IPR: Güterrechtliche Qualifikation der pauschalen
Erhöhung des Ehegattenerbteils nach § 1371 BGB; Qualifikation, Substitution,
Angleichung; hinkende Rechtsverhältnisse
BGH, Beschluss vom 13. Mai 2015 - IV
ZB 30/14 - OLG Frankfurt am Main
Fundstelle:
NJW 2015, 2185
BGHZ 205, 289
Amtl. Leitsatz:
Der pauschale
Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 1 BGB ist im Sinne der Artt. 15, 25 EGBGB
rein güterrechtlich zu qualifizieren.
Zentrale Probleme:
Eine landmark decision zum internationalen
Privatrecht: Der BGH, der das Problem jahrzehntelang offen gelassen hatte
(s. zuletzt BGH NJW-RR 2013, 201), entscheidet
über die Qualifikation von § 1371 Abs. 1 BGB. Er tut das im Sinne der ganz
h.M., indem er sich für eine rein güterrechtliche Qualifikation entscheidet
(s. bei Rn. 19 ff). Der Sache nach geht es um folgendes
Problem: Kann auch dann, wenn die Erbfolge nicht deutschem Recht untersteht,
auf die güterrechtlichen Verhältnisse der Ehe aber deutsches Recht anwendbar
war, der gesetzliche Ehegattenerbteil pauschal nach 1371 Abs. 1 BGB
erhöht werden? Der BGH bejaht das mit der ganz hM. S. dazu die Anmerkungen
zu
OLG Stuttgart NJW-RR 2005, 740
sowie
LG Mosbach JuS
1999, 296 und
OLG
Karlsruhe NJW 1990, 1420 sowie zuletzt OLG Schleswig NJW 2014, 88.
Auch sonst enthält die Entscheidung lehrreiche Grundaussagen zu Fragen des
Allgemeinen Teils des IPR. Besonders spannend ist dabei die vom BGH
verneinte Frage, ob einen im Wege der Angleichung zu berücksichtigenden
Wertungswiderspruch darstellt, dass bei unterstellter Anwendung deutschen
Erbrechts der überlebende Ehegatte gem. § 1933 BGB gänzlich von der Erbfolge
ausgeschlossen gewesen wäre (s. dazu bei Rn. 41, wo der
Senat auch offenbar sprachlich Erb-und Güterstatut verwechselt, s. dazu die
Klammerbemerkung). Das kann man auch anders sehen: Bei alleiniger Anwendung
deutschen Rechts hätte der Ehegatte dann nämlich nichts bekommen, bei
alleiniger Anwendung griechischen Rechts wäre es bei einer Erbquote von 1/4
geblieben. Stellt es wirklich keinen Wertungswiderspruch dar, wenn er
nunmehr zu 1/2 erbt?
Der vorliegende Fall wäre nach der ab 17.8.2015 geltenden
ErbVO anders zu beurteilen: Ab dann gilt
nämlich als Grundsatz nicht mehr das Staatsangehörigkeitsprinzip (Art. 25
EGBGB), sondern das Aufenthaltsprinzip: Die Erblasserin wäre gem. Art. 21
Abs. 1 ErbVO nach deutschem Recht beerbt
worden.
Vorsicht: Nunmehr hat sich EuGH v. 1.3.2018 - Rs.
C-558/16 (Mahnkopf) unter der ErbVO für eine erbrechtliche Qualifikation
ausgesprochen!
©sl 2015
Gründe:
1 I. Die Erblasserin war
griechische Staatsangehörige und verstarb am 18. Mai 2013 in
Frankfurt am Main. Sie hinterließ keine letztwillige Verfügung. Die
Beteiligten, Sohn (Beteiligter zu 1) und Ehemann (Beteiligter zu 2) der
Erblasserin, streiten um das Erbrecht des Beteiligten
zu 2.
2 Die Erblasserin und der Beteiligte zu 2, ebenfalls griechischer
Staatsangehöriger, hatten am 31. Juli 1983 in Griechenland die Ehe
geschlossen. Am 6. November 2003 kauften sie zwei Eigentumswohnungen in H. .
