Qualifikation im
Internationalen Privatrecht: Stellvertretung bei der Eheschließung als
Formfrage ("Handschuhehe")
BGH, Urt. v. 19.12.1958, IV ZR 87/58
Fundstellen:
BGHZ 29, 137
NJW 1959, 717
Amtl. Leitsatz:
Eine Ehe, die zwischen einem Deutschen und einer Italienerin in Italien
vor einem dort zuständigen Standesbeamten in der Weise geschlossen ist,
daß für den abwesenden deutschen Verlobten ein von diesem bevollmächtigter
Stellvertreter mitgewirkt hat (Handschuhehe), ist nur an dem Ort der
Trauungshandlung (in Italien), nicht auch an dem Ort der
Vollmachtserteilung (in Deutschland) geschlossen. Sie ist auch nach
deutschem Recht formgültig, wenn dabei die Formvorschriften des
italienischen Rechts gewahrt sind, insbesondere die Vollmacht den
Erfordernissen des Art. 111 des italienischen Codice civile genügt.
Zentrale Probleme:
S. die Anm. zu
OLG Zweibrücken v.
8.12.2010 - 3 W 175/10 sowie
BGH v. 29.9.2021 - XII ZB 309/21
©sl 2011
Zum Sachverhalt:
Die Parteien gingen am 9. Juni 1947 in der
Weise eine Ehe ein, daß die Beklagte in Person und für den in Deutschland
weilenden Kläger ein Verwandter der Beklagten, den der Kläger durch eine
am 10. Dezember 1946 in H. (Deutschland) errichtete, notarielle Urkunde
bevollmächtigt hatte, vor dem Standesbeamten in F. (Italien) erschienen
und die nach italienischem Recht zur Eheschließung erforderlichen
Erklärungen abgaben. Der Standesbeamte beurkundete diese Erklärungen und
sprach im Namen des Gesetzes aus, daß die Parteien als Eheleute verbunden
sind. Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger, die Beklagte besaß bei
Abschluß die italienische Staatsangehörigkeit.
Am 28. Dezember 1948 schlossen die Parteien vor einem katholischen
Geistlichen in R. (Italien) nach katholischem Ritus die Ehe. Die
kirchliche Trauung wurde nicht in das italienische Standesregister
überschrieben.
Mit der Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, daß die zwischen
den Parteien geschlossene Ehe nicht besteht.
Er ist der Auffassung, die standesamtliche Eheschließung durch einen
Stellvertreter sei nach deutschem Recht unwirksam.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des
ersten Rechtszuges aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Revision des Klägers blieb erfolglos.
Aus den Gründen:
Das Berufungsgericht hält die am 9. Juni 1947 eingegangene Ehe im
deutschen Rechtsgebiet für wirksam, weil der Eheschließungsort nur F.
(Italien) sei, die Form der Eheschließung sich daher nicht nach deutschem,
sondern ausschließlich nach italienischem Recht bestimme und dessen
Vorschriften beachtet worden seien.
1. Keine Bedenken bestehen gegen die Annahme des Berufungsgerichts, daß
auch für die Eheschließung die Bestimmung des Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EGBGB
gilt, wonach ein Rechtsgeschäft formgültig ist, wenn dabei die an dem Ort
seiner Vornahme geltenden Formvorschriften beobachtet sind. Die Beachtung
der Ortsform genügt, selbst wenn die Form, die das Heimatrecht der
Verlobten für die Trauung vorschreibt, nicht gewahrt ist (RGZ 88, 191;
138, 214,216; 157,257, 259).
2. Das angefochtene Urteil geht, von der Revision insoweit unbeanstandet,
davon aus, daß die Vorschrift des Art. 111 des italienischen Codice civile
(Übersetzung bei Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht 1.
