Unteranknüpfung bei Rechtsspaltung: Erbfolge nach einem texanischen Erblasser mit inländischem Nachlass; Nachlassspaltung: Qualifikation von § 1371 BGB


OLG Karlsruhe, Beschluß v. 29.06.1989 - 11 W 86/89


Fundstelle: 

NJW 1990, 1420
Anm. Schurig IPRax 1990, 389


Leitsätze:

1. Die im Wege der Gesamtverweisung angesprochenen erbrechtlichen Kollisionsnormen des Staates Texas (USA) bringen, soweit es den unbeweglichen in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Nachlaß (immovables) betrifft, eine Rückverweisung auf die lex rei sitae, also auf deutsches Recht.
2. Der Zugewinn ist nach dem Güterrechtsstatut zu beurteilen. Dies gilt auch dann, wenn der Zugewinnausgleich pauschaliert durch eine Erhöhung des gesetzlichen Erbteils erfolgt, wie nach  § 1371 BGB, jedenfalls dann, wenn deutsches Recht als Erbstatut maßgebend ist.
3. In Fällen eines ausländischen Güterstatuts kann ein erbrechtlicher Zugewinnausgleich auch bei deutschem Erbstatut nicht stattfinden.


Zentrale Probleme:

s. die Anm. zu OLG Stuttgart, Beschluss vom 8.3.2005 - 8 W 96/04 sowie zu BGH v. 13.5.2015 - IV ZB 30/14.


Zum Sachverhalt:

Der Erblasser, dessen Geschwister die Bet. 1 bis 3 sind, hat am 23. 10. 1963 die amerikanische Staatsangehörigkeit erworben. Am 5. 2. 1985 heiratete er in Mexiko die Bet. zu 4; aus dieser Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Der Erblasser ist am 24. 4. 1986 als Eigentümer eines im Grundbuch von ... verzeichneten Flurstücks eingetragen worden. Dieses Grundstück ist ihm zu einem Meistgebot von 415000 DM am 13. 1. 1986 zugeschlagen worden. Der Bet. zu 1 hat die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn und seine beiden Schwestern (Bet. zu 2 und 3) als Miterben zu je 1/6 ausweist. Die Bet. zu 4 hat dagegen einen gegenständlich beschränkten Erbschein als Alleinerbin betreffend das in der Bundesrepublik belegene mobile und immobile Vermögen des Erblassers beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, daß sie nach dem Urteil eines texanischen Nachlaßgerichts vom 10. 7. 1987 zu 100 % Erbin des Gesamtgutes an Immobiliar- und Mobiliarvermögen und zu 50 % des getrennten eigenen Immobiliarvermögens geworden sei. Getrenntes Immobiliarvermögen in Deutschland sei aber nicht vorhanden.

Das NachlaßG hat den Antrag der Bet. zu 4 auf Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin zurückgewiesen und angekündigt, dem Antrag der Bet. 1 bis 3 zu entsprechen. Das LG hat die Beschwerde der Bet. zu 4 zurückgewiesen. Dabei ist es davon ausgegangen, daß die Bet. zu 4 bei Eheschließung die nordamerikanische Staatsangehörigkeit besessen habe. Die weitere Beschwerde der Bet. zu 4, mit der sie zu ihrer Staatsangehörigkeit geltend macht, immer ausschließlich Japanerin gewesen zu sein, hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