Die notarielle Kaufvertragsurkunde enthält zu Beginn die Erklärung der
Eheleute, dass sie für die güterrechtlichen Wirkungen ihrer Ehe "mit
sofortiger Wirkung den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft des
deutschen Rechts" wählen.
3 Im Jahr 2007 stellte die Erblasserin beim Amtsgericht - Familien- gericht
- Scheidungsantrag, dem der Beteiligte zu 2 zustimmte. Später beantragte der
Beteiligte zu 2 selbst die Scheidung, während die Erblasserin gegenüber dem
Familiengericht die Rücknahme ihres Antrags erklärte. Durch Zwischenurteil
vom 4. Dezember 2009 stellte das Familiengericht fest, dass für den
güterrechtlichen Ausgleich unter den Eheleuten deutsches Recht Anwendung
finde. Das Scheidungsverfahren wurde bis zum Tode der Erblasserin nicht
abgeschlossen.
4 Am 17. Januar 2014 hat der Beteiligte zu 1 beim Nachlassgericht die
Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn als Miterben zu 3/4 und den
Beteiligten zu 2 als Miterben zu 1/4 des im Inland belegenen Nachlasses der
Erblasserin nach griechischem Recht ausweist. Hiergegen hat der
Beteiligte zu 2 eingewandt, dass der Antrag die zu seinen Gunsten zu
berücksichtigende Erbteilerhöhung nach § 1371 Abs. 1 BGB außer Acht lasse.
5 Das Nachlassgericht hat die für die Erteilung des begehrten Erbscheins
erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Das Beschwerdegericht
hat demgegenüber den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich
die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1,
mit der er seinen Erbscheinsantrag weiterverfolgt.
6 II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
7 1. Das Beschwerdegericht, dessen Beschluss unter anderem in ZEV 2015, 158
veröffentlicht ist, hat ausgeführt, dass die Beteiligten Miterben nach der
Erblasserin zu je 1/2-Anteil geworden seien. Dem Beteiligten zu 2 komme als
Witwer in Anwendung griechischen Erbrechts ein Erbteil von 1/4 zu. Dem stehe
das im Todeszeitpunkt anhängige Scheidungsverfahren nicht entgegen, da die
entsprechenden Ausschlusstatbestände griechischen Rechts nicht erfüllt
seien. Zudem sei zugunsten des Beteiligten zu 2 eine Erbteilerhöhung
um 1/4 gemäß § 1371 Abs. 1 BGB, der aufgrund der wirksamen Wahl des
deutschen Güterrechts durch die Eheleute einschlägig sei, vorzunehmen.
Dieser pauschalierte Zugewinnausgleich sei trotz Zusammentreffens von
deutschem Güterrechtsstatut und ausländischem Erbstatut möglich, da das
griechische Recht, das schon keine güterrechtlichen Ansprüche im Todesfall
vorsehe, mit der gesetzlichen Erbquote keinen güterrechtlichen Ausgleich
bewirken wolle. Angesichts der dem deutschen Recht entsprechenden
gesetzlichen Erbquote des überlebenden Ehegatten nach griechischem Recht
stelle sich die Frage der Erforderlichkeit einer Anpassung der Erbquoten
nicht.
8 2. Das hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Dem
Beteiligten zu 1 ist der von ihm begehrte Erbschein nicht zu erteilen.
9 a) Soweit der Beteiligte zu 1 rügt, das Beschwerdegericht sei seiner
Pflicht zur Ermittlung der Erbausschlussgründe nach griechischem Recht nicht
hinreichend nachgekommen, kann dahinstehen, ob das zutrifft.
10 Richtig ist allerdings, dass aufgrund der Verweisung des Art. 25 Abs. 1
EGBGB, die das griechische Kollisionsrecht gemäß Art. 28 des
Zivilgesetzbuches (ZGB) annimmt, für die Rechtsnachfolge nach der
Erblasserin griechisches Recht maßgeblich ist. Zutreffend ist auch, dass der
Tatrichter den Inhalt des zur Anwendung berufenen ausländischen Rechts von
Amts wegen zu ermitteln hat (vgl. BGH, Beschluss vom 30. April 2013 - VII ZB
22/12, WM 2013, 1225 Rn. 39; Keidel/Sternal, FamFG 18. Aufl. § 26 Rn. 26;
Prütting in Prütting/Helms, FamFG 3. Aufl. § 26 Rn. 18).