Bd. Italien S. 16), der die Eingehung einer Ehe durch einen
Bevollmächtigten des im Ausland befindlichen Verlobten bei Vorliegen
wichtiger Gründe zuläßt (sog. Handschuhehe), nicht den materiellen
Voraussetzungen der Ehe (Art. 13 Abs. 1 EGBGB), sondern den
Formvorschriften im Sinne des Art. 11 Abs. 1 EGBGB zuzurechnen sei. Dieser
in dem Berufungsurteil nicht näher begründete Ausgangspunkt ist
zutreffend.
a) Die Frage, ob eine Vorschrift des fremden Rechts nach ihrem Zweck und
Sinngehalt als Formvorschrift oder als sachlichrechtliche Bestimmung
aufzufassen ist, hat der deutsche Richter grundsätzlich nach deutschem
Recht zu entscheiden (hM: RGZ 138, 243, 245; Raape in Staudingers
Kommentar zum BGB 1931 Bd. VI, 2. Teil S. 17; derselbe, Internationales
Privatrecht 4. Aufl. S. 103, 105; Nußbaum, Deutsches Internationales
Privatrecht 1932 S. 46; Palandt/Lauterbach, BGB 17. Aufl. Vorbem. 9 zu
Art. 7 EGBGB). Die dem deutschen Richter dabei obliegende Aufgabe ist es,
die Vorschriften des ausländischen Rechts, insbesondere wenn sie eine dem
deutschen Recht unbekannte Rechtsfigur enthält, nach ihrem Sinn und Zweck
zu erfassen, ihre Bedeutung vom Standpunkt des ausländischen Rechts zu
würdigen und sie mit Einrichtungen der deutschen Rechtsordnung zu
vergleichen. Auf der so gewonnenen Grundlage ist sie den aus den Begriffen
und Abgrenzungen der deutschen Rechtsordnung aufgebauten Merkmalen der
deutschen Kollisionsnormen, im vorliegenden Fall dem Begriff der
Formvorschrift oder dem der materiell-rechtlichen Norm zuzuordnen (Raape
in Staudinger aaO Anm. F zu Art. 15 EGBGB S. 338 und S. 19f und
Internationales Privatrecht 4. Aufl. S. 106; Palandt/Lauterbach aaO; RGZ
163, 367, 375; ähnlich Kegel in Soergels Kommentar zum BGB IV. Bd. Vorbem.
I 5 zu Art. EGBGB S. 12, 13).
Sowohl das italienische Recht als auch das deutsche Ehegesetz (§§ 11, 13
Abs. 1) verlangen, daß die Verlobten vor der zur Entgegennahme zuständigen
Amtsperson ihren Eheschließungswillen persönlich und bei gleichzeitiger
Anwesenheit erklären. Während dieser Satz nach dem deutschen Gesetz
uneingeschränkt gilt, läßt es das italienische Recht u. a. zu, daß für
einen im Ausland befindlichen Verlobten aus wichtigen Gründen ein von
diesem bestellter Bevollmächtigter gegenüber der vom Abwesenden in der
Vollmacht genau bezeichneten Person (Art. 111 Abs. 3 Codice civile) die
zur Eheschließung führenden Erklärungen binnen 180 Tagen seit Errichtung
der Vollmacht abgeben kann (Art. 111 Abs. 5 aaO), es sei denn, der
abwesende Verlobte habe die Vollmacht vorher widerrufen (Art. 111 Abs. 6
aaO). Der Vertreter hat dabei nicht wie in einigen mohammedanischen
Rechten die Befugnis, aus eigenem Willensentschluß einen Partner
auszuwählen und mit diesem für den Abwesenden die Ehe zu schließen (vgl.
Deuchler, Festschrift für Raape, Hamburg 1948 S. 86). Auch das
italienische Recht fordert somit die eigenverantwortliche Erklärung beider
Teile, mit dem selbst gewählten Verlobten die Ehe eingehen zu wollen, als
materielle Voraussetzung für das Zustandekommen der Ehe.
Vom Standpunkt des italienischen Rechts her gesehen, ist die Zulassung der
Handschuhehe in Art. 111 des Codice civile eine Ausnahme von den Art. 106
und 107, wonach die Ziviltrauung nur bei gleichzeitiger persönlicher
Anwesenheit beider Verlobten vor dem Standesbeamten vorgenommen werden
kann. Dieser Aufbau der italienischen Vorschriften über die Eheschließung
ist Ansatzpunkt für die Entscheidung der Frage, ob er die Form (Art. 11
Abs. 1 EGBGB) oder eine materielle Voraussetzung (Art. 13 Abs. 1 EGBGB)
der Eheschließung regelt.
b) Unter der Form der Eheschließung im Sinne des Art. 11 Abs. 1 EGBGB ist
nicht nur die äußere Gestaltung der von dem Ehewilligen abzugebenden
Willenserklärungen, sondern auch die Mitwirkung eines Beamten oder
Geistlichen oder etwaiger Hilfspersonen zu verstehen. Zu ihr gehört auch
das vorangegangene Aufgebot (RGZ 88, 191, 193). Das Gebot der
gleichzeitigen Anwesenheit der Verlobten vor dem zuständigen Beamten im
deutschen und italienischen Recht betrifft die äußere Gestaltung der
Eheschließung, wie sich aus der gemeinsamen historischen Wurzel der
betreffenden Vorschriften ergibt.