II. B. 2. a) Der Erblasser, nach dem die Ausstellung eines Erbscheins beantragt wird, war Angehöriger der Vereinigten Staaten von Nordamerika, wo er seinen letzten Wohnsitz und Aufenthalt hatte. Damit liegt ein Fall der Auslandsberührung vor, der - in jeder Verfahrenslage - zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit des angegangenen Nachlaßgerichtes zwingt (vgl. BayObLGZ 1980, 276 (279)). Diese war gegeben, denn auf die Erbfolge, soweit sie der Erbschein bezeugen soll, ist kraft Rückverweisung (dazu nachfolgend unter 3) deutsches Sachrecht anzuwenden (vgl. BayObLGZ 1974, 223; 1975, 86 ff. = NJW 1975, 1075; BayObLGZ 1980, 42 ff.). Hiervon ist auch das LG ausgegangen.
b) Die örtliche Zuständigkeit des NachlaßG folgt, wie das LG zutreffend feststellt, aus  § 73 III 1 FGG, da in seinem Bezirk das Grundstück liegt, als dessen Eigentümer der Erblasser eingetragen ist.
3. Die Rechtsnachfolge für den am 11. 11. 1986 gestorbenen Erblasser richtet sich nach deutschem Recht.
Gem. Art. 25 I EGBGB - in der mit Wirkung ab 1. 9. 1986 (vgl. Art. 220 EGBGB) durch das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts (IPRG) vom 25. 7. 1986 (BGBl I, 1142) eingeführten Fassung - unterliegt die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte. Die Verweisung dieser Kollisionsnorm stellt eine Gesamtverweisung dar; in Bezug genommen wird daher das letzte Heimatrecht des Erblassers unter Einschluß seiner IPR-Normen (Art. 4 I 1 EGBGB, BWNotZ 1987, 97 ff.; u. a. auch BayObLGZ 1974, 223 (224)).
Da es hinsichtlich der Erbfolge kein einheitliches bundesstaatliches Kollisionsrecht in den Vereinigten Staaten gibt (vgl. Ferid-Firsching, Int. ErbR VI, US-Grundzüge C I Rdnr. 35 d, S. 40/6), kommt man über die Unteranknüpfung "letztes Domizil' oder "letzter Aufenthalt' (vgl. u. a. BayOblGZ 1980, 42 (46)) zum Recht des Staates Texas. Die im Wege der Gesamtverweisung angesprochenen gewohnheitsrechtlichen, in Übereinstimmung mit dem Recht der übrigen US-Gliedstaaten stehenden, erbrechtlichen Kollisionsnormen des Staates Texas bringen, soweit es den unbeweglichen in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Nachlaß (immovables) betrifft, eine Rückverweisung auf die lex rei sitae, also auf deutsches Recht (vgl. Ferid-Firsching, US-Grundzüge C I Rdnr. 35 e, S. 40/6 und 40/7, sowie Rdnr. 36, S. 40/9; BayObLGZ 1980, 42 (46)).
Das deutsche Recht beachtet diese Rückverweisung und sieht sie als Rückverweisung auf seine erbrechtlichen Sachnormen an (Art. 4 I 2 EGBGB; vgl. auch Siehr, IPRax 1987, 5). Damit kommt, wie die Beschwerdekammer in Übereinstimmung mit der Auskunft des Instituts für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht der Universität zutreffend angenommen hat, hinsichtlich des in der Bundesrepulik Deutschland gelegenen (nur) unbeweglichen Nachlasses deutsches Recht auf die Erbfolge zur Anwendung. Sollte sich in den Vereinigten Staaten weiteres bewegliches oder unbewegliches Vermögen befinden, ist von zwei getrennten Nachlässen, von einer sog. "Nachlaßspaltung" auszugehen.
Im vorliegenden Fall geht es nur um das in der Bundesrepublik Deutschland belegene unbewegliche Vermögen, so daß die Erbfolge sich hierfür ausschließlich nach deutschem Erbrecht richtet. Danach ( §§ 1925, 1931 BGB) würde die Bet. zu 4 zur Hälfte der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen, die Bet. 1 bis 3 zu je 1/6.
4. Da gem.  § 1931 III BGB die Vorschriften des  § 1371 BGB unberührt bleiben, hat das LG zu Recht geprüft, ob ein pauschalierter Zugewinnausgleich zu einer Erhöhung des gesetzlichen Erbteils geführt hat. Nach herrschender Meinung (vgl. u. a. Palandt-Heldrich, BGB, 48. Aufl. (1989), Art. 15 EGBGB Anm. 4 c mit zahlreichen Nachw.; BayObLGZ 1980, 276 (284); LG Memmingen, IPRax 1985, 41 (42)), der sich der Senat anschließt, ist der Zugewinn nach dem Güterrechtsstatut zu beurteilen. Dies gilt auch, wenn der Zugewinnausgleich pauschaliert durch eine Erhöhung des gesetzlichen Erbteils erfolgt, wie nach  § 1371 I BGB, jedenfalls dann, wenn - wie hier - deutsches Recht als Erbstatut maßgebend ist (vgl. Vekas, IPRax 1985, 24; w. Nachw. bei Palandt-Heldrich, Art. 15 EGBGB Anm. 4 c).
Das LG hat es allerdings unterlassen, anzugeben, welches Recht auf das Güterstatut anzuwenden ist; es hat sich damit begnügt, festzustellen, daß im Zeitpunkt der Eheschließung kein Anhaltspunkt für den Eintritt der Zugewinngemeinschaft des BGB gegeben ist. Das LG hat sich auch nicht damit auseinandergesetzt, daß die Bet. zu 4 möglicherweise - trotz der insoweit anders lautenden Heiratsurkunde - die japanische und nicht die nordamerikanische Staatsangehörigkeit hat. Dies war von der Witwe des Erblassers vorgetragen worden und war auch nach den Angaben in der Wohnsitzanmeldung in ... sowie der Abmeldungsbestätigung nicht fernliegend.