11 Ob dem Beschwerdegericht - wie der Beteiligte zu 1 geltend macht und was
auch Gegenstand einer Überprüfung im Rahmen der Rechtsbeschwerde nach dem
FamFG sein kann (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2013 - V ZB 197/12, BGHZ
198, 14 Rn. 24) - insoweit Verfahrensfehler unterlaufen sind, kann hier aber
offen bleiben, weil ein eventueller Verfahrensfehler jedenfalls nicht
entscheidungserheblich wäre. Dem Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1
könnte auch in diesem Fall keine Folge gegeben werden. Selbst wenn das
Beschwerdegericht bei der von der Rechtsbeschwerde vermissten weiteren
Ermittlung der Erbausschlussgründe nach griechischem Recht zu dem Ergebnis
gelangt wäre, dass es an der Erbberechtigung des Beteiligten zu 2 zur Gänze
fehlte, hätte die Beschwerde des Beteiligten zu 1 keinen Erfolg, da sie auf
die Erteilung eines Erbscheins gerichtet ist, der ein Erbrecht des
Beteiligten zu 2 von einem Viertel bezeugen soll (zur Bindung an den
Erbscheinsantrag vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG 18. Aufl. § 352 Rn. 133).
Seinen ursprünglich auf Erteilung eines ihn als Alleinerben ausweisenden
Erbscheins hat der Beteiligte zu 1 nach der Einziehung dieses Erbscheins
durch das Nachlassgericht gerade nicht weiter verfolgt.
12 b) Geht man - zugunsten der Rechtsbeschwerde - von einer
Erbberechtigung des Beteiligten zu 2 nach griechischem Recht aus, so findet
auch die gesetzliche Erbteilerhöhung gemäß § 1371 Abs. 1 BGB statt.
Das Beschwerdegericht ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die
Erblasserin und der Beteiligte zu 2 für die güterrechtlichen Wirkungen ihrer
Ehe unbeschränkt (hierzu aa)) und wirksam (hierzu bb)) das deutsche Recht
gewählt haben. Die Maßgeblichkeit deutschen Rechts als Güterstatut führt zur
Anwendbarkeit von § 1371 Abs. 1 BGB (hierzu cc)), dessen tatbestandliche
Voraussetzungen nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des
Beschwerdegerichts hier erfüllt sind (hierzu dd)).
13 aa) Soweit die Rechtsbeschwerde beanstandet, dass das Beschwerdegericht
die im notariellen Kaufvertrag vom 6. November 2003 enthaltene
Güterrechtswahl als umfassende Rechtswahl ausgelegt hat, ist damit kein
beachtlicher Rechtsfehler dargetan.
14 Die tatrichterliche Auslegung einer Individualvereinbarung ist vom
Rechtsbeschwerdegericht nur darauf hin zu überprüfen, ob Verstöße gegen
gesetzliche Auslegungsregeln, Verfahrensvorschriften, anerkannte Denkgesetze
oder Erfahrungssätze vorliegen und sich der Tatrichter mit dem
Verfahrensstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat (st.
Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2013 - XII ZB 434/12, NJW 2014,
294 Rn. 19; Urteil vom 13. Januar 2011 - III ZR 87/10, BGHZ 188, 71 Rn. 14).
Solche Rechtsfehler sind nicht ersichtlich und werden auch von der
Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt.
15 Bei der Rüge, dass die Rechtswahl nach Sinn und Zweck des
Beurkundungsvorgangs als lediglich auf das unbewegliche Vermögen beschränkt
anzusehen sei, handelt es sich um die bloße Mitteilung des eigenen
Auslegungsergebnisses des Beteiligten zu 1, ohne dass sich daraus ein
Rechtsverstoß des Beschwerdegerichts ablesen ließe.