Die eheliche Bindung wird in beiden Rechten durch einen Willensakt der
Verlobten begründet. Das gegenseitige Versprechen, sich künftig als Mann
und Frau anzugehören, erzeugt die rechtliche Bindung. Ausgangspunkt für
diese Regelung ist das kanonische Recht. Dieses ließ ursprünglich die
Eheschließung durch bloße Willensübereinkunft (nudo consensu) zu. Erst
seit dem Tridentinischen Konzil (1563) wird die Eingehung vor einem
Priester verlangt. Das deutsche wie auch das italienische Recht (Art. 106
und 107 Codice civile) sind dieser Entwicklung gefolgt und verlangen
Abgabe der Erklärung bei gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit der
Verlobten vor einem Organ des Staates oder einem Priester. Die Tatsache
des Eintritts der ehelichen Bindung wurde schon vor Einführung
gesetzlicher Vorschriften in aller Regel durch Riten, besondere
Feierlichkeiten, Zuziehung von Zeugen und Urkundspersonen im Bewußtsein
der Gemeinschaft festgehalten. Der äußere Rahmen, in dem der Konsens der
Verlobten nach Gesetz und Sitte erklärt wird, ändert nichts daran, daß der
übereinstimmend erklärte Wille der Verlobten das wesentliche Element der
Eheschließung geblieben ist. Die gleichzeitige persönliche Anwesenheit der
Ehewilligen vor einem Organ des Staates oder einer Religionsgemeinschaft
dient, wie die Zuziehung von Zeugen, in erster Linie dazu, den Konsens der
Verlobten, die Tatsache, daß die Ehe zwischen ihnen geschlossen ist, über
jeden Zweifel hinauszuheben und den Verlobten bewußt zu machen, daß sie
unwiderrufliche, äußerst wichtige Erklärungen abgeben. Die obligatorische
Mitwirkung eines Geistlichen oder eines staatlichen Organs zielt ferner
darauf ab, durch Feststellung der persönlichen Identität der anwesenden
Verlobten und Prüfung ihrer persönlichen Verhältnisse eine die materiellen
Eheverbote verletzende Eheschließung (Ehe zwischen nahen Blutsverwandten,
Doppelehe, Ehe mit Unmündigen) zu verhindern. Aus diesen Gründen ist im
deutschen Recht uneingeschränkt und im italienischen Recht grundsätzlich
die persönliche und gleichzeitige Anwesenheit der Verlobten vor dem
Standesbeamten vorgeschrieben. Die Sicherung des Beweises, der Hinweis auf
die Bedeutung der abzugebenden Erklärung und die Verhinderung übereilter
und verbotener Rechtsgeschäfte sind aber gerade Sinn und Zweck aller
Formvorschriften (vgl. z. B. §§ 2274, 2276 BGB). Das Erfordernis der
persönlichen und gleichzeitigen Anwesenheit der Ehewilligen und die
Ausnahmeregelung des Art. 111 Codice civile müssen daher als Ausfluß der
in der Neuzeit immer deutlicher hervorgetretenen Formgebundenheit der
Eheschließung und mithin als Formvorschriften im Sinne des Art. 11 Abs. 1
EGBGB angesehen werden (ebenso Raape in Staudingers Kommentar zum BGB 1931
Bd. 6 S. 176, StAZ 1942, 126 und Internationales Privatrecht 4. Aufl. S.
242; Deuchler in Eheschließung von Abwesenden, Berlin 1942, S. 61 ff und
Festschrift für Raape, Hamburg 1948, S. 85 f; Lewald, Das Deutsche
Internationale Privatrecht 1931 S. 86; Kegel in Soergels Kommentar zum BGB
IV. Bd. Anm. II 1 zu Art. 13 EGBGB S. 136; Neuhaus, RabelsZ 1949/50, 580;
LG Hamburg StAZ 1955 S. 61; aA Brandis, StAZ 1927, 131, 133 und
Frankenstein, Internationales Privatrecht 3. Bd. S. 154).