Hierauf beruht aber die Entscheidung nicht. Das LG hat im Ergebnis zu Recht angenommen, daß ein erbrechtlicher Zugewinnausgleich gem.  §§ 1931 III, 1371 I BGB nicht in Betracht kommt.

Nach Art. 15 EGBGB unterliegen die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe dem bei der Eheschließung für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgeblichen Recht. Welches Recht für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgeblich ist, folgt aus Art. 14 EGBGB. Hiernach kommt unter Berücksichtigung aller Umstände (insbesondere nordamerikanische Staatsangehörigkeit des Erlassers, Domizil in Texas, nordamerikanische oder japanische Staatsangehörigkeit der Bet. zu 4, Ort der Eheschließung mit Ehevertrag in Mexiko) in erster Linie texanisches Recht in Betracht, möglicherweise aber auch mexikanisches Recht (Rechtswahlgedanke); japanisches Recht ist eher unwahrscheinlich.

a) Geht man davon aus, daß diese drei denkbaren Rechtsordnungen keine Rückverweisung auf deutsches Güterrecht haben, ist ein erbrechtlicher Zugewinnausgleich ausgeschlossen. Sowohl texanischem Recht (vgl. hierzu Bergmann-Ferid, Int. Ehe- und KindeschaftsR, Länderteil Vereinigte Staaten von Amerika, Texas, S. 215f) als auch japanischem Recht (vgl. japanisches Bürgerliches Gesetzbuch vom 22. 12. 1947 i. d. F. von 1966  Art. 755 ff.; in Bergmann-Ferid, Länderteil Japan, S. 18) als auch mexikanischem Recht (vgl. Das mexikanische Zivilgesetzbuch für den Bundesdistrikt und die Territorien, Art. 97 ff. und 178 ff., in Bergmann-Ferid, Länderteil Mexiko, S. 15 und 21) ist ein gesetzlicher Güterstand der Zugewinngemeinschaft mit pauschaliertem erbrechtlichen Ausgleich fremd. In Fällen eines ausländischen Güterstatuts kann ein erbrechtlicher Zugewinnausgleich auch bei deutschem Erbstatut nicht stattfinden (vgl. auch Clausnitzer, IPRax 1987, 102; Vekas, IPRax 1985, 24).

b) Aber auch wenn die ausländischen Rechte auf deutsches Güterrecht zurückverweisen, kommt jedenfalls im vorliegenden Einzelfall ein erbrechtlicher Zugewinnausgleich nicht in Betracht. Eine Zurückverweisung (wie beim Erbrechtsstatut ja auch; vgl. oben II 3) ist allerdings nicht fernliegend. Gerade das nordamerikanische Rechtssystem (und damit auch des Staates Texas) erklärt für die Beurteilung der güterrechtlichen Verhältnisse an "immovables" die lex rei sitae für maßgeblich (vgl. Bergmann-Ferid, Länderteil Vereinigte Staaten von Amerika, S. 56; vgl. auch Ferid-Firsching, US-Grundzüge C I Rdnr. 38, S. 40/42), wobei dieser Grundsatz durch den weiteren Grundsatz der dinglichen Surrogation beschränkt wird (vgl. Bergmann-Ferid, S. 57). Bei Grundbesitz in der Bundesrepublik Deutschland ist demnach - da die Rückverweisung gem. Art. 4 I 2 EGBGB angenommen wird - im Todesfall der Ausgleich nach  § 1371 BGB zu beachten, und zwar (mit Einschränkungen) auch bei Erwerb des Grundbesitzes erst in der Ehe (vgl. dazu im einzelnen Ferid-Firsching, US-Grundzüge C II Rdnr. 38 g, S. 40/46 ff. und Grundzüge C III, S. 40/164 ff.; ausdrücklich mit entsprechendem Beispiel auch Rdnr. 61 b, S. 40/184 und 40/185).