16 bb) Ebenso bestehen keine Bedenken dagegen, dass das Beschwerdegericht
die getroffene Rechtswahl als wirksam angesehen hat.
17 Die Ausführungen der Rechtsbeschwerde zu den Grenzen der
Rechtskraftwirkungen des in der Verbundsache Zugewinn ergangenen
Zwischenurteils des Familiengerichts gehen ins Leere, da sich das
Beschwerdegericht an dessen Ergebnis nicht gebunden gesehen, sondern
lediglich "zur Vermeidung von Wiederholungen" auf dessen Begründung Bezug
genommen hat.
18 Der Einwand, dass die notarielle Beurkundung der Rechtswahl gemeinsam mit
einem Vertrag zwischen den Eheleuten und einer dritten Person nicht der mit
den Art. 15 Abs. 3, Art. 14 Abs. 4 Satz 1 EGBGB bezweckten Schutzfunktion
gerecht werde, verfängt ebenso nicht. Der Gesetzgeber sah das besondere
Formerfordernis aus Gründen der Rechtsklarheit und im Hinblick auf die
unerlässliche Beratung der Eheleute vor (so die Regierungsbegründung zu Art.
14 Abs. 5 EGBGB-E, BT-Drucks. 10/504 S. 57). Dass die Aufnahme der
Rechtswahl in eine Kaufvertragsurkunde die Rechtsklarheit gefährden würde,
ist nicht erkennbar. Auch gilt die Belehrungspflicht des Notars nach § 17
Abs. 1 Satz 1 BeurkG unabhängig davon, ob er die Rechtswahl isoliert oder
gemeinsam mit anderen Erklärungen der Eheleute oder auch eines Dritten
beurkundet. Der durch die besondere Formvorschrift vermittelte Schutz der
Eheleute erfuhr allein dadurch, dass der Verkäufer der Eigentumswohnungen
aufgrund der gemeinsamen Beurkundungsverhandlung von der Güterrechtswahl der
Eheleute erfuhr, keine Einschränkung.
19 cc) Ist
deutsches Recht danach Güterstatut, so ist der Anwendungsbereich von § 1371
Abs. 1 BGB unabhängig vom einschlägigen Erbstatut eröffnet.
20 (1) Die Anwendbarkeit der Vorschrift hängt in Sachverhalten mit
Auslandberührung von ihrer kollisionsrechtlichen Qualifikation ab, die seit
jeher umstritten ist. Während sich früher noch einige Stimmen in der
Literatur für eine rein erbrechtliche Einordnung aussprachen (vgl.
statt aller: Staudinger/Firsching, 12. Aufl. Vorb. zu Art. 24-26 EGBGB Rn.
227 m.w.N.), entspricht es inzwischen einhelliger Auffassung, dass
die Norm zumindest auch güterrechtlich zu qualifizieren ist. Die Meinungen
gehen indes darüber auseinander, ob und gegebenenfalls unter welchen
Voraussetzungen der pauschalierte Zugewinnausgleich durch Erbteilerhöhung
stattzufinden hat, wenn aufgrund kollisionsrechtlichen Auseinanderfallens
von Güter- und Erbstatut neben deutschem Güterrecht ausländisches Erbrecht
zur Anwendung berufen ist.
21 Nach einer Meinung ist § 1371 Abs. 1 BGB rein güterrechtlich zu
qualifizieren, so dass dessen Anwendungsbereich bei Maßgeblichkeit deutschen
Rechts als Güterstatut unabhängig vom einschlägigen Erbstatut eröffnet ist
(OLG Hamm IPRax 1994, 49, 53; OLG München ZEV 2012, 591, 593;
Erman/Hohloch, 14. Aufl. Art. 15 EGBGB Rn. 37; Soergel/Schurig, 12. Aufl.