3. Mit der Trauung der Parteien in F. in einer vom italienischen Recht
zugelassenen Form ist demnach gemäß Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EGBGB eine
wirksame Ehe zwischen den Parteien geschlossen, wenn als Eheschließungsort
ausschließlich F. rechtlich in Betracht kommt. Ist dagegen
Eheschließungsort auch H., von wo der Kläger die dort errichtete Vollmacht
abgesandt hat, so ist die durch Stellvertreter vor einem Organ des
italienischen Staats geschlossene Ehe nach deutschem Recht nicht existent
geworden, denn in Deutschland kann eine Ehe gemäß Art. 13 Abs. 3 EGBGB in
Verbindung mit §§ 11 und 13 Abs. 1 EheG, abgesehen von den Fällen des §
15a EheG und den durch Staatsverträge geregelten seltenen Ausnahmen, nur
unter Mitwirkung eines d e u t s c h e n Standesbeamten zustandekommen (Raape
in Festschrift für Kiesselbach, Hamburg 1947, S. 154 und Internationales
Privatrecht 4. Aufl. S. 243; Neuhaus, RabelsZ 1949/50, 580, 581; wohl auch
Kegel in Soergels Kommentar zum BGB IV. Bd. Anm. II 2 zu Art. 13 EGBGB S.
137; Marquordt in Ermans Kommentar Anm. 8b aa zu Art. 13 EGBGB; aA
Lauterbach in Palandt, BGB 17. Aufl. Anm. 6b zu Art. 13 EGBGB, der gemäß §
17 EheG die Handschuhehe nur für vernichtbar hält).
a) Das Berufungsgericht, das, wie schon erwähnt, den Ort der
Trauungshandlung (locus celebrationis), d. h. hier allein F., als
Eheschließungsort ansieht, führt dazu aus: Die Eheschließung sei dort
vollzogen, wo die Konsenserklärungen gegenüber dem zur Vornahme des
Trauungsakts berufenen Organ abgegeben werden. Der Bevollmächtigte möge
nur als Bote fungiert haben. Das ändere aber nichts daran, daß der Konsens
gegenüber dem Standesbeamten in F. erklärt worden sei. Es könne nicht
darauf ankommen, ob der Kläger im Zeitpunkt der Trauung in Deutschland
sich befunden und wo er die Vollmacht ausgestellt habe, da durch die
Errichtung der Vollmacht die Ehe nicht geschlossen worden sei. Nur in F.
sei dem Erfordernis, daß die Konsenserklärungen materiellrechtlich die des
Vollmachtgebers ben seien, Genüge getan worden. Daß für den Inhalt dieser
Konsenserklärungen materiell rechtlich die des Vollmachtgebers maßgebend
sei, sei in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
Die Revision macht dagegen geltend: Die Ehe komme durch die
übereinstimmende Erklärung der Verlobten zustande. Bei der Handschuhehe
nach italienischem Recht bestehe keine Stellvertretung in der
Willensentschließung, sondern eine solche in der Willenserklärung, die
durch einen Boten überbracht werde. Während bei der echten Stellvertretung
in der Willensentschließung das Rechtsgeschäft an dem Ort zustande komme,
an dem der Vertreter handele, sei der Vornahmeort bei der Vermittlung
durch Boten der Platz des Mandates. Daher sei die Konsenserklärung des
Klägers in Deutschland abgegeben und die Ehe der Parteien in Italien und
in Deutschland geschlossen worden.
Diesem Revisionsangriff muß der Erfolg versagt bleiben.
b) Die Kennzeichnung des Vornahmeorts der Eheschließung hat nach den
bereits unter 2 a) dargelegten Grundsätzen zu erfolgen: Der Sinn und die
Bedeutung der die Eheschließung durch einen Bevollmächtigten zulassenden
Vorschrift ist vom Standpunkt des italienischen Rechts her zu erfassen und
an den Begriffen der deutschen Kollisionsnorm, hier dem Begriff des
Vornahmeorts im Sinne des Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, zu messen.