Selbst wenn texanisches (oder japanisches oder mexikanisches) Recht auf das deutsche Recht zurückverweist und der renvoi angenommen wird (Art. 4 I 2 EGBGB), greift  § 1371 I BGB hier nicht ein. Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht nämlich darin, daß der Erblasser und die Bet. zu 4 bei ihrer Eheschließung in Mexiko einen Ehevertrag abgeschlossen haben, in dem sie angekreuzt haben "este contrato de matrimonio esta sujeto al regimen de sociedad conyugal' (d. h.: dieser Ehevertrag unterliegt der Regelung der ehelichen Gütergemeinschaft). Dies entspricht im wesentlichen Art. 97 V i. V. mit Art. 178-234 des mexikanischen Zivilgesetzbuches für den Bundesdistrikt und die Territorien (vgl. Bergmann-Ferid, Länderteil Mexiko, S. 15 f. und 21). Auch nach deutschem Recht, das ja ebenfalls Vereinbarung von Gütergemeinschaft durch Ehevertrag kennt ( §§ 1415 ff. BGB), ist dieser Ehevertrag zu beachten. Eine Zugewinngemeinschaft nach BGB ist danach nie entstanden.

Es kommt daher weder bei Anwendung der Sachnormen texanischen, japanischen und mexikanischen Rechts eine Erhöhung des gesetzlichen Erbteils durch pauschalierten Zugewinnausgleich in Betracht noch bei Anwendung der jeweiligen Kollisionsnormen, selbst wenn diese auf deutsches Güterrecht verweisen. Denn auch bei deutschem Güterstatut fehlt es an einer Zugewinngemeinschaft, die auszugleichen wäre.

c) Soweit die ausländischen güterrechtlichen Sachnormen dazu führen, daß der Umfang des Nachlasses möglicherweise verringert wird, läßt dies die Erbquote unberührt. Das allein maßgebliche deutsche Erbstatut führt gem.  §§ 1931 I, 1925 BGB dazu, daß die Bet. zu 4 zur Hälfte der in Deutschland belegenen (unbeweglichen) Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen ist, die Bet. 1 bis 3 jeweils zu 1/6.

Auch unter Berücksichtigung, daß es hier um einen gegenständlich beschränkten Erbschein geht, können bei der Erbscheinserteilung eventuelle den Umfang des Nachlasses betreffende güterrechtliche Vorschriften sowie das Urteil des Nachlaßgerichts Nr. 4 des Kreises Texas/USA vom 10. 7. 1987 nicht beachtet werden. Denn nicht in den Erbschein gehören Angaben über den Umfang des Nachlasses (vgl. Palandt-Edenhofer, § 2353 Anm. 4 und  § 2369 Anm. 3). Der Erbschein wird für das sich in Deutschland befindliche Immobilienvermögen des Erblassers erteilt. Eine andere Frage ist, welchen Umfang dieses Immobilienvermögen hat, insbesondere, ob die Eintragung des Erblassers als Alleineigentümer in das Grundbuch richtig ist oder nicht. Diese Fragen sind im Erbscheinserteilungsverfahren jedoch nicht zu klären.

Entscheidend ist, daß die Bet. zu 4 nicht Alleinerbin des unbeweglichen Vermögens des Erblassers in Deutschland geworden ist. Ihr diesbezüglicher Antrag, der auch nicht geändert wurde (vgl. Palandt-Edenhofer § 2353 Anm. 3), wurde deshalb zutreffend von den Vorinstanzen zurückgewiesen.

Weiter ist entscheidend, daß die gesetzliche Erbfolge für das in der Bundesrepublik Deutschland belegene Grundstück entsprechend dem Antrag der Bet. zu 1 bis 3 eingetreten ist. Das NachlaßG durfte daher den entsprechenden Vorbescheid erlassen und das LG die hiergegen gerichtete Beschwerde zurückweisen.