Art. 15 EGBGB Rn. 40; Staudinger/Dörner, (2007) Art. 25 EGBGB Rn. 34 ff.;
Staudinger/Mankowski, (2010) Art. 15 EGBGB Rn. 346-348; W. Kössinger in
Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung 4. Aufl. § 5 Rn. 17;
Dörner, IPRax 2014, 323, 325; Looschelders, IPRax 2009, 505, 509; Mankowski,
ZEV 2014, 121, 122-124).
22 Nach der Gegenansicht kann der erbrechtliche Zugewinnausgleich keiner
Normengruppe eindeutig zugeordnet werden, weshalb er sowohl güter- als auch
erbrechtlich zu qualifizieren sei und damit nur zum Zuge komme, wenn
deutsches Recht Güter- und Erbstatut sei (OLG Köln ZEV 2012, 205, 206;
MünchKomm-BGB/Birk, 5. Aufl. Art. 25 EGBGB Rn. 158; Lange/Kuchinke, Erbrecht
5. Aufl. S. 50 Fn. 72).
23 Zwischen diesen beiden Positionen haben sich darüber hinaus zwei
äquivalenzorientierte Lösungsansätze herausgebildet: Der eine, den das
Beschwerdegericht zugrunde legt, sieht ausgehend vom rein güterrechtlichen
Ansatz den Anwendungsbereich des § 1371 Abs. 1 BGB als eröffnet an, wenn das
neben dem Güterstatut berufene Erbstatut dem deutschen Erbrecht insoweit
entspricht, als die gesetzliche Erbquote des überlebenden Ehegatten nicht
zugleich einen güterrechtlichen Ausgleich beinhaltet (OLG Frankfurt FamRZ
2015, 144, 145 (21. Zivilsenat); OLG Schleswig ZEV 2014, 93, 95; OLG
Düsseldorf, Beschluss vom 10. März 2015 - I-3 Wx 196/14, juris; MünchKomm-BGB/Siehr,
6. Aufl. Art. 15 EGBGB Rn. 107; MünchKomm-BGB/Dutta, 6. Aufl. Art. 25 EGBGB
Rn. 157; Palandt/Thorn, 74. Aufl. Art. 15 EGBGB Rn. 26; Kropholler,
Internationales Privatrecht 6. Aufl. S. 353). Der andere mildert die strenge
Begrenzung des pauschalierten Zugewinnausgleichs durch die
Doppelqualifikation dadurch ab, dass er ihn auch bei ausländischem Erbstatut
als eröffnet ansieht, wenn das einschlägige Erbrecht äquivalent zum
deutschen Recht eine dem § 1371 Abs. 1 BGB entsprechende Vorschrift kennt
(OLG Düsseldorf MittRhNotK 1988, 68, 69 (aufgegeben durch OLG Düsseldorf,
Beschluss vom 10. März 2015 aaO, OLG Frankfurt ZEV 2010, 253, 253 f. (20.
Zivilsenat); OLG Stuttgart ZEV 2005, 443, 444).
24 (2) § 1371 Abs. 1 BGB ist i.S. der Art. 15, 25 EGBGB rein
güterrechtlich zu qualifizieren.
25 (a) Zweck der Vorschrift ist es, den Güterstand als Sonderordnung des
Vermögens der Eheleute während und aufgrund ihrer Ehe abzuwickeln, nicht
aber den Längstlebenden kraft seiner nahen Verbundenheit mit dem
Verstorbenen an dessen Vermögen zu beteiligen (vgl. Kegel/Schurig,
Internationales Privatrecht 9. Aufl. S. 853 f.). Der Gesetzgeber hatte bei
Einführung des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft erkannt,
dass der Ausgleich des Zugewinns durch Gewährung einer Ausgleichsforderung
auf die Schwierigkeit stößt, exakte Feststellungen über Bestand und Wert des
Anfangs- sowie des Endvermögens zu treffen, und diese Schwierigkeit
besonders groß ist, wenn ein Ehegatte verstorben ist, da die Erben über den
Bestand des Anfangsund Endvermögens des Erblassers gemeinhin nicht Bescheid
wissen und der Eintritt des Güterstandes in diesen Fällen nicht selten
längere Zeit zurückliegt (vgl. Massfeller/Reinicke, Das
Gleichberechtigungsgesetz 1958 § 1371 BGB unter 1). Die damit einhergehenden
Probleme sollten durch die Pauschalierung des § 1371 Abs. 1 BGB vermieden
werden, von welcher der Gesetzgeber annahm, dass sie tendenziell der
güterrechtlichen Lage entspricht (Muscheler, Erbrecht I 2010 Rn. 1423).