Schon nach dem Wortlaut der italienischen und deutschen Vorschriften wird
die Ehe dort eingegangen, wo die zur ehelichen Bindung führenden
Erklärungen zusammentreffen, also am Amtssitz des zuständigen Beamten oder
Geistlichen, vor dem der Konsens der Ehewilligen zu erklären ist. Die
rechtliche Bindung tritt nach deutschem und italienischem Recht an dem Tag
und dem Ort ein, an dem die die übereinstimmenden Willensäußerungen
abgehenden Personen sich vor dem zur Entgegennahme und Beurkundung
berufenen Organ begegnen. Es kann nichts anderes gelten, wenn ein Teil
durch einen Bevollmächtigten vertreten wird, auch wenn dieser eine vom
Abwesenden ihrem Inhalt nach festgelegte Willensäußerung abgibt.
Das italienische Recht gestattet unter bestimmten Voraussetzungen, daß an
Stelle des Abwesenden dessen Bevollmächtigter gleichzeitig mit dem anderen
Verlobten vor dem Standesbeamten erscheinen darf und in dessen Namen die
Eheschließungshandlung vornimmt; es gestattet nicht, daß ein Beauftragter
einen etwa in der Vollmacht niedergelegten Konsens des Absenders lediglich
formlos aushändigt. Der zur Schließung der Handschuhehe Bevollmächtigte
tritt vielmehr an Stelle des verhinderten Verlobten auf und erklärt den
Konsens gegenüber dem anderen Teil und vor dem Standesbeamten feierlich
unter Beachtung der Formen, die das italienische Recht (Art. 106 und 107
Codice civile) für die Eheschließung bei persönlicher und gleichzeitiger
Anwesenheit der Verlobten vorschreibt. Der Bevollmächtigte im Sinne des
Art. 111 aaO repräsentiert die Person des abwesenden Verlobten bei den
Trauungsförmlichkeiten. Seine Mitwirkung hierbei erschöpft sich nicht in
der bloßen Überbringung einer Willenserklärung, die sein Auftraggeber
zuvor abgegeben hat und die er lediglich zu einer bestimmten Zeit und bei
einer bestimmten Gelegenheit dritten Personen zur Kenntnis bringen soll.
Er ist eben mehr als ein bloßes Werkzeug oder Organ, dessen sich der
abwesende Verlobte zur Erklärung eines von ihm zuvor gefaßten
Willensentschlusses bedient. Auch wenn ihm bei dieser Erklärung keinerlei
Spielraum hinsichtlich des Inhalts der Erklärung gelassen ist, so ist er
deswegen nicht etwa nur ein Bote, sondern »Vertreter in der Erklärung des
Willens«. Die »gebundene Marschroute« steht dem Begriff der Vertretung
nicht entgegen, wie bei Enneccerus Nipperdey, Allg. Teil d. bürgerl.
Rechts 14. Aufl. S. 761 treffend bemerkt wird. Bei der gegenteiligen
Auffassung würde die dem Bevollmächtigten bei der Eheschließung obliegende
Funktion auch von einem Geisteskranken oder einem Kind ausgeübt werden
können. Das wäre aber nicht nur mit der Bedeutung der
Eheschließungshandlung, sondern auch mit der Tatsache unvereinbar, daß der
Bevollmächtigte nicht nur Erklärungen abzugeben, sondern auch die
Erklärung des anwesenden Verlobten sowie die gemäß Art. 107 aaO vom
Standesbeamten abzugebenden Erklärungen entgegenzunehmen hat und daß die
Ehe bereits in dem Augenblick wirksam geschlossen ist, in dem der
Standesbeamte den Erschienenen erklärt, daß die Verlobten nunmehr ehelich
verbunden seien, obwohl der abwesende Verlobte in diesem Augenblick von
dieser Erklärung keine wirkliche Kenntnis erhält, mag sie auch über den
Bevollmächtigten bereits in seinen »Empfangsbereich« gelangt sein. Aus
alledem wird deutlich, daß der Bevollmächtigte mehr ist als ein Bote,
dessen Person hinter der allein maßgebenden Botschaft völlig zurücktritt
und für das Wirksamwerden der zu übermittelnden Erklärung gleichgültig
ist.
