prinzipien in dem Gesetz ihren Ausdruck gefunden haben, besondere Bedeutung zukommt.
Da, wie es ausgeführt worden ist, die Trennung von Tisch und Bett als eine dem deutschen Recht fremde Rechtseinrichtung nach ihrer sozialen Funktion der Auflösung der Ehe dem Bande nach nahesteht und es deshalb geboten ist, sie kollisionsrechtlich den für die Scheidung geltenden Vorschriften einzuordnen, läßt sich die Tatsache, daß in Art. 17 Abs. 1 EGBGB nur von der Scheidung gesprochen wird, nicht oder jedenfalls nicht mehr zugunsten der bisher von der Rechtsprechung vertretenen Ansicht anführen. Es gehört zu den Eigentümlichkeiten des internationalen Privatrechts, daß die in ihm verwendeten Rechtsbegriffe oft weit ausgelegt werden müssen, um ausländischen Regelungen gerecht werden zu können.
Es läßt sich zwar nicht leugnen, daß sich, wenn der Begriff der Scheidung und des Scheidungsgrundes in dem erläuterten Sinn verstanden wird, eine gewisse Unstimmigkeit in dem Gesetzestext des Art. 17 Abs. 2 EGBGB ergibt, da dort ausdrücklich der Scheidungsgrund einerseits dem Scheidungsgrund und dem Trennungsgrund andererseits gegenübergestellt wird. Aber das läßt doch nur erkennen, daß der Gesetzgeber ursprünglich zwischen der Scheidung und der Trennung der Ehe unterschieden hat und in Anwendung ausländischen Rechts nur die Scheidung der Ehe dem Bande nach zulassen wollte. Wenn das Gesetz auch in seiner geltenden Fassung in dem Sonderfall des Statutenwechsels des Ehemannes noch ausdrücklich die Möglichkeit bedacht hat, daß nach dem früheren Mannesstatut nur die Trennung von Tisch und Bett vorgesehen war, so kann dem keine entscheidende Bedeutung dafür beigemessen werden, wie das Gesetz unter Berücksichtigung der in der Gegenwart bestehenden Rechtsanschauungen auszulegen ist. Unzuträglichkeiten für die Gesetzesanwendung ergeben sich nicht daraus, daß unter der Scheidung und dem Scheidungsgrund im Sinne des Art. 17 EGBGB jeweils auch die Trennung und der Trennungsgrund mitzuverstehen sind, obwohl der Trennungsgrund an einer Stelle des Absatzes 2 dieser Vorschrift besonders genannt wird.
Auch die Anwendung des Art. 17 Abs. 4 EGBGB, dessen geltende Fassung auf § 29 der 1. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz vom 27. Juli 1938 (RGBl I 923) zurückgeht, bereitet keine Schwierigkeiten, wenn unter die Scheidung nach ausländischem Recht auch die dort vorgesehene Trennung von Tisch und Bett fällt. Da in der Vorschrift des Art. 17 Abs. 4 EGBGB der Begriff der Scheidung nicht anders als in Art. 17 Abs. 1 EGBGB verstanden werden kann, ergibt sich aus ihr, daß auch auf Trennung auf Grund eines ausländischen Gesetzes im Inland nur erkannt werden kann, wenn nach dem ausländischen Gesetz die Trennung und nach dem inländischen Gesetz die Scheidung dem Bande nach zulässig wäre. Daraus, daß es nach deutschem Recht die Trennung von Tisch und Bett nicht gibt, ist nicht zu schließen, daß auf sie erkannt werden könnte, ohne daß es auf das deutsche Eheauflösungsrecht überhaupt ankäme. Da der Ausspruch der Trennung eine dem Ausspruch der Scheidung dem Bande nach ähnliche Funktion hat und weitreichende Rechtswirkungen haben kann, wie sie auch bei einer Scheidung dem Bande nach eintreten können, und da die Vorschrift des Art. 17 Abs. 4 EGBGB eine besondere Ausgestaltung des in Art. 30 EGBGB enthaltenen Rechtsgrundsatzes für den Fall der Eheauflösung darstellt, kann ihre Anwendung in den Fällen der hier in Rede stehenden Art nicht unterbleiben. Nur wenn die Ehe nach deutschem Recht geschieden werden könnte, dürfen deutsche Gerichte sie nach ausländischem Recht trennen; das ergibt sich aus dem Wortlaut und Sinn des Art. 17 Abs. 4 EGBGB (ebenso Soergel/Kegel, Art. 17 EG Anm. 64). Nicht zuzustimmen ist der Auffassung, daß es auf die Scheidungsmöglichkeit nach deutschem Recht nur dann ankomme, wenn nach dem Trennungsstatut die Umwandlung der Trennung in eine Scheidung möglich sei, ohne daß eine weitere gerichtliche Prüfung des Sachverhalts vorgenommen werde (so Süß, JW 1938, 833, 836, und Gamillscheg, Festschrift für Dölle Band II 289, 298).