Rechtstechnisch wählte er hierzu den Weg der Erhöhung des gesetzlichen
Erbteils, die zu einer Erweiterung der unmittelbaren Beteiligung des
Längstlebenden am Vermögen des Erstversterbenden führt, jedoch nichts an
ihrer Einordnung als "besondere Art des Zugewinnausgleichs" (Bericht des
Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, BT-Drucks. 2/3409, S. 16
f., 20, sowie des Unterausschusses "Familienrechtsgesetz" BAnz. Nr. 154 vom
10. August 1956 S. 11, 13) ändert, die der Gesetzgeber durch die Wahl des
Worts "verwirklicht" zum Ausdruck gebracht hat (Massfeller/Reinicke aaO
unter 2).
26 (b) Die gegen die rein güterrechtliche Qualifikation vorgebrachte Kritik
überzeugt nicht.
27 Der Einwand, dass die Erhöhung einer ausländischen Erbquote eine
verfälschte Anwendung des ausländischen Erbrechts darstelle und in die
Verbindlichkeit des Erbstatuts eingreife (OLG Köln ZEV 2012, 205, 206; OLG
Stuttgart ZEV 2005, 443, 444), übersieht, dass die Nichtanwendung des § 1371
Abs. 1 BGB in diesen Fällen das deutsche Güterrecht unzulässig verkürzen und
damit die gleichermaßen anzuerkennende Verbindlichkeit des Güterstatuts
vernachlässigen würde.
28 Zu kurz greift auch der Gedanke, dass die pauschale Erbteilerhöhung den
Anteil der anderen kraft Gesetzes berufenen Erben ebenso mindere wie etwaige
Pflichtteilsansprüche (MünchKomm-BGB/Birk, 5. Aufl. Art. 25 EGBGB Rn. 158).
Ungeachtet der Frage, ob diese Rechtsfolgen nicht gerade im anwendbaren
Güterstatut ihre Rechtfertigung finden, berücksichtigen die Vertreter dieser
Auffassung nicht, dass der von ihnen befürwortete schuldrechtliche
Zugewinnausgleich gemäß den §§ 1373 ff. BGB das Erbrecht der gesetzlichen
Erben sowie bestehende Pflichtteilsansprüche ebenfalls und mangels
höhenmäßiger Beschränkung auf ein Viertel des Nachlasswerts unter Umständen
nachhaltiger beeinträchtigen könnte als die pauschale Erbteilerhöhung (vgl.
Dörner, IPRax 2014, 323, 325).
29 Dass § 1371 Abs. 1 BGB tatsächlich keinen Zugewinn des verstorbenen
Ehegatten voraussetzt, ist lediglich Ergebnis der gesetzlichen Fiktion der
Wertgleichheit von Erhöhungsviertel und Zugewinnanteil (vgl. Soergel/Schurig,
12. Aufl. Art. 15 EGBGB Rn. 40), die ihre Grundlage im deutschen Güterrecht
hat und damit an der güterrechtlichen Qualifikation der Vorschrift nichts zu
ändern vermag (a.A. Staudinger/Firsching, 12. Aufl. Vorb. zu Art. 24-26
EGBGB Rn. 227). Das Gleiche gilt für die Überlegung, dass der
Erhöhungstatbestand vom Bestehen eines gesetzlichen Erbteils des
Längstlebenden abhänge und danach zwar nicht ehevertraglich, aber
erbrechtlich z.B. aufgrund letztwilliger Verfügung des Erblassers oder als
gesetzliche Folge des § 1933 BGB ausgeschlossen sein könne (vgl. Staudinger/Firsching
aaO). Dies folgt ausschließlich aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber zur
Verwirklichung der Zugewinn-ausgleichspauschale den Weg des Erbrechts
bevorzugt hat, was deren güterrechtliche Ausgleichsfunktion indessen nicht
in Frage stellt.