Der Kläger hat daher in H. nicht den Konsens zur Eheschließung erklärt und
an einen Boten zur Weiterleitung abgesandt, sondern in Deutschland durch
Errichtung der Vollmacht nur die Voraussetzung geschaffen, daß sein
Bevollmächtigter statt seiner vor dem Standesbeamten in F. erscheinen und
dort für ihn unter Beachtung der Formvorschriften der Art. 106 und 107
Codice civile die zur Eheschließung führenden Erklärungen gegenüber dem
anderen Verlobten abgeben konnte. Er hat also damit in H. die
Eheschließungshandlung in F. nur ermöglicht und vorbereitet, nicht aber
bereits begonnen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die sich auf
Raape (Staudingers Kommentar Bd. 6, 1931 S. 177, 178; Internationales
Privatrecht 4. Aufl. S. 214) und Deuchler (Festschrift für Raape, Hamburg
1948, S. 89) stützende, vom Reichsgericht (RGZ 62, 379, 381) abgelehnte
Auffassung der Revision, daß bei Übermittlung einer Willenserklärung durch
einen Boten ein zweiseitiges Rechtsgeschäft auch am Platze des Mandats
oder am Absendeort vorgenommen ist, zutrifft. Die Ehe der Parteien wurde
nur dort geschlossen, wo die Trauungszeremonie stattfand. F. ist allein
Vornahmeort im Sinne des Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EGBGB (Denselben Standpunkt
nehmen das Kammergericht in dem Urteil vom 28. Oktober 1957 - 8 U 1297/57
- sowie im Schrifttum Neuhaus, RabelsZ 1949/50, 580 und ihm folgend
Schwind, RabelsZ 1954 S. 242, 247; Kegel in Soergels Kommentar zum BGB IV.
Bd. Anm. II 1 zu Art. 13 EGBGB S. 136; Arndt in Ermans Kommentar zum BGB
2. Aufl. Anm. 4 zu Art. 11 EGBGB; M. Wolff, Das Internationale Privatrecht
Deutschlands 1954, § 39 II 3 S. 193 und auch Lewald, Das deutsche
Internationale Privatrecht 1931 S. 86 ein, während die gegenteilige
Meinung von Deuchler in Eheschließung von Abwesenden, Berlin 1942 S. 80f
und Festschrift für Raape, Hamburg 1948 S. 88 f; Raape im Gegensatz zu den
Ausführungen bei Staudinger aaO Bd. 6 S. 176f in StAZ 1942, 126 und
Internationales Privatrecht 4. Aufl. S. 242; Marquordt in Ermans Kommentar
zum BGB 2. Aufl. Anm. 8b aa zu Art. 13 EGBGB, Lauterbach in Palandt, BGB
17. Aufl. Anm. 6b zu Art. 13 EGBGB; LG Kiel, RabelsZ 1949/50 S. 578; LG
Hamburg, StAZ 1955, 61 vertreten wird). Die Formgültigkeit der Ehe der
Parteien ist daher nach italienischem Recht zu beurteilen.
Für die vom Senat vertretene Auffassung streitet auch, wie zusätzlich
bemerkt werden mag, der von Neuhaus (aaO) zutreffend hervorgehobene
Gesichtspunkt des Postulats der internationalen Entscheidungsharmonie auf
dem Gebiet des Eherechts. Im Haager Ehewirkungsabkommen vom 12. Juni 1902
(RGBl 1904, 221), das nach der Bekanntmachung vom 14. Februar 1955 (BGBl
II 188) mit Wirkung vom 1. Mai 1952 im Verhältnis zu Italien wieder
anzuwenden ist, hat sich Deutschland zu dem Grundsatz bekannt, daß Ehen,
die in einem der Vertragsstaaten gültig sind, möglichst auch in den
anderen Vertragsstaaten anerkannt werden. Ziel des Abkommens ist es,
hinkende Ehen zu verhindern. Im Hinblick darauf, daß große Teile Europas
sich wirtschaftlich und politisch immer enger zusammenschließen und der
Verkehr zwischen den Angehörigen der beteiligten Staaten immer weiter an
Umfang und Intensität zunimmt, erscheint es geboten, den von den meisten
Ländern Europas anerkannten Grundsatz des favor matrimonii, dem Art. 5 des
Abkommens vom 12. Juni 1902 und Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EGBGB Geltung
verschaffen wollen, nicht ohne schwerwiegende Gründe zu durchbrechen. Die
Vorschrift des Art. 13. Abs. 3 EGBGB steht der Anwendung dieses
Grundsatzes nicht entgegen. Sie will nur für Eheschließungen im Inland die
Beachtung der für sie allein gültigen Form der standesamtlichen Trauung
sicherstellen, nicht aber eine Eheschließung im Ausland erschweren. Die
Revision weist zur Begründung ihrer abweichenden Ansicht darauf hin, daß
durch eine Eheschließung im Ausland materielle Ehehindernisse umgangen
werden könnten. Dem ist entgegenzuhalten, daß Art. 13 Abs. 3 EGBGB nur die
Form der Eheschließung betrifft. Den Grundsatz, daß die materiellen
Voraussetzungen der Eheschließung sich nach dem Heimatrecht der Verlobten
bestimmen, läßt diese Vorschrift ebenso unberührt wie die Freiheit
deutscher Staatsbürger, im Ausland nach den Formvorschriften des
Ortsrechts eine Ehe einzugehen.
4. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß bei der Eheschließung vom 9.
Juni 1947 die Formvorschriften des italienischen Rechts beachtet worden
sind und daher die Ehe nach diesem Recht formgültig eingegangen ist. An
diese von der Revision nicht angegriffene Auslegung der fremden
Rechtsordnung ist das Revisionsgericht gebunden (§§ 549, 562 ZPO).
5. Art. 30 EGBGB steht der Anerkennung der in Italien formrichtig
geschlossenen Handschuhehe nicht entgegen, wie das Berufungsgericht
zutreffend erkannt hat. Nach dieser Bestimmung könnte nur ein grober
Verstoß gegen die guten Sitten oder den Zweck der deutschen Rechtsordnung
die Unwirksamkeit der Ehe nach deutschem Recht zur Folge haben. Ein
solcher Verstoß liegt nicht vor. Denn der deutsche Gesetzgeber hat selbst
die Einführung der Eheschließung durch Stellvertreter erwogen (Protokolle
der Kommission für die 2. Lesung des Entwurfs des BGB Bd. IV S. 51) und
die Eheschließung von Abwesenden in der Form der Ferntrauung während des
Krieges zugelassen.
6. Anhaltspunkte dafür, daß am 9. Juni 1947 in der Person der Parteien
Ehehindernisse im Sinne des deutschen oder italienischen Rechts vorlagen,
sind nicht ersichtlich. Zwar könnte, weil der Kläger bereits vor der hier
umstrittenen Eheschließung verheiratet war, die Frage aufgeworfen werden,
ob die Scheidung dieser früheren Ehe vom italienischen Recht, das eine
Scheidung nicht kennt (Art. 149 ff aaO), anerkannt wird, oder ob für die
Eheschließung das Ehehindernis des Art. 86 aaO - Bindung durch eine
frühere Ehe - bestand, das gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB auch nach deutschem
Recht beachtlich wäre, da die Beklagte Italienerin war. Die Parteien haben
sich zu dieser Frage nicht geäußert. In dem Protokoll über die
Eheschließung ist der Kläger als »geschieden« bezeichnet. Es heißt darin
ferner, daß sich aus der Prüfung der vorgelegten Dokumente kein Hindernis
zur Vollziehung der Eheschließung ergeben habe. Danach ist offenbar die
Scheidung der früheren Ehe des Klägers von den italienischen Behörden als
rechtswirksam anerkannt. Das entspricht auch der nach Bergmann, Intern.
Ehe- und Kindschaftsrecht 1938 Bd. I S. 294, in Italien herrschenden
Rechtsauffassung, wonach einem im Ausland zwischen Ausländern ergangenen
Scheidungsurteil grundsätzlich keine Bedenken entgegenstehen.
Die Frage bedarf im übrigen keiner Entscheidung. Denn selbst wenn das
bezeichnete Ehehindernis bestanden hätte, würde sowohl nach italienischem
wie auch nach deutschem Recht die Nichtigkeit der Ehe nur durch
Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage geltend gemacht werden können (Art.
117 aaO, § 23 ff EheG).
Nach allem leben die Parteien auch nach deutschem Recht in einer wirksamen
Ehe. Auf die Frage der bürgerlich-rechtlichen Wirkung der am 28. Dezember
1948 vor einem katholischen Geistlichen vollzogenen Trauung der Parteien
kann es nicht mehr ankommen. |