Sind mithin dem Wortlaut des Art. 17 EGBGB entscheidende Hindernisse für eine Gesetzesauslegung, wie sie gegenwärtigen Anschauungen und Wertvorstellungen und internationalen Bedürfnissen entspricht, nicht zu entnehmen, bietet vielmehr der Wortlaut und der Zusammenhang der Einzelbestimmungen der Vorschrift und deren Sinn die Möglichkeit, diesen Bedürfnissen Rechnung zu tragen und dabei auch dem deutschen ordre public die erforderliche Achtung zu sichern, so ist die dementsprechende Gesetzesauslegung geboten.
e) Der gerichtliche Ausspruch der Trennung von Tisch und Bett unterscheidet sich auch nicht so weitgehend von den nach dem deutschen Eherecht möglichen gerichtlichen Erkenntnissen, daß er aus diesem Grunde als unzulässig bezeichnet werden müßte. Daß er nur im Eheverfahren ergehen kann, wenn auch eine darauf gerichtete Klage in § 606 Abs. 1 ZPO nicht ausdrücklich vorgesehen ist, ist schon gesagt worden. Auch für den innerdeutschen Rechtsbereich hat die Rechtsprechung die Klage auf Feststellung des Rechts zum Getrenntleben, über die im Eheverfahren zu entscheiden ist, zugelassen (RGZ 150, 70; Senatsurteil LM ZPO § 511 Nr. 18). Zwar sind mit einer solchen Feststellung nicht die aus der Trennung von Tisch und Bett nach ausländischem Recht folgenden weiteren Rechtswirkungen verbunden. Doch ist der Ausspruch der Trennung von Tisch und Bett nicht etwas von dem Ausspruch der Scheidung oder der Feststellung des Rechts zum Getrenntleben so grundlegend Verschiedenes, daß er dem Ausländer, der vielleicht dringend auf ihn angewiesen ist, deshalb vorenthalten werden müßte, weil das deutsche Prozeßrecht keine ausdrücklichen Bestimmungen darüber enthält, in welchem Verfahren ein solches Klagebegehren zu verfolgen ist.
Welche für das Eheverfahren geltenden Bestimmungen der Zivilprozeßordnung im einzelnen anwendbar sind, und inwieweit eine Anwendung dieser Bestimmungen wegen der Besonderheit des mit der Klage verfolgten Ziels ausgeschlossen ist oder Bestimmungen des Verfahrensrechts nur sinngemäß mit entsprechenden Veränderungen herangezogen werden können, läßt sich nicht allgemein sagen. Wenn die für das Eheverfahren erlassenen Vorschriften nicht sämtlich und uneingeschränkt bei einer Klage auf Trennung von Tisch und Bett passen, so ist daraus jedenfalls nicht die Folgerung zu ziehen, daß das deutsche Prozeßrecht für die Behandlung derartiger Klagen überhaupt kein sachgemäßes Verfahren zur Verfügung stelle.
5. Aus alledem ergibt sich, daß es der Prüfung bedarf, ob die Klägerin nach italienischem Recht die Trennung von Tisch und Bett verlangen kann, und ob die Ehe der Parteien nach deutschem Recht geschieden werden könnte.
Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls auch über den Antrag der Klägerin befinden müssen, den Beklagten für schuldig an der Trennung zu erklären. Es besteht derzeit keine Veranlassung, zu der in der Rechtsprechung und im Schrifttum noch nicht abschließend geklärten Frage Stellung zu nehmen, unter welchen Voraussetzungen es geboten ist, in ein Urteil, durch das nach ausländischem Recht eine Ehe geschieden oder getrennt wird, einen Schuldausspruch aufzunehmen, und in eine Auseinandersetzung mit den darüber vertretenen Meinungen einzutreten.
Soweit nach italienischem Recht das über die Trennungsklage erkennende Gericht noch andere Entscheidungen zu treffen hat, die sich auf die Folgen der Trennung beziehen, etwa über die Sorge für die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder, kommen derartige Entscheidungen durch das deutsche Prozeßgericht nur nach Maßgabe der §§ 627-627c ZPO in Betracht. Im übrigen fallen solche Entscheidungen in den Verantwortungsbereich derjenigen deutschen Gerichte, die dafür nach den deutschen verfahrensrechtlichen Vorschriften zuständig sind.