30 (3) Die güterrechtliche Qualifikation ist durch keine
äquivalenzorientierte Betrachtung des einschlägigen Erbstatuts zu ergänzen.
31 (a) Die vermittelnde Ansicht, die eine Übereinstimmung des einschlägigen
Erbrechts mit dem deutschen insoweit fordert, als die gesetzliche Erbquote
des überlebenden Ehegatten nicht zugleich einen güterrechtlichen Ausgleich
enthalten dürfe, vermengt Fragen der Qualifikation der ausländischen
Nachlassbeteiligung sowie der international-privatrechtlichen Anpassung mit
der Qualifikation des § 1371 Abs. 1 BGB sowie der Substitution seiner
Tatbestandsmerkmale:
32 Soweit das als Erbstatut maßgebliche Recht eine Beteiligung des
längstlebenden Ehegatten am Nachlass des erstversterbenden - zumindest auch
- unter Abgeltung seiner güterrechtlichen Beteiligung vorsieht, ist zunächst
zu klären, ob diese Regelung nach der lex fori (vgl.
Senatsbeschluss vom 12. Juli 1965 - IV ZB 497/64, BGHZ 44, 121, 124)
erbrechtlich zu qualifizieren ist.
33 Ist dies der Fall, so ist weiter zu fragen, ob das
Tatbestandsmerkmal des "gesetzlichen Erbteils" durch diese Beteiligung
ersetzt werden kann. Die Möglichkeit der Substitution des deutschen
Rechtsbegriffs durch die ausländische Rechtserscheinung hängt davon ab, ob
und inwieweit eine Übereinstimmung in der Funktion der beiden besteht (BGH,
Beschluss vom 4. Oktober 1989 - IVb ZB 9/88, BGHZ 109, 1, 6). Hierzu ist
keine Normidentität erforderlich; vielmehr genügt eine Vergleichbarkeit der
wesentlichen, normprägenden Merkmale (vgl. Kropholler, Internationales
Privatrecht 6. Aufl. S. 232; Mansel in Festschrift Kropholler, 2008 S. 353,
368). Für den Fall des § 1371 Abs. 1 BGB setzt dies voraus, dass das
ausländische Recht dem überlebenden Ehegatten einen echten Anteil am
Nachlass des Erblassers verschafft. Das bedeutet indes nicht, dass dieser
keine Elemente eines güterrechtlichen Ausgleichs enthalten dürfte, zumal
jene im ersten Schritt nicht zur güterrechtlichen Qualifikation der
Beteiligung geführt haben.
34 Findet § 1371 Abs. 1 BGB nach dieser Maßgabe neben einer solchen
erbrechtlichen Beteiligung des überlebenden Ehegatten Anwendung, so ist der
damit einhergehenden Vervielfachung des güterrechtlichen Ausgleichs nicht
auf der Qualifikationsebene zu begegnen; vielmehr ist der aufgrund des
Zusammenspiels von Sachvorschriften verschiedener Rechtsordnungen
entstehende Widerspruch dadurch aufzulösen, dass das Ergebnis der
Normanwendung den Umständen des Einzelfalls angepasst wird (sog. Anpassung
oder Angleichung; vgl. Staudinger/Dörner, (2007) Art. 25 EGBGB Rn. 745;
Kropholler aaO S. 235; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht 2.
Aufl. § 7 Rn. 251).
35 (b) Die andere äquivalenzorientierte Meinung, die verlangt, dass das
einschlägige Erbstatut eine dem pauschalen Zugewinnausgleich entsprechende
Vorschrift kennen müsse, ist schon deshalb abzulehnen, weil sie - ausgehend
von der Theorie der Doppelqualifikation - der güterrechtlichen Qualifikation
des § 1371 Abs. 1 BGB widerspricht (vgl. hierzu bereits II. 2. b) cc) (2)).
36 dd) Danach ist § 1371 Abs. 1 BGB hier einschlägig.
37 Auf Grundlage der insoweit nicht angefochtenen Feststellungen des
Beschwerdegerichts ist der überlebende Ehegatte nach griechischem Erbrecht
neben Verwandten der ersten Ordnung, zu denen die Kinder des Erblassers
zählen, zu einem Viertel der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen.
38 Ob das griechische Recht dem überlebenden Ehegatten daneben unter
Umständen einen schuldrechtlichen Anspruch auf Zugewinnaus-gleich zubilligt
und das Beschwerdegericht das ausländische Sachrecht insoweit - wie die
Rechtsbeschwerde geltend macht - verfahrensfehlerhaft ermittelt hat, ist
dagegen ohne Belang, da die entsprechenden Normen aufgrund ihrer ebenfalls
güterrechtlichen Qualifikation nicht dem griechischen Erbstatut unterfallen
und daher entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hier außer Betracht
zu bleiben haben.
39 Daran ändert auch der Einwand des Beteiligten zu 1 nichts, ein
griechisches Gericht dürfe aufgrund des von ihm zu beachtenden
Kollisionsrechts die Rechtswahl der Eheleute nicht anerkennen, so dass der
Beteiligte zu 2 trotz der erfolgten Erbteilerhöhung dort noch
Zugewinnausgleichsansprüche nach griechischem Recht geltend machen könne.
Denn das darin zum Ausdruck kommende Phänomen des so genannten "hinkenden
Rechtsverhältnisses" geht hier nicht auf die Regelung des § 1371
Abs. 1 BGB, sondern die des Art. 15 Abs. 2 EGBGB zurück, der Eheleuten eine
privatautonome Bestimmung des für sie maßgeblichen Güterstatuts ohne
Rücksicht auf ihr Heimatrecht eröffnet. Es kann von deutschen Gerichten ohne
Missachtung der gesetzlich gewährleisteten Wahlmöglichkeit nicht vermieden
werden.
40 c) Das Ergebnis der kumulativen Anwendung griechischen Erbrechts
und deutschen Güterrechts bedarf hier schließlich keiner Korrektur im Wege
der Anpassung. Dass der dem längstlebenden Ehegatten nach
griechischem Erbrecht zukommende Erbteil einen güterrechtlichen Ausgleich
mitbewirken soll, ist weder vom Beschwerdegericht festgestellt noch von der
Rechtsbeschwerde eingewandt worden.
41 Ein korrekturbedürftiger Wertungswiderspruch ergibt sich
entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch nicht, wenn
zugunsten des Beteiligten zu 1 unterstellt wird, dass der Beteiligte zu 2
nach § 1933 BGB nicht erbberechtigt wäre, womit eine Erberhöhung gemäß §
1371 Abs. 1 BGB bei alleiniger Maßgeblichkeit deutschen Sachrechts genauso
ausgeschlossen wäre wie bei ausschließlicher Anwendung griechischen Rechts.
Scheidet nach einer der beteiligten Rechtsordnungen die Erbberechtigung des
überlebenden Ehegatten gänzlich aus (hier nach Auffassung der
Rechtsbeschwerde nach deutschem Recht), so stellt sich dort die Frage einer
Erhöhung seiner Erbquote von vornherein nicht. Das bedeutet allerdings
nicht, dass eine entsprechend demselben Sachrecht vorgenommene Modifikation
der Erbbeteiligung nach einem anderen Recht (hier nach griechischem Recht)
einen Normwiderspruch zur Folge hätte. Vielmehr stellt die Entscheidung über
das "Ob" der Erbberechtigung nach einem Sachrecht (hier nach deutschem
Recht [Anm.: gemeint ist wohl griechisches Recht]) nicht die Höhe und damit das "Wie" der Erbberechtigung nach einem
anderen Sachrecht (hier nach griechischem Recht [Anm.: gemeint ist
wohl deutsches Recht]) in Frage, auch wenn sich
diese nach dem Sachrecht richtet, das im konkreten Fall einen Erbausschluss
vorsehen würde